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Urnengang zum Frieden

Urnengang zum Frieden

Bei der anstehenden Bundestagswahl sollte die Friedensfrage wahlentscheidend sein. Manova-Interview mit der „Macht Frieden“-Koordinatorin Mona Aranea anlässlich der Demo gegen die Münchner Sicherheitskonferenz.

Nicolas Riedl: Seit Jahren engagieren Sie sich für das Bündnis „Macht Frieden“, zunächst als Pressesprecherin, nun als Koordinatorin. Was motiviert Sie, sich trotz überschaubarer Erfolge weiter für den Frieden zu engagieren?

Mona Aranea: Ich finde, gerade in den Zeiten, in denen die Militarisierung scheinbar unaufhaltsam voranschreitet, ist es wichtiger denn je, dass es Widerstand gibt. Und ich glaube, dass jede einzelne Friedensdemo, ob groß oder klein, dazu beiträgt, dass Menschen sich ermutigt fühlen, am Arbeitsplatz, in der Schule, im Rathaus oder in der Familie „Nein“ zur Militarisierung unserer Gesellschaft zu sagen.

Die Friedensbewegung — so man überhaupt von einer sprechen kann — formiert sich nur punktuell zu bestimmten Anlässen — etwa zur Münchner Sicherheitskonferenz oder zu einem Friedensfestival. Haben Sie eine Erklärung dafür, dass es nicht wöchentlich zu großen Menschenansammlungen für den Frieden kommt?

Die Friedensbewegung der 80er Jahre war sehr erfolgreich. Und die Gegner, also die Rüstungslobby, Politiker und anderweitige Kriegsprofiteure, haben sich die Bewegung der 80er Jahre sehr genau angesehen. Sie haben dazugelernt, das heißt, ihre Dynamiken und Schwächen studiert. Die heutige Friedensbewegung steckt noch in einem Lernprozess. Wir müssen verstehen, dass wir mittlerweile nicht mehr in den 80er Jahren sind. Seither haben sich die Mechanismen der Diffamierung, Spaltung und Zensur enorm verfeinert. Insofern sind wir noch nicht so stark, wie wir es sein müssten. Aber dass wir nach wie vor im Trommelfeuer der Propaganda stehen, zeigt im Grunde genommen, wie wichtig diese Bewegung ist — andernfalls würde sie niemals so angegriffen werden.

Wissen Sie, ob speziell die neuen Proteste des Bündnisses „Macht Frieden“ innerhalb des Bayerischen Hofes wahrgenommen werden? Und falls ja, mit welcher Signalwirkung?

Ich bin sicher, dass auch die Organisatoren und Teilnehmenden der Münchner „Sicherheitskonferenz“, die eigentlich eine Kriegstreiberkonferenz ist, den Protest wahrnehmen und sehr genau beobachten. Und ich bin sicher, dass der Protest unter Beobachtung seiner politischen Gegner steht. Unsere Zielgruppe als Protest gegen die SiKO sind aber nicht die Organisatoren und die Teilnehmenden im Bayerischen Hof. Denn diese Menschen sind auf der Seite der Kriegstreiber-Einheitsfront. Sie sind für unsere Argumente nicht erreichbar, schon allein aufgrund ihrer ökonomischen Interessen. Unsere Zielgruppe sind die zweifelnden Bürger.

Unsere Zielgruppe sind die Menschen, die ein ungutes Gefühl haben mit der Kriegspolitik, mit der Militarisierung, mit der Aufrüstungspolitik, die aber nicht genau wissen, in welche Richtung sie sich positionieren sollen oder es nicht wagen, sich klar gegen den Kriegskurs auszusprechen. Diese Menschen sind für uns erreichbar.

Das Bündnis mobilisiert zum diesjährigen Protest gegen die SiKO mit dem Motto „Bundestagswahl = Friedenswahl“. Woher rührt Ihre Zuversicht, dass sich der Frieden an der Urne „herbeiwählen“ ließe?

Die Bundestagswahl alleine wird keinen Frieden bringen.

Wenn Wahlen alleine etwas verändern könnten, dann wären sie verboten. Aber die Wahlentscheidung macht durchaus einen Unterschied für die Zusammensetzung des Bundestags und damit für das Ausmaß an Opposition gegen die Kriegstreiberei im Parlament. Wir wollen, dass die Friedensfrage wahlentscheidend wird, und wir wollen Menschen ermutigen, echte Friedenspolitik von allen Parteien einzufordern.

Angenommen, bei der Bundestagswahl käme wie durch ein Wunder eine Friedenskoalition zustande, doch anschließend wird das Wahlergebnis — wie letztes Jahr in Rumänien — mit Verweis auf „ausländische Einflussnahme“ für ungültig erklärt — und dann?

Das ist eine reale Option. Die Annullierung einer Wahl in Rumänien war ein Präzedenzfall. Und das ist sehr, sehr besorgniserregend. Und ich glaube, wir machen einen Fehler, wenn wir glauben, das kann in Deutschland nicht passieren. Käme es dazu, dann fällt die demokratische Maske.

Was ich mir zunächst wünsche, ist, dass alle Parteien ein Stück weit gezwungen werden, auf den Friedenskurs einzuschwenken. Wir sehen jetzt schon, dass das Thema Frieden im Wahlkampf nicht unerheblich ist. Der Druck auf Friedrich Merz als Spitzenkandidat der CDU ist so groß, dass er sich nicht mehr traut, öffentlich seine Forderung nach Taurus-Lieferungen zu wiederholen. Er spielt es sogar herunter. Der Druck auf die AfD, die Frieden mit Russland will, ist jetzt so groß, dass Alice Weidel nicht mehr so deutlich Waffenlieferungen an Israel unterstützt. Es gibt also faktisch einen gewissen Diskurs-Druck. Und der Kurs der herrschenden Parteien kann durch die öffentliche Meinung beeinflusst werden, weil Macht niemals alleine nur auf Basis von roher Gewalt durchgesetzt werden kann. Macht braucht immer auch ein Stück weit den Zuspruch der Beherrschten.

Wenn nun Parteien an die Macht kämen, denen es mit einer ehrlichen Friedenspolitik ernst wäre, und diese Wahl dann wie in Rumänien annulliert werden würde — dann wären wir im Bereich des Artikel 20, Absatz 4 des Grundgesetzes. Das würde eine Dynamik entfalten, mit der das Bündnis „Macht Frieden“ nichts mehr zu tun hat. Unser Bündnis agiert unter der Prämisse, dass ein Rechtsstaat defekt, aber noch existent ist. Wenn es aber darum geht, einen außer Gefecht gesetzten Rechtsstaat mit Gewalt gegen feindliche Kräfte zu verteidigen — da bin ich als Soziologin und Mutter von zwei Kindern raus!

Ich sehe meine Aufgabe darin, Menschen auf der Straße zu mobilisieren, für einen friedlichen Protest gegen die Militarisierung unserer Gesellschaft.

Das „Rumänien-Szenario“ ist zum aktuellen Zeitpunkt allerdings unwahrscheinlich. Das liegt daran, dass es für eine größere Friedenskoalition eben auch eine entsprechende Wählerschaft bräuchte — und die gibt es nicht. 30 Prozent sind bereit, Friedrich Merz zu wählen. Das Problem sind nicht nur elitäre Kräfte, die an der Seite der Rüstungsindustrie stehen und ihren Einfluss entsprechend im Bundestag geltend machen. Das Problem besteht eben auch darin, dass viele Bürger nicht souverän sind, ihre eigenen Interessen im Grunde nicht kennen und entsprechend auch nicht für sie eintreten.

Sie arbeiten für Andrej Hunko im Aachener Wahlkreisbüro des BSW. Innerhalb der Parteien mit dem Potenzial, die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden, ist das BSW die einzige Partei, die sich vergleichsweise glaubwürdig für den Frieden einsetzt. Ist die Demo demzufolge nicht eine indirekte Wahlkampfveranstaltung für das BSW?

Nein, es geht darum, Druck auf alle Parteien auszuüben. Ich persönlich engagiere mich im BSW, weil ich die Friedenspositionen von Sahra Wagenknecht teile und sie für glaubwürdig halte. Zugleich sehe ich, dass es auch in der AfD Menschen gibt, die ehrlichen Herzens den Frieden wollen. Und diese Menschen sind ebenso auf unserer Demonstration willkommen.

Es ist ja ein Irrtum, zu glauben, dass die Brandmauer gegen die AfD deshalb existiert, weil in den Reihen der AfD Rechtsextremisten geduldet werden, oder weil sie ein sehr liberales Wirtschaftsprogramm hat, das einen Kahlschlag für den Sozialstaat vorsieht, oder weil sie ein konservatives Familienmodell vertritt. Nein, die Brandmauer der Blockparteien gegenüber der AfD existiert deshalb, weil die AfD den Kriegskurs nicht in dem Ausmaß mitträgt, wie es die Kriegsprofiteure von ihren parlamentarischen Vertretern abverlangen. Die Diffamierungskampagne zielt somit auch darauf ab, die AfD von ihrem Friedenskurs abzubringen. Ich würde mir daher wünschen, dass auch die AfD- und Blockpartei-Abgeordneten von ihren Wählern in den Wahlkreisen gezwungen werden, in Sachen des Friedens standhaft zu bleiben.

Es geht im Kern darum, alle friedenspolitischen Abweichler in der gesamten Parteienlandschaft, in allen Parteien zu aktivieren.

Es gibt auch in der CDU/CSU, bei der SPD oder bei der FDP beispielsweise Eltern, die nicht möchten, dass die Bundeswehr an die Schulen kommt.

Einer der Redner auf der Demo wird der Arzt, Corona-Maßnahmenkritiker und ehemaliges BSW-Mitglied Friedrich Pürner sein. Laut ihm herrsche innerhalb der BSW „eine Kultur des Misstrauens und der Überwachung“. Kann eine Partei nach außen hin überhaupt glaubwürdig für Frieden eintreten, wenn es im Inneren heftig knirscht?

Das ist eine wichtige Frage, die nicht speziell das BSW betrifft, sondern alle Parteien. Eine neue Partei macht noch keine neue Gesellschaft. Und was ich in allen Parteien gespiegelt sehe, sind die Tendenzen, die wir in der gesamten Gesellschaft beobachten können. Etwa der Anpassungsdruck an gewisse Machtstrukturen. Ebenso die Tendenz, Menschen zu verdrängen, die zu willens- und charakterstark sind.

An Friedrich Pürners Kritik ist durchaus etwas dran. Dennoch ist mein Eindruck als Mitarbeiterin eines BSW-Bundestagsabgeordneten, dass es neben dem für Parteien so typischen Zwist sehr viele Menschen gibt, die sich ehrlich für Frieden, Meinungsfreiheit, Corona-Aufarbeitung und vieles mehr einsetzen. Aus meiner Sicht braucht es daher ein starkes BSW im nächsten Bundestag.

Die Wurzel dieser parteiinternen Konflikte liegt auch in der Angst vor schlechter Presse begründet. Davon müssen sich Oppositionsparteien frei machen. Wer in der Opposition ist, muss mit schlechter Presse rechnen. Ich verstehe die Frustration über das Parteiensystem. Aber dennoch bleibt das Ringen um parlamentarischen Einfluss wichtig. Und der einzige Weg zur Einflussnahme im Parlament führt über die Parteien.

In diesem Zusammenhang möchte ich betonen, dass parlamentarische Demokratien eine Errungenschaft darstellen, für die ein hoher Blutzoll entrichtet wurde. Das also leichtfertig abzuwerten oder für obsolet zu erklären, halte ich für grundfalsch. Es spielt eben sehr wohl eine Rolle, was sich in den Parlamenten zuträgt! Andernfalls würde sich die Rüstungslobby dort keinen verlängerten Arm in Gestalt der Grünen leisten, und BlackRock hätte nicht die Union gekapert und dort einen ihrer Leute, Friedrich Merz, an die Spitze positioniert. Was im Parlament beschlossen wird, macht sehr wohl einen Unterschied. Es macht einen Unterschied, ob Taurus-Lieferungen beschlossen werden oder nicht, oder ob für eine „Impf“-Pflicht gestimmt wird. Insofern gilt mein, gilt unser Bemühen dem friedenspolitischen Einfluss auf das Parlament.

Eine letzte Frage: Wie würden Sie die folgenden drei Bestandteile von Friedensarbeit prozentual nach ihrer Wichtigkeit gewichten: Wählen-Gehen, Aktivismus und Innenarbeit?

Die drei Bereiche überschneiden sich teilweise, aber ich würde es grob wie folgt gewichten: 5 Prozent das Wählen-Gehen, 15 Prozent Aktivismus und 80 Prozent die innere Arbeit.

Das Wichtigste ist definitiv die innere Arbeit!

Nur wenn ich im Frieden mit mir selber bin, kann ich auch den Frieden nach außen tragen. Nur wenn ich weiß, wer ich bin, kann ich mit beiden Füßen fest auf der Erde stehen und einem Schlag standhalten, ohne dabei umzufallen.

Vielen Dank für das Gespräch!


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