Andrea Drescher: Du hast noch ein Leben neben Friedensaktivismus?
Silke Volgmann: Auf jeden Fall! Aber das Thema spielt für mich und meine Familie eine große Rolle.
Warum?
Weil es wichtig ist, weil man etwas tun kann und muss. Ich habe viele Bücher gelesen, mich umfassend informiert. Eine Zeitlang war ich traurig, dachte, es hat ja keinen Zweck etwas zu tun, aber das sehe ich nicht mehr so. Ich möchte meinen Teil zur Veränderung beitragen, Impulse geben, damit Menschen anfangen nachzudenken. In meinem Umfeld ist mir das schon bei einigen gelungen.
Seit wann bist du aktiv?
Es begann mit dem 11. 9. — im Kopf. Selbst ins Handeln gekommen bin ich mit den Mahnwachen 2014, erst zögerlich, aber inzwischen sehr aktiv.
Was heißt sehr aktiv, was tust du?
Ich bin bei Veranstaltungen, Demos und Vorträgen in Köln, NRW und ganz Deutschland gerne dabei, sofern es die Zeit zulässt und habe an vielen Mahnwachen in NRW teilgenommen. Wann immer möglich, unterstütze ich Wojna von der Bandbreite, er leistet eine erstaunliche Arbeit und gibt nie auf. Anfang 2016 erfuhr ich von der Friedensfahrt Berlin — Moskau von der nicht nur ich Feuer und Flamme war. Mein Mann war schon zweimal in Russland, ich einmal, und auch unsere Tochter wollte mit. An der Druschba 2016 nahmen 235 Menschen teil, was zu tollen Kontakten geführt hat — deutschlandweit und über die Grenzen hinaus. Das entwickelt seitdem eine Dynamik, die Freude macht.
Im Umfeld der Druschba tut sich viel?
Oh ja. Anfang 2017 habe ich das Nachtreffen der Fahrer 2016 organisiert, mein Mann ist 2017 wieder mitgefahren. Indirekt entstand der Kontakt zum Verein Friedensbrücke-Kriegsopferhilfe, den wir seitdem unterstützen. Bei der Druschba 2017 nahm mein Mann Hilfsgüter mit, die in Rostov am Don übergeben und von dem im Donbass ansässigen Team verteilt wurden. Ein bisschen enttäuschend war, wie wenig Firmen bereit waren zu spenden. Nur zwei Firmen hatten sich gefunden und einige Kisten Süßigkeiten gestiftet. Zwei Wochen vor Abfahrt habe ich die Mitfahrer gebeten, Geschenke beim LKW abzugeben. Es war beeindruckend, wie viele in Berlin bei der Abfahrt auf uns zukamen und kleine Päckchen abgaben.
Wir haben das Magazin Free21 abonniert und verteilen sie unterwegs. Finden Free21-Veranstaltungen in der Gegend statt, sind wir dabei, und auch das Fahrzeug von Lukas Puchalski — Verleger von Free 21, Anm. d. Red. — haben wir beschriftet. Jetzt habe ich in meinem Musikverlag eine CD mit Tommy Hansen — Initiator von Free 21, Anm. d. Red. — herausgebracht.
Was für eine CD?
Tommy hat in den 90-ern Musik gemacht. Als Musikverlegerin hat mich das interessiert. Er hat mir die Stücke geschickt, und da sie mir sehr gut gefallen haben, beschloss ich, sie ins Download-Geschäft zu nehmen. Eine kleine Auflage mit 100 Stück — handschriftlich signiert von Tommy — gibt es auch.
Und sonst?
Das Tolle ist, dass ich meine beruflichen Erfahrungen und unsere Firma nutzen kann, um verschiedene Aktionen mit Material zum Selbstkostenpreis zu unterstützen. So haben wir das Auto von Bilbo Calvez für die Bärensuppe-Tour beschriftet, deren Crew dann während der Tour auch gleich bei uns übernachtet hat.
Bei Pax Terra 2017 waren wir dabei, 2018 steht die Veranstaltung auch schon fix auf dem Plan. Diesmal bin ich mit im Orga-Team und kümmere mich um Drucksachen. Bei Ramstein waren wir zweimal dabei: bei der Menschenkette und im Friedenscamp.
Mein Mann fuhr im Herbst 2017 für eine Grazer Organisation einen Hilfskonvoi nach Albanien in die Bergdörfer.
Beim friedlichen Protestkonvoi sind wir bereits mehrfach mitgefahren und mit meinem Friedensfahrzeug bin ich eine Einfrau-Friedensdemo.
Was heißt denn Friedensfahrzeug?
Im Februar 2017 — beim zweiten friedlichen Protestkonvoi — kam mein Mann auf die Idee, aus unserem Auto ein stilisiertes Polizeiauto zu machen und „Friedensfahrzeug“ aufzukleben. Ich wollte das nur ein Wochenende lang; er meinte, das bleibt dauerhaft.
Am Anfang war es sehr anstrengend, mit so einem Auto zu fahren. Jeder schaut, jeder bremst ab. Man sorgt für die Einhaltung der Geschwindigkeit! Probleme habe ich aber keine. Ich werde von Polizisten weder belästigt noch belächelt, sondern fast immer freundlich und verständnisvoll angelächelt. Es gibt insgesamt sehr viele positive Reaktionen: unterwegs einfach ein „Daumen hoch“, und wenn das Fahrzeug steht, werde ich regelmäßig von wildfremden Leuten angesprochen. Inzwischen teile ich die Haltung meines Mannes, da immer spannende Gespräche zustande kommen und ich den Menschen dann schnell eine Free21 in die Hand drücken kann.
Auch Fahrzeuge von anderen Aktivisten haben wir umgestaltet. Da ich die Wirkung inzwischen schätzen gelernt habe, wurde die Webseite www.friedensfahrzeuge.de unter dem Motto: „Geben wir dem Frieden ein Gesicht“ ins Netz gestellt. Wie sagte Ken Jebsen so schön: „Frieden muss sexy werden“. Freunde und Helfer fahren Friedensfahrzeuge. Es dürfen ruhig mehr werden, denn die Fahrzeuge zeigen Wirkung — mehr Aufmerksamkeit kann der Frieden gar nicht bekommen.
Und die Reaktion auf die Webseite?
Die Seite ist seit Dezember 2017 online, jede Woche bekommen wir ein bis zwei Anfragen. Für das Frühjahr 2018 sind drei weitere bestellt. Es gibt zwei Anfragen aus Österreich, eine weitere aus Serbien — da müssen wir erst den rechtlichen Rahmen klären. Man muss sich aber bewusst sein: Es verändert, mit so einem Fahrzeug durch die Gegend zu fahren. Ein Aktivist hat die Aufkleber wieder entfernt, da er das Gefühl hatte, andere zu verunsichern — eine Reaktion, die er nicht wollte. Man soll es sich eben — wie alles im Leben — gut überlegen. Darum planen wir jetzt auch schon unsere Aktion für 2019.
Was habt ihr denn vor?
In Diskussion mit anderen Druschba-Fahrern ist eine Fahrt mit zwei bis drei Allrad-LKWs quer durch Russland nach Nordkorea. Damit eine größere Gruppe in Nordkorea ankommt — denkbar wären 20 bis 30 Personen — könnten Teilnehmer auch nach Wladiwostok fliegen und sich uns dort anschließen. Erste Kontakte zu einem erfahrenen Nordkorea-Reisespezialisten haben wir schon aufgenommen. Klappt Nordkorea nicht, wird es Iran oder Syrien — wir wollen den Menschen in diesen Ländern einfach signalisieren, dass es auch im Westen Menschen gibt, die mit der Regierungspolitik nicht einverstanden sind.
Man hat den Eindruck, dein Leben IST Friedensaktivismus — weiter so!
Silke Volgmann Jahrgang 1965, geboren in Bergisch Gladbach und wohnhaft in Köln, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Zu den Hobbys der Druckvorlagen-Herstellerin, selbstständigen Werbetechnikerin und Musikverlegerin gehören Hund, Lesen, Reisen mit dem Steyr-Truck und natürlich Frieden.
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