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Die Zukunft im Rückspiegel

Die Zukunft im Rückspiegel

Anstatt sich von dem Joch der Vergangenheit befreien zu wollen, streben Konservative die Wiederherstellung eines Zustands an, dessen retrospektive Romantisierung die Schattenseiten verdeckt.

„Früher, da war alles besser /
Denn jetzt wissen wir ja, wie es aussah /
Alles fest — keine Gefahr droht im Rückblick, die Bilder sind brauchbar /
Im Jetzt ist das Chaos, die Zukunft ist dunkel /
Doch hinter uns alles am Funkeln“

(Prinz Pi „Im Jetzt ist das Chaos (Funkeln)“)

Die alte BRD gibt es schon länger nicht mehr. Und es wird sie auch nie wieder geben. Gleiches gilt für das „good old America“. Auch das ist Geschichte. Und niemand wird es je wieder zurückholen können. Ob hier in Deutschland oder in Übersee — immerzu liegt der Ankerpunkt der Konservativen in einer Rückbesinnung auf das Alte. In den USA verspricht Donald Trump, Amerika „great again“ zu machen, also einen zurückliegenden Zustand „again“ herzustellen. Und hierzulande verspricht — auf parlamentarischer Ebene — die AfD ebenfalls die Wiederherstellung von etwas vormalig Dagewesenem.

Das lässt sich bereits darin ablesen, wie häufig das Wort „wieder“ im Wahlprogramm der AfD im Vergleich zu dem der anderen Parteien vorkommt. Dort erscheint das Wort nämlich — und Heute-Show-Gucker mögen sich über die Zahl amüsieren — 88-mal und bei der anderen Protestpartei BSW 40-mal. Die Union kommt mit 81-mal auf etwa die gleiche Anzahl wie die AfD. Die Grünen haben den Begriff 38-mal, die SPD und die Linke 36-mal und die FDP gerade 22-mal im Programm. Somit ist die AfD Spitzenreiter bei dem Versprechen, etwas wiederherzustellen und zu einem bestimmten Zustand zurückzukehren. Doch weder die hiesige AfD mit Alice Weidel vermag es, die Zeiger der Zeit zurückzudrehen, und auch ein Donald Trump und die ihm angeschlossene MAGA-Bewegung kann die einstige „Greatness“ längst vergangener Tage nicht mehr zurückholen. Das ist diese bittere Pille, die früher oder später viele Hoffende werden schlucken müssen.

Von Polaroid geblendet

Was derzeit, gerade auf Social Media, vielfach zu beobachten ist, ist eine grassierende Retromanie, die dabei ist, krankhafte Züge anzunehmen. Da werden Bilder- und Video-Compilations geteilt, in denen wir das alte Amerika oder die alte BRD sehen, zu einer Zeit, in der alles noch in Ordnung war, oder es zumindest zu sein scheint.

Mitunter werden den Bildern und Videos aus der Vergangenheit solche aus der Gegenwart gegenübergestellt. Um dem ganzen noch mehr Leben einzuhauchen, wird das alte Material mittels modernster Digital-Restaurationstechnik colorisiert und das Bewegtbild verflüssigt. Manch einer, der diese Zeit von damals selbst miterlebte, fühlt sich in alte Tage zurückversetzt, als alles noch sicher und geordnet schien. Das ist im ersten Moment mehr als verständlich.

Die Bilder aus der Vergangenheit sind teils überwältigend, berauschend und vermögen es sogar, bei Menschen Sehnsüchte auszulösen, die diese Zeit nicht miterlebt haben. Selbst bei mir, der 1993 zur Welt gekommen ist und gerade noch die letzten Atemzüge des vergangenen Jahrhunderts beziehungsweise Jahrtausends sinnlich erlebt hat — ja selbst bei mir erzeugt restauriertes Bildmaterial aus den 1960er oder 1970er Jahren eine Sehnsucht. Dabei war ich damals noch nicht einmal auf der Welt. Die Polaroid-Fotos und unscharfen Bewegtbilder der damaligen Zeit geben mir nur eine grobe Vorstellung, wie es gewesen sein muss, zu dieser Zeit gelebt zu haben. Und doch vermittelt dieses Material ein „retro-utopisches“ Gefühl, lässt einen aufseufzen: „Hach, herrlich! Da war die Welt noch in Ordnung!“ Und in der Tat vermittelt das Footage das Gefühl von Ordnung, einer Welt, die im Vergleich zu dem Chaos der Jetztzeit gefestigt und stabil erscheint.

Bleiben wir bei dem Filmmaterial, das die alte BRD zeigt. Dieses teilen gerade AfD-Politiker- wie Wählern in sozialen Netzwerken, verbunden mit der Botschaft: „Seht, so schön war es früher in unserem Land. Seht, was wir verloren haben. Das müssen wir zurückgewinnen. Deswegen #NurNochAfD!“ Nochmals: Die Gefühle von Sehnsucht und Verlust sind im Lichte dieses Bewegtbildes mehr als nachvollziehbar. Warum? Wir sehen aufgeräumte Straßen und Bahnhöfe, einen funktionierenden ÖPNV mit den alten, schönen Triebwagen, hübsche Cafés, stilvoll statt im Schlabberlook gekleidete Menschen, die tatsächlich noch miteinander reden.

Was wir nicht sehen: Von E-Scootern blockierte Bürgersteige, keine Menschen, die im Gehen oder Sitzen gesenkten Hauptes auf ein Kästchen starren, keine digitalen Screens, keine Regenbogen-Fahnen, keine Sicherheitspoller vor Weihnachtsmärkten, keine Lieferservice-Buden mit dazugehörigen Radl-Sklaven, keine Menschen im Talahon-Look und keinen Sommerhimmel, der mit Chemikalien vollgesprüht ist.

Wer wünscht sich diese Zeiten nicht zurück? Doch ein Wunsch, der sich darauf beschränkt, etwas Unwiederbringliches wiederzubeleben, macht blind für die Chancen des Noch-nie-Dagewesenen, welches in der formbaren Zukunft liegt. Insofern darf das retromanische Wunschdenken als ein gedanklicher Nierenstein verstanden werden, der verhindert, dass wir Überschüssiges loswerden und Platz für Neues, wirklich Besseres schaffen.

Die sehnsüchtig gen Rückspiegel gerichteten Blicke können nur aus dem Bann der Vergangenheit befreit werden, indem der vermeintliche Zauber entzaubert wird. War früher denn wirklich alles besser? Und falls ja, aus welchen Gründen und unter welchen Voraussetzungen?

Destillierte Memoiren

Kaum ein Produkt altert so schnell wie Erinnerungen. Hinzu kommt, dass Erinnerungen keine käuflichen Produkte sind, sondern von unserem Gehirn „produzierte“ Bildfetzen, die die eigene Lebenserfahrung archivieren — das jedoch sehr selektiv. Es ist bemerkenswert, wie sehr sich die Genauigkeit von Erinnerungen von Mensch zu Mensch unterscheiden. Während manche nicht einmal bestimmte Erinnerungen einer konkreten Jahreszahl zuordnen können, wissen andere noch genau, was sie im November vor acht Jahren erlebt haben.

Wir sehen also, dass Erinnerungen etwas sehr Selektives sind. „Gelöscht“ beziehungsweise verdrängt wird dabei nicht selten das Unschöne, Problematische und Schmerzhafte der vergangenen Erfahrungen.

Ursächlich dafür ist zum einen der traumatische Charakter der Erfahrung, wodurch es zu einer Abspaltung kommen kann. So ist in der Traumaforschung und -therapie vielfach das wiederkehrende Muster zu beobachten, dass erwachsene Menschen fest davon überzeugt sind, sie hätten eine schöne Kindheit gehabt, obwohl diese von Missbrauch geprägt war. Die schreckliche Erfahrung wird dabei abgespalten. Anders wäre ein Überleben nicht möglich gewesen. Sind die traumatischen Erfahrungen neurologisch quarantänisiert, dann wirkt die Kindheit freilich so, als sei sie durch und durch idyllisch gewesen.

Anders verhält es sich, wenn Erlebnisse in der Vergangenheit, deren Ausgang zum Zeitpunkt des Erlebens ungewiss war, im Nachhinein gut verliefen und die Erfahrung oder die Lebensphase als etwas erfolgreich Bewältigtes abgespeichert werden kann. Das eingangs aufgeführte Prinz-Pi-Zitat verdeutlicht die Verklärung: „Denn jetzt wissen wir ja, wie es aussah / Alles fest — keine Gefahr droht im Rückblick, die Bilder sind brauchbar“. Ganz richtig. Die Bilder sind brauchbar. Gemeint sind in diesem Zusammenhang auch die oben erwähnten, retromanisch aufgeladenen Bilder von früher. Die Bilder der alten BRD sind „brauchbar“, „denn jetzt wissen wir ja, wie es aussah, (….) keine Gefahr droht im Rückblick.“

Das Ungewisse der damaligen Gegenwart ist der nun gegenwärtigen Gewissheit gewichen, wie das „damals“ ausgegangen ist. Vergleichbar mit einem Film, den man bereits einmal gesehen hat und dessen Happy End man kennt. Gemeinhin prophezeien viele Menschen im Bezug auf gegenwärtige Probleme, dass man „später darüber lachen wird“. In der Gegenwart raubt einem die Ungewissheit der bis dato immerzu unbekannten Zukunft das Lachen. Der Ausgang ist nicht bekannt, wenn man durch das bedrohliche Sumpfgebiet der Gegenwart watet. In der Rückschau erwecken die Fußstapfen den Eindruck, man sei sicheren Schrittes durch die damalig ungewisse Gegenwart geschritten. Das war aber zum damaligen Zeitpunkt keinesfalls so.

Durch diese Brille müssen wir die alten Bilder der BRD sehen und stattdessen die Brille mit den rosa Gläsern beiseite legen. Was sehen wir durch diese Gläser nicht? Wir sehen nicht die Sorgen der Menschen vor den großen Angstthemen, die zu jener Zeit bereits geschürt wurden. Damals war es nicht die Klimaerwärmung, sondern die Furcht vor der Eiszeit. Dann war da noch das Waldsterben, das mittlerweile im Memory-Hole verschwundene Ozonloch, der saure Regen, die Auswirkungen von Tschernobyl, die Angst vor einem Atomkrieg und linkem Terror. Ebenso waren in der alten BRD zeitweise Energieprobleme schon ein großes Problem. Manch Ältere erinnern sich vielleicht noch an die autofreien Sonntage, leere Autobahnen und Zapfhähne.

Und betrachten wir noch ältere Bilder, solche etwa aus den 1960er Jahren, dann sehen wir dort gut gekleidete, teils fröhliche Frauen, sehen dabei aber nicht ihre Entrechtung. Ohne schriftliches Einverständnis des Ehemanns ein Bankkonto eröffnen oder einen Beruf annehmen? Keine Chance! Wir sprechen hier nicht vom Mittelalter, sondern von der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der Bundesrepublik, in der wir bis heute leben. Frauen waren in ihrer Freiheit der Lebensführung massiv eingeschränkt. Von den Rechten Homosexueller ganz zu schweigen. Und heute fließen Tränensturzbäche und Strafzahlungen, wenn jemand ein falsches Pronomen verwendet.

Ist somit einfach das Gegenteil der Fall und die Vergangenheit war genauso unsicher, gefährlich und beklemmend wie unsere Gegenwart? Jein. Nebst dem, was der romantisch-retromanische Blick herausfiltert, gab es in der alten BRD zweifelsohne Vorzüge, Vorteile und Errungenschaften, die mittlerweile teilweise oder gänzlich verloren gegangen sind.

Hierzu mehrere Beispiele: Um ein materialistisch reichhaltiges Leben in Wohlstand und im Eigenheim führen zu können, genügte es vielen Familien, wenn der Mann arbeiten ging. Es war im Grunde genommen für jeden möglich, in mehr oder minder guten Verhältnissen mit reichlich Absicherung zu leben. Familien waren nicht darauf angewiesen, dass die Mutter noch einem Beruf oder der Vater einem Nebenjob nachging, um mit der Familie über die Runden zu kommen. Heute gibt es in diesem Land eine Vielzahl allein erziehender Mütter, die ihre Kinder in Kitas abgeben müssen, um sich gezwungenermaßen zur Finanzierung des Lebensunterhalts in teils zwei Berufen abzurackern. Hingegen ist heute keine Frau in so gut wie keinem Bereich noch auf die Unterschrift ihres Ehemanns angewiesen, sofern sie überhaupt einen hat(te).

Ein weiteres Beispiel wäre die Bahn, damals noch Bundesbahn, die dem deutschen Ruf von Pünktlichkeit und Sauberkeit gerecht wurde. Bahnfahrten waren kein Spießrutenlauf zwischen Pannen und Verspätungen, sondern eine zuverlässige Art zu reisen. Die Bahnhöfe waren auch ohne kostenpflichtige Toiletten sauber und auch ohne Mitarbeiter einer Bahnsicherheit konnte sich jeder Reisende sicher fühlen.

Unverkennbar ist auch die wesentlich stärkere Verwurzelung der Menschen in der analogen Welt, was selbstredend damit zusammenhängt, dass Bildschirmmedien damals noch rein stationär und nicht tragbar waren.

Dass Menschen, die noch lange nicht der Waffe namens Smartphone ausgesetzt waren, körperlich, geistig und seelisch ganz und gar anders verfasst waren, zeigen die Bilder der 1960er bis 1990er Jahre mehr als eindeutig. Gerade dann, wenn man sie mit dem allgegenwärtigen Bild vergleicht, welches sich etwa im ÖPNV darbietet. Menschen, von denen gut und gerne 90 Prozent apathisch auf ihre Taschenwanze starren. Das ist ohne Frage ein dystopischer Zustand – ohne Entsprechung in der Vergangenheit.

Analog dazu war ironischerweise trotz sehr geringer Akademikerquote – im Vergleich zur heutigen Überakademisierung — das allgemeine Bildungs- und Sprachniveau wesentlich höher. Damals gab es keine Genderei, Vong-Sprache, Emojis als Begriffsersatz oder den inflationären Gebrauch von Anglizismen. Wer die Möglichkeit hat, alte Briefe aus dem Familienarchiv herauszukramen, wird große Augen machen: Das Geschriebene aus den Federn eines workingclass heros überstieg in Sachen Wortschatz, Satzbau und Schönheit der Formulierung so manche Uni-Abschlussarbeit, auf die sich heute der eine oder andere Akadämliche etwas einbildet.

Halten wir also fest, dass früher nicht alles besser war, sondern nur manches, während andere Politik- und Gesellschaftsfaktoren sich als genauso oder sogar fast schlimmer als in der Gegenwart ausnehmen.

Wir haben nun den Glanz ausgeblichen, der fälschlicherweise die Erinnerungen und Vergangenheitsbildern leuchten lässt und die Licht- und Schattenseiten auseinanderdifferenziert. Nachfolgend wollen wir uns die „lichtvollen“ Seiten der Vergangenheit ansehen, das Licht, wonach die konservativen Bewegungen streben. Dabei gilt der Fokus den Umständen, die ursächlich dafür sind, dass dieses Licht — auch wenn viele das nicht wahrhaben wollen — unwiederbringlich erloschen ist und nur durch ein neues Licht ersetzt werden kann.

Warum früher — fast — alles besser sein durfte

Die abenteuerliche Geschichtslesung der AfD durfte man spätestens bei Alice Weidels Talk mit Elon Musk bestaunen, als sie Adolf Hitler kurzerhand zum Kommunisten umdeklarierte. Wer die Versprechen der AfD für Gegenwart und Zukunft betrachtet, kann herauslesen, dass deren Geschichtsverständnis einer argen und die BRD schönfärbenden Selektion unterliegt. Die Vor-Merkel-BRD, deren strukturelle, ideelle und ökonomische Wiedererrichtung die AfD anstrebt, wird in dieser Betrachtung vollkommen losgelöst von externen Faktoren betrachtet. Es wird dabei gerade so getan, als ginge der damalige Wohlstand allein auf das Konto hart arbeitender Deutscher. Das ist eine sträflich verkürzte Darstellung.

Rufen wir uns einmal in Erinnerung, welche Pläne für Deutschland bereits zum Ende des Zweiten Weltkriegs in den Schubladen der Amerikaner lagen. Da wäre zum einen der Morgenthau-Plan, der nichts Geringeres vorsah, als Deutschland zu einem entmilitarisierten Bauernland zu machen. Hätte dieser Plan Anwendung gefunden, dann wäre es nie zu dem deutschen Wirtschaftswunder gekommen, keine VW-Käfer wären in Scharen von den Fließbändern gekrabbelt und die zertrümmerten Städte hätten noch wesentlich länger Ruinen geglichen.

Dass die BRD zu dem Land wurde, das wir in den retromanischen Bildern bestaunen dürfen, ist in erster Linie der Tatsache zu verdanken, dass die USA dieser Entwicklung ihren Segen und mit dem Marshall-Plan die notwendigen, finanziellen Ressourcen gaben. Dies geschah selbstredend nicht uneigennützig. Zum einen war es Washington daran gelegen, sowohl eine kulturimperial durchsetzte Kolonie und zahlreiche Militär-Stützpunkte im europäischen Herzland zu haben. Zum anderen wurde im Kampf der Systeme eine prosperierende, glänzende und im Wohlstandsspeck badende BRD als kontrastierendes Prestige-Schaufenster benötigt. Es sollte die Vorzüge gegenüber den Missständen im roten Osten hervorheben.

Mit dem Zerfall der Sowjetunion wurde die Vorzeige-Funktion der BRD obsolet. In Übersee brauchte man kein sozial und wirtschaftlich vitales Deutschland mehr, um eine systemische Überlegenheit — oder zumindest ihren Anschein — zu demonstrieren. Auch vor der Wende wurde deutlich, dass der große Bruder niemals der Freund war, als der er sich gab. So war man in Washington bei der US-geführten NATO-Stabsrahmenübung WINTEX-CIMEX bereit, für die eigenen Ziele Deutschland ohne Wimperzucken in eine nukleare Mondlandschaft zu verwandeln. Will heißen, dass Deutschland für die USA immer nur ein Mittel zum Zweck war, dem Land aber nie ein Selbstzweck zugebilligt wurde.

Mit dem Mauerfallfall zerbröckelte folglich auch der vormalige Wohlstand. Sozial-Abbau, korporatistische Ausplünderung, Niedriglohn-Sektor, Sozialabbau, Hartz-Gesetze, der Raubzug unter dem Deckmantel der Coronabekämpfung, die suizidalen Russland-Sanktionen bis hin zur Nord-Stream- und AKW-Sprengung; Die ganze Chronik ist Geschichte. Und die Geschichte hat bekanntermaßen keinen Rückwärtsgang, hat ihn noch nie gehabt und wird ihn auch nie haben. Gerade im Lichte der jüngsten Ereignisse kristallisiert sich im Grunde genommen für jeden kritisch denkenden Menschen die Unumkehrbarkeit der Entwicklung heraus. Die BRD hat den Rubikon überschritten und seither ist in diesem Fluss die Strömung der globalen Dynamiken so stark angestiegen, dass eine Rückkehr nicht möglich ist.

Wie sollte sie auch möglich sein? Als würde es die AfD vermögen, Nord-Stream-II zu reparieren und sich gegenüber dem Zerstörer USA zu behaupten, der unabhängig von der Besetzung im Weißen Haus kein Interesse an einem starken, wohl- und selbstständigen Deutschland — mehr — hat. Und als könnte die AfD autark einen Wohlstand wiederherstellen, ganz so, als sei Deutschland nicht in das (neue) globale Profit-Regime eingebettet, das auf Mangel, Vernichtung, Vermögensumverteilung und Selbstzerstörung ausgerichtet ist.

Auch vermittelt die AfD die Hoffnung, alles werde gut, wenn nur endlich die vielen, kriminellen Einwanderer abgeschoben werden würden.

Zweifelsohne gibt es Gewalttätige, (Kinder)Mörder und Vergewaltiger innerhalb derjenigen, die ab 2015 zwecks beidseitiger geopolitischer Destabilisierung scharenweise nach Deutschland eingeschleust wurden. Die Täter innerhalb dieser Menschengruppe haben ob ihrer ungeheuerlichen Taten — oder auch nur der Ankündigung selbiger — ihr Bleiberecht nachhaltig verwirkt. Die Besserung der Verhältnisse an der massenhaften, pauschalen Abschiebung festzumachen, ist ein sträflich verkürztes und illusionäres Hoffnungsnarrativ.

Hier wird erneut ein Problem losgelöst von äußeren Faktoren betrachtet. Der Blick auf Flüchtlinge durch die Brille der AfD erweckt den Eindruck, es handle sich bei diesen Menschen um eine Horde von Barbaren, die aus einem von Deutschlands Außenpolitik vollkommen losgelösten Niemandsland — durch die Grenzöffnung einer „nationalsuizidalen“ Führungskraft (Merkel) — in unser beschauliches und unschuldiges Abendland eingedrungen wären. Der Zusammenhang, der sich dem Blick durch AfD-Brillengläser entzieht: Die mittlerweile unzähligen Fälle von migrantischen Gewalttaten hierzulande sind ein Spiegelbild der Gewalt, mit der der Westen die übrige Welt überzogen hat. Dann, wenn er Länder mit Demokratie bombardierte, die Bodenschätze ausraubte, örtliche Versorgungsstrukturen zerschlug und die neu errichteten in die Hände der Großkonzerne überführte.

Selbstverständlich ist damit nicht gesagt, dass Menschen im Westen nun als „karmischen Ausgleich“ einen Blutzoll für ihren Lebensstil zu verrichten hätten, oder selbst daran schuld seien, wenn sie abgestochen, bedroht und misshandelt werden. Ganz sicher hätten jene Geflüchteten den gleichen Lebensstil geführt, wären sie im Westen groß geworden. Es geht hier nicht um eine Opposition „sündiger Westler versus unschuldiger Flüchtling“. Jede Art von Gewalttat muss nicht nur unterbunden, sondern auch präventiv verhindert werden.

Es geht hier ebenfalls nicht um eine Schuldzuschreibung, wonach wir Menschen im Westen so „sündhaft“ gelebt hätten. Es geht um die Beleuchtung der Gesamtzusammenhänge. Es ist für die vollständige Auflösung der Gewaltspirale wichtig zu verstehen, was ihre Wurzeln sind. Wer einfach nur plump Abschiebung fordert, löst das Problem nicht. Er verlagert es. Und zwar so, dass es wie ein Bumerang zurückkehrt. Die derzeitige Gewalt auf westlichen Straßen ist, wie gesagt, ein Spiegel. Die Lösung liegt nicht im Zerschlagen des Spiegels, sondern durch das Verändern dessen, was sich vor dem Spiegel ereignet.

Konkret zeigt sich diese Spiegelung nirgendwo so deutlich, wie in den vielfach viral gehenden Videos, in denen Migranten in Supermärkten randalieren. Gepostet werden die Clips etwa auf X mit Bemerkungen wie „die neuen Fachkräfte bei der Arbeit“ oder „unsere Neubürger zeigen sich mal wieder von ihrer besten Seite“. Die Reaktionen sind zunächst nachvollziehbar. Wird das Gesehene zu Ende gedacht, zeigt sich eine bittere wie ironische Symbolik. Gewalt ist nämlich jedem Supermarkt inhärent.

Wenn dort ein (Nord)Afrikaner oder jemand aus dem nahen und mittleren Osten randaliert und Waren zerstört, dann macht er die Gewalt nur sichtbar. Die stumme und unsichtbare Gewalt steckt nämlich andauernd in den Supermarktregalen selbst. Die allermeisten Produkte dort sind das Erzeugnis von teils „nur“ finanzieller, teils aber auch blutiger Ausbeutung. Beispielhaft sei hier nur die Chiquita-Banane erwähnt. Die Subbotschaft der Randale lautet im Grunde genommen: „Seht her! Das ist die wahre, unschöne Seite eurer quietschbunten Warenwelt. Dort klebt Blut dran!“

Ja, auch das verbergen die retromanischen Bilder der alten BRD. Die schönen, bunten Waren, die den Wohlstand begründeten und die inneren Wunden aus den Kriegen betäubten — diese Waren sind — nicht immer, aber häufig — das Ergebnis von Ausbeutung und Krieg in den globalen Peripherien.

Mit dieser Klarheit im Hinterkopf erübrigt sich beinahe die Frage, ob wir die schöne, alte BRD zurückbekämen, würde das manifest werden, was auf dem KI-generierten „Hey, das geht ab! Wir schieben sie alle ab“-Video fantasiert wurde. Hätten wir wirklich die alte BRD zurück, würden alle illegalen Migranten abgeschoben werden? Na, wohl kaum! Zwar würde das Straßenbild nicht mehr von sogenannten Talahons dominiert werden, Messerstechereien würde zurückgehen und um Neujahr herum würde es keine bürgerkriegsähnlichen Szenen mehr geben.

Doch wäre dieser neue Frieden von Dauer? Was bliebe denn am Ende? Mit Blick auf den demografischen Wandel; nicht viel. Die Boomer-Generation, die — mit dem Segen und dem Geld der USA — Deutschland aufgebaut hat, befindet sich spätestens 2028, allerspätestens 2030 größtenteils in Rente, während andere schon in den Altenheimen liegen. Dazu zählen auch — und daran muss angesichts der Abschiebungseuphorie deutlich erinnert werden — die über eine Million sogenannter „Gastarbeiter“, die beim Landesaufbau nicht nur, aber doch überwiegend die undankbaren und weniger lukrativen Jobs übernommen haben.

Und die nachfolgende Generation Z? Die ist weitestgehend keine Generation, die Hand anlegt, sich für das Bruttosozialprodukt in die Hände spuckt, sondern eine, die sich mit den Händen lieber auf der Straße festklebt, um jene Menschen aufzuhalten, die das Land noch am Laufen halten. Zugleich muss ihr bei aller notwendigen Kritik zugute gehalten werden, dass sie in den 2020er Jahren eine wichtige Rolle spielt, wenn es darum geht, Leistungsimperative infrage zu stellen — sowohl jene, die mal ihre Daseinsberechtigung hatten, nun aber überkommen sind, aber auch die Leistungsimperative, die schon zu allen Zeiten urfalsch und der menschlichen Natur nicht gerecht waren. Kurzum besteht die Generation Z überwiegend nicht aus weiblich gelesenen Trümmermensch:innen, die die Bereitschaft hätten, ein Land aus einer Talsohle wieder emporzuhieven.

Mit oder ohne Abschiebung besteht also hierzulande die Gefahr eines sich noch weiter zuspitzenden Wohlstandsverlustes, weiter grassierender Armut und damit implizit sich verschärfender sozialer Spannungen. Diese können sich gerade vor dem Hintergrund der großen Spaltungen der letzten Jahre in einem Bürgerkrieg entladen. Und einmal rein hypothetisch angenommen, es käme zu einer Massenremigration: Hernach stünden sich innerhalb der verbliebenen Bürger Deutschlands mindestens zwei Fraktionen unversöhnlich gegenüber — konservative bis rechte AfD-Wähler einerseits und Links-Progressive andererseits. Erstere würden es zweitgenannten nachtragen, dass sie mit der Refugees-welcome-Politik das Land ins Chaos gestürzt und damit Menschenleben auf dem Gewissen hätten. Und umgekehrt würden sich die Letztgenannten im Widerstand gegen ein faschistisches Viertes Reich wähnen. Zurück bliebe ein sozial hochentzündliches Gemisch, bei dem nur ein kleiner Funke ausreichen würde, um einen bürgerkriegsähnlichen Flächenbrand zu entfachen.

Unterm Strich ist zu bilanzieren, dass es kein Zurück in die alte BRD geben kann. Zum einen deswegen, weil die von (Nach)Krieg und Mangel geprägten Aufbauer des Landes entweder pensioniert oder schon verstorben sind und die größtenteils mehr oder minder wohlstandsverwahrlosten Nachfolgegenerationen — ich zähle mich dazu —, weder fähig noch willens sind, einen vergleichbaren Kraftaufwand zu betreiben.

Ganz zu schweigen von fehlenden Visionen. Zum anderen, weil unsere vormaligen Gönner aus Übersee nicht mehr an einem wohlhabenden Deutschland interessiert sind und dies auch durch Kriegsangriffe auf vitale Infrastrukturkomponenten wie Nord-Stream-II zu verhindern suchen. Daran wird auch die hierzulande von einschlägigen Kreisen bejubelte Trump-Administration nichts ändern, denn ein „America First“ impliziert zugleich, dass man sich mindestens einen Teufel um Deutschland scheren wird.

Soll dieser Text hier nun eine Black-Pill sein? Eine detaillierte Analyse dessen, warum sowieso alles verloren ist? Keineswegs! Doch ehe verwirklichbare Visionen entstehen können, muss mit jenen Visionen aufgeräumt werden, die im Kern illusionär sind. Und das ist der Hoffnungsschimmer, der dem falschen Licht aus der Vergangenheit entspringt.

Er-finden statt zurückholen

Eingangs stand der Vergleich, welche Partei in ihrem Programm wie häufig das Wort „wieder“ geschrieben hat. Das Schlusslicht blieb dabei unerwähnt. Die Rede ist von der Partei Volt, die das Wort „wieder“ nur 16-mal im gesamten Programm aufweist. Paradoxerweise führt das Parteiprogramm im Titel genau das Wort, worauf sich das „wieder“ bezieht: „zurück“. Der Titel lautet:

„Holen wir uns die Zukunft zurück“

Volt hat offenkundig — das zeigte sich schon im Vorjahr — eine außerordentlich geschickte PR-Schmiede an ihrer Seite. Dieses Oxymoron ist natürlich eine popkulturelle Referenz auf Robert Zemeckis „Zurück in die Zukunft“-Trilogie. Volt stammt aus genau dem Dunstkreis jener destruktiven Kräfte, an die die Globaloligarchie das Herbeiführen der aktuellen Verwerfungen delegiert hat. Und dennoch kann man, ohne die Partei in irgendeiner Weise gutzuheißen, im Kontext dieser Überlegungen dankbar für die gedankliche Steilvorlage sein. Denn genau hier sind Besserungen jeglicher Art zu verorten: in einer Zukunft.

Die zunächst widersprüchliche Forderung, Zukünftiges zurückzuholen, entfaltet bei näherer Betrachtung die darin liegende Genialität. Sicher, es lässt sich nur etwas zurückholen, was schon einmal — in der Vergangenheit — dagewesen ist. Was dieser Forderung zugrunde liegt, was es zurückzuholen gilt, das ist die Lust und die Zuversicht, eine bis dato unbekannte Zukunft proaktiv zu gestalten, statt sich in dem Versuch aufzureiben, einen einmalig funktionalen Idealzustand aus der Vergangenheit zu rekonstruieren. Die weiteren, neuen Idealzustände liegen in einer Zukunft. Wie nah oder fern diese liegt, ist eine Frage von Ehrgeiz und vorhandenem Pioniergeist.

Statt uns also zu fragen, wie wir die BRD der 1970er Jahre wiederherstellen können, wäre hier doch prioritär die Frage zu stellen, wie wir den Fleck Erde, den wir unsere Heimat nennen, in der Zukunft in noch nie dagewesener Daseinsweise gestalten möchten?

Das krankhaft nostalgische Referenzieren auf eine vermeintlich, in allen Belangen bessere Vergangenheit ist eine gedankliche Schranke. Der Blick in den Rückspiegel zeigt bestenfalls das alte Non Plus Ultra eines zurückliegenden Zeitpunkts, der in Bezug auf seine Möglichkeiten und Potenziale längst überholt ist.

Wir leben jetzt im Deutschland des Jahres 2025. Die vormalige Hauptantriebsfeder der Schwer- und Automobil-Industrie kollabiert vor unser aller Augen wie die Dresdner Carolabrücke, die Bahn fährt launischer als das Aprilwetter, im sozialen Bereich herrscht überall Notstand, die Gewalt auf den Straßen nimmt zu, die Tafeln sind zunehmend außerstande, Bedürftige zu versorgen und die deutsche Sprache ertrinkt in einem Störlaut-Orchester aus Gendern, Denglisch und Deurabisch. Diese Unumkehrbarkeit, der wir uns in diesem Land ausgesetzt sehen und die uns aus der Vergangenheit ausgesperrt hat, zwingt und treibt uns nach vorne.

Deutschland gilt eben nicht nur als das Land der Dichter und Denker, sondern auch als das Land der Erfinder. In dem Wort „Erfinden“ steckt zugleich das Wort „Finden“, also das Entdecken von etwas, das gegenwärtig nicht zu sehen oder noch nicht einmal existent ist. Das impliziert natürlich auch das Neu-Erfinden, was nichts anderes bedeutet, als das Bewährte zu bewahren und dies aber in eine neue Zeit zu überführen, statt eine alte Zeit vergebens zu reinszenieren. Es spricht nichts dagegen, die Vorzüge des Vergangenen, sofern sie in Gegenwart und Zukunft überführbar sind, beizubehalten und neue Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen das Altbewährte seinen zweiten Frühling erleben kann.

Um es konkret zu machen: Es mag durchaus möglich sein, einen funktionstüchtigen ÖPNV zu haben, sichere Straßen, einen Wohlstand, eine materielle Fülle und all das, was die alte BRD auszeichnete. Doch wie könnten die alten Vorzüge im Lichte der neuen Möglichkeiten in einem nie dagewesenen Glanz erscheinen? Wäre es nicht möglich, dass der ÖPNV durch KI und Robotik operieren kann, frei von Menschen, die in anstrengenden Schichten die Busse und Bahnen durch die Gegend manövrieren? Kann es — wieder — einen Wohlstand und eine materielle Fülle geben, die allerdings nur um ihrer selbst Willen vorhanden ist und nicht primär dem Zweck dient, die innere Leere zu füllen? Im speziellen die innere Leere, die die meisten Deutschen nach den unverarbeiteten und tabuisiert totgeschwiegenen Schrecken des Zweiten Weltkriegs durchlebten? Also ein solcher Weltkrieg, der gerade droht, sich mit einer dritten Auflage in den Geschichtsbüchern zu verewigen, sofern es die nach einem nuklearen Schlagabtausch überhaupt noch gibt.

Und kann es wieder sichere Straßen geben, die nicht aufgrund einer „Diktatsicherheit“ sicher werden? Das heißt, dass die Wurzel der Gewalt angepackt und geheilt wird, anstatt die „Sicherheit“ gewaltsam und allüberwachend durch einen ausufernden Überwachungsstaat und anderweitige Repressionsregime herzustellen?

Mag es möglich sein, an die Stelle, wo vormals Automobil- und Schwerindustrie thronten, wirtschaftlich, sozial, philosophisch und ökologisch gänzlich neuartig gestaltete und gedachte Betriebe entstehen zu lassen? Zum Schluss dieser Aufzählung, die keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, wäre zu fragen: Ist ein wie auch immer geartetes Deutschland nicht denkbar, welches sich seiner Bürokratiemonster, gigantischer Beamten-Apparate und seiner kafkaesken Regelwerke entledigt?

Solange nur die Vergangenheit die einzige Blaupause für die Zukunft ist, kann nichts neu gedeihen. Die letzten beiden Jahrhunderte wirken aus heutiger Sicht, als seien sie die Endlosschleife aus revolutionären und reaktionären Kräften. Die Begriffe beider Kräfte beginnen ironischerweise mit einem „re“, das immer auf etwas bereits Dagewesenes Bezug nimmt und äußerst selten auf etwas Neues. Obwohl der Begriff „revolutionär“ meist im Zusammenhang mit etwas Fortschrittlichem verwendet wird, ist in ihm jedoch das Zurückdrehen eingeschrieben. Und da Begriffe bekanntermaßen die Realität bilden, wäre es für eine individuelle wie gesellschaftliche Weiterentwicklung hin zu wahrhaft Neuem von Nöten, an den Begrifflichkeiten zu feilen.

Die Gegenbewegung zur Revolution wird, wie ausgeführt, „Reaktion“ genannt, gemeinhin ist die Rede von reaktionären Kräften. Darin enthalten ist der Begriff „Aktionär“, zurückgehend auf das lateinische agere, was so viel wie Bewegung, Handlung oder Tätig-Sein beschreibt. Das „re“ von „reaktionär“ gibt allerdings, wie schon gesagt, bereits die Bewegungsrichtung vor: rückwärts. Die reaktionären Kräfte sind ihrem Wesen nach bestrebt, das Werk der Zurückdreher, der Revolutionäre, rückgängig zu machen. Dieses Tauziehen mag — aus astrologischer Sicht — eine Krankheit des sogenannten Erdzeitalters gewesen sein, das von Schwerfälligkeit geprägt war. Ende 2020 begann hingegen das sogenannte Luftzeitalter, welches nach Lesart mancher Astrologen durch eine Potenzial-, Innovations- und Möglichkeitenvielfalt gekennzeichnet ist.

Um einen bildhaften Vergleich zu bemühen: Im Erdzeitalter nimmt sich die begrenzte Gestaltungsgeschwindigkeit der Welt wie ein Treibsand aus. Revolutionäre möchten etwas umstürzen, Reaktionäre richten es wieder auf. Es gibt ideell kein oder kaum ein Fortkommen, nur ein Steckenbleiben im Treibsand. Im Luftzeitalter hingegen ist der Sand kein Treibsand mehr — jetzt lassen sich mit seiner formbaren Konsistenz Burgen bauen. Insofern kann die Welt neu begriffen werden. Sie ist nicht mehr der sumpfartige Treibsand aus sich gegenseitig blockierenden -ismen. Vielmehr wird die Welt in dieser neuen astrologischen Epoche zu einem regelrechten Spielplatz, auf dem sich die Menschheit gestalterisch ausleben kann.

Insofern wäre ein brauchbarer Begriff aus dieser gedanklichen Schmiede das „Proaktionäre“. Die Warnung meiner Rechtschreibprüfung bestätigt mir, dass dieser Begriff noch unverbraucht, ja unentdeckt ist. Die Vorsilbe „Pro“ bedeutet so viel wie „fort“, wie von „fortbewegen.“

Stellen wir uns einmal vor, was für verschiedenartige Gesellschaftsmodelle möglich wären, würden die Kräfte, die stets nur auf ein „re“ ausgerichtet sind, auf ein „pro“ fokussieren?

Somit sollten sich doch alle Bemühung um Befriedung, Transformation und Heilung der Welt an dem noch Ungeborenen orientieren und nicht an dem tot einbalsamierten Schönen der Vergangenheit. In der Dunkelheit streben wir schließlich dem Licht am Ende des Tunnels entgegen und nicht dem Licht am Anfang des Tunnels, welches uns erst in ebendiesen Tunnel hineingelockt hat.


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