Wenig ist mir so verhasst wie Werbung. Sie bereitet mir körperliche Schmerzen, beleidigt meinen Verstand. In U-Bahnhöfen stehe ich mit dem Rücken zum Gleis und starre lieber die Betonwand an, als mich von den Ströer-Flimmerwänden hypnotisieren zu lassen. Im Netz nutze ich seit Jahren AdBlocker, die mich beim Surfen vor Werbung schützen.
Und nun habe ich mir einen ganzen Werbeblock in Buchform gekauft, der darüber hinaus nicht mehr und nicht weniger bewerben möchte als ... die Wahrheit. Thomas Laschyk, aus dessen Federn der Werbepapierblock kommt, möchte nicht nur ein Buch verkaufen, sondern mit diesem zugleich auch noch die Wahrheit. Ein ambitioniertes, wenn nicht gar größenwahnsinniges Vorhaben, oder?
Doch warum ist es mir ein Anliegen, diesen Werbeblock zu rezensieren? Warum überhaupt Energie für die selbsternannten Wahrheitspächter- und / oder -wächter aufwenden? Davon abgesehen hat mein Namensvetter Nikolai Binner bereits vor über zwei Jahren mit seinem „Zerstörervideo“ den Volksverpetzer mit dessen „Rööchts-Rööchts-Nazi-Tastatur-Tourette-Syndrom“ vollständig der Lächerlichkeit preisgegeben.
Dennoch erscheint es mir gerade jetzt wichtig, diesem Phänomen des sogenannten „Anti-Fake-News-Blog“ nachzuspüren, der seinem Kampf gegen „Desinformation, Hass und Hetze“ nun auf den Büchermarkt ausweitet. Einen Marktschreier, der sich als befugt sieht, Werbung für die Wahrheit machen zu können und zu dürfen, halte ich für brandgefährlich. Die Fähigkeit zum selbstständigen Denken der heranwachsenden und nachkommenden Generation entscheidet maßgeblich über unser zukünftiges Wohl. Diese Fähigkeit kann nur gedeihen, wenn Kindern und Jugendlichen hierfür ein freies Feld überlassen wird, auf dem sich neue Gedanken frei entfalten können. Wer auf diesem Feld leuchtende Werbetafeln errichtet, auf denen geschrieben steht, was die Wahrheit und was Fake sei, der greift in diesen Gedankenprozess ein, der hegt dieses Feld mit gedanklichen Zäunen ein. Diese Zäune müssen eingerissen werden.
Zeitlicher Agenda-Setting-Kontext der Bucherscheinung
Es ratsam, das Buch nicht isoliert zu betrachten, sondern im Kontext eines größeren Bildes der Gegenwart zu betrachten. Die vielen Gefechte im selbsternannten Kampf gegen „Desinformation, Hass und Hetze“ der letzten Jahre dürften nur Vorbeben gewesen sein, eine Vorbereitung auf die große Schlacht um die Deutungshoheit, die nun mit dem Jahr 2024 losgebrochen ist. Hierfür gibt es zahlreiche, mehr als eindeutige Anzeichen.
Wenige Wochen zuvor hat Ursula von der Leyen auf dem World Economic Forum (WEF) die Gefahr durch Desinformation zur größten Bedrohung unserer Zeit hochgejazzt. Was das zur Folge haben wird, kann sich jeder kritische Beobachter des Zeitgeschehens denken. In der C-Zeit durften bereits viele von uns hautnah miterleben, wie rigorose Zensurmaßnahmen den Diskurs nahezu verunmöglichten und alle „Gedankenverbrecher“ in ein Shadowbanning-Ghetto verbannt wurden. Wenn nun aber die Desinformation sogar zu einer noch größeren Gefahr erklärt wird, als Viren, Wladimir Putin und die Klimahölle, dann sollte jedem klar sein, dass die Zensur-Orgien in C-Zeiten nur ein milder Vorgeschmack auf den drohenden Information-Shutdown gewesen sein dürften.
Schon jetzt flimmern penetrant in aller Öffentlichkeit auf den Public Screens die an junge Menschen adressierten Kampagnen-Animationen des Forum gegen Fakes. Der aus inhaltsleeren Worthülsen bestehenden Selbstbeschreibung nach soll es darum gehen, sich gemeinsam für eine starke Demokratie einzusetzen. Projektbeteiligte sind unter anderem das Bundesministerium des Inneren (BMI) unter der Leitung von Nancy Faeser, die keinerlei Skrupel kennt, wenn es darum geht, Geheimdienste zu instrumentalisieren, im Staatsapparat sowie in der Bevölkerung ein Klima des Misstrauens zu schaffen und parlamentarisch-demokratische Gepflogenheiten mit den Stöckelschuhen zu treten. Daneben die Bertelsmann Stiftung, die Michael Otto Foundation und die dubiose Mercator-Stiftung aus dem Dunstkreis des Kraichen-Clans, deren ehemaliger Leiter Bernhard Lorentz — vormals bei Ernst & Young und nun bei Deloitte — 2013 unumwunden zugab:
„Wir wollen mit einer Mischung aus Projekten und Interessenvertretung den politischen Diskurs ändern.“
Unter den weiteren Partnern befindet sich das für Staatspropaganda im öffentlichen Raum zuständige Staatsmedium t-online, sowie — und jetzt wird es pikant — die Firma / Kampagne „#UseTheNews“. Diese wurde von der (Medien)Stadt Hamburg, dem Leibnitz-Institut und der dpa initiiert und hat als Medienpartner im Rücken ein ‚Who-is-who‘ der Leitmedien , nebst illustren Programm- und Bildungspartnern sowie an das Projekt angeschlossene Partnerschulen. Initiiert und unterstützt wurde und wird dieses Projekt von dem eben genannten Medienkonglomerat unter dem Kampagnennamen des „Jahr der Nachricht“, bei dem es darum geht, das schwer angeschlagene Vertrauen in die Leitmedien wiederzubeleben und den als Fake-Verbreiter gebrandmarkten Alternativmedien das Wasser abzugraben.
Zu Weihnachten überboten sich Leitmedien mit Ratgebern, was zu tun sei, wenn der Onkel, die Tante, der Opa oder der Hund vor dem Weihnachtsbaum schwurbelt. Eine andere Meinung zu haben, eine divergierende Sichtweise, etwas das früher völlig normal war und in einer Demokratie das Allernormalste sein sollte, wurde hier pathologisiert und problematisiert, als handle es sich um das Abgleiten eines Familienmitglieds in die Drogensucht.
Als wäre das alles zusammen nicht schon dramatisch genug, gehen die großen digitalen Plattformen der Big Player aus dem Silicion Valley sukzessive dazu über, die Partizipation auf selbigen nur noch zu ermöglichen, wenn sich die Teilnehmer mit ihrem Pass oder einer biometrischen Gesichtsscannung ausweisen und erkenntlich geben. Im Netz ist der „anonyme Jemand“, so Byung-Chul Han, schon bald Geschichte. Die damit verbundenen Konsequenzen zu erahnen bedarf keiner großen Fantasie: Das Teilen von „falschen Meinungen“ kann dann noch schneller sanktioniert werden, entsprechend der sich in Zukunft noch verschärfenden Gesetze, die den Korridor der rechtlich zulässigen Meinungen noch weiter verengen.
Bedrohlich nah am zeitlichen Horizont steht uns in der EU der „Digital Service Act“ ins Haus, der am 17. Februar 2024 in Kraft tritt und die Meinungsfreiheit noch mehr beschneiden wird, da er selbst die Löschung von eindeutig nicht rechtswidrigen Inhalten ermöglicht. Die Kriminalisierung von rechtlich zulässigen Meinungsäußerungen können wir bereits jetzt im universitären Kontext beobachten, wenn sogenannte „Safe Spaces“ eingerichtet und Universitätsangehörige dazu angehalten werden, keine gefühlsverletzenden Äußerungen zu tätigen (triggern), nicht zu laut zu sprechen (Mikro-Aggression) oder es sich zu verkneifen, auf die biologische Tatsache hinzuweisen, dass es nur zwei Geschlechter gibt.
In einem immer rasanteren Tempo werden den Menschen Regularien auferlegt, was sie wie, wo und mit welchen Worten sagen beziehungsweise nicht sagen dürfen. Kombiniert mit der durch die Correctiv-Räuberpistole neu aufgeheizten Stimmung entsteht dabei ein gesellschaftlich höchst entzündliches Gemisch. In dieser Gemengelage des eskalierenden Kampfes um die Deutungshoheit erscheint das Buch eines Volksverpetzers wie bestellt.
Für wen wurde diese Buch eigentlich geschrieben?
Bevor wir uns mit dem Inhalt beschäftigen, müssen wir über den Schreibstil des Buchs reden, denn dieser wirft die Frage auf: Wer soll eigentlich die Zielgruppe sein? Bei Werbung ist das bekanntermaßen die entscheidende Frage. Laut der Einleitung richtet sich das Buch an jene, die Desinformation durchschauen möchten — jene, die auf „Fake News“ reinfallen und folglich die Lektüre am dringendsten nötig hätten, würden dieses Buch vermutlich sowieso nicht anfassen. Soweit das Abstecken der Zielgruppe seitens des Verfassers.
Big Brother is teaching you
Wir sind hier direkt „per Du“. Ja, Thomas Laschyk (31) duzt uns als Leser ungefragt und unmittelbar ab der ersten Seite. Das kann er eigentlich nur machen, wenn er davon ausgeht, dass die potenzielle Leserschaft jünger, deutlich jünger ist als er. Laschyk geriert sich hier als der große Bruder, der uns kleine Geschwister, die sein Buch lesen, an die Hand nimmt und uns erklärt, wie man souverän durch den Mediendschungel navigiert. Nie und nimmer kann dieses Buch ob seiner paternalistischen Tonalität an eine erwachsene und reife Leserschaft gerichtet sein. Es steht zu befürchten, dass die Schulen des Landes als Abnehmer anvisiert wurden, um die Anleitung zur betreuten Wahrheitssuche auf die Schüler loszulassen.
Frei von Gendersternen
Das Buch ist — im Gegensatz zum Blog — frei von Gendersternen oder Gender-Doppelpunkten geschrieben. Über diesen Umstand war ich gleichermaßen überrascht wie erfreut. Gegendert wäre mein Lesefluss ungemein zäh worden. Doch da stellt sich erneute die Frage, für wen dieses Buch eigentlich verfasst wurde. In der links-woken Bubble fühlt sich manche(r) schon bei dem Begriff „jemand“ vor den Kopf gestoßen, weil dort das Wort „Man(n)“ drin steckt. Ein Buch, durchgehend verfasst im generischen Maskulinum, würden viele aus dieser Bubble nicht anrühren. Wieso schreibt Laschyk stilistisch so an seiner potenziellsten Zielgruppe vorbei?
Heute ist es ja fast schon gewagt, nicht zu gendern. Laut der Information im Buchumschlag hat man sich aus Gründen der besseren Lesbarkeit dafür entschieden, die männliche Form zu verwenden, denn die gelten im Sinne der Gleichbehandlung für alle Geschlechter. Na geht doch! Warum wird das auf dem gleichnamigen Blog nicht in dieser Form praktiziert. Das bleibt ein Rätsel. Doch am Ende ist das schon mal ein Hoffnungsschimmer, dass man(n) selbst in diesen Kreisen des Genderns überdrüssig zu werden scheint.
Quellenapparat
Mit 440 Quellen auf 170 Seiten ist der Quellenapparat durchaus üppig. Die Quellen selbst fallen dann doch etwas einseitig aus und bestehen meist aus Leitmedien-Zeitungsartikeln. Die eine oder andere Studie oder auch mal eine Literaturquelle verirrt sich mal hier hinein. Die twitter/X-Userin „Bissiges Mäuschen“ ist hier zum Glück nicht als Quelle aufgeführt.
Solides Sprachniveau, affige Fußnoten
Davon abgesehen, dass hier nicht gegendert wurde, ist das sprachliche Niveau ganz passabel. Obwohl die Leser der Erklärbär-Duktus durch das ganze Buch hinweg begleitet, schreibt Laschyk nicht oder nur selten in der sogenannten „einfachen Sprache“. Er verwendet — anders als befürchtet — auch mal Fachbegriffe und betreibt keine orwellsche Sprachreduktion, die selbstredend den Denkhorizont limitiert. Weggelassen hat er glücklicherweise auch das „Rööchts-Rööchts-Nazi“-Tastatur-Tourette, welches von seinem Blog bekannt ist und das Nikolai Binner so grandios persifliert hat. Diese Begriffe werden hier dankenswerterweise nicht so inflationär verwendet wie beim Online-Auftritt.
Die Verbissenheit, mit der Laschyk seinen missionarischen Eifer betreibt, ist indes geblieben. Er versucht das — meist vergebens — mit einer Brise Humor in den Fußnoten-Anmerkungen zu kaschieren. Was auf dem Blog und auf den Social-Media-Auftritten nicht funktioniert, das zündet hier leider auch nicht und erinnert auf unfreiwillig komische Weise an die Versuche von Jugendbroschüren-Gestaltern, aus der Erwachsenen-Warte heraus den Humor der Jugend zu mimen. Selbige hat einen häufig genutzten Begriff dafür: „cringe“.
Richtiger Ansatz, falsche Adresse: Die Projektionen des Thomas Laschyk
Beim Aufschlagen des Buches rechnete ich mit einem Bad-Trip, einer von Tim Burton alptraumhaft inszenierten Dauersendung mit der Maus auf Crack. So schlimm sollte es dann doch nicht kommen.
Abermals greife ich die Frage auf: Für wen ist dieses Buch eigentlich geschrieben? In der Einleitung lesen wir:
„Das Buch richtet sich nicht an diejenigen, die regelmäßig auf Fake News hereinfallen, auch wenn es natürlich die sind, die es am meisten nötig hätten. Denn die werden dieses Buch wahrscheinlich gar nicht erst in die Hand nehmen. Die werden mich grundsätzlich und ungelesen ablehnen und alles, was ich sage und belege, kategorisch leugnen. Das ist ja das Problem. Es ist das Grundproblem, dass diejenigen, die am meisten auf Fake News hereinfallen, am wenigsten versuchen, sich gegen Desinformation zu wappnen. Sie weigern sich, sich kritisch mit Sachverhalten zu beschäftigen. Weil sie denken, ihr Konsum von einseitiger Propaganda sei bereits genau das.“
Wer sind diejenigen, die „regelmäßig“ auf Fake News hereinfallen? Jene, die 2003 der massenmedial verbreitete Fake News von den Massenvernichtungswaffen im Irak Glauben schenkten und einen Krieg billigten oder befürworteten, der Millionen Iraker das Leben kostete und das Land bis heute ruiniert hat? Oder sind das jene Hunderttausende, die aktuell mit Hass gegen Hass auf die Straße gehen, weil eine Correctiv-„Recherche“ eine private Patrioten-Pyjama-Party zur „Wannsee-Konferenz 2.0“ hochgejazzt hat, bei der das Wort „Deportation“ — anders als vielfach kolportiert — kein einziges Mal gefallen ist? Oder meint Laschyk jene Millionen, die immer noch guten Glaubens Beiträge der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ansehen, in der Überzeugung, nicht belogen zu werden? Dabei kam eine kürzlich durchgeführte Auswertung zu dem Ergebnis, dass allein im Januar der ÖRR-Rundfunk 90 (!) (Straßen)Interviews entweder mit eigenen Mitarbeitern oder mit als Passanten ausgewiesenen Politikern führte, ohne dies kenntlich zu machen. Ist das nicht „einseitige Propaganda“? Oder ist das alles reiner Zufall?
Wen meint Laschyk nun?
Des weiteren geht er davon aus, dass jene, die es am dringendsten nötig hätten, sein Buch „gar nicht erst in die Hand nehmen“ und das, was er schreibt „grundsätzlich und ungelesen ablehnen und alles“, was er sagt und belegen würde, „kategorisch leugnen“ würden. Ich habe den leisen Verdacht, dass Thomas Laschyk Menschen wie mich meinen könnte. Wenn dem so ist, liegt er mit seiner Vorverurteilung falsch. Denn hier bin ich! Mit seinem Buch in Händen, das ich nun inhaltlich auseinandernehmen werde.
Der Ansatz
Das gesamte Werk ist eine Streitschrift für den Kampf gegen Desinformationen und Fake News, die Demokratiefeinde, Trolle, Faschisten, Wissenschaftsfeinde und (hier beliebigen Kampfbegriff einfügen) verbreiten würden, mit dem Ziel, „unsere Demokratie und Freiheit“ zu unterminieren. Es wird ein Antagonismus zwischen zwei widerstreitenden Medienmachern- und -rezipienten gezeichnet, wenngleich beides natürlich im digitalen Zeitalter ineinander verschwimmt. Auf der einen Seite stünden demnach die vernunftbegabten und faktenbasierten Medienmacher und ihre Rezipienten, die auf „die Wissenschaft“ (Trademark) hören, die über eine gute Medienkompetenz verfügen und ausschließlich vertrauenswürdige Quellen anzapfen.
Auf der anderen Seite stünden folglich die bösartigen, mit betrügerischer Absicht agierenden Medienmacher des eben genannten Feindbildes und ihre einfältigen Medienrezipienten, diejenigen, die für „Fake News“ anfällig seien, die jede scheinbare Wahrheit für bare Münze nehmen und zur Stabilisierung ihres Weltbildes eine Affinität für einfache, komplexitätsreduzierende Erklärungen haben. Und die dazwischen stehenden Wackelkandidaten, also wir, die Leser, möchte Laschyk für diesen Kampf der einen Seite gegen die andere begeistern und mobilisieren. Das alles klingt ja zunächst nach einem edlen Vorhaben. Doch mit jeder weiteren Seite entfaltet sich eine unglaubliche Schizophrenie, die immer stärker zwischen den Zeilen hervorquillt.
Die Tragik dieses Buches liegt darin, dass Laschyk über die Theorie sehr viel Richtiges schreibt, dies dann bei der deduktiven Ableitung auf die Einzelfälle allerdings sehr einseitig anwendet. Grundsätzlich ist das ganze Werk ein Lehrstück für Freud‘sche Projektion. Wenn Laschyk über das oben skizzierte Feindbild schreibt, kann man sich als kritischer Leser des Gefühls nicht verwehren, dass Thomas Laschyk hier über Thomas Laschyk schreibt. Seine ganze Kritik an den „Schwurblern“ ließe sich 1:1 auf ihn selbst anwenden.
Gehen wir der Reihe nach durch, welche richtigen Ansätze das Buch bereit hält, wie diese Ansätze dann allerdings inkonsequent angewendet werden und welche wahren Kerne sich in dem sonst eher verdorbenen Fruchtfleisch befinden.
Richtige Ansätze
Lobend zu erwähnen ist, dass der sonst eher weniger bescheiden auftretende Thomas Laschyk zu Beginn des Buches einige demütige Zugeständnisse macht. So habe er selbstverständlich nicht die Wahrheit gepachtet, auch er hätte — wie jeder Mensch — blinde Flecken und wäre gegen Desinformation nicht immun. Auch seien der Bildungsgrad, das Alter oder andere soziologische Faktoren nicht ausschlaggebend für die Anfälligkeit von Desinformation — je nachdem, wie man von der jeweiligen Perspektive aus diesen Begriff verstehen möchte.
Nachdem Laschyk sich selbst diese Eingeständnisse abgerungen hat, beschreibt er einige Grundlagen in Sachen Medienkompetenz durchaus solide und erklärt sie gut verständlich. Was ist Framing? Als Beispiel hierfür zieht sogar eine äußerst manipulative Schlagzeile der Tagesschau heran. Was ist ein Narrativ, was sind Meta-Narrative? Selbst das Filtermodel von Edward Hermann und Noam Chomsky skizziert er über mehrere Seiten hinweg, nicht aber, ohne sich vorher von Chomsky zu distanzieren. Auch erwähnt er die prekären Arbeitsbedingungen in Redaktionen, die tiefgehende Recherchen mangels Zeit und Geld erschweren. Er gibt darüber hinaus sogar ein paar Begriffsdefinitionen. Damit hatte ich nicht gerechnet. Eine Definition von „Wahrheit“ bleibt uns Laschyk zwar schuldig, aber zumindest verwendet er hier Begriffe wie „Missinformation“, „Desinformation“ oder das 2016 urplötzlich aufploppende Wort „Fake News“ nicht einfach unkommentiert, sondern beschreibt sie differenziert.
So sieht Laschyk den Wahrheitsschwund unserer Zeit nicht in einzelnen Behauptungen begründet, sondern in der realitätsverzerrenden Zusammensetzung derselbigen zu einem irreführenden Narrativ. So schreibt der Literaturwissenschaft-Absolvent:
„Ich habe meine Masterarbeit über Story telling in Social-Media-Fake-news geschrieben und dabei festgestellt, was für viele gefühlt zweitrangig ist, aber in meinen Augen essenziell zu wissen ist im Kampf gegen Desinformation: Wir kämpfen nicht so sehr gegen Falschbehauptungen per se, sondern vielmehr gegen… Falscherzählungen. Es geht mehr um Geschichten, weniger um die Behauptungen, aus denen sie sich zusammensetzen. Gegen falsche Narrative“ (Siehe Seite 30 Fortfolgende).
Damit kristallisiert sich die Intention hinter dem Untertitel heraus: Es geht um die Deutung der Geschichten, die nicht jenen überlassen werden soll, die die einzelnen Bestandteile so hindrehen, dass am Ende das herauskommt, was Laschyk als „Fake News“ klassifiziert. Auch hier ließe sich wieder einiges über seine Projektion schreiben. Aber halten wir fest, dass es sich bei diesem Buch um keine Vollkatastrophe handelt, dass es hier durchaus brauchbare Ansätze gibt und leider auch einige wahre Kerne. Die Szene der freien und alternativen Medien wäre durchaus gut beraten, sich in einem selbstreflektierenden Prozess mit diesen wahren Kernen zu beschäftigen.
Wahre Kerne
Auf der einen Seite stehen also die „Schwurbler“, „Verschwörungsmystiker“ und all jene, die sich daran beteiligen würden, die für die Demokratie konstitutive Wahrheit zu dekonstruieren. Spitzt man dieses Feindbild zu, dann haben wir am Ende den Stereotyp des leichtgläubigen Boomer-Telegram-Onkels, der im Familienchat „Verschwörungstheorien“ verbreitet.
Der wahre Kern in Laschyks Buch liegt in der nicht von der Hand zu weisenden Unreflektiertheit und der mangelnden Medienkompetenz einiger Alternativmedien-Rezipienten. Diese halten sich häufig für „aufgewacht“, während sie zugleich mit eben dieser unkritischen Haltung, die sie immer den „Schlafschafen“ vorwerfen, die neuen Medien rezipieren.
Ein mir bekannter, viel belesener „Schwurbler“, der sich entnervt von der Alternativmedienszene abgewendet hat, buchstabierte es mir gegenüber einmal mit sehr treffenden Worten: „Die Truther haben einfach nur die Buchstaben hinter dem „T“ ausgetauscht — statt tagesschau glotzen die jetzt eben telegram.“
Und tatsächlich ist es bedauerlicherweise häufig zu beobachten, dass die eine Blauäugigkeit schlicht durch eine andere ausgetauscht wurde. Vieles, was insbesondere durch den Telegram-Äther schwirrt, wird einfach unreflektiert übernommen und mit dem Vermerk „Unbedingt TEILEN!!! Sagt es jedem!!! Wacht auf!!!!“ weiterverbreitet. Dabei ließe sich der der Meldung zugrunde liegende Unfug binnen eines kurzen Moments des Nachdenkens oder der simplen Gegenprüfung entlarven. Doch dafür fehlt der Raum zwischen Reiz und Reaktion, der eine solch notwendige Reflexion erfordert.
Manche der „Aufgewachten“ fragen ernsthaft in den Kommentaren unter einer von snicklink mittels KI erstellten Rede von Helmut Kohl über Political Correctness, wann diese Rede gehalten wurde. Das zeigt, dass es auf der Seite der kritischen Masse um das kritische Urteilsvermögen nicht zwangsläufig gut bestellt ist. Mit dieser Kritik fördert Laschyk einen wahren Kern zutage.
Ja, es gibt schlicht und ergreifend falsche Meldungen in der Alternativmedien-Bubble, es gibt Betrüger (Reiner Fuellmich), es gibt ein Schwarz-Weiß-Denken und die Einfältigkeit zu glauben, dass der Feind des Feindes zwangsläufig ein Freund sei. Weil Washington, die NATO und die EU böse seien, wären Kreml und BRICS gute Freunde. Weil uns eine Fake-Pandemie verkauft wurde, fabulieren manche herbei, es gäbe gar keine Viren. Weil die Mär vom menschengemachten Klimawandel offensichtlich Käse ist, wird in Abrede gestellt, dass es überhaupt eine Öko-Krise gibt.
So einfach ist die Welt nicht und somit ist die Kritik Laschyks an dieser medialen Einfachheit und Unterkomplexität mehr als berechtigt.
Falsche Adresse
Der Gegenstand der berechtigten Kritik ist natürlich ebenso auf die Konsumenten der Leitmedien anzuwenden. Wie gesagt, enthält dieses Buch sehr viel Projektion. Framing, Cherry-Picking, weglassen bestimmter, nicht weltbild-kompatibler Fakten wird auch und gerade in den Leitmedien betrieben. Die Leitmedien — oder der Mainstream — bekommen in diesem Buch ebenfalls einige kritische Seitenhiebe ab, dem Springer-Verlag widmet der Autor gar ein ganzes Kapitel. Doch letztlich sind diese Kritiken als Feigenblatt zu verstehen. Im Großen und Ganzen bleibt der Status der Altmedien als Flaggschiffe der Wahrheit und Rationalität vielleicht nicht gänzlich unangetastet, aber vor einer grundsätzlichen Infragestellung geschützt. Und das, obwohl Laschyk — wie erwähnt — über mehrere Seiten das Filtermodell von Chomsky und Herman erläutert. Er geht sogar explizit darauf ein, dass sich die Verlagshäuser in den Händen weniger Familien befinden. Konsequenzen, die daraus folgen? Nichts! Nada!
Gleiches gilt für die mittlerweile sakrosankte Wissenschaft (Trademark), die in der Weltanschauung Laschyks als unabhängige und unhinterfragbare Instanz über den Dingen steht. Die Abhängigkeit der „Drittmittel-Bordelle“ (vulgo Universitäten) von finanzstarken Drittmittelgebern, die ihre Gelder entsprechend gewünschter oder auch bestellter Forschungsergebnisse verteilen — das scheint es in Laschyks Welt nicht zu geben. Er vermittelt ein völlig pervertiertes Bild von Wissenschaft, wonach es die Aufgabe „der Wissenschaft“ sei, Normen vorzugeben, statt rein deskriptiv zu arbeiten und zu konsensualisieren, statt sich in einem Widerstreit durch Verifizieren und Falsifizieren von Theorien der Wahrheit anzunähern. Ob Thomas Laschyk jemals Karl Popper gelesen hat?
„Die Wissenschaft“ bleibt jedenfalls von der Kritik ebenfalls vollkommen unangetastet, außer, wenn sich wirklich kritische Wissenschaftler von „dem Konsens“ entfernen, der — wie gesagt — einer redlichen Wissenschaft wesensfremd ist.
Die Hauptadressaten seiner Kritik sind die abtrünnigen Piratensender und ihre Empfänger, die den Diskurs, Social-Media und überhaupt die ganze Demokratie kapern würden. Welche Adresse hierbei nicht adressiert, sondern geradezu geschützt wird, ist die der Machtzirkel. Nur die reine Hypothese, dass eine kleine Clique von Menschen die Geschicke der Welt bestimmen könnten, wird von dem leidenschaftlichen Zufallstheoretiker Thomas Laschyk a priori als vollkommen abstrus und schlimmstenfalls sogar als antisemitischer Querleugner-Verschwurbelungmysthizismus gebrandmarkt.
Faktisches, allzu Faktisches
Nichts Geringeres als die Faktencheck-Revolution ruft Thomas Laschyk mit seinem Buch aus. Was hier beworben werden soll, ist zwar die wie auch immer geartete Wahrheit, doch liegt der Fokus tatsächlich auf dem Wörtchen „Fakt“. „Keine Demokratie ohne Fakten“ lautet das Motto des Volksverpetzers. Und in der Einleitung schreibt Laschyk:
„Es gibt keine ‚Wahrheit‘, sondern nur Fakten und Evidenz.“
Seit Jahren drehen sich die Diskurse auf einer Metaebene um Fakten. Wissenschaftliche, alternative oder harte Fakten. Doch sind Fakten wirklich alles?
Welche Gefahr die reine Fokussierung auf nackte Fakten birgt, fasste niemand so trefflich in Worte wie Walter van Rossum in seinem neuesten Werk „The Great WeSet“. Über die Faktenchecker und deren fetischistische Fakten-Fokussierung schreibt er:
„Was nach einem kritischen Umgang mit Fakten und Informationen klingt, bedeutet in der Praxis einen ungeheuren Zivilisationsbruch: Man tut so, als könnte es eine letztinstanzliche Feststellung von Wahrheit geben. Mit anderen Worten: Die Operation ‚Rettet die Wahrheit!‘ ist so verzweifelt wie aggressiv. Offenbar hängt man dem Glauben an, die Welt erkläre sich aus einer Anhäufung von Tatsachen und, noch absurder, Tatsachen seien eine Art Absolutum des Wissens.
Zur Erinnerung: Der Begriff ‚Fakten‘ gründet im lateinischen ‚factum‘: das Gemachte. Dem entspricht seit dem 18. Jahrhundert im Deutschen ‚die Tatsache‘. Die Tatsache ist eine Sache, die durch handelnde Bewusstseine, vulgo: Menschen, zu einer solchen gemacht wird. Tatsachen sind in gewisser Weise selbst wieder informiert. Sehr grob zusammengefasst definiert sich Moderne überhaupt über ihren kritischen Umgang mit Wahrheit, derzufolge Wahrheit stets ‚gemacht‘ und geworden ist, in laufenden Prozessen steht und von bestimmten Verständigungsprotokollen geprägt wird. In diesem Verständnis ist das Wirkliche nie das Gewisse und gerade deshalb zuverlässig ein Problem“ (1).
Er dekliniert das an einem konkreten Beispiel durch:
„Auf die Frage, wie viele Arbeitslose es in Deutschland zurzeit gebe, nennen Journalisten in der Regel die Zahl, die von der Bundesagentur für Arbeit ermittelt wird. Diese Zahl ist aber nur eine Zahl eben jener Behörde und repräsentiert nichts anderes als deren Zählweise. Sie ist eben gemacht. Deshalb könnte man fragen, wie die Zahlen denn ermittelt und gemeldet werden. Dabei stößt man schnell auf Vorfälle, die an der Zuverlässigkeit dieses Meldewesens zweifeln lassen. Dann könnte man fragen, welche Kriterien der Zählung zugrunde liegen. (…)
Einige Sozialwissenschaftler glauben gar, wenn die Kriterien für die Arbeitslosigkeit etwa aus den 1980er Jahren heute angewendet würden, würde sich die Zahl der Arbeitslosen annähernd verdoppeln. Mit anderen Worten: Angaben über die Anzahl von Arbeitslosen beruhen auf der Zählweise und der Definition von ‚arbeitslos‘. Fakten sind gemacht und man könnte sie stets anders machen“ (2).
Für genau dieses erkenntnistheoretische Verständnis von „Fakten“ und „Tatsachen“ als etwas (Menschen)Gemachtes ist Thomas Laschyk und die gesamte Faktenchecker-Zunft blind. Sie betrachten Fakten als etwas statisches, unverrückbares, fast schon naturgegebenes. Im Verständnis dieser Wahrheitsgilde gilt es, eben diese Fakten im Einklang mit dem wissenschaftlichen N/Konsens (sic!) aufzuaddieren und dann hätte man das, diese „letztinstanzliche Feststellung von Wahrheit“, die man uns in diesem Werbeblock verkauft.
Was Walter van Rossum am Beispiel der Arbeitslosenquote aufgezeigt hat, lässt sich selbstredend auf sämtliche Themenfelder samt ihrer einzelnen Tragsäulen anwenden, bei denen es „nur eine legitime Meinung gibt“, so Rezo: Klimawandel, Krieg und Frieden und natürlich Corona. Zu Letzterem äußert sich Laschyk in seinem Werk ausführlich, auch über seine eigens vollzogene 180-Grad-Wende im März 2020, die er auch noch als Beweis aufführt, für seine Fähigkeit, eigene Fehler rückwirkend zu korrigieren.
Gerade bei Corona sieht Laschyk die Fakten zu Corona nicht als etwas Gemachtes. Er ist der Meinung, man könne zu einem Thema verschiedene Meinungen haben aber nicht verschiedene Fakten. Das ist selbsterklärend grober Unfug. Man kann etwa beim Thema Inzidenz-Zahlen unterschiedlicher Meinung sein und unterschiedliche Fakten haben. Der eine behauptet auf Grundlage der steigenden Inzidenz-Zahlen, es bestehe eine Gefahr, weil ebendiese Zahlen steigen. Der nächste weist auf den Fakt hin, dass sich im Vergleich zur vorangegangenen Woche die Testmenge vervielfacht hat, was bei beim Anstieg der Zahlen nicht berücksichtigt wird, für das Steigen der Testpositiven aber maßgeblich ist. Und der nächste weist auf den Fakt hin, dass die CT-Werte des PCR-Tests viel zu hoch seien, als dass dieser verlässliche Ergebnisse ausspucken könne.
Wie mit allerlei statistischen Tricks, CT-Werten bei den PCR-Tests — generell den Testmengen —, den Angaben von Todesursachen, der Nicht-Erfassung von Spritz-Geschädigten und so weiter, die Fakten geschaffen werden — das sieht Laschyk nicht oder will es nicht sehen. Unbeirrt bezeichnet er die Maßnahmen entgegen jeder Evidenz als wirksam, die „Impfung“ gar als sicher, obwohl nicht nur allein die 100.000 Seiten Pfizer-Files und unzählige schockierende Berichte von Betroffenen eine ganz andere Sprache sprechen. Laschyk spuckt damit allen Maßnahmen- und „Impf“-Opfern arrogant ins Gesicht. Darüber ließe sich ein ganz eigener Text verfassen, deswegen wird dieses Fass hier gar nicht erst aufgemacht, denn es würde den Rahmen dieser Rezension sprengen.
Der Werbeblock
Es gehört zu den weiteren, unerwarteten Zugeständnissen von Thomas Laschyk, dass er keine staatlichen Zensurmaßnahmen gegen Desinformation fordert, sondern nur die Durchsetzung geltenden Rechts im Netz. Er bringt sogar seine Furcht zum Ausdruck, vor einem Staat, der strikt festlegt, was wahr und falsch ist und dass jeder noch so kleine Fehltritt Konsequenzen mit sich bringen könnte. Dass es derzeit aber genau darauf hinausläuft, wurde weiter oben ausführlich skizziert. Das greift Thomas Laschyk allerdings nicht weiter auf. Vielmehr inszeniert er sich und seine Faktenchecker-Gilde als unerhörte Mahner, als heisere Stimmen der Vernunft in einem Gebrüll populistischer Desinformationstrolle. Weil „die Wahrheit“ so unattraktiv sei, brauche es bessere „Werbung für die Wahrheit“.
Auf diese soll im Nachfolgenden nicht detailliert eingegangen werden. Es ist eine Auflistung von Kommunikationsstrategien, wie die „wirkliche Wirklichkeit“ vermittelt werden solle, mit welchen Headlines, Frames, Grafiken, Bildern und Videos die Journalisten und andere Medienmacher am zielführendsten operieren würden. Etwa empfiehlt er die Fakten-Sandwich-Methode, bei der der wie auch immer geartete Fake in der Mitte eines Beitrags platziert werden solle und die ebenso wie auch immer geartete Wahrheit je am Anfang und am Ende, sodass die falsche Weltanschauung von „der Wahrheit“ eingekesselt wird.
Er rät außerdem dazu, den „Fake“ niemals zu teilen, auch nicht, um sich darüber aufzuregen. Nur die Inhalte mit der Wahrheit sollten verbreitet werden, damit das Falsche nicht so viel Raum einnimmt. Er redet hier einer Monokultur der Perspektiven das Wort.
Warum die „Fakes“ nicht verbreitet werden sollen, liegt auf der Hand. Am Ende findet der von Laschyk adressierte Rezipient deren Inhalte noch glaubwürdiger, als die des Volksverpetzers und Co.
Die Gegenseite hat wiederum keinerlei Berührungsängste mit den Inhalten der Leitmedien, im Gegenteil ist es für Formate wie horizont ein regelrechtes Fest, die Mainstream-Beiträge aufzugreifen und sie in ihrer Widersprüchlichkeit unkommentiert nebeneinanderzustellen. Bei Volksverpetzer und Co findet das nicht statt. Ein wesentlicher Bestandteil des Informationskrieges ist es, die Kommunikation über die Gräben hinweg zu unterbinden. Nur das eigene Weltbild soll verteilt und müsse bestmöglich vermarktet werden.
Wahrheit wird hier als etwas zu Verkaufendes betrachtet, für das es der besten Vermarktungsstrategien bedürfte. Wir haben es hier mit einer Mischung aus PR und Missionierung zu tun. Mit Aufklärung, mit einem dialektischen Ringen um das bessere Argument hat das alles freilich nichts mehr zu tun. Denn hierfür bräuchte es mindestens zwei, die in den Dialog treten, statt einer One-Way-Top-Down Kommunikation aus der Elfenbeinturm-Echokammer heraus.
Echokammer statt Spiegelkabinett
Laschyk klagt in dem Kapitel „Warum Faktenchecks versagen“, dass die Fakes ob ihrer reißerischen Aufmache sich um ein so vielfaches schneller verbreiten würden als die Faktenchecks, die im Gegensatz zu den Fakes nüchtern und sachlich gehalten seien, was sie natürlich nicht sind. Es wäre ein ständiges Reagieren, ein Hinterherlaufen, um die aus allen Flaschen entwichenen Geister der Desinformation wieder einzufangen.
Ihm kommt einfach nicht in den Sinn, dass es einem erwachsenen und mündigen Menschen nachvollziehbarerweise nicht behagt, sich von lebensunerfahrenen Jungspunden oder einem … „Faktenfuchs“ die Welt erklären zu lassen.
Dass selbstdenkende Menschen es nicht hinnehmen, eine „letztinstanzliche Feststellung der Wahrheit“ vorgesetzt zu bekommen, die getreu dem Lothar-Wieler’schen-Imperativ „niemals hinterfragt werden darf“. Egal ob diese von Faktencheckern oder von „Schwurbel-Gurus“ kommt.
Wie wäre es denn, würde Volksverpetzer und die gesamte Faktenchecker-Zunft mit der „Gegenseite“ einfach mal in den Dialog treten, statt mit der Anhaltekelle eines Wahrheitspolizisten hinterherzulaufen und zu rufen: „Halt Stopp! So wie ihr das denkt, ist das falsch! Wir haben die letztinstanzliche Erklärung! So steht es in unseren Nachrichten und ihr müsst euch danach richten.“? Es ist ja nicht so, als würde auf der vom Volksverpetzer zum Feind ernannten Seite keine Gesprächsbereitschaft bestehen. Fair Talk-Moderator Jens Lehrich betont gefühlt in jeder Sendung, dass man versucht habe, die andere Seite einzuladen — der Einladung folgt dann bestenfalls eine Absage.
Wie Dialogbereitschaft beim Volksverpetzer aussieht, durfte man vor wenigen Wochen auf dem dazugehörigen YouTube-Kanal bewundern. Es wurde ein Querdenker zum Interview eingeladen. Nun...kein echter. Ein Schauspieler (?) schlüpfte dort in die Rolle eines wie auch immer gearteten Querdenkers und mimte diesen auf GZSZ-Darstellungsniveau in einem als Satire verkauften Interview. Weiter oben habe ich bereits über den Volksverpetzer-Humor geschrieben, der zuverlässig fast nur Rohrkrepierer-Witze zutage fördert. In diesem „Satire-Interview“ hangelte man sich einfach nur von einem Feindbildklischee zum nächsten, anstatt wirklich zu versuchen, die Gegenseite zu verstehen.
Das ist die Debatten-Kultur bei den selbsternannten Demokratie-Rettern: Statt mit der Gegenseite zu sprechen, spricht man nur über sie und wenn man dann mal „mit“ ihr spricht, dann dergestalt, dass man diese in pseudo-satirischer Weise überspitzt persifliert.
Hierin liegt der Kardinalfehler aller Faktenchecker: Sie glauben, Wahrheit ließe sich produzieren durch die möglichst präzise Wiedergabe des wissenschaftlichen Konsens (sic!) als die „letztinstanzliche Feststellung der Wahrheit“. Aber Wahrheit entsteht im dialektischen Miteinander, im Austausch, in der reziprok geistigen Befruchtung.
Im Deckblatt zwischen den Kapiteln schmückt sich das Buch mit einem Zitat von Hannah Arendt, das wohl mit der passenden Buzzword-Suche bei Google für die intellektuelle Zierde des Buchs herausgefischt wurde. Wenn Laschyk sich schon mit Arendt brüstet, sollte er sich in diesem Zusammenhang ihren folgenden Gedankengang zu Gemüte führen, den sie in „Zwischen Vergangenheit und Zukunft“ ausformuliert hat:
„(…) Tatsachenwahrheit (stellt) wie alle Wahrheit einen Gültigkeitsanspruch (…), der jede Debatte ausschließt, und die Diskussion, der Austausch und Streit der Meinung macht das eigentliche Wesen allen politischen Lebens aus. Die Formen des Denkens und der Mitteilung, die der Wahrheit gelten, werden im politischen Raum notwendigerweise herrschsüchtig; sie ziehen anderer Leute Meinung nicht in Betracht, und in allen Überlegungen das, was andere denken und meinen, mit zu berücksichtigen, ist das Zeichen politischen Denkens.
Politisches Denken ist repräsentativ in dem Sinne, daß das Denken anderer immer mit präsent ist. Eine Meinung bilde ich mir, indem ich eine bestimmte Sache von verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachte, indem ich mir die Standpunkte der Abwesenden vergegenwärtige und sie so mit repräsentiere. Dieser Vergegenwärtigungsprozeß akzeptiert nicht blind bestimmte, mir bekannte, von anderen vertretene Ansichten. Es handelt sich hier weder um Einfühlung noch darum, mit Hilfe der Vorstellungskraft irgendeine Majorität zu ermitteln und sich ihr dann anzuschließen. Vielmehr gilt es, mit Hilfe der Einbildungskraft, aber ohne die eigene Identität aufzugeben, einen Standort in der Welt einzunehmen, der nicht der meinige ist, und mir nun von diesem Standort aus eine eigene Meinung zu bilden.
Je mehr solcher Standorte ich in meinen eigenen Überlegungen in Rechnung stellen kann und je besser ich mir vorstellen kann, was ich denken und fühlen würde, wenn ich an der Stelle derer wäre, die dort stehen, desto besser ausgebildet ist diese Vermögen der Einsicht (…) und desto qualifizierter wird schließlich das Ergebnis meiner Überlegungen, meine Meinung sein“ (3).
Thomas Laschyk, der Volksverpetzer, und überhaupt jeder Faktencheck macht genau dies nicht — sich den „Standpunkt der Abwesenden“ zu vergegenwärtigen. Man bleibt gefangen in der narzisstischen, nach Vereindeutigung strebenden Weltanschauung. Warum die anderen, abtrünnigen Menschen — Querleugner, Klimahenker oder ostdeutsche Trump-Wähler — so denken und wahrnehmen, wie sie denken und wahrnehmen — das interessiert einfach nicht. Es fehlt an dem notwendigen Einfühlvermögen — auch wenn Arendt sagt, dass es darum nicht ginge —, welches im egozentrisch-digitalen Zeitalter immer weiter verkümmert. Laschyk und Co bleiben in ihrer eigenen Bubble und halten deren Inhalte für die einzig wahren — alle anderen Blasen in diesem Schaum müssen entweder zerstochen oder zu einer noch größeren Blase assimiliert werden.
Es sind Gräben zwischen den Milieus, die das Vergegenwärtigen des Abwesenden erschweren oder gar verunmöglichen. Der Kommunikationsforscher Michael Meyen skizzierte in seinem gleichlautenden Buch zu seinem Propaganda-Matrix-Modell vier Arenen — eine davon ist das journalistische Feld, welches durch ein sehr homogenes Milieu gekennzeichnet ist:
„Die Redaktionen der Leitmedien in Deutschland sind weiß, akademisch gebildet, urban, sehr deutsch und zumindest an der Spitze männlich und in gewisser Weise auch wohlhabend. Vor allem aber sind diese Redaktionen homogen und nicht viel anders als diejenigen, über die sie berichten. Töchter, Söhne von Angestellten, Beamten, Selbstständigen. Man war auf den gleichen Universitäten, man lebt in den gleichen Vierteln, man mag die gleichen Cafés — und kann die Welt folglich gar nicht so viel anders sehen als die Entscheider in Politik, Kultur, Justiz, Wirtschaft. Aus dieser Ähnlichkeit von sozialer Position, Kultur, Justiz, Wirtschaft. Aus dieser Ähnlichkeit von sozialer Position und Habitus wird im Alltag nicht selten echte Nähe. Kontakt schafft Sympathie und damit oft auch mindestens Verständnis. (…)
(D)er Aufsteigerhabitus, der das (journalistische) Feld dominiert, und die hegemoniale Diskursordnung, die Reichtum und Erfolg vergöttert, (bringt) einen Journalismus hervor (...), der die Mächtigen nicht kritisiert und kontrolliert, sondern einen ‚Schutzmantel um die politischen Weichensteller legt‘ und kritische Stimmen aus dem ‚legitimen öffentlichen Diskursraum‘ ausschaltet. Kein ‚Watchdog‘ der Demokratie, sondern ein Wach- und Schoßhund der Mächtigen“ (4).
Laschyk ist sich sogar dieser Milieu-bedingten Aufstiegschancen im Journalismus bewusst. Aber es folgen daraus keine Konsequenzen im Denken und Bewerten. Denn immerhin kommt Laschyk augenscheinlich aus genau diesem Milieu. Mit dem oben zitierten Absatz kann man Thomas Laschyks Instagram-Profil besuchen und eine Strichliste bei den Merkmalen machen, die zutreffen. Freilich sind die in Kachelform aufgehübscht inszenierten Lebensausschnitte nicht mit der Realität zu verwechseln, doch geben sie zumindest eine Ahnung davon, welchem Milieu Laschyk entstammt. Das ganze Profil ist eine Klischee-Galerie, in der wir einen links-grün-liberalen Studenten — pardon(!) Studi — aus der — vermutlich — (gehobenen) Mittelschicht zu Gesicht bekommen; „Random“ Selfies, Anti-AfD-Selfies, Uni-Zeugnis-Selfie, Selfies mit Politikern, zur Schau gestellter Veganismus und Kosmopolitismus und das alles in der Bildunterschrift garniert mit unlustigen Platzhalter-Bemerkungen, die verdecken, dass man eigentlich nichts zu sagen hat.
Ob Laschyk die Lebensrealität von Handwerkern, Pflegekräften oder Discountermarkt-Kassiererinnen aus nächster Nähe kennt? Das Profil lässt erhebliche Zweifel aufkommen. Diese divergierenden Lebensrealitäten erschweren dann den von Arendt skizzierten Vergegenwärtigungsprozess. Die oft als „Bildungsverlierer“ beschimpfte Arbeiterklasse hat gerade ob ihrer lebensnahen und bodenständigen Nicht-Akadämlichkeit häufig einen wesentlich besseren Riecher für „die Wahrheit“, als jene Mittelschicht-Kids, die wohlbehütet in der Wohlstandsblase zwischen Campus und gentrifizierten Vierteln heranwachsen. Machen diese Kids dann irgendwas mit Medien, fehlt beim Output häufig der für den Vergegenwärtigungsprozess notwendige Realitätsbezug, der nicht selten eine Überheblichkeit mit sich bringt.
In anderen Worten: Wer wenig Berührungspunkte mit dem Volk hat, wird leicht zu einem Volksverpetzer.
Hierzu nochmal Meyen:
„Pegida, die Flüchtlinge, das Klima, Ernährung, Corona. Bei allen Konflikten der jüngsten Vergangenheit gab es die gleichen Fronten: Großstadt gegen Provinz, Hochqualifizierte gegen Geringqualifizierte, West gegen Ost. Die Leitmedien waren dabei qua Berufshabitus immer Partei. (…)
Der Leipziger Medienforscher Uwe Krüger hat für diese Wertegemeinschaft das Wort ‚Verantwortungsverschwörung‘ geprägt. Journalisten wissen, was gut ist und was schlecht (so ziemlich das Gleiche, was die Herrschenden gut oder schlecht finden), und glauben, dass sie Einfluss auf die Menschen haben. Also wird die Wirklichkeit ‚um die Teile‘ reduziert, ‚die nicht zur Haltung passen‘ und das betont, was dem gewünschten Ziel zu helfen scheint“ (5).
Und wie sieht es mit der Vergegenwärtigungskompetenz von mir, dem Rezensenten dieses Buches aus? Kann ich den „Standort“ von Thomas Laschyk, „der nicht der meinige ist“, einnehmen und, ohne meine „eigene Identität aufzugeben“, seine Sichtweise und Intentionen nachempfinden? Ich denke schon. Einfach aufgrund dessen, dass ich selbst vor langer Zeit in gewisser Weise in dessen Welt gelebt habe.
Ich weiß, wie es ist, den etablierten Mainstream-Medien Glauben zu schenken, sich in dem Urvertrauen zu wiegen, dass die Wissenschaftler, die Institutionen und die vernünftigen Entscheidungsträger schon wissen, was sie tun, dass das System, in dem man lebt, im Grunde gut ist. Auch weiß ich noch, wie es ist, fest daran zu glauben, dass es für alle Schauermärchen der verrückten Abweichler immer eine beruhigende, da entlarvende Erklärung gibt. Ich kenne noch von früher das wohltuende, selbstherrliche Gefühl, teilzuhaben an der Bewegung der — vermeintlich — Guten und Vernünftigen und ein Feindbild zu haben, auf welches man die eigenen Unzulänglichkeiten projizieren kann. Aus der Zeit der alten Normalität kenne ich noch das Zugehörigkeitsgefühl, Teil der Gesellschaft zu sein und es auch bleiben zu wollen, nötigenfalls auch zu dem Preis, mal eine Meinung herunterzuschlucken, um nicht ausgestoßen zu werden. Genauso kann ich die Angst nachempfinden, die man beim Widerstand gegen jede Art von Autoritäten empfindet.
Diese Angst dürfte einem Volksverpetzer eigentümlich sein, weil sich andernfalls dessen Petz-Wut nicht nach unten, sondern nach oben richten würde. Ich kann nachempfinden, wie beängstigend Erzählungen sein können, wonach das gesamte System, in welchem man lebt, eine einzige große Illusion ist, dass die Zentren der Macht abseitig jeder demokratischen Kontrolle liegen und Verantwortung nicht an Volksvertreter delegiert werden kann, sondern dass nur man selbst derjenige ist, der das eigene Leben eigenverantwortlich in die Hände nehmen kann. Ich kann verstehen, dass ein Thomas Laschyk diese rote Pille nicht ohne weiteres schlucken, diese Gedanken nicht zulassen kann — an den Konsequenzen hängt einfach zu viel dran. Was mit Gedankenverbrechern geschieht, kann er an seinem eigenen Tun beobachten. Dieses Weltbild zu verlassen würde bedeuten, weite Teile des sozialen Umfeldes zu verlieren und die über Jahre hinweg aufgebaute Reputation und den damit verbundenen Wohlstand ebenfalls.
Ich kann auch den „aufklärerischen“ Eifer verstehen, der Laschyk offensichtlich antreibt. So, wie es ihn offenkundig rasend macht, wenn Verbreiter von Mis- oder Desinformation — die es im Alternativmedien-Spektrum zweifelsfrei gibt — junge Menschen erreichen und ihnen ein aus seiner Sicht falsches Weltbild vermitteln, so macht es mich rasend, wenn ich sehe, wie den jungen Menschen der heranwachsenden Generation in den Klassenzimmern aufoktroyiert wird, was sie zu denken haben und was nicht, wenn sie in ihrem Denkhorizont beschnitten und gegen bestimmte Ansichten mental-prophylaktisch geimpft (6) werden.
Dieser Vergegenwärtigungsprozess ist ein Adlerflug über die Schützengräben eines Krieges der Weltbilder, der nur befriedet werden kann, indem alle Seiten sich von der Annahme verabschieden, dass die „Vereindeutigung der Welt“, so Thomas Bauer, erstrebenswert ist, wenn anerkannt wird, dass wir in einer multiperspektivischen Welt leben, eine Konsensfindung über die Wahrheit illusorisch ist und wir uns endlich mehr in der Demut üben, die eigene Begrenztheit anzuerkennen.
Fazit: Wer die Wahrheit sagt, braucht keine Werbung, sondern ein schnelles Pferd!
Am Ende ist das gesamte Buch dann doch eine Art Sendung mit der Maus. Die ARD-Kindersendung besteht aus einer Maus, einem Elefanten und einer Ente. Thomas Laschyk ist die mit einem Erklärbar-Duktus ausgestattete Maus, die der Ente hinterherjagt. „Eine Ente“ beziehungsweise eine Zeitungsente ist ein Synonym für in Zeitungen verbreitete Falschmeldungen. Die Maus erklärt in diesem Buch im Grunde genommen alles zur Ente, was der eigenen Weltanschauung widerspricht.
Und dann wäre da noch der Elefant. Vielleicht kennen Sie diese Erzählung, wonach ein König fünf blinde Gelehrte nach Indien schickt, um herauszufinden, was ein Elefant ist. Schließlich finden die Gelehrten einen Elefanten und betasten diesen. Der eine berührt den Rüssel, ein anderer die großen Ohren, der nächste das Bein, der vierte den Zahn aus Elfenbein und der letzte das Hinterteil. Am Ende kehren alle Gelehrten zum König zurück und berichten jeweils aus ihrer individuell unterschiedlichen Sicht, was ein Elefant sei. Jeder hat folglich eine andere Beschreibung für einen Elefant, dabei haben alle dasselbe Tier berührt — nur eben an einer anderen Körperstelle. Erst die Summe der Beschreibung ergibt das Gesamtbild, die Wahrheit.
Die Maus Thomas Laschyk ist einer dieser Gelehrten, der diesen Elefanten berührt, aber dann den Fehler macht, die von ihm ertastete Körperstelle zu generalisieren und als die alleinige Wahrheit auszuweisen und die Sichtweise der anderen Gelehrten für ungültig zu erklären.
So in etwa lässt sich das Buch zusammenfassen. Der Chef-Volksverpetzer macht zu Beginn überraschend viele Zugeständnisse, die jedoch im weiteren Verlauf des Werks folgenlos bleiben. Anerkannt werden muss, dass das Werk einige richtige Theorie-Ansätze enthält, die dann jedoch einseitig angewendet werden. Ebenfalls lobend erwähnt werden muss, dass Laschyk berechtigte Kritik an der Alternativmedien-Szene vorbringt.
Wesentlich mehr gibt es hier nicht zu loben. Offen bleibt darüber hinaus die Frage, wer eigentlich die Zielgruppe dieses Buches ist. Der Autor geht in seiner Streitschrift nur von einem bedingt mündigen Rezipienten aus. Das Duzen implementiert auf sprachlicher Ebene ein Lehrer-Schüler-Verhältnis. Die durch ein Siezen entstehende Augenhöhe zwischen Verfasser und Leser fällt weg.
Man kann festhalten: Das Werbeblock-Buch passt wie die Faust aufs Auge in eine Epoche, in der Politik statt in Parlamenten in PR-Agenturen gemacht wird und politische Maßnahmen nicht mehr das Ergebnis eines demokratischen Mehrheitsfindungsprozess sind, sondern diese von demokratisch nicht legitimierten Institutionen mit dem entsprechenden Marketing gewaltsam durchgedrückt werden.
Im Kern geht es in dem Werk um die Inthronisierung einer letztinstanzlichen Wahrheitsfeststellungsinstitution in Gestalt „der Wissenschaft“. Dieses krude Wissenschaftsverständnis des Volksverpetzers ist dadurch charakterisiert, dass „die Wissenschaft“ keinen Streit kennt — abweichende Forscher werden diffamiert und gecancelt —, dass sie Eindeutigkeit und Konsensualisierung anstrebt und gänzlich von Drittmitteln, respektive einflussreichen Geldgebern unabhängig ist. Diese „Wissenschaft“ agiert diesem Verständnis nach als Automat, der Fakten ausspuckt, die Laschyk als statische und begrenzende Eckpfeiler der Wahrheit betrachtet und nach denen es sich zu richten gelte. Sein Wahrheitsstreben fußt auf einem erkenntnistheoretisch falschen Axiom, wonach Wahrheit schlicht die Addition einiger Fakten sei.
Wie nah an der Wahrheit sich ein Wahrheitssuchender — mit Betonung auf „Suchender“ — befindet, lässt sich anhand der Angriffe auf selbigen ablesen. Der Ober-Volksverpetzer, der sich in dem Buch nur allzu oft wehleidig als Opfer inszeniert, mag Angriffen von Usern aus dem Netz ausgesetzt sein. Und da mag durchaus auch mal die eine oder andere beängstigende (Mord)Drohung dabei sein, die selbstverständlich auf das schärfste zu verurteilen ist. Doch wer wirklich zum Kern der Wahrheit vordringt, der hat Feinde von einem ganz anderen Kaliber als ein paar Trollen im Netz. Wer wirklich Wahrheiten zutage fördert, sieht sich Kontokündigungen und geheimdienstlicher Überwachung ausgesetzt. Die- oder derjenige sieht sich gezwungen — wie Edward Snowden — ins Ausland zu flüchten. Wer zu Kernen der Wahrheit vordringt und dabei mächtigen Zirkeln aus Politik, Militär, Wirtschaft und Finanzen auf die Pelle rückt, der wird nicht mit Preisen überhäuft oder — wie der Volksverpetzer — vom Staatsministerium Baden-Württemberg oder der Amadeu Antonio Stasi Stiftung empfohlen, sondern sitzt wie Julian Assange im Hochsicherheitstrakt.
Wer die Wahrheit sagt braucht keine Werbung, sondern ein schnelles Pferd. Und die Wahrheit wiederum braucht keine Werbung, keine Volksverpetzer, sondern... Elitenverpetzer.
Und damit schließe ich diese Rezension frei nach den Worten von Roger Waters:
„We don‘t need no education
We don‘t need no thought control
We don‘t need no factchecks
Hey! Volksverpetzer, leave them kids alone“
Hier können Sie das Buch bestellen: „Werbung für die Wahrheit: Überlasst die guten Geschichten nicht den Fake News“
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Quellen und Anmerkungen:
(1) Siehe van Rossum, Walter „The Great WeSet: Medien und Recht“, München, 2023, Seite 48.
(2) Siehe Ebenda
(3) Siehe Arendt, Hannah „Zwischen Vergangenheit und Zukunft: Übungen im politischen Denken I“, München, 2015, Seite 342.
(4) Siehe Meyen, Michael „Die Propaganda-Matrix: Der Kampf für freie Medien entscheidet über die Zukunft“, München, 2021, Seite 185.
(5) Siehe Ebenda, Seite 188.
(6) Vergleiche Tögel, Jonas: „Kognitive Kriegsführung: Neueste Manipulationstechniken als Waffengattung der NATO“, Frankfurt am Main, 2023, Westend, Seite 94 Fortfolgende.