Wir müssen mehr dämonisieren. Die ewige Kritik am Dämonisieren hilft nur den Dämonen, die auf diese Weise unerkannt bleiben und ungestört ihr Unwesen treiben können. Zum Beispiel beklagt die alternative Presse gern, Wladimir Putin würde dämonisiert. Gemeint ist: Der Westen versuche, ihn als „böse“ hinzustellen, um mit dieser Fiktion seine globalpolitische Agenda voranzutreiben. Implizit wird dabei die These vertreten, es gebe gar keine Dämonen. Es sei der Mensch selbst, aus dessen dunkler Seele all die Grausamkeit und Zerstörung hervorgehe. Das ist möglich, aber keineswegs sicher.
Ist es etwa nicht böse, Menschen in einen Krieg zu schicken, aus dem sie tot oder verstümmelt und traumatisiert wieder heimkehren? Ist es nicht böse, ein autoritäres Regime zu errichten, in dem Widerspruch zunehmend gefährlich ist? Macht hat etwas Dämonisches. Gewalt und die Zerstörung von Leben ohnehin.
Insofern ist auch Wladimir Putin in gewisser Weise dämonisch. Der Fehler des westlichen Putin-Bashings liegt nur darin, anzunehmen, das betreffe den russischen Präsidenten allein und noch ein paar andere Schurkenstaatenlenker. Ein solches Denken wirkt naiv. Wenn Macht und Gewalt dämonisch sind, sind sie es auch, wenn sie von Machthabern des „freien Westens“ ausgeübt werden.
Das Böse in Person
Ich halte es für falsch, das Böse immer nur in ironisierter Form zum Thema zu machen, als sei es eine Erfindung von Märchenerzählern oder von Schwarz-Weiß-Malern, denen es an Differenzierungsvermögen fehlt. Intellektuelle erachten es als quasi unter ihrem Niveau, jemanden oder etwas als „böse“ zu bezeichnen, selbst wo man Städte dem Erdboden gleichmacht, Hunderte in Kellern zu Tode foltert, Kinder durch sexuelle Gewalt für ihr ganzes Leben traumatisiert oder gar das Überleben des gesamten Ökosystems der Erde gefährdet.
Es gibt Böses — aber gibt es das Böse als Person? Populär gesprochen: Gibt es den Teufel? Ich bin bei solch spekulativen Fragen vorsichtig. Es ist nicht sicher, ob es eine griechische Gottheit namens Dionysos je gab. Dennoch sprach Friedrich Nietzsche vom „Dionysischen“ als einem Prinzip. Gemeint ist eine Tendenz zu Rausch und Ekstase, der Bewusstseinserweiterung durch Preisgabe der Verstandeskontrolle. So gesehen gibt es „das Dionysische“ als eine Kraft, die in uns allen wohnt und gelegentlich entfesselt wird — bei dem einen Menschen mehr, beim anderen weniger. In diesem Sinne spreche ich in diesem Artikel vom „Dämonischen“, dessen Spuren sich bis in die Politik der Gegenwart verfolgen lassen. Man muss deshalb nicht an die Existenz eines Typen mit roter Haut, stechendem Blick und zwei Hörern auf dem Kopf glauben, der unter der Erde wohnt.
Was ist in Friedrich Merz gefahren?
Das Dämonische kann eine abstrahierende Bezeichnung für Denk- und Verhaltensweisen sein, die aus dem Menschen selbst hervorgehen und die er in der Gestalt mythischer Figuren nach außen projiziert. Vielfach wird es aber auch als eine von außen kommende Kraft gedeutet, die einen Menschen in ihren Besitz nimmt, sodass andere sich fragen: „Was ist in ihn gefahren?“ oder: „Was hat sie geritten?“
Ansätze zu einem solchen dämonisierenden Denken zeigte zum Beispiel Christian Lindner, als er dem anwesenden CDU-Vorsitzenden bei einer Bundestagsdebatte am 13. März 2025 zurief: „Wer sind Sie und was haben Sie mit Friedrich Merz gemacht?“ Es steckt wohl die Idee einer Besetzung durch Fremdenergien hinter diesem Ausspruch, ausgelöst durch den Eindruck, jemand sei gar nicht mehr er selbst. Der Gedanke drängt sich manchmal geradezu auf; er entlässt Menschen aber auch billig aus der Verantwortung für ihr Tun.
Können Menschen überhaupt derart böse sein?
Hans-Joachim Heyer vertrat in der Zeitschrift DEFUFORUM die These vom persönlich existierenden Bösen, und er begründet das auf recht interessante Weise:
„Wir werden politisch und gesellschaftlich auf unsere eigene Selbstzerstörung programmiert. Einen solchen Zynismus, einen solchen Vernichtungswillen gegenüber der Menschheit kann ich keinem Menschen zutrauen. Es müssen andere, unmenschliche Wesen sein, die diesen Betrug durchführen. Ich fühle die aggressive, zerstörerische Energie dieser exzentrischen Monster.“
Gut, der Autor ist Chefredakteur eine Zeitschrift für Ufo-Forschung, man mag ihm eine berufsbedingt blühende Fantasie unterstellen. Aber vielleicht können wir den emotionalen Impuls Heyers verstehen: die schlichte Fassungslosigkeit angesichts der Grausamkeit, die auf der Welt geschieht, den fast flehentlichen Wunsch, dass es nicht Menschen sein mögen, die für dergleichen verantwortlich sind. Könnte es nicht sein, dass nichtmenschliche Dunkelmächte dahinterstecken?
Das lästige „Etwas“
Wir können das alles nicht mit Sicherheit sagen. Klar ist, dass die Personifizierung des Bösen als „Teufel“ oder in der Mehrzahl „Dämonen“ literarisch wie auch in der Religionsgeschichte sehr viel Wind gemacht hat. Für den Teufel gibt es in den Traditionen viele Namen. Bekannt sind Satan, Beelzebub, Luzifer, Antichrist. Ich will mich hier einem in der westlichen Tradition weniger bekannten Teufel widmen, Ahriman — einem bösen Geist ursprünglich persischer Herkunft, der aber speziell auch in Deutschland zu Ehren kam.
Am ehesten kann man sich dieser Gestalt nähern, wenn man sie bei ihrem Zweitnamen nennt: Mephistopheles, kurz Mephisto. Die Figur aus Goethes „Faust“, deren Name zusammengesetzt ist aus „dem Verderber" und „dem Lügner“, eignet sich als Einführung in das Thema bestens, da sie uns schnurstracks ins Zentrum des Problems des „Bösen“ führt: die Verneinung des Seins.
Der Teufel im „Faust“ glaubt zwar an Gott — dies ist auch unvermeidlich, da er von Zeit zu Zeit persönlich mit diesem konferiert —, er betrachtet aber den Akt der Schöpfung selbst als einen fundamentalen Fehler, aus dem alle weiteren Probleme der Menschheit ableitbar sind.
Das bekannteste Zitat, mit dem sich Mephisto selbst präsentiert, ist dieses:
„Ich bin der Geist, der stets verneint!
Und das mit Recht; denn alles, was entsteht,
Ist wert, dass es zugrunde geht.“
Noch brutaler ist der nächste Satz:
„Drum besser wär's, dass nichts entstünde.“
Die mütterliche Nacht
Man stelle sich nun die vom Teufel ersehnte Welt vor, in der nie etwas entstanden wäre: ein leerer Raum, pures Nichts. Und auch niemand vorhanden, der feststellen könnte: „Da ist nichts“. Auch kein Tod, da niemand je da war, der hätte sterben oder dieses Sterben bedauern können.
Goethes Mephisto bezieht sich mythologisch auf die Vorstellung einer „ewigen Nacht“ als der Mutter alles Seienden. Dieser Mutter sieht er sich zugehörig, „ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar“. So haben die Wesen der Nacht einen natürlichen Feind: „das Etwas“. Es ist also nicht nur diese oder jene Fehlentwicklung im Universum, es ist nicht nur diese oder jene unliebsame Lebensform — das Unbehagen des Neinsagers beginnt schon damit, dass überhaupt etwas existiert.
„Was sich dem Nichts entgegenstellt,
Das Etwas, diese plumpe Welt.“
Das Seiende ist für Mephisto wie hässliches, buntes Kreidegeschmiere auf der makellosen Schwärze einer leeren Schreibtafel. Er möchte diese am liebsten mit ein paar Wischbewegungen mit dem Schwamm wieder in den Urzustand zurückversetzen. Sein größter Schmerz ist aber: Das geht nicht so einfach. Immer ist irgendetwas da.
„So viel als ich schon unternommen,
Ich wusste nicht ihr beizukommen.“
Die Schöpfung rückgängig machen
Mephistos Wunsch ist, die Schöpfung als den großen Fehltritt der Weltgeschichte wieder rückgängig zu machen, indem er das, was existiert, mit allerlei destruktiven Methoden ausradiert. Er nennt als Beispiel Naturkatastrophen. Man kann aber auch Krankheiten und Kriege hier anführen. Der Tod selbst ist Mephistos „bester Mann“, da jeder Sterbevorgang eines Lebewesens für ihn quasi einen Schritt in die richtige Richtung darstellt.
Leider stellt sich dem Tod aber eine sehr zähe Gegenkraft in den Weg: das sich stets erneuernde Leben.
„Wie viele hab‘ ich schon begraben!
Und immer zirkuliert ein neues, frisches Blut.
So geht es fort, man möchte rasend werden!“
Mephisto findet sich insofern in der Position eines Kammerjägers wieder, der das von ihm zu säubernde Haus nie zur Gänze reinigen kann. Immer wieder wird sein Ausrottungsbemühen vereitelt, da sich in irgendeinem Winkel doch ein paar Schädlinge verkrochen haben, die sich vermehren und dann wimmelnd ausbreiten. Zerstören ist im Angesicht der aufdringlichen Regenerationskraft des Lebens eine überaus frustrierende Sisyphos-Arbeit. Mephisto weiß, dass das „Etwas“ nur sehr schwer ganz aus dem Universum zu tilgen ist. Daher konzentriert er sich auf die Feinarbeit, wie Faust es formuliert:
„Du kannst im Großen nichts vernichten
Und fängst es nun im Kleinen an.“
Fragt man nach einem psychologischen Grund für das Vernichtungswerk, so stößt man sogar auf eine in Teilen nachvollziehbare, „humane“ Regung der Teufelsgestalt:
„Ich sehe nur, wie sich die Menschen plagen.“
Mephisto möchte nämlich vor Gottes Thron nicht in die Hosianna-Gesänge der Engelschöre einstimmen, vielmehr rückt er gnadenlos ein peinliches Detail im Schöpfungsplan in den Fokus: menschliches Leid. Wo das Sein endete, wäre auch das Leid für immer besiegt, argumentiert er. Vorzuziehen ist somit entschieden das Nichtsein.
Der ewige Kampf von Gut und Böse
Als religionshistorisches Vorbild aller „stets verneinenden“ Dämonen gilt ebendieser böse Geist der persischen Mythologie, Ahriman genannt. Erdacht beziehungsweise entdeckt hat ihn der Philosoph Zoroaster, im Westen eher bekannt unter dem Namen Zarathustra. Als reale Person liegt Zoroaster weitgehend im Dunkeln. Die Wissenschaft kann nicht einmal einheitlich angeben, ob der Begründer der altpersischen Religion um 600 oder um 1800 vor Christus gelebt hat, was eine erstaunlich große Spanne ist.
Zoroaster gilt als der Vater des „persischen Dualismus“, der bekannt ist für seine holzschnittartige Weltsicht. Es wird also scharf zwischen dem eindeutig Guten und dem eindeutig Bösen unterschieden. Der Mensch müsse sich zwischen beiden konträren Kräften entscheiden, was für ihn dann — je nach moralischem Verhalten zu Lebzeiten — Himmel oder Hölle bedeuten kann. Spuren dieses Denkens finden sich nicht nur in vielen anderen Religionen, sondern auch in der politischen Alltagskommunikation der Gegenwart: bei der Bewertung politischer Parteien und Persönlichkeiten. Hier wird oft der Eindruck erweckt, es gebe nur blütenweiß (Kamala Harris, Die Grünen) und tiefschwarz (Donald Trump, AfD).
In der persischen Mythologie konkurrieren der Himmelsgott Ahura Mazda (Licht, Wahrheit, das Gute) und Ahriman (Finsternis, Lüge, das Böse) miteinander — ein ewiger kosmischer Konflikt, den beide Kräfte auf dem Schlachtfeld der Erde, aber auch in jeder einzelnen menschlichen Seele austragen. „Ahriman“ ist eine vereinfachende Schreibweise von „Angra Mainyu“, zu Deutsch: „zerstörerischer Geist“. Ahriman hatte schon vor Urzeiten vollbracht, was sein Wiedergänger, Goethes Mephisto, für wünschenswert hielt. In Michael Axworthys Buch „Iran – Weltreich des Geistes“ wird erzählt:
„Im zoroastrischen Schöpfungsmythos versucht der böse Geist, Ahriman, nachdem Ahura Mazda alles geschaffen hatte, in Begleitung von sechs bösen Geistern, den sechs Unsterblichen, die Schöpfung wieder zunichte zu machen, indem er den ersten Menschen umbringt, den heiligen Stier tötet und das Wasser sowie das Feuer verunreinigt.“
Wie wir wissen, konnte Ahriman sein Werk, das Rückgängigmachen der Schöpfung, nicht vollenden. Das lästige Leben erwies sich als stärker. Tiere und Menschen allerdings werden noch immer getötet, unsere Mitwelt wird verunreinigt — ein später Triumph Ahrimans?
Nicht ein Teufel, sondern zwei
Im deutschen Sprachraum wurde Ahriman vor allem durch die Anthroposophie Rudolf Steiners bekannt, der übrigens ein guter Goethe-Kenner war. AnthroWiki, das Onlinelexikon der anthroposophischen Begriffe, widmet dem Unhold ein ausführliches Porträt. Demnach tobe die moralische Dauerfehde im Universum zwischen den beiden entgegengesetzten Prinzipien „Ordnung und Nichtordnung/Leben und Nichtleben“. Der negativen Macht wird außerdem noch „Lüge, Chaos, Zerstörung des Seins“ zugewiesen.
Der Geniestreich Rudolf Steiners liegt nun darin, dass in seinem Weltbild nicht nur ein Teufel vorgesehen ist, sondern gleich deren zwei: Luzifer und Ahriman. Das Gute wäre somit nicht hier oder dort, links oder rechts, sondern genau in der Mitte angesiedelt.
Versucht ein Mensch, sich aus Abscheu über ein negatives Extrem so weit wie möglich von diesem zu entfernen, verfällt er in ein anderes. Auf der Flucht vor Luzifer landet man in Ahrimans Fängen — und umgekehrt. Heilsam wäre also nur eines: ein gesunder Ausgleich zwischen den Polen.
Ein bisschen erinnert das an die politische „Hufeisentheorie“, der zufolge sich Wähler von „den Rändern“ — also zum Beispiel radikal rechts und radikal links — fernhalten müssten. Nur in der „demokratischen Mitte“ — Union, SPD, Grüne — fänden sie die ersehnte wohltemperierte Güte. Das kann man glauben oder auch nicht. Das Zwei-Teufel-Modell ist jedenfalls insofern hilfreich, als es einen davor bewahren kann, von einer Halbwahrheit in die komplementäre andere Halbwahrheit überzuwechseln.
„Eine Welt aus lauter Maschinen“
Der spirituelle Sachbuchautor und Veden-Gelehrte Armin Risi sieht Luzifer als die Verkörperung des „Zuviel“, während Ahriman das „Zuwenig“ repräsentiert. Weshalb dann auch alle asketischen, die Lebensmöglichkeiten reduzierenden Tendenzen in Religion, Politik und Gesellschaft ahrimanisch sind. Luzifer ist der Verführer, er wirkt berauschend, Formen sprengend und treibt den Menschen in die Selbstvergottung. Bei Ahriman gibt es dagegen fast zu viel der Formen und Regeln, er hat einen Hang zum Totalitarismus im Politischen und blockiert die Kräfte der menschlichen Selbstentfaltung im Psychologischen.
Laut Rudolf Steiner stimuliert Ahriman in den Menschen „ein Interesse für alles dasjenige, was zum Beispiel Äußerlich-Maschinelles, Mechanisches ist. Sie möchten am liebsten eine neue Welt aus lauter Maschinen“. Diese neue Welt ist heute in weit höherem Grad realisiert, als es Rudolf Steiner damals hätte wissen können.
Aber nicht nur die Dominanz von Maschinen im öffentlichen und privaten Leben frappiert, das Lebendige wird zunehmend mit Maschinen verschmolzen, und auch das unzweifelhaft Lebendige wird in der Art einer Maschine analysiert. „Auf äußerlichem, wissenschaftlichem Gebiet haben sie (die ahrimanischen Wesenheiten) das Ideal, alles zur Materie zu machen, zu mechanisieren.“ Erkennbar wird diese Tendenz um Beispiel in der Deutung des Menschen als einem steuerbaren biologischen Algorithmus durch den Transhumanismus.
Graue Herren und Großinquisitoren
Wenn man ein Gefühl für die „Ausstrahlung“ Ahrimans bekommen will, dann schaue man sich einige Figuren der Kulturgeschichte und modernen Populärkultur an. Zum Beispiel:
- Der Großinquisitor. Eine Figur aus Friedrich Schillers „Don Carlos“, die für politische und geistliche Tyrannei sowie für asketische Strenge steht.
- Die Grauen Herren. Figuren aus Michael Endes „Momo“, die den Menschen die Zeit stehlen und so ihre Lebensfreude abwürgen.
- Die Borg. Mensch-Maschinen-Mischwesen aus dem „Star Trek“-Universum, die in einem komplett technikbeherrschten Umfeld wohnen und alle Lebensformen assimilieren, indem sie deren individuelle Persönlichkeit auslöschen.
- Die Dementoren. Wesen aus „Harry Potter“, in deren beklemmender Gegenwart jede Lebensfreude erlischt.
- Die Maschinenwelt in der Filmtrilogie „The Matrix“ oder auch in den „Terminator“-Filmen.
Und viele andere.
Würde man Ahriman wie einen Menschen mit einem eigenen Charakter beschreiben wollen, so wäre sein Merkmal: emotional kalter Intellektualismus. „Als kalt-frostiger, seelenloser kosmischer Impuls strömt von Ahriman die Intellektualiät aus. Und die Menschen, die von diesem Impuls ergriffen werden, entwickeln eine Logik, die in erbarmungsloser und liebeloser Art für sich selbst zu sprechen scheint (…)“ (Rudolf Steiner). Maschinen sind auch deshalb das Kulturideal des ahrimanischen Prinzips, weil sie Intelligenz ohne Leidensfähigkeit repräsentieren.
Der versperrte Zugang zur geistigen Welt
AnthroWiki beschreibt es ähnlich:
„Die Anthroposophie sieht in Ahriman ein Geistwesen, das dem Menschen strukturierende, materialisierende Kräfte verleiht, als Gegenpol zu den auflösenden, bewegenden Kräften Luzifers. (…) Im Gegensatz zu Luzifer erscheine er daher als ‚Fürst der Finsternis‘, welcher der Menschenseele den Zugang zur geistigen Welt verunmöglichen wolle.“
In Stichworten könnte man Ahriman und Luzifer so charakterisieren:
Ahriman: Struktur — Luzifer: Auflösung
Ahriman: Starre — Luzifer: Bewegung
Ahriman: Kälte — Luzifer: Hitze
Ahriman: Intelligenz — Luzifer: Gefühl
Ahriman: Dunkelheit — Luzifer: (übermäßige) Helligkeit
Ahriman: Verhaftetsein in der materiellen Welt — Luzifer: Verschwimmen im Geistigen
Ahriman: Nüchternheit — Luzifer: Rausch
Ahriman: begrenzend — Luzifer: entgrenzend
Thomas Mann beschreibt seine luziferische Teufelsgestalt im Roman „Doktor Faustus“ so: „von Kritik, lahmer Besonnenheit, tötender Verstandeskontrolle ganz unangekränkelte Begeisterung, die heilige Verzückung“. Ahriman dagegen ist genau das: „tötende Verstandeskontrolle“. Der ahrimanische Geist kontrolliert sich und andere, bis Betroffene in die vollkommene Sterilität und Erstarrung hineingezwungen werden. Entseelte Menschenhüllen, in geometrischen Formationen aufgereiht, Gesichter hinter Masken, tote Augen als Spiegel eines erloschenen Gefühlslebens — das wäre die Eskalationsstufe von Ahrimans Welt.
Eine negative Gegenschöpfung
In Bezug auf Ahriman hat Rudolf Steiner sogar prophezeit, er werde im Westen in einem Menschenkörper inkarnieren. Ich denke dabei jetzt an keinen bestimmten Politiker, die Spuren des ahrimanischen Prinzips lassen sich aber überall entdecken.
„Ahriman setzt jeder Schöpfung eine negative Gegenschöpfung entgegen. (…) Durch Ahrimans Wirken verdunkelt sich dem Menschen der Einblick in die geistige Welt, sodass er nur mehr die materielle Außenwelt sieht. Die Materie ist das Reich Ahrimans. Er bringt die Todeskräfte in die Welt (…), und er ist der Herr des Intellekts“ (AnthroWiki).
Man kann sich dabei vielleicht einen emotional etwas unterkühlten Intellektuellen vorstellen, dessen Mundwinkel sich bei der geringsten Spur von Irrationalität, Idealismus oder spirituellem Empfinden spöttisch-verächtlich verziehen. „Das ist ja lächerlich!“, könnte er ausrufen und eine Faktenchecker-Webseite aufrufen, um solche geistigen Verwirrungen sogleich mit rationalen Argumenten zur vernichten.
Wir finden Ahrimans Einfluss auch in den extremen Ausprägungen des dominierenden wissenschaftlich-rationalen Weltbilds. Es leugnet die Existenz einer geistigen Welt und erst recht die Ursächlichkeit von Bewusstsein für die Entstehung von Leben. Vielmehr sieht es Bewusstsein eher als sekundäres Phänomen, als Ausdünstung der materiellen Welt — Zufallsprodukt eines sinn- und ziellosen toten Universums.
Abgeschnitten vom Urquell
Rudolf Steiner geht weniger von einer einzigen teuflischen Wesenheit als von einer ganzen Gruppe „ahrimanischer Geister“ aus. Diese Schar, so sagt es Steiner in der ihm eigenen, etwas umständlichen Sprache, hat den Menschen „dazu verführt, dass er das, was in seiner Umgebung ist, für stofflich, für materiell hält, dass er nicht durch dieses Stoffliche hindurchsieht auf die wahren Untergründe des Stofflichen, auf das Geistige. Würde der Mensch in jedem Stein, in jeder Pflanze und in jedem Tier das Geistige sehen, er würde niemals verfallen sein in Irrtum und damit in das Böse (…)“.
Gegenmittel gegen Ahrimans Einfluss sind also Biophilie — die Liebe zum Leben und zum Lebendigen — und Idealismus, im Sinne des Satzes „Das Bewusstsein bestimmt das Sein“.
„Zieh diesen Geist von seinem Urquell ab.“ So fordert Gott in Goethes Faust Mephisto heraus und wettet mit ihm, dass ihm das nicht gelingen werde.
Werden die Wurzeln eines Menschen in der geistigen Welt gekappt, vertrocknet er im übertragenen Sinn und stirbt ab. Die Rebe, die man von dem Weinstock abschneidet, aus dem sie hervorgegangen ist, wird nicht mehr lange saftig sein. Damit zieht der Materialismus auf das ahrimanische Kernanliegen: die Zerstörung. Vorzuziehen wäre es, „wenn nichts entstünde“; da nun aber leider schon so einiges existiert, leistet Ahriman aktive Sterbehilfe für alles „unwerte Leben“, mehr noch: alles überflüssigerweise Seiende.
Ahrimans Himmelsrichtung
Es gibt auch eine Himmelsrichtung, von der aus Ahriman laut Rudolf Steiner mit Vorliebe agiert: Es ist der Westen. „Und im Westen finden wir nach der weisen Weltenlenkung überall die Seelen eingetaucht in das ahrimanische Element. Am stärksten finden wir das in Amerika. In Amerika besteht die Tendenz, eine Kultur zu entwickeln, die ganz untertaucht in das materialistische, das ahrimanische Element, die ganz durchsetzt wird — selbst da, wo nach Spiritualismus gestrebt wird — von rein materiellen Anschauungen.“ Diese ahrimanische Mentalität „wird auch den Westen Europas nach und nach ergreifen“.
Der Anthroposoph Wolfgang Weirauch hat sogar einen konkreten Verdacht, in welcher Weise sich Ahriman — wie es von Rudolf Steiner vorhergesagt wurde — auf der Erde inkarnier haben könnte:
„Er tritt in etwas ganz anderem heutzutage auf, und zwar im Internet! Seine Welt ist die der Server, der verbundenen Kabel und Funkverbindungen. (…)Er kommt nicht in einem Menschenleib auf die Erde, denn durch das Internet hat er es erreicht, sehr viel direkter zu sehr viel mehr Menschen kommen zu können. Über das Internet hat er die meisten Menschen zumindest teilweise im Griff.“
Ahrimans Maßnahmenstaat
Hier könnte man aus ganz aktueller Sicht hinzufügen: Auch die künstliche Intelligenz (KI) steht im Verdacht des Ahrimanischen, ist sie doch der Versuch, eine zweite Realität auf der Basis von Maschinen zu kreieren — durch Nachahmung des Lebendigen. Eine zweite, mechanische Schöpfung neben er ersten, natürlichen, die diese nach und nach ersetzen soll. Dies gelingt auf der Ebene des schriftlichen Dialogs durch Chat-Programme, die menschliche Gesprächspartner imitieren, schon ganz gut. Aber auch die künstliche Kreation bewegter Bilder auf der Basis von Sprachbefehlen ist weit fortgeschritten. Und die Entwicklung der KI steht ja erst am Anfang.
Natürlich kann der Vorwurf, jemand oder etwas sei mit dem Teufel im Bund, leicht ins Lächerliche oder Beleidigende umkippen, weshalb ich mich auch hier der Nennung von Personennamen enthalte. Meine Artikel zum Thema „Nekrophilie und Technokratie“ könnten hier Hinweise auf weitere Verzweigungen des Themas ins Konkrete liefern. Auch die Coronamaßnahmen könnten als Musterbeispiel für eine „ahrimanische“ Schockwelle betrachtet werden, die die Gesellschaft auf mehreren Ebenen zu dominieren vermochte. Das gilt für den streng wissenschaftlich-materialistischen Ansatz der Schulvirologie, der in den Jahren 2020 bis 2023 Medien und Politik vollkommen durchdrang, ebenso wie für die das Leben stark einschränkende, totalitäre Tendenz dieser Maßnahmen.
Ein Stacheldrahtnetz von Verboten
Der Totalitarismus ist in seinem Wesen ahrimanisch, weil er den Menschen mittels Kontrolle und Verhaltenssteuerung in ein Wesen zu verwandeln versucht, das einem Roboter sehr ähnlich ist — ja mehr noch: das gesamte gesellschaftliche Kollektiv in eine riesengroße, nach dem Willen des „Programmierers“ funktionierende Maschine.
Stefan Zweig beschreibt das totalitäre Regiment des Reformators Johannes Calvin im Stadtstaat Genf des 16. Jahrhunderts in seinem lesenswerten Buch „Castellio gegen Calvin“ so:
„Ein mit unzähligen Lebenszellen atmender Staat soll in einen starren Mechanismus, ein Volk mit allen seinen Gefühlen und Gedanken in ein einziges System verwandelt werden; es ist der erste Versuch einer völligen Gleichschaltung eines ganzen Volkes, der hier innerhalb von Europa im Namen einer Idee unternommen wird.“
Die „Idee“, das war für Calvin vor allem Tugend im Sinn der religiösen Regeln, die sich für den Reformator aus seiner Bibelauslegung ergaben. Von Anfang an erstreckten sich deshalb die Tentakel obrigkeitlicher Kontrolle nicht nur auf die kleinste Lebensäußerung der Bürger, sondern auch ins Innere ihrer Seele hinein, wo der fromme Menschenzähmer einen Hort des Lasters und der Gottlosigkeit vermutete. Calvin entwarf deshalb seine berühmte „discipline“ oder „Kirchenzucht“, von Stefan Zweig gedeutet als ein „Stacheldrahtnetz von Paragrafen und Verboten“.
Das Lebendige dem Toten ähnlich machen
Dieses System, das Leben durch Kontrolle gänzlich zu ersticken versucht, funktioniert aber auch auf der Grundlage ganz anderer „Ideen“ — ob es sich um faschistische, realsozialistische, um islamistische oder auch um gesundheitstotalitaristische handelt. Die Methode ist immer die Reduktion der Handlungs- und Denkspielräume der Unterworfenen auf ein dem ahrimanischen Tyrannen genehmes Minimum. Bewacht wird die (Selbst-)Beschränkung des Ausdrucks mit den Mitteln von Strafandrohung, Belehrung und Beschämung.
Die Anwesenheit Ahrimans erkennen wir atmosphärisch an einem Gefühl von Enge und Beklommenheit, einem uns subtil suggerierten Minderwertigkeitsgefühl, das durch Bußübungen und das Opfer der eigenen Lebendigkeit befriedet werden muss.
Gehorsam — und in seiner spirituellen Variante: Glaubensgehorsam — ist der Baustoff von Ahrimans Welt. Daher ist die Militarisierung eines Gemeinwesens, wie sie derzeit in Deutschland vorangetrieben wird, quasi die Königsdisziplin Ahrimans. Das Denken und Fühlen der Staatsbürger wird in einer kriegsfixierten, von Kriegswirtschaft am Laufen gehaltenen Gesellschaft ganz auf die Vorbereitung des Tötens hin ausgerichtet. Dies ist das Gesellschaftsideal Ahrimans: seelisch schon Halbtote, deren kalte Intelligenz über der Perfektionierung des Tötens brütet.
Alberichs Entscheidung
Ausgangspunkt meiner Überlegungen war der Wunsch Mephistos beziehungsweise Ahrimans, dass nie irgendetwas entstanden wäre. Sein Plan B ist quasi die Zurückführung alles Seienden zum Nichtsein — also umfassende Zerstörung, deren Werkzeuge in unserer Epoche vor allem der große Krieg und der Ökozid sind. Flankierend gehört es auch zu den Methoden Ahrimans, das Entstehen von neuem Leben zu unterbinden — etwa durch Förderung von Unfruchtbarkeit und Asexualität sowie durch Methoden psychischer Kastration, zum Beispiel mithilfe von Stress und sozialer Isolation.
Da dies aber unter normalen Umständen nie vollständig gelingen kann, kommt Plan C zur Anwendung: die menschlichen Gesellschaften mit Mitteln der Disziplinierung in leblose Apparate zu verwandeln — und die einzelnen Menschen in roboterähnliche Wesen. Ihre Eigenschaften sind Gefühllosigkeit oder Gefühlsarmut, vor allem Liebesunfähigkeit, wie sie von einer weiteren verneinenden Figur der Kulturgeschichte repräsentiert wird: Richard Wagners Zwerg Alberich, der „der Minne Macht entsagt“ hat und sich so den Ring der absoluten Macht schmiedete. Das Fehlen von Liebe in den Zielen und in den Ausdrucksformen von Menschen sollte bei uns immer die Alarmglocken läuten lassen. Ahrimanisch ist außerdem die Preisgabe des freien Willens an Autoritäten und die Fähigkeit, sich in zentral gesteuerte Kollektive einzufügen. Zusammenfassend: das Lebendige dem Toten möglichst ähnlich machen.
Was könnte die Lösung sein?
Das Zurückdrängen ahrimanischer Tendenzen ist in unserer Zeit sicher keine leichte Aufgabe — so sehr haben sich Ideen der Starre und der Negativität überall schon etabliert. Es ist aber relativ einfach, die Richtung anzugeben, in der eine Lösung zu finden wäre:
Wir müssten uns selbst und einander versprechen, überall, wo sie bedroht sind, das Leben und die Freiheit gegen ihre Verächter zu verteidigen.
Das beginnt mit unserer eigenen Einstellung und unserem Verhalten. Das kann bedeuten, warm zu sein, emotional, verbunden, fürsorglich, behütend, gern auch mal widerspenstig, unbezähmbar, unkorrekt.
Oder wie es Thomas Mann, zugegebenermaßen etwas pathetisch, im „Zauberberg“ geschrieben hat: „Der Mensch soll um der Güte und Liebe willen dem Tode keine Herrschaft einräumen über seine Gedanken.“

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