Brauchen wir bei Manova Frauenthemen? Was sind denn bitte Frauenthemen? Welcher Wickel bei Regelschmerzen hilft und welche Globuli in den Wechseljahren? Welche Styles gerade angesagt sind? Ob wir dieses und jenes Rezept mit welchem Erfolg nachgekocht haben? Ob wir mit 60 besseren Sex haben als mit 30, ob wir überhaupt noch welchen haben, und wenn nicht, wie lange das wohl schon so geht? Unsere Lektorinnen quittierten ganz sicher den Dienst.
Frauenthemen?
Es gibt andere Frauenthemen, über die man auch bei Manova öfter lesen sollte, wie strukturelle Benachteiligung, sexualisierte und häusliche Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen, Erwerbsbedingungen von Frauen, Sorgen und Nöte Alleinerziehender, die doch meist Frauen sind, Teilzeitbeschäftigter, die auch meist Frauen sind, Geringverdiener, die — wir ahnen es — auch meist Frauen sind. Oder den aus ostdeutscher Perspektive völlig unverständlichen und entbehrlichen Paragrafen 218 im Strafgesetzbuch, der wie ganz selbstverständlich die eine Hälfte der Bevölkerung latent kriminalisiert, weil die andere Hälfte sich das so ausgedacht hat.
Man könnte darüber schreiben, wie die Situation von Frauen und Mädchen ist, die aus dem islamischen Kulturkreis zu uns gekommen sind. Man könnte darüber schreiben, warum Frauen und Mütter zu Kriegsbefürwortern werden. Man könnte auch darüber schreiben, warum Frauen nicht oder eben deutlich weniger schreiben. Genau das will ich versuchen und mache gleich den ersten Fehler, den Männer eher nicht machen würden: Selbstlimitierung. Meine Meinung erhebt keinen Anspruch, für andere zu stehen. Zugespitzt: Ich erhebe keinen Anspruch, mit meiner Meinung für andere zu sprechen. Das bringt mich zum ersten Stichwort.
Selbstzweifel
Will denn überhaupt jemand lesen, was ich dazu zu sagen habe? Irgendeiner hat doch sowieso schon was dazu gesagt. Mindestens einer. Das heißt: ein Mann. Das heißt auch: In der Welt existiert schon eine Meinung, mindestens eine. Die Meinung von Frauen, so sie überhaupt zugelassen wurde oder wird, ist meist allenfalls als Zweitmeinung relevant.
Hat meine Meinung da eine Chance? Schließlich äußere ich mich doch, weil ich dies will und meine Meinung eben nicht dem Voicerecorder anvertrauen möchte, sondern mir wünsche, dass sie von anderen gehört wird. Und wenn, dann sollten wir Frauen doch bitte ebenso brillant schreiben wie unsere männlichen Kollegen. Können wir das denn überhaupt? Nähme uns denn überhaupt jemand Uwe Froschauers oder Roberto De Lapuentes Rotzigkeit ab? Empfänden die Leser das nicht als billiges Kopieren? Dürfen Frauen das oder wäre das eine Form kultureller Aneignung? Daraus folgt unmittelbar das zweite Stichwort.
Zögerlichkeit
Soll ich mich hinsetzen, in Recherche und ins Formulieren investieren, wenn es doch bloß keiner lesen will? Ja, nein, vielleicht. Ich zögere, ich verwerfe, ich beerdige ganze Passagen, schlimmstenfalls den ganzen Artikel. Jedes Mal geistige Rüstzeit … Glaube ich wirklich, das geht Männern nicht so? Glaube ich zwar nicht, aber über meinen Schatten springen kann ich auch nicht. Also fange ich von vorn an, zögere, verwerfe. Wieder geistige Rüstzeit. Jahrtausende Patriarchat haben mich so werden lassen, 61 Jahre des Aufbegehrens haben nur bedingt geholfen. Das liefert mir das dritte Stichwort.
Sozialisierung
Wir können uns für modern und aufgeklärt halten, für Feministinnen oder Tradwives, aber wir sind Teil einer systemischen Welt. Systeme haben Regelkreise, sind häufig selbstregulierend. Gegen solche Systeme aufzubegehren, kostet Kraft. Sie zu verändern, kostet noch mehr Kraft. Ich bin kein Perpetuum mobile. Und selbst das funktioniert trotz Energieerhaltungssatz bekanntlich nicht, weil es Reibungsverluste gibt. Ich mag diese Reibungsverluste nicht. Sie sind Verschwendung. Ich kann nicht mehr jeden Kampf führen, will ich auch gar nicht mehr.
Früher hatte ich doch ernstlich geglaubt, ich könnte was bewirken, verändern vielleicht sogar. Warum glauben wir Frauen immer noch daran, dass sich was verändert, nur weil wir die gute Hälfte der Bevölkerung sind, uns Gleichberechtigung also zusteht?
Was wir eindeutig nicht so gut beherrschen (was für ein Wort in diesem Kontext!) wie die Männer, ist das Knüpfen von Netzwerken und Schmieden von Bündnissen. Die Netzwerke und Bündnisse der Männer dienen seit ewigen Zeiten vor allem dem Erhalt von Macht und Einfluss, ihrer Macht, ihrem Einfluss. Da auf Einsicht zu hoffen, ist naiv.
Die Netzwerke und Bündnisse der Männer, gleich ob formell oder informell, sind häufig exklusiv: Frauen nicht erwünscht, per Satzung, per Ritus oder durch Ausschluss von der Kommunikation und Vorenthalten von Informationen. Was steht dem entgegen, eigene Netzwerke und Bündnisse zu schaffen? Unsere Sozialisierung. Und unser Anspruch, der Anspruch, dass „unsere“ Netzwerke und Bündnisse bitte schön inklusiv sein sollen. Wer ist für unsere Sozialisierung verantwortlich? Unsere Mütter, unsere Väter, das Patriarchat. Henne, Ei, Katze, Schwanz. Aus der Sozialisierung folgt unmittelbar das nächste Stichwort.
Harmoniebedürfnis
Das Weibliche als das Ausgleichende. Ist das nur ein Klischee, für welches das Patriarchat verantwortlich ist? Wieder: Ja. Nein. Vielleicht. Auf keinen Fall ausschließlich. Denn nicht das Patriarchat hat sich das Testosteron ausgedacht, Östrogene auch nicht. Spätestens in unseren Fünfzigern können wir ganze Liederbücher damit füllen, was die mit unseren Stimmungen machen. Mal sind wir krawallig und wollen genau das, mal hassen wir uns dafür. Dann sind wir wieder harmoniebedürftig und finden das völlig in Ordnung.
Und weil wir so schön harmoniebedürftig sind, schreiben wir auch weniger druckvoll. Wir wollen schließlich niemanden verletzen. Wir wollen durch das, was wir sagen, was wir schreiben, was wir tun, um Gottes willen niemanden verletzen, nirgendwo ernsthaft anecken und somit den nächsten Konflikt herbeiführen, der jede Harmonie nur verhindert.
Wir können nicht anders … Ausnahmen bestätigen allenfalls die Regel.
Perfektionismus
Viele von uns kennen das: Du musst als Frau mehr leisten, um die gleiche Anerkennung wie die Männer zu finden. Laut einer Umfrage des Jobportals „Monster“ zum Frauentag 2022 glauben 55 Prozent der Befragten, also durchaus auch Männer, daran, dass diese Aussage im Arbeitsleben zutrifft. Die 18- bis 34-Jährigen glauben seltener daran. Ja, in dem Alter war auch ich noch optimistisch.
Aber wir Älteren haben unsere Erfahrungen gemacht. Aus diesen resultiert bei vielen von uns ein angepasstes Verhalten. Wir wollen immer perfekt liefern. Wissen wir längst, dass, wenn wir dies nicht tun, wenn wir mit unserer Meinung falsch liegen, uns zumindest die Häme gewiss ist. Wenn nicht offiziell, dann hintenrum. Da zudem die Wahrscheinlichkeit, einen Mann statt einer Frau zum Vorgesetzten zu haben, weit höher ist, bestätigen sich doch alle Vorurteile, verlieren wir Fürsprache, werden am beruflichen Aufstieg gehindert. Liefern wir nicht 100 Prozent, heißt es fast zwangsläufig: „Die Weiber haben’s einfach nicht drauf.“
Es beißt sich die Katze in den Schwanz.
Schon sind wir wieder bei Selbstzweifeln, Zögerlichkeit, bei der Katze und ihrem Schwanz.
Gibt es denn so gar kein Entrinnen? Wie gesagt:
Auf Einsicht der Männer zu hoffen, ist naiv. „Männer“ meint hier die Grundgesamtheit. Für diese ist die Welt doch in Ordnung. Sie sind die Welt nicht anders gewöhnt. Warum sollten sie Selbstzweifel haben?
Was Mut macht: Ich kenne viele Männer, die längst anders denken, zumindest in Teilen. Über ihren Schatten zu springen, vermögen auch die nicht. So wie wir auch nicht. Stichwort „Sozialisierung“.
In meinem Beitrag vom 6. Dezember 2024 forderte ich den Kategorischen Imperativ bei der Erziehung von Jungen und jungen Männern hinsichtlich ihrer Rollenbilder, vor allem, um die Gewalt gegen Frauen und Mädchen auf den Müllhaufen der Geschichte zu verbannen.
Der Beitrag brauchte damals einen Schlusspunkt. Aber meine Forderung war höchst unvollständig, denn ich fordere ebenso, dass Frauen endlich über ihren Schatten springen. „Uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun!“ Als Emil Luckhardt 1910 „Die Internationale“ ins Deutsche übersetzte, versuchten dies die Suffragetten. Sie waren wahrhaftige Aktivistinnen. Und wir? Sind wir Frauen in den wohlhabenden Ländern heutzutage nicht viel zu passiv? Uns geht es doch gut. Auf dem Papier sowieso. Und dennoch …
Woman Is the Nigger of the World
Ich glaube nicht, dass sich in naher Zukunft viel ändern wird. Im neuen Bundestag sind noch weniger Frauen vertreten als im alten, nurmehr 32,4 Prozent, nicht mal mehr ein Drittel. Am Ruder werden künftig „die Konservativen“, die Bewahrer, sein. Ihr Anführer ein Katholik. Was sollte sich unter dessen Ägide für Frauen verbessern? Was sollte sich verbessern, wenn der Frauenanteil bei den künftigen „Bestimmern“ nur 22,6 Prozent beträgt? Schlimmer noch: Was sollte sich verbessern, wenn die stärkste Oppositionspartei, die angebliche Alternative für Deutschland, mit nur 11,8 Prozent Frauenanteil in den Bundestag einzieht?
Friedrich, mir graut vor dir! Vor Alice sowieso.
Wenn Frauen schon kaum noch eine Stimme im Parlament haben, sollten sie sich anderswo Gehör verschaffen. Nicht sollten: müssen! Allerdings brauchen wir bei Manova nicht explizite Frauenthemen in den Fokus zu rücken. Aber zumindest sollten wir stärker als bisher unsere Sicht auf die Dinge einbringen. Und die haben wir, zwangsläufig. Jedoch, wie eingangs gesagt: „Unsere Sicht“ gibt es gar nicht.
Jede Frau hat ihre eigene Sicht auf die Welt. Was für eine Vielfalt, was für ein Schatz! Heben wir ihn, möglichst unverzagt.
Tun wir es nicht, denken die Männer weiter, sie sprächen für alle. Wie seit Tausenden von Jahren …

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