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Der Weg in die Freiheit

Der Weg in die Freiheit

Im Rubikon-Exklusivinterview erklärt der Lebenskünstler Matthias Langwasser, dass es möglich ist und sich trotz einiger Mühe lohnt, unser Leben selbst zu gestalten.

Der Wald ist ein wunderbarer Rückzugsort. Wenn ich durch die Brandenburger Wälder streife, denke ich immer wieder daran, wie mein Opa mir davon erzählte, dass er sich dort im Zweiten Weltkrieg vor den Bombenangriffen versteckte. Wer weiß, was diese Bäume schon alles miterlebt haben. Die Natur bleibt völlig unberührt von dem, was wir Menschen erfahren. Mich beruhigt diese Vorstellung. Und mich beruhigt auch immer dieses sorglose Treiben der Tier- und Pflanzenwelt, wenn ich durch den Wald streife.

Matthias Langwasser zog zwei Jahre lang durch die Wildnis Südfrankreichs und Spaniens und ernährte sich — bis auf einige Ausnahmen in den kalten Wintermonaten — von dem, was er fand. Diese Erfahrung zeigte ihm, dass die Natur uns alles schenkt, was wir brauchen. Sicherheit liegt nicht auf einem fetten Bankkonto, sondern im Vertrauen und Erkennen der Naturkreisläufe, in die auch wir eingebettet sind. Und in dieser Erkenntnis liegt auch der Weg in die Freiheit.

Unsere Zivilisation hat uns abhängig gemacht. Abhängig von materiellen Dingen, die andere herstellen, die Geld kosten, die nicht einfach irgendwo kostenlos in der Natur wachsen. Entfremdung ist in aller Munde. Sie bezeichnet einen individuellen oder gesellschaftlichen Zustand, in dem die natürliche Beziehung des Menschen zu sich selbst, zu seinen Mitmenschen, zur Natur oder zu seinem Handeln gestört oder zerstört worden ist.

Dieser Zustand bedrückt mich sehr und oft finde ich keinen Ausweg aus meinen trüben Gedanken. Ich liebe den Komfort und die Bequemlichkeit, Nahrung einfach unten im Supermarkt zu finden und am PC arbeiten zu können. Eine heiße Dusche, kuschelige Kleidung, am besten sogar Essen aus dem Restaurant, sodass ich nicht zu kochen brauche.

Dennoch empfinde ich mein Leben immer wieder sinnentleert. Ich kann diesen Wohlstand irgendwie nur genießen, wenn ich mir bewusst mache, dass er nicht selbstverständlich ist. Deshalb lieben wir Industriekinder wohl Outdoor-Sport so sehr. Ein Spaziergang im Wald ist bereits eine Wohltat. Hier müssen wir niemand sein, nichts beweisen, können einfach beobachten, riechen, atmen, und mit dem nötigen Wissen, Abhärtung und Geduld sogar überleben, wenn es darauf ankommt.

Matthias Langwasser strahlt Jens Lehrich über die Webcam entgegen. Er zeigt durch seine eigenen Lebensentscheidungen und seine Ausstrahlung, dass Freiheit für jeden zugänglich ist. Die Zwänge sind in unseren Köpfen und Gewohnheiten. Niemand muss aussteigen und wie er in der Wildnis seine Nahrung suchen.

Es reicht schon, sich einfach einmal etwas Zeit zu nehmen, sich zu erinnern, wie wir als kleine Kinder waren, bevor die Erziehung uns von uns selbst abgeschnitten hat.

Unsere Gedanken einmal nicht auf den Wahnsinn unseres menschengemachten Systems zu richten, sondern auf die existenziellen Fragen des Lebens.

Das kann jeder tun — unabhängig vom Einkommen, vom Alter oder vom Alltagsstress. Ja, auch eine alleinerziehende Mutter kann sich zumindest ein paar Minuten am Tag Zeit nehmen, um sich zu fragen, ob sie sich in ihrem aktuellen Leben wohlfühlt. Um sich einzugestehen, dass sie sich dieses Leben bewusst oder unbewusst selbst erschaffen hat und es folglich auch — vielleicht ab nun bewusster — neu gestalten kann, sodass es sie mehr erfüllt. Das ist natürlich alles andere als einfach. Gewohnheiten zu ändern, Verantwortung für eigenen Schmerz und Stress zu übernehmen, all dies kostet Überwindung und löst erst einmal Widerstände aus. Doch einfach immer weitermachen, bis man krank wird, zusammenbricht oder eines Tages feststellt, dass man am Leben vorbeigelebt hat, ist noch schmerzhafter.

In diesen Zeiten sehnen sich viele von uns vielleicht mehr nach Freiheit denn je, da wir uns von einem übermächtigen Staats- und Gesellschaftssystem erdrückt fühlen, das in Zwängen die einzige Form eines friedlichen Zusammenlebens zu sehen scheint. Die Zwänge und die Menschen können wir — zurzeit noch — nicht ändern, aber unseren Fokus. Hier liegt unsere wirkliche Macht.

Allein Matthias Langwassers Anblick ist schon eine Erinnerung an das, worauf jeder von uns ein Recht und Zugriff hat: Freude. Lebensfreude in diesen Zeiten? Ja! Wann, wenn nicht jetzt? Wer dem Irrglauben erliegt, Freude müsse warten, bis die Welt ein besserer Ort ist, übersieht, dass es genau umgekehrt ist: Menschen, die Freude kultivieren, machen die Welt zu einem besseren Ort. Wenn wir nur kritisieren und theoretische Ideen niederschreiben oder vortragen, wie es anders gehen kann, sollte, müsste, ändert sich nichts.

Wer zunächst in seinem Inneren aufräumt, den Zugang zu seiner inneren Quelle der Freude wieder freischaufelt, schöpft daraus die Kraft, die er braucht, und möchte anpacken. Wer erkennt, dass die Natur uns unablässig mit allem beschenkt, was wir wirklich brauchen, weil wir ein Teil von ihr sindwird sich aktiv für Ihren Schutz vor den brutalen Eingriffen entfremdeter Industriemenschen einsetzen. Dass Freude gleich Egoismus und materielle Gier bedeutet, ist wohl eine der Lügen oder einer der Irrtümer der neoliberalen Ideologie, damit sich nichts ändert.

Menschen lernen durch Nachahmen und brauchen dafür Inspirationen. Matthias Langwasser ist eine solche Inspiration für alle, die sich nach mehr Freiheit und Freude sehnen. Aus der Erkenntnis heraus, dass glückliche Menschen (1) nicht korrumpierbar sind und aus ihrem Inneren eine immense Kraft schöpfen, folgt, dass diese eine enorme Macht hat, die Verhältnisse zu ändern. Also verschaffen wir Menschen wie Matthias Langwasser mehr Gehör und schenken ihnen sowie uns selbst mehr Aufmerksamkeit.




Quellen und Anmerkungen:

(1) Mit „glückliche Menschen“ meine ich Menschen, die mit sich selbst nach und nach ins Reine kommen, die auch unangenehme Gefühle wie Schmerz, Angst, Wut und Traurigkeit fühlen und verarbeiten können statt sie, wie „unglückliche Menschen“, zu verdrängen oder sich mithilfe von nie endenden To-do-Listen, Überstunden auf Arbeit, Rauschmitteln, Spielen und/oder Medien davon abzulenken. Das ist meine ganz eigene Definition von Glücklichsein oder Unglücklichsein. Ein Literaturtipp dazu: „Unglücklichsein — eine Ermutigung“ vom Philosophen Wilhelm Schmid. Das Büchlein befreit sofort vom in unserer Gesellschaft verbreiteten „Glücksstress“, der ebenfalls von dem Glücklichsein, das ich meine, entfremdet und entfernt.


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