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Warten auf den großen Häuptling

Warten auf den großen Häuptling

Kim Il-Schulz und seine Jünger. Eine Realsatire aus dem Bundestagswahlkampf.

Redaktionelle Vorbemerkung: Dieser Beitrag ist auch als Podcast verfügbar.

Am Samstag, den 23. September 2017, erwarteten auf dem Aachener Katschhof die begeisterten Massen den zukünftigen Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, den großen Führer Kim Il-Schulz.

Der Fremdling spürte sofort die knisternde Spannung der Kim Il-Schulz-Enthusiasten und Enthusiastinnen, der Jünger und Fan-Gemeinde vor dem Eintreffen des größten Staatsmanns aller Zeiten, der die deutsche Karlspreiskaiserin und Rautenkönigin aus ihrem Amt heben soll.

Die Landes- und Regionalmatadoren und –matadorinnen, unter anderem Ullallalla Schmidt, heizten die Bühne mit ihren Reden schon einmal vor. Und was sie den Zuhörern da nicht alles versprachen! Ein Land voller Gerechtigkeit und Frieden, Rüstungsabbau und Atomwaffenabstinenz, faire Löhne, gesicherte und ausreichende Renten und was nicht sonst noch alles: ein wahres Schlaraffenland. All dies und noch sehr viel mehr würde Kim Il-Schulz verwirklichen, wäre er erst einmal Bundeskanzler. Und den politischen Wohltatenverkündern war hundertpro klar, er wird es schaffen! Kim Il-Schulz wird Bundeskanzler!

Und die Massen jubelten den Parkettheizern zu und standen bereit, schwenkten Parteifähnchen und verteilten ihre Wimpel an weitere Begeisterte. Da soll noch jemand behaupten, wir hätten keine engagierte Jugend: Neoliberales Jungvolk als Wahlkampfunterstützer war aus vielen Orten der Republik angereist, um Kim Il-Schulz angemessen zu begrüßen und ihm einen jubelnden Empfang zu bereiten.

Doch leider wurde die PR-organisierte Harmonie leicht getrübt: Wieder waren die infernalisch-diabolischen „Unbelehrbaren für Frieden und Völkerverständigung“ — wie sie sich selbst nennen — zur Stelle, um die Politstatisten und ihre Jünger zu belästigen. Aber diese stets dunkel Befrackten, deren diabolische Gesinnung bereits im Outfit zu Tage tritt, hatten die Rechnung ohne die Fähnchen-Jünger gemacht: Denn überall, wo sich die „Unbelehrbaren“ mit ihren Schautafeln platzierten, waren die Abwehrkräfte wider die einzig mögliche neoliberale Vernunft zur Stelle. Enthusiastisch schwenkten sie ihre SPD-Fähnchen vor den Botschaften der Infernalischen — ein wahres Fahnenmeer in einem Ozean organisierter Propaganda.

In welcher Welt lebten eigentlich die 25- bis 40-jährigen konformistischen Höflinge auf dem Katschhof, sagen wir seit dem Jahr 2000? Hat nicht Gerhard Schröder als Bundeskanzler den Sozialstaat geschliffen und die SPD auf Talfahrt geschickt? Wer trug die Mitverantwortung für den Jugoslawienkrieg und die Reinstallation des Militärs als politische Kraft? Für die Agenda 2010, die brutale und systematische Absenkung der Renten mit programmierter Altersarmut? Für die „Otto-Kataloge“ des Innenministers Otto Schily, die Unternehmenssteuersenkungen im Monatstakt, die Ausweitung der EU und der NATO gen Osten, die Privatisierungsorgien und noch sehr vieles mehr?

Ganz sicher sind die Fähnchen-Schwenker Opfer früher Alters-Demenz mit totalem Gedächtnisverlust! Sie haben völlig „vergessen“, was die Granden dieser von ihnen so hochgejubelten Partei angerichtet haben: Schröder, Steinmeier, Schily, Steinbrück, Struck, Clement, Eichel, Scharping, Müntefering, Tiefensee und wie sie alle heißen.

Mit ihrem leergefegten Gehirn konnten sie keine Diskrepanz feststellen zwischen den PR-Phrasen der Redner und den Verheerungen unter und mit SPD-Beteiligung. In der Fassadendemokratie brauchen die politischen Zyniker an der Macht die zeitgeschichtsvergessenen Ignoranten und Opportunisten als Garanten für ihre Macht so wie die Fische das Wasser.

Und als Kim Il-Schulz endlich erschien, hatten die „Unbelehrbaren“ eine sehr viel wichtigere Verabredung mit einer Tasse Kaffee.


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