Mein eigener Weg zu Franz Ruppert führte über den hervorragenden YouTube-Kanal der Arbeiterkammer Vorarlberg.
Dort gibt es eine Veranstaltungsreihe namens „Wissen fürs Leben“, die in der Regel exzellente Vorträge über psychologische und therapeutische Themen bringt.
Ich hatte mich auf die Suche nach derlei Inhalten begeben, weil es mir schlecht ging. Mein Vater lag im Sterben und meine nunmehr elfte Beziehung auch. Beides, mein Vater und meine Beziehungsprobleme, hatten miteinander zu tun, soviel hatte ich inzwischen begriffen. Aber ich kam einer Auflösung der dahinterliegenden Muster einfach nicht näher.
Der Vortrag von Franz Ruppert, auf den ich stieß, war sein Referat über „Trauma, Angst und Liebe“.
Rupperts Vortrag nähert sich, für ein solches Thema durchaus sensationell, den 300.000 Klicks. Und ich kann für mich persönlich sagen: Seine Analyse hat zwar nicht alle Probleme in meinem Beziehungsleben schlagartig gelöst – das kann man angesichts einer lebenslangen Prägung auch schlecht von einem einzelnen Input erwarten.
Aber speziell die Erläuterungen Rupperts über die Langzeitwirkung früher Traumatisierungen haben mir entscheidenden Aufschluss gegeben, in welcher Richtung ich nach einer Lösung überhaupt suchen könnte. (Sehr empfehlenswert auch der Vortrag „Das Trauma der Identität“, der erst vor wenigen Tagen online ging.)
In der Gründungsphase des Rubikon stellte sich dann heraus, dass auch Herausgeber Jens Wernicke in dieser Richtung gesucht und bei demselben Franz Ruppert fündig geworden war. Wenige Monate später konnte ich Ruppert dann ein erstes Mal für das Magazin interviewen.
Ich staunte, als Ruppert in diesem Interview von sich aus auf einen Herrn zu sprechen kam, der sich von Anbeginn im Beirat des Rubikon-Magazins fand:
„Trauma heilt nicht von alleine. Es braucht Menschen, Einzelindividuen und viele kleine Netzwerke aus Individuen, die darauf aufmerksam machen und mutig genug sind, sich den Realitäten zu stellen und die für andere ein gutes Vorbild sind. So wie zum Beispiel Daniele Ganser, der uns in seiner geistigen Klarheit und Aufrichtigkeit deutlich zeigt, wie die ganze Welt mittlerweile eine ‚war zone’ geworden ist.“
Ganser und das Trauma
Anlässlich der Protestwoche gegen die Airbase Ramstein 2017 saß ich dann, zusammen mit einer neuen Beziehung, in der Versöhnungskirche zu Kaiserslautern.
Zuerst sprach Eugen Drewermann. Dass auch er schon mehrfach bei der Arbeiterkammer Vorarlberg zu Gast gewesen ist, überrascht eher nicht. Drewermann ist immerhin Psychoanalytiker. („Vertrauen statt Angst“, „Wendepunkte – Was eigentlich besagt das Christentum?“, „An den Grenzen der Medizin und des Lebens“ sowie „Wie Gott durch Grimm'sche Märchen geht“.)
Erstaunt war ich aber, als der zweite Redner des Abends, Daniele Ganser, wieder und wieder auf das Thema „Trauma“ zu sprechen kam. Für Historiker sind derlei psychologische Fragestellungen doch eher nicht die Regel.
Unter anderem stellte Ganser die großartige Vision in den Raum, wie friedlich wir die Welt gestalten könnten, wenn wir etwa die gesammelten Militärausgaben der NATO-Staaten nutzen würden, um Traumatherapeuten auszubilden und sie in den Krisengebieten der Welt einzusetzen. (Der ganze Vortrag hier.)
Der Weg Gansers von der Beschäftigung mit illegalen Kriegen, Massenmord und Kriegslügen zur Frage des Traumas, der Therapie und der Heilung ist jedoch sehr erklärlich, indem dieser höchst angenehme Mensch ja auch Friedensforscher ist.
Und sind nicht viele von uns irgendwann an die gleiche Grenze des Verstehens gestoßen? Wenn sich unmenschlichste Schrecklich- und Grausamkeiten immer wieder ereignen, und zwar unter den unterschiedlichsten historischen, kulturellen und wirtschaftlichen Bedingungen – muss es dann nicht eine gemeinsame Ursache geben? Und zwar eine Ursache, die unterhalb dieser historischen, kulturellen und wirtschaftlichen Begebenheiten liegt?
Die Kernfrage unserer Zeit
Was ist nun diese dunkle Triebkraft, die offenbar auch unterhalb des Denkens und des scheinbar bewussten Fühlens ihre Wirkung entfaltet? Woher rührt sie? Wie kommt, mit anderen Worten, die Unmenschlichkeit in die Menschen? Und wie kann der Mensch sich heilen? Konkreter gefragt: Wie wurde Hitler zu Hitler? Was wissen wir eigentlich über das Kind Adolf Hitler?
Wir hatten in der Zwischenzeit auch Franz Ruppert angefragt, ob er dem Beirat des Rubikon beitreten wolle. Zu unserer großen Freude stimmte er ganz unkompliziert zu und steuerte gleich einen weiteren Text bei. Dessen Titel „Wirklicher Frieden setzt Heilung voraus“ wies erneut auf den Zusammenhang zwischen Krieg und individueller Traumatisierung hin.
Darüber hinaus kam uns sehr zupass, dass eine weitere Rubikonistin, Birgit Assel, in ihrem Seminarzentrum (Institut für Gesundheitsförderung und Therapeutische Verfahren) bereits seit Jahren Veranstaltungen sowohl mit Franz Ruppert als auch mit Daniele Ganser organisiert.
Dies tat sie vor wenigen Wochen erneut, diesmal kamen beide gemeinsam auf die Bühne, moderiert von Ken Jebsen. Wir ergriffen unsere Chance und es kam zu einem, wie Daniele Ganser meinte, „total abgefahrenen“ Zusammentreffen zwischen dem Traumaforscher und dem Friedensforscher.
Die Fragen stellten Jens Lehrich und meine Geringfügigkeit.
Wir wünschen viel Spaß und Erhellung!
Quellen und Anmerkungen:
(1) https://youtu.be/0L1YvxI6q2g
(2) https://www.youtube.com/RubikonMagazin
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