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Karls Fahrrad

Karls Fahrrad

Eine reichlich absurde Geschichte aus der Epoche der Corona-Normalität.

von Mondkindwasser

Es ist leicht vergessen, aber vor etwas mehr als einem Jahr sah die Gesetzeslage derartig bescheiden aus, dass ich, wie viele andere, ohne Teilnahme am globalen Experiment den öffentlichen Personennahverkehr nicht mehr nutzen durfte. Als man mir pünktlich zur Einführung dieser Regel mein einziges Gefährt, ein Fahrrad, aus dem Hinterhof entwendet hatte, drohte es eng zu werden mit der Mobilität. Also sollte fix ein neues her.

Der Fahrradladen um die Ecke mit gebrauchten Rädern hatte gerade kein für mich passendes und empfahl einen anderen Laden im Hauptbahnhof der nächstgrößeren Stadt.

Ich schlich mich zu Beginn der üblichen Öffnungszeiten über die Landesgrenze, hinter der gerade die gleichen harten Regeln galten, und fand den Laden im Bahnhof am letzten Gleis auf Anhieb.

Wenn ich dort kein Fahrrad bekäme, hätte das vorerst ein Weiterleben zu Fuß bedeutet — inklusive Jobsuche — oder weiteres Schwitzen bei der Nutzung des ÖPNV ohne Nachweis der Teilnahme am GAU-Medizinexperiment der Geschichte.

Das Fahrradgeschäft war insofern etwas Besonderes, als es ehemalige Straftäter beschäftigte, denen auf diese Weise die Gelegenheit geboten wurde, in der Gesellschaft wieder Fuß zu fassen. Dort würde man mir sicher weiterhelfen, ich wollte schließlich bloß ein Fahrrad.

Da ich wusste, dass man einen Nachweis beim Kauf im Einzelhandel erbringen musste, der irgendwas mit „Gesundheit“ zu tun haben sollte, hatte ich meinen alten Impfausweis mitgenommen. Ein „negativer Test“ hätte zu diesem Zeitpunkt nichts gebracht.

Ich ging das alte Gleis im Sackbahnhof entlang in Richtung des Fahrradgeschäfts, das aus zwei Baucontainern und einiger Freifläche entlang des alten Gleises bestand. Es war ein trockener, grauer Wintertag, kühle Luft wehte von seiner offenen Seite in den Bahnhof.

Ein Mann mittleren Alters mit Pferdeschwanz kam auf mich zu und grüßte. Ich erzählte kurz, dass mir mein Fahrrad geklaut worden sei, ich ein neues suche und mir dieser Laden empfohlen worden war.

Der Verkäufer versicherte, er habe einige Räder da, und fragte als Nächstes nach einem Nachweis, dass ich geimpft oder genesen sei. Da ich keine registrierte Infektion nachweisen konnte, blieb nur der Nachweis über den weltberühmten „Piks“, und den hatte ich wie erwähnt nicht erhalten.

Ich reichte ihm meinen gelben Impfausweis klopfenden Herzens in der Hoffnung, dass ein kurzer Blick hinein die Angelegenheit erledigen würde. Er war schließlich kein Arzt, kannte sicherlich nicht alle Namen aller verspritzten Stoffe in diesem Programm und war bestimmt auch froh, die Bürokratie rund um den Erwerb eines Drahtesels zu beenden.

Er blätterte. Und blätterte. Suchte weiter und fragte schließlich nach „Comirnaty“ oder einem der anderen Namen. Wir saßen inzwischen nebeneinander auf einer Bank in der Nähe und ich kam mir vor wie bei der Beschaffung illegaler Substanzen. Ich gestand, dass er die Namen nicht finden würde und machte ihm meine Lage deutlich: Dass ich ohne Rad aufgeschmissen bin, weil ich auch die öffentlichen Verkehrsmittel nicht mehr nutzen darf.

Er sagte, dass es ihm leid täte, aber dass diese Regeln seit gestern gültig seien und er jetzt dafür zuständig, diese „durchzuprügeln“. Ich packte meinen Impfausweis zurück in die Tasche und stand auf. Beschrieb ihm nochmal meine Lage. Nichts zu machen. Außer, fiel ihm ein, wenn ich jemanden kennen würde, der die richtigen Dokumente hätte und das Fahrrad für mich kaufen würde. Dann könne ich wiederkommen und mir das Rad von demjenigen kaufen lassen. Spontan verzweifelt fragte ich, ob nicht einer der Mitarbeiter, die im Hintergrund in die Baucontainer ein und aus gingen, das übernehmen könne, aber da verlangte ich von den rehabilitierten Ex-Straftätern beziehungsweise von dieser sozialen Einrichtung wohl zu viel und erntete nach kurzem Überlegen ein Kopfschütteln.

In meinem Hirn fing es an zu rattern. Ich ließ mir das Gesagte noch einmal bestätigen und verabschiedete mich. Jetzt war ich schon mal vor Ort. Unverrichteter Dinge wegzufahren, um jemanden zu organisieren, der mich wieder hinbegleitete, schien mir sehr aufwändig. Außerdem hatte sich nach fast zwei Jahren dieser komischen Zeit mein Bekanntenkreis so ziemlich auf ungeimpfte Demonstrationsteilnehmer reduziert. Wen also fragen?

Als ich das Gleis zurück Richtung Bahnhofsgebäude entlangging, wusste ich bereits, dass ich wohl jemanden hier in der Nähe auftreiben musste, der mir bei meinem Fahrradkauf behilflich sein würde. Nur wen ansprechen? Der Hass auf Experimentierverweigerer wie mich war groß, und ich hatte davon bereits genug abbekommen, um ihn mir nicht weiter injizieren zu wollen. Wenn ich aber mit Fahrrad nach Hause kommen wollte, würde ich irgendjemand Fremden hier am Bahnhof ansprechen und um Hilfe bitten müssen.

Ich setzte mich erst einmal auf eine der Bänke im zugigen Bereich des Bahnhofs und sortierte meine Optionen. Dort wo ich saß, würde kein Zug abfahren, es war das tote Gleis, an dem auch weiter hinten mein zukünftiges Fahrrad wartete, wenn es denn so sein sollte. Ein paar Menschen standen versunken in ihre Stupidphones ein paar Gleise weiter, eher Typ „eilig“, das konnte ich mir gleich sparen.

Aber entlang des toten Gleises, etwas weiter vorne, saß in der Nähe der Mülleimer jemand auf dem kalten Boden und trank ein Bier. Jetzt oder nie. Bevor mich mein Mut verließ, stand ich auf und ging auf den Mann zu, der mich — als ich ihn ansprach — ansah, als könne er nicht glauben, beachtet worden zu sein. Eine Frage hätte ich, wenn er entschuldigen würde. Ich skizzierte mein Dilemma und fragte, ob er zufällig geimpft sei. Seine Augen begannen zu leuchten entlang unserer Unterhaltung und er bejahte, durchaus mit etwas Stolz in der Stimme, und zückte auch gleich seinen Impfausweis, in dem das vermerkt war.

Ich fragte ihn, ob er bereit wäre, mit mir nach vorne zum Fahrradladen zu gehen und für mich ein Fahrrad zu kaufen, was man mir sonst nicht geben würde, weil ich nicht geimpft sei. Aber natürlich! Wenn ich doch im Gegenzug etwas Kleingeld für ihn hätte. Aber natürlich!

So kam ich also wenige Minuten, nachdem ich den Pferdeschwanz-Mann und das Fahrradgeschäft verlassen hatte, wieder zurück und hatte Karl mit im Schlepptau, der mit Bierflasche in der Hand freudig zur Sache schritt.

Man hatte bestimmt nicht so schnell wieder mit mir gerechnet, und auch nicht genug Zeit zu vergessen, welche Verabredung man mit mir getroffen hatte. Also ging das Verkaufsgespräch los und ich erzählte, was ich suchte. Der Verkäufer regelte das Besichtigen der in Frage kommenden Drahtesel recht außergewöhnlich, aber konsequent.

Zunächst zeigte er vor den Mitarbeitern in der Nähe mit dem langen Arm auf mich und ließ sie lauthals wissen: „Die kommt hier nicht rein, die ist ungeimpft!“ Er verwies mich auf den Bereich hinter den hüfthohen Stangen, die als Abgrenzung von Geschäft und Bahnhofsbereich dienten.

Dann schlappten Karl und er zu dem Bereich, wo die Fahrräder standen.
Bald darauf wurden mir, der Aussätzigen hinter der Stange, zwei Fahrräder präsentiert, wovon ich eines in die engere Auswahl nahm und bat, es zur Probe fahren zu dürfen. Dafür ging ich das Gleis neben der Absperrung entlang, in Fahrtrichtung der Züge, wo der Geschäftsbereich irgendwann endete und ein größerer betonierter Platz noch knapp unter der Überdachung des Bahnhofs Gelegenheit bot, einmal kurz in die Pedale zu treten.

Karl erwies sich als ein äußerst netter Begleiter, der mir das Fahrrad auf der anderen Seite der Stangen nach hinten schob, so weit entfernt von dem Fahrradgeschäft, dass es dem Pferdeschwanz-Mann irgendwann mulmig wurde und er uns aus der Ferne pfeifend und winkend zu verstehen gab, dass wir uns mit dem Fahrrad bitte nicht noch weiter entfernen sollten. Hatte die Situation es verdient, dass wir uns so aus dem Staub machten?

Das Fahrrad war top, die Sache schnell entschieden und so gingen wir wieder durch die Stange getrennt zurück und erledigten den Tausch. Das Fahrrad sollte 160 Euro kosten, mir wurde ohne Nachfrage ein Nachlass von 20 Euro gegeben. Ich gab von hinter der Stange Karl das Geld, der es dem Pferdeschwanz-Mann überreichte, mit seinem Personalausweis, der „zur Sicherheit“ kopiert wurde.

Der Nachweis über die Teilnahme am Experiment war selbstverständlich schon längst kontrolliert worden.

Ein Mitarbeiter wurde beauftragt, ein Fahrradschloss zu besorgen, das wurde mir geschenkt, und dann noch ein zweites Schloss dazu. Der Verkäufer hatte wohl ein schlechtes Gewissen oder wollte sich vielleicht mein Schweigen erschenken.

Zum Schluss schob Karl, offizieller Besitzer, mein neues Fahrrad nach vorne in den Gebäudekomplex, während ich ein letztes Mal über das Gestänge stieg. Dann gingen wir einen Kaffee trinken. Karl erzählte mir, dass er eine Operation hatte vornehmen lassen müssen, vor der er geimpft wurde: „Die haben gesagt, ich muss es nur einmal machen lassen und dann hält das für immer!“, strahlte er mich an. Ich dankte ihm für seine Hilfe, ließ mir für ein Wiedersehen die Plätze beschreiben, an denen er öfter Zeit verbringt, und radelte davon.


Mondkindwasser, weit gereist, ältere Seele, ist ein Kind Mutter Erdes. In deren Priestertum tätig, ist es für jene da, die verstanden haben oder verstehen wollen, dass sie nirgends hingehen müssen, wenn sie in die Natur wollen.


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