Ich erinnere mich gut an das Münchner Friedensfestival am 1. September 2024 in München. Unter anderem trat der Liederpoet Yann Song King auf, den ich schon in Berlin am Rande einer Corona-Demo erlebt hatte, und er sang sein Lied „Versprechen“.
Hier der fast magisch anmutende, witzig-ernste Text (1):
„In einem Land, das glaub ich jeder kennt,
regierte mal ein leicht dementer Präsident.
Etwas morsch und löchrig war sein Geist,
sodass er manchmal etwas durcheinander schmeißt.
Bei einer Militärparade kam
es zu ’nem folgenschweren Versprecher dann.
Am Teleprompter war die Schrift zu klein,
und der Präsident fing, an einen Befehl zu schrei’n,
den die Soldaten noch nicht kannten:
Alle Waffen stillgestanden!
Daraufhin fragt ihn ein Journalist,
ob und wann diesem Befehl zu folgen ist.
Die Welt schaut zu, was jetzt geschieht,
als er aus seiner Tasche einen Zettel zieht.
Man ist gespannt auf’s Präsidentenwort,
und auf dem kleinen Zettel steht:
‚unverzüglich und sofort‘.
Die Telegrafendrähte brannten:
Alle Waffen stillgestanden!
Die Menschen hören auf der ganzen Welt,
dass nunmehr der Befehl zum Waffenstillstand gilt.
Die Diener und Vasallen mussten nun
dem Befehl des Herren schnell Genüge tun.
Die Leute sahen schon nach Tagesfrist,
dass durch den kleinen Fehler jetzt der Frieden ausgebrochen ist,
wie ihn die Menschen gar nicht kannten:
Alle Waffen stillgestanden!
Ja, ihr sagt, das wär nur Spinnerei
und dass so ein Versprecher kein Versprechen sei.
Doch vielleicht sollte man mal probier’n,
ob unsre Herrscher besser auf Befehlston reagier’n.
Fest entschlossen schreien Milliarden Kehlen,
dass sie den totalen Frieden auf der Welt befehlen
— jedem Kommandanten:
Alle Waffen stillgestanden!“
Eine im November 2024 erfolgte US-Wahl später bekommt der liedermachende Visionär aus Sachsen vielleicht richtig Recht, zumindest in Bezug auf den Krieg in der Ukraine. Waren und sind einige Poeten ihrer Zeit mal wieder voraus? Nicht nur sie forderten in den vergangenen drei Jahren einen umgehenden Waffenstillstand in der Ukraine — viele taten das (2). Jetzt kommt er womöglich in Reichweite. Das wird doch wohl nicht zu ernsthaften Friedensverhandlungen führen? Wo man doch heutzutage den Frieden fast fürchten muss ...
Die deutsche Regierung könnte die reale Möglichkeit eines Waffenstillstands in der Ukraine mit allen politischen und diplomatischen Mitteln, die noch verblieben sind, unterstützen. Ein eintretender Waffenstillstand ist bekanntermaßen Voraussetzung für Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine.
Erfolgreiche Friedensverhandlungen und dann eintretender Frieden zwischen Russland und der Ukraine erhöhen die Wahrscheinlichkeit, eine im Raum stehende offene militärische Auseinandersetzung zwischen der NATO und Russland oder europäischen Staaten und Russland zu vermeiden. Ob das jemand in „Berlin“ versteht und auch wahrhaben will?
Als Zeichen des guten Willens sollten umgehend — als Signal an Moskau und die Welt — alle neuerlichen Aufrüstungspläne vom März 2025 ausgesetzt werden. Nicht nur ihre Diskussion im neuen Bundestag wird in einer realistischen Neubewertung der Gefährdungslage für unser Land allen Stimmen Raum geben müssen, die Alternativen aufzeigen. Es gibt genug Stimmen, es gibt genug Alternativen. Die deutliche Überzeichnung einer russischen Bedrohung kann zurückgenommen werden.
Die bisherige Haltung der Bundesregierung sollte, ja muss unbedingt dahingehend der neuen Situation angepasst werden, sodass eine eigenständige deutsche Friedenspolitik entwickelbar und dann sichtbar wird.
Berücksichtigt man die wahrscheinlichen Instabilität der noch zu bildenden Bundesregierung, wenden sich nachstehende Gedanken auch an eine denkbare Übergangsregierung oder eine Regierung der nationalen Verantwortung unter Führung und Mitwirkung von integren und friedensfähigen Persönlichkeiten mit nachgewiesener Fachkompetenz für ihre zu verantwortenden Ressorts.
Die Entwicklung einer eigenständigen deutschen Position ist denkbar. Wir erleben gerade, wie schnell sich der Wind drehen kann, auch wenn man von allen Seiten strategisch berechnendes Kalkül vermuten muss. Friedensfördernde Gedanken könnten hierzulande weiter Raum greifen, zum Beispiel die Möglichkeit:
- einer grundsätzlichen Neutralitätserklärung der deutschen Regierung im Namen des deutschen Volkes unter Wahrung der Hilfsbereitschaft in humanitären Fragen,
- der Umwandlung der NATO-Mitgliedschaft in eine vorerst ruhende Mitgliedschaft, mit der Option einer geordneten Abwicklung oder Umwandlung der NATO zu gegebener Zeit,
- einer Aussetzung des „Operationsplans Deutschland“ unter Wiedereinsetzung der vormals gültigen Regeln für den Verteidigungsfall,
- einer strategische Ausrichtung der Bundeswehr als reine Verteidigungsarmee unter den Bedingungen veränderter, „moderner“ Kriegsführung, auch als Vorschlag an die bisherigen NATO-Partner für jeweilige Anpassungen der eigenen Strategie,
- einer Vereinbarung mit den USA über die Beendigung ihrer militärischen Präsenz in Deutschland unter Verweis auf die gegebenen Möglichkeiten der Selbstverteidigung,
- einer eigenständigen diplomatischen Initiative zur Herstellung dauerhaften Weltfriedens zum Beispiel mittels eines weltweit gültigen Nichtangriffsvertrags, möglicherweise durch einseitige Erfüllung in Gang gesetzt,
- sichtbarer Aufnahme und Bejahung aller Frieden fördernden Positionen Chinas, Russlands, der USA und anderer Länder wie Brasilien, Ungarn und Indien,
- einer Forderung an Russland, die USA, Frankreich und Großbritannien über verbindliche Garantien des Verzichts auf den Einsatz von Atomwaffen weltweit, in Europa und gegen Deutschland im ersten Schritt, dann eines vollständigen Abbaus,
- der Aussetzung aller Sanktionen gegen Russland, dann deren vollständige Aufhebung,
- der Wiederaufnahme der direkten Lieferung von Energieträgern aus Russland
- der Planung und dem Beginn einer beispielhaften Konversion der inländischen Militärindustrien?
Wir werden miterleben, inwieweit die jetzigen und künftigen Verantwortlichen diese und die sich noch entwickelnden Möglichkeiten entschlossen ergreifen, die vor allem durch die veränderte Außenpolitik der USA in Bezug auf die Beziehungen zu Russland — möglicherweise modifiziert auch zu China — entstanden sind. Wahrscheinlich werden sie auch diese Gelegenheit verpassen, oder etwa nicht? Was wird dann geschehen? Werden wir uns die uns selbst gefährdende und ruinierende Aufrüstungspolitik bei offensichtlicher Möglichkeit und Notwendigkeit von Entspannungspolitik bieten lassen?
Es ist höchste Zeit für eine glaubwürdige, nachhaltige und wirksame Vertretung der Interessen unseres Landes — und der Weltgemeinschaft — mit Fingerspitzengefühl für entstandenen Schaden an der Reputation Deutschlands und entsprechendem erneuten Vertrauensaufbau.
Nutzen wir die Gunst der Stunde für eine Erneuerung unseres Landes aus dem umfassenden Wirken für dauerhaften Frieden, hier bei uns, in Europa und weltweit! Dabei können und wollen wir uns keineswegs auf die politisch Handelnden verlassen; friedenswirksames Tun hat viele Facetten. Die tieferen Ursachen für die realen, induzierten Krisen auf unserem Planeten gilt es weiterhin zu untersuchen und zu beseitigen. Dafür ist bekanntermaßen mehr nötig als gegenseitige militärische Bedrohung beendende Friedensverhandlungen. Aber sie wären und sind nach einem eingehaltenen Waffenstillstand ein Schritt auf dem Weg zu einer unabdingbaren Weltfriedensordnung, die nur aus der Bewältigung der geistigen Krise der Menschheit erstehen kann!
Alle Waffen still gestanden — Yann Song King — Demo für Frieden in Weissenfels am 25.09.2024 Teil 1

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Quellen und Anmerkungen:
(1) Songtext von Yann Song King, https://www.yannsongking.de/
(2) Unter anderem auch ich in einem Text vom 15. Februar 2023, https://www.manova.news/artikel/die-letzte-chance-3.