Mich beunruhigt zutiefst, was ich ganz besonders seit der Coronakrise hier in Deutschland erlebe. Noch nie wurde in diesem, sich demokratisch nennenden Land die Einengung des Meinungsspektrums so rigoros und brachial vollzogen, wurden Kritiker und Andersdenkende, selbst Experten mit fundiertem Fachwissen, an den Pranger gestellt und als Schwurbler, Verschwörungstheoretiker, Rechtsextreme, Nazis oder Antisemiten gebrandmarkt und ausgegrenzt. Die Frage, mit wem man noch offen reden kann, ohne diffamiert zu werden, habe ich noch sehr gut aus den Jahren der DDR in Erinnerung.
Es ist genau 35 Jahre her, dass die Menschen die bleierne Zeit der permanenten Indoktrination durch die „führende Kraft“ im Lande und die in den Medien verbreiteten Lügen satt hatten und auf die Straße gingen. Dass das jemals passieren könnte, war für mich damals unvorstellbar, wie es nun, viele Jahre später, für mich ebenfalls unvorstellbar ist, noch einmal vergleichbare Verhältnisse erleben zu müssen.
Keine Plattform für Klassenfeinde
Damals gab es eine politische Parteienkonstellation, die der Meinung war, über die einzige Wahrheit zu verfügen. Das Parteienbündnis „Nationale Front“ verteidigte das kompromisslos und stand fest zu den „sozialistischen Errungenschaften“. Abweichende Meinungen wurden als feindlich gebrandmarkt, Abweichler von der Sicherheitsbehörde beobachtet oder in besonders gefährlich eingeschätzten Fällen ausgeschaltet. Sie galten als vom Klassenfeind infiziert. Denen durfte keine Plattform geboten werden und mit denen redete man nicht. Das war nicht nur die Position der politischen Führung, es war auch die in allen Medien verbreitete, gesellschaftlich verbindliche Haltung.
Heute definiert eine Regierungs- und Parteienkonstellation, was als Grundlage unserer Demokratie zu gelten hat, womit sie sich als die berufenen Verteidiger der demokratischen Werte versteht. Abweichende Meinungen werden als Gefahr für die Demokratie interpretiert und deren Vertreter vom Verfassungsschutz beobachtet. Heute gibt es den Klassenfeind nicht mehr, der negativ in die Meinungsbildung des Volkes eingreift, heutzutage ist es Wladimir Putin beziehungsweise „der Russe“, der die Kritiker und Andersdenker kontaminiert und damit zu Demokratiefeinden macht. Wem da Nähe unterstellt werden kann, dem darf keine Plattform geboten werden, mit dem redet man auch nicht. Das sagen nicht nur die Regierenden, das verbreiten auch die ihnen ganz offensichtlich hörigen Medien genau so, als hätte ihnen das die Pressestelle eines Politbüros vorgegeben.
Merkwürdigerweise scheint das alte, vielen Ostdeutschen gut bekannte Indoktrinationsmuster die Zeiten überdauert zu haben.
Nun fanden gerade die Wahlen zum Parlament der Europäischen Union statt. In Deutschland wurde den Wählern über Monate mit verschiedensten, oft sehr merkwürdigen Enthüllungsinszenierungen unmissverständlich deutlich gemacht, wer die Guten und wer die Schlechten, also die Falschen sind, denen man auf keinen Fall seine Stimme geben darf. Nicht nur die Politiker der regierenden Parteien und die folgsamen Journalisten der Mainstream-Medien, sondern auch die Kirchen und Unternehmer schlossen sich dieser Kampagne an, um die Wahlchancen bestimmter, von den Regierenden nicht geschätzter Parteien zu minimieren und so die Demokratie zu sichern.
Übrigens fanden vor 35 Jahren nahezu zum gleichen Zeitpunkt im nun untergegangenen ostdeutschen Staat ebenfalls Wahlen statt. Damals wurden die Abgeordneten der Volkskammer gewählt. Auch hier indoktrinierte man die Wähler in monatelangen medialen Überzeugungskampagnen. Obwohl der Anteil kritischer Stimmen verschwindend gering war, wurde das Wahlergebnis trotzdem noch geschönt. Es war die letzte Wahl unter den alten Bedingungen.
Unzufriedenheit vor allem in Ostdeutschland
Das Ergebnis der EU-Wahl, offensichtlich unkorrigiert, offenbart trotz der intensiven Wählerbeeinflussung unübersehbar deutlich, dass insbesondere die ostdeutschen Wähler mit der gegenwärtigen Politik nicht einverstanden sind. Mich persönlich überrascht das nicht, weiß ich doch, dass eine große Zahl der Ostdeutschen sich in diesem real existierenden Gesamtdeutschland nicht angenommen fühlt und die praktizierte Wiedervereinigung für misslungen hält.
Der gewährte Zugang zur überbordenden Marktfülle, Otto Schily nannte damals die Banane als wesentlichen Wirkfaktor, war eben nicht der ausschlaggebende Moment für die meisten Menschen, in einem wiedervereinigten, demokratischen Deutschland leben zu wollen. Die schon nach kurzer Zeit immer wieder erlebte Abwertung des gelebten Lebens widersprach dramatisch den jahrelang verkündeten, so gut klingenden Verheißungen. „ Brüderlich mit Herz und Hand“ und „Einigkeit und Recht und Freiheit“ galten eben nicht, sondern vor allem und für einige gut Positionierte besonders der Leitspruch: „Nimm dir, was du kriegen kannst!“
Die schon lange zu bemerkende Unzufriedenheit führte und führt nun immer wieder zu bemerkenswert abwertenden Begründungen aus berufenen Mündern. Eines der drastischsten Beispiele ist dafür die bis heute unwidersprochen gebliebene Einschätzung des Publizisten, Juristen und Zeithistorikers Arnulf Baring, der meinte, die Ostdeutschen seien ohne Ausnahme durch ihr Leben unter ostdeutschen Verhältnissen „geistig verzwergt“.
Hoffnungsvoller Beginn
Dabei begann doch alles so verheißungsvoll. Als am 9. November 1989 wie durch ein Wunder die hermetischen Grenzen zwischen den Systemen durchlässig wurden, sich die verfeindeten Blöcke einander annäherten und die jahrzehntelangen beängstigenden Spannungen zwischen den Weltmächten sich aufzulösen begannen, glaubte ich, dass jetzt endlich das lange ersehnte, friedliche Zeitalter seinen Anfang nehmen würde.
Unerwartet war der zu bekämpfende Feind verschwunden und nirgends mehr in Sicht. Welch wunderbare Perspektive! Ich träumte davon, wie jetzt die unglaublichen, in Rüstung fehlinvestierten enormen Ressourcen zum Wohle der Menschen und für die Förderung Not leidender Länder eingesetzt und dadurch Hunger und Not für immer aus der Welt verbannt werden. Neue Spannungsherde würden somit niemals mehr entstehen können.
Die östliche Siegermacht, die durch den deutschen Überfall 27 Millionen Tote zu betrauern und unglaubliche Zerstörungen erlitten hatte, war bereit, den von ihr besetzten Ostteil freizugeben, ihre Truppen abzuziehen und einer Vereinigung mit dem westlichen Teil Deutschlands zuzustimmen, obwohl das dann wiedervereinigte Deutschland weiterhin ein Mitglied des westlichen Militärbündnisses bleiben würde. Das am 9. Februar 1990 im Katharinensaal des Kreml Michail Gorbatschow vom US-amerikanischen Außenminister James Baker gegebene Versprechen, die NATO „nicht einen Inch“ nach Osten ausdehnen zu wollen, hatte die sowjetische Führung von der Friedfertigkeit des Westens überzeugt. Dadurch wurde am 3. Oktober 1990 der Wunsch vieler Deutscher wahr, wieder friedlich in einem einigen Deutschland leben zu können.
Die am 21. November 1990 beschlossene und von 32 europäischen Staaten, der EU, dem Vatikan, der Sowjetunion, aber auch von den USA und Kanada ratifizierte „Charta von Paris für ein neues Europa“ würde die gut fundierte Grundlage für das lange erhoffte, friedliche Zeitalter sein. Schon die Präambel dieses Beschlusses lässt keinen anderen Gedanken zu:
„… Das Zeitalter der Konfrontation und der Teilung Europas ist zu Ende gegangen. Wir erklären, dass sich unsere Beziehungen künftig auf Achtung und Zusammenarbeit gründen werden. Europa befreit sich vom Erbe der Vergangenheit. Durch den Mut von Männern und Frauen, die Willensstärke der Völker und die Kraft der Ideen der Schlussakte von Helsinki bricht in Europa ein neues Zeitalter der Demokratie, des Friedens und der Einheit an.“
Die Charta verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, sich jeder gegen die territoriale Integrität oder politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete Androhung oder Anwendung von Gewalt oder jeder sonstigen, mit den Grundsätzen oder Zielen dieser Dokumente unvereinbaren Handlung zu enthalten, so steht es bei Wikipedia.
Vorgegaukelte Souveränität
Erst am 10. Juli 2013 erfuhr ich in einem Beitrag in den Deutschen Wirtschaftsnachrichten, dass die West-Alliierten der Wiedervereinigung nur unter der Bedingung zugestimmt hatten, dass Deutschland weiterhin bestimmte Souveränitätsrechte nicht erhalten wird. Im Rückblick bedeutet das, dass die gern immer wieder nach außen hin demonstrierte souveräne Unabhängigkeit des westlichen Deutschlands unwahr ist.
Nie war die Bundesrepublik ein souveräner Staat, sondern all die Jahre, wie die DDR auch, ein von den das Land besetzt haltenden Siegermächten abhängiges Vasallenstaatsgebilde, das bedingungslos den gemachten Vorgaben zu folgen hatte. Die im Zwei-plus-Vier-Vertrag vereinbarten Bedingungen befreien Deutschland lediglich aus der Abhängigkeit von der östlichen Siegermacht, das geeinte Deutschland hat die Anforderungen der westlichen Siegermächte weiterhin zu erfüllen.
Leider hat der große westliche Hegemon, der sich offenbar sogleich als der Sieger im Kalten Krieg sah, die Charta von Paris wie auch die UNO-Charta nicht sehr ernst genommen. Schon am 16. Januar 1991 begannen die USA mit einer Koalition aus 34 Staaten den Irakkrieg, den sie mit der „Brutkastenlüge“ rechtfertigten, US-Präsident George Bush d.Ä. verkündete die Strategie für eine „New World Order“, die von der als „Wolfowitz-Doktrin“ bekannten „Defense Planing Guidance“ untermauert wird. Das alles macht deutlich, dass die westliche Supermacht die eingegangenen völkerrechtlich verbindlichen Verpflichtungen nicht wirklich ernst nimmt.
Mittlerweile findet nahezu vor unserer Haustür ein Krieg statt, der die Gefahr in sich birgt, unberechenbar zu eskalieren. Allerdings wurde er nicht von den USA begonnen, sondern von Russland. Mit einem „anlasslosen Angriffskrieg“ wollte Russland im Februar 2022 die Ukraine erobern, so die offizielle Darstellung. Deshalb muss nun der freie Westen unter Führung der USA dem angegriffenen Land mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zur Seite stehen und den Aggressor durch Sanktionen und andere Maßnahmen so schwächen, dass er eine vernichtende Niederlage erleidet. Wer jetzt eine diplomatische Konfliktlösung durch Verhandlungen fordert oder sich für Frieden einsetzt, ist ein „gefallener Engel aus der Hölle“, wie es der deutsche Bundeskanzler ausdrückte, oder ein „Lumpenpazifist“, wie ein gern veröffentlichter Journalist meint, denn wir Deutschen müssen jetzt unbedingt wieder „kriegstüchtig“ werden. Das fordert Verteidigungsminister Boris Pistorius.
Allerdings hat dieser Krieg eine sehr viel längere Vorgeschichte, die man dabei leider unter den Tisch fallen lässt. Sie ist maßgeblich von der geopolitischen Strategie der westlichen Großmacht geprägt, die in vielen öffentlich zugänglichen Unterlagen zu finden ist. Dazu gehört der vom US-Kongress am 17. Juni 1959 beschlossene „Public Law 86-90“-Akt, der die Zerschlagung des sowjetischen Imperiums zum Ziel hat, was positiv „Entkolonialisierung“ genannt wurde. Aber auch die Bücher von Thomas P.M. Barnett, Professor am US Naval War College, und Zbigniew Brzezinski, US-Politstratege und einstiger Berater von US-Präsident Jimmy Carter, offenbaren für jeden erkennbar die langfristigen strategischen Überlegungen.
Erweiterte Militärpräsenz der USA
Nach Auflösung des östlichen Militärbündnisses und des sowjetischen Staatsgebildes hatte die Ausdehnung des US-Einflussbereiches auf Osteuropa und ehemalige Teilstaaten des sowjetischen Imperiums allererste Priorität. Schon 1994 wurden ehemalige Warschauer-Pakt-Länder in das NATO-Programm „Partnerschaft für den Frieden“ einbezogen, 1997 mit Polen, Tschechien und Ungarn über einen Beitritt verhandelt, was zwei Jahre später zur Vollmitgliedschaft in der NATO führte. Dieses Militärbündnis ist für die USA eines der wichtigsten Instrumente für die Durchsetzung ihrer globalen Strategie, denn die NATO „bietet nicht nur den institutionellen Rahmen für die Ausübung amerikanischen Einflusses auf europäische Angelegenheiten, sondern auch die Grundlage für die politisch entscheidende Militärpräsenz der USA in Westeuropa.“ , so Zbigniew Brzezinski in „Die einzige Weltmacht – Amerikas Strategie der Vorherrschaft“; 1997.
Wenn man sich nun fragt, warum der sich „Verteidigungsbündnis“ nennende westliche Militärpakt unbedingt bis an die Grenzen Russlands vorrücken muss, ist zwar das offiziell genannte Ziel, „die Demokratie voranzubringen und den Menschenrechten immer breitere Geltung zu verschaffen“, so Brzezinski in „Die einzige Weltmacht…“, doch es sind die Durchsetzung der geopolitischen Ziele und die unendlichen Ressourcen des russischen Riesenreiches, die die Begehrlichkeiten der die US-Politik bestimmenden „Nimm-dir-alles-was-Du-kriegen-kannst-Strategen“ wecken. Ein möglicher und uneingeschränkter Zugriff würde die unangefochtene Weltdominanz weiterhin sichern. Die Ukraine ist dafür eine der wichtigsten Schlüsselpositionen, denn sie ist „ein neuer und wichtiger Raum auf dem eurasischen Schachbrett … Irgendwann zwischen 2005 und 2010 sollte die Ukraine für ernsthafte Verhandlungen sowohl mit der EU als auch mit der NATO bereit sein…“, so Brzezinski in seinem Buch.
Zwar scheiterte 2010 die sechs Jahre zuvor arrangierte orangene Revolution, doch mit dem Maidan-Putsch 2014 und dem Einsatz von 5 Milliarden US-Dollar gelang der lange geplante Regime-Change, der die Voraussetzung für das weitere Anheizen der russophoben Spannungen bis hin zum Krieg war. Wie in all den Farb- oder Blumenrevolutionen, die die CIA und verschiedene NGOs in den den westlichen Hegemon interessierenden Ländern inszenierten, wurden auch hier die nationalen und religiösen Spannungen genutzt, um das notwendige Hassklima zu erzeugen.
Nun hat auf dem jetzt gerade als „Friedenskonferenz“ bezeichneten, in der Schweiz arrangierten Treffen diverser Staats- und Regierungschefs zur Unterstützung der Ukraine die US-Vizepräsidentin Kamala Harris nicht nur neue Milliardenhilfen für die Ukraine angekündigt, sondern erklärt: „Amerika steht nicht aus Nächstenliebe an der Seite der Ukraine, sondern weil es in unserem strategischen Interesse ist.“, so steht es am 16. Juni 2024 bei Spiegel.de.
Damit hat sie unmissverständlich offengelegt, dass die Ukraine lediglich Mittel zum Zweck ist. Sie hat die Soldaten zu stellen, die in den Schützengräben sterben, während die europäischen NATO-Staaten als geopolitischer Brückenkopf der USA die notwendige militärische Unterstützung zu leisten haben.
Deutschland befindet sich aufgrund seiner eingeschränkten Souveränität in einer besonderen Abhängigkeit zur Führungsmacht, und seine durch „indirekte Einflussnahme auf abhängige ausländische Eliten“ in Führungspositionen gebrachten Politiker, wie Brzezinski das beschreibt, erhöhen folgsam den Druck, um das gewünschte Ziel endlich zu erreichen. Es wird wieder gelogen, dass sich die Balken biegen, um die Bevölkerung in die gewünschte, richtige Stimmung zu bringen, um Russland wieder und nun endgültig in die Knie zu zwingen.
Als vor 83 Jahren die deutsche Wehrmacht die Sowjetunion überfiel, war ich gerade geboren. Der Krieg und die Nachkriegszeit haben meine Kindheit und Jugend maßgeblich geprägt. Im Herbst 1989 habe ich mich öffentlich für eine wahrheitsgemäße Berichterstattung in den Medien, für Reformen, für gewaltfreie Proteste und eine friedliche Wiedervereinigung Deutschlands engagiert. Heute bin ich entsetzt darüber, wie sich unsere führenden Politiker in diesem weltbrandgefährlichen Klima äußern, was sie glauben, als einzig mögliche Lösungen anordnen zu müssen — und dass nun wieder deutsche Panzer an der Grenze zu Russland stehen. Ich schäme mich dafür und für die gegen jede Vernunft gerichtete Politik!
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