Zum Inhalt:
Unterstützen Sie Manova mit einer Spende
Unterstützen Sie Manova
Schadhafter Volkskörper

Schadhafter Volkskörper

Bei den Deutschen liegt der Pazifismus nicht nur im Blut, sondern sogar in den Genen, erfährt man im ARD-Programm — verbunden mit der Hoffnung, dass man diesen Gen-Code überschreiben kann.

Danke, Hitler! Das möchte heute mancher laut ausrufen. Denn jener Mann, der der Führer des Deutschen Reichs war, hat nicht nur einen bestialischen Krieg und Massenmord verbrochen, sondern die Deutschen, die nach seiner Zeit kamen, zu einem zahmen Volk guter Nachbarn gemacht. Er hat sie — unfreiwillig — zu eher dem Frieden zugeneigten Zeitgenossen transformiert, die immer dann skeptisch wurden, wenn das Wort „Krieg“ fiel.

Der Pazifismus hatte im Nachkriegsdeutschland einen starken Rückhalt. 1951 konnten zum Beispiel sechs Millionen Unterschriften gegen die Wiederbewaffnung gesammelt werden. Damals lebten in Westdeutschland knapp 51 Millionen Menschen — die Zahl von sechs Millionen Unterschriften war also mehr als beachtlich.

Im Laufe der Jahrzehnte scheute man Kriege; von deutschem Boden sollte kein Krieg mehr ausgehen. Diese Kriegsmüdigkeit zog sich über viele Jahrzehnte. Kühn glaubte mancher, dass die Deutschen für alle Zeit vom Kriegselan geheilt sein könnten. Ganz falsch ist das nicht, denn trotz der seit Jahren stärker werdenden Kriegsertüchtigungsrhetorik gaben vor drei Jahren noch immerhin fast 87 Prozent gegenüber der Friedrich-Ebert-Stiftung bekannt, dass sie eher für Verhandlungen denn für einen Waffengang im Falle der russisch-ukrainischen Auseinandersetzung seien. Für Caren Miosga, Gefälligkeitstalkerin bei der ARD, ist diese Friedensliebe sogar in den Genen der Deutschen verankert.

Sonntags um 21:45 Uhr wird zurrrückgeschossen!

So lehnte sie sich an einem dieser verfluchten Talksonntage zu Altaußenminister Joschka Fischer rüber und stellte ihre genetische Einordnung zur Disposition. Dann fragte sie die grüne Doppelstandard-Ikone gleich noch, wie man diesen Code überschreiben könne. Da schwang latent mit, dass eine solche genetische Veranlagung als Schaden zu begreifen sein sollte — als Gendefekt quasi. Ja, als Erbkrankheit!

Und das alles nur wegen damals, wegen der Nazis, die den Deutschen die Kriegsbereitschaft austrieben — jene hielten den Pazifismus übrigens auch für den Ausdruck einer schwächlichen Konstitution. Wer den Krieg diskreditierte — und sei es lediglich die Schilderung der Fronterfahrungen des Ersten Weltkrieges, wie Erich Maria Remarque es getan hat —, der konnte in den Augen der Nationalsozialisten nichts anderes sein als ein degenerierter Lump.

So degeneriert, wie es bei Miosga in ihrer gleichnamigen Talkshow anklang, als sie von einem Gen-Code sprach, der nun besser überschrieben werden soll. Als genetische Fehlfunktion, die man nun besser behebe.

Den Kriegsbefürwortern scheint jedes Mittel recht, um die Bevölkerung auf ihre Seite zu ziehen, sei es auch mittels der Sprache der Eugenik — und damit letztlich der Sprache derer, die man in diesem Lande sonst vorgibt zu bekämpfen. Joschka Fischer ging natürlich darauf ein, keine Bedenken bei ihm; als Grüner beherrscht er aber auch die Verwischung historischer Begrifflichkeiten. Unter seiner Ägide steuerten die Grünen 1999 in einen Krieg auf dem Balkan, der ein Auschwitz verhindern sollte. Der Name dieser polnischen Stadt und des dortigen von Deutschen betriebenen Vernichtungslagers war plötzlich kein Grund mehr für deutsche Demut und Diplomatie, sondern wurde zum Synonym deutscher Kriegsbeteiligung.

Die Rede von den Genen, die die Deutschen zu Pazifisten machten, ist freilich auch nur ein Synonym: für eine Debattenkultur, die speziell im öffentlich-rechtlichen Kontext völlig aus dem Ruder gerät.

Seit drei Jahren kann man dabei zusehen, wie an jedem verdammten Sonntag die Volksgemeinschaft oder — um einen Begriff zu bemühen, der damals chic war — der Volkskörper eingeschworen wird.

Zuletzt immer drastischer. Besonders Caren Miosga tut sich dabei als Stichwortgeberin hervor. Um 21:45 Uhr wird in ihrer Sendung zurrrückgeschossen. Regierungsnah. Regierungsunkritisch. Regierungskuschelig. Und da „Bundesregierung“ im Deutschland 2025 auch heißt, Teile der Opposition zu hofieren — die Grünen! —, behandelt man auch diesen oppositionellen Ausleger der Koalition mit ausgewählter Unterwürfigkeit.

Wieder ein Volk guter Krieger werden

Mit eugenischer Leichtigkeit wischt Miosga im Namen der Fraktion der Kriegswilligen deutsche Nachkriegsgeschichte weg. Macht aus Generationen von eher pazifistisch gesonnenen Menschen ein Heer von irrtümlich auf den Holzweg geratenen Leuten, denen der Irrtum auch noch in die körperliche Verfasstheit übergegangen ist. Dabei ist Miosga, die exemplarisch steht für die Klasse der öffentlich-rechtlichen Brandbeschleuniger, eine Profiteurin dieses genetisch degenerierten Deutschlands — wie wir alle! —, das den Kriegswillen hinter sich ließ, um wieder ein Volk guter Nachbarn werden zu können. Das war das Credo der Bundesregierung unter der Ägide von Willy Brandt. Für seine Ostpolitik erhielt der Bundeskanzler 1971 den Friedensnobelpreis. In seiner Rede an der Osloer Universität griff er dann den Pazifismus, den aus heutiger deutscher Propagandasicht gefährlichen Gendefekt, auch auf.

Und das durchaus kritisch. Denn Pazifismus sei nicht einfach so zu haben — er müsse gemacht werden. Darauf weist übrigens schon das Wort selbst hin, das sich aus „pax“ und „facere“ zusammensetzt, also aus Frieden und machen, tun oder handeln. In seiner Rede sprach er auch von einem naiven Humanismus, den er selbst als junger Mann gepflegt habe. Der Frieden falle einem nicht zu, indem man unterlässt — dafür gelte es etwas zu tun.

Waren es die Gene, die Brandt anleiteten, diese Rede zu halten? Kamen sie ihm in die Quere bei seiner Entspannungspolitik gegenüber Osteuropa? Willy Brandt sank in Warschau auf die Knie. Er selbst hatte sich im Zweiten Weltkrieg nichts zuschulden kommen lassen, dennoch zeigte er Demut und machte sich klein vor den Opfern der Nationalsozialisten.

Für den Frieden muss man etwas tun, vielleicht auch etwas annehmen, was man nicht selbst verbrochen hatte.

Diese Haltung sucht man bei denen, die heute noch immer Kriegsschulddebatten einer realistischen, diplomatischen Herangehensweise vorziehen, vergebens: Sie ordnen den Pazifismus, also den Umstand, für den Frieden etwas zu tun, für seine Erlangung handeln zu müssen, lieber als genetische Disposition ein — wenn auch nicht alle das so offen formulieren wie jene Stichwortgeberin der ARD. Ein Volk guter Krieger sein: Davon wird unter den Eliten der Bundesrepublik wieder „mutig“ geträumt.

Das Öffentlich-Rechtliche treibt in den Krieg

Florence Gaub erklärte schon recht früh, irgendwann 2022 muss es gewesen sein, dass die Russen zwar wie Europäer aussähen, aber gar keine seien. Markus Lanz, in dessen Sendung dies zu vernehmen war, intervenierte nicht. Gaub wird als Politikwissenschaftlerin und Zukunftsforscherin bezeichnet und ist Forschungsdirektorin der NATO-Militärakademie in Rom. Ihre Aussage war natürlich der Propaganda dieses Militärbündnisses geschuldet. Dass sie so frappierend jene Propaganda spiegelt, die es schon vor 1945 in Deutschland gab, als man den Russen eben exakt diese Nähe zu Europa vorenthielt und sie zu Horden aus dem asiatischen Raum umdefinierte, hätte damals jemandem in der Nachbetrachtung auffallen können. Damit hätte man jedoch eine lästige Wahrheit mit aufs Tapet gebracht: Die NATO wurde zur Eindämmung Sowjetrusslands gegründet — eine Agenda, die die Nationalsozialisten sich auch auf die Fahnen geschrieben hatten und die sie auch blutig umsetzten.

Dazu benötigten sie ein Volk, das den Krieg vielleicht nicht bejubeln musste — tatsächlich sollen die Granden des Reiches irritiert gewesen sein, dass der Beginn des nächsten Weltkriegs nicht mit Hurra-Rufen vollzogen wurde wie noch 1914 —, aber ihm doch mit einer gewissen rationalen Zugewandtheit begegnen sollte. Alles, was dieser „Notwendigkeit“ im Wege lag, wurde pathologisiert — als geistige Umnachtung und evolutionäre Schwäche ausgelegt, die man schnellstens ablegen sollte, wolle man nicht untergehen und im Überlebenskampf der Völker überdauern. Bliebe man kampfesverdrossen — kriegsmüde, wie die Rhetoriker heute sagen —, würde der deutsche Volkskörper vom Antlitz der Welt getilgt. Dann wäre er nicht würdig gewesen, den Kampf ums Dasein zu überleben. Dieses sozialdarwinistische Denken prägte die „nationalsozialistische Geopolitik“, auf dieser Grundlage ordnete Hitler aus seinem Bunker heraus die totale Vernichtung deutscher Infrastruktur an.

Die Rhetorik von damals ist heute überall spürbar. Aber keiner moniert sie mehr. Ablenkung erfährt man durch Proteste gegen das, was man rechts nennt, und die in Teilen eine Rhetorik anwenden, die man einst als antifaschistisch deklariert hätte. Geführt werden diese Kundgebungen von Personen, die die Rhetorik der Menschenverachtung Tag für Tag in die Kameras absondern.

Wer den Rechtsruck fürchtet, dem sei gesagt: Er ist längst da — und längst im politisch-medialen Komplex verinnerlicht. Man muss nur gelegentlich bei Caren Miosga und anderen reinzappen, dann bekommt man ein Bild davon.

Dort wird eine Sprache bemüht, die an Tage erinnert, die wir längst hinter uns gelassen wussten — oder von denen wir glaubten zu wissen, sie kämen nie wieder. Geschichte wiederholt sich freilich nicht — aber sie ähnelt sich. Besonders wenn sie sozialdarwinistische und genetische Anleihen aus unserer Geschichte nimmt.


Wenn Sie für unabhängige Artikel wie diesen etwas übrig haben, können Sie uns zum Beispiel mit einem Dauerauftrag von 2 Euro oder einer Einzelspende unterstützen.

Oder senden Sie einfach eine SMS mit dem Stichwort Manova5 oder Manova10 an die 81190 und mit Ihrer nächsten Handyrechnung werden Ihnen 5, beziehungsweise 10 Euro in Rechnung gestellt, die abzüglich einer Gebühr von 17 Cent unmittelbar unserer Arbeit zugutekommen.

VG-Wort Zählpixel

Weiterlesen

Muten wir uns zu!
Thematisch verwandter Artikel

Muten wir uns zu!

Eine Autorin zieht als „Einfrau-Demo“ durch die Lande. Ihre Aktionsform? Fragen stellen, anstatt fruchtlose Appelle an andere zu richten.

Le Pen an der Brandmauer
Aktueller Artikel

Le Pen an der Brandmauer

Ein Gericht entzog der aussichtsreichsten Kandidatin bei den französischen Präsidentschaftswahlen das passive Wahlrecht. Kritiker sehen hierfür machtpolitische Gründe.

Die Russen und ich
Aus dem Archiv

Die Russen und ich

Ein typischer Wessi erzählt, wie Klischeevorstellungen aus der alten Bundesrepublik unser Russlandbild bis heute prägen. Teil 2/2