Ein schreckliches Bild ging die letzten Tage um die Welt. Und darauf zu sehen war: Notre-Dame in Flammen. Das Volk, das seit Monaten gegen die neoliberale Politik Macrons streikt, steht still und ist zutiefst erschüttert. Ein so geschichtsträchtiges und tief verankertes Wahrzeichen der französischen Kultur brennt und stürzt halb in sich zusammen. Ein Land in Trauer.
Kurz darauf — binnen weniger Stunden — wird durch großzügige Spender („Frankreichs Superreiche“ — wie es in der Presse heißt) knapp eine Million Euro für den Wiederaufbau des Gebäudes zusammengetragen. Der Plan ist nun, die Kathedrale innerhalb von fünf Jahren wiederaufzubauen.
Die vorangegangene Trauer schlägt dadurch rasch in Entrüstung und Empörung um. Das Geschrei ist groß: „So viel Geld für ein Bauwerk? Und was ist denn mit den hungernden Menschen auf der Welt? Warum wird das Geld nicht dort investiert, wo Menschen es nicht nur zum Leben, sondern zum blanken Überleben benötigen?“
Zum einen verurteilen die Empörten, dass eine so horrende Summe für ein Gebäude ausgegeben wird. Zum anderen stellen sie die Frage, wer durch diesen Brand am Schluss sogar Profit zu schlagen versucht. Ist es Macron? Sind es die „Superreichen“? Ist es gar das französische Volk oder die Gelbwesten? Fragen über Fragen, Meinungen über Meinungen. Die Diskussion ist in vollem Gange.
Aber ist es nicht komplette Energieverschwendung, sich an einer solchen Debatte zu beteiligen?
Seien wir mal ehrlich: Von der ungleichen und ungerechten Verteilung des Geldes auf unserem Planeten weiß doch wohl jeder von uns. Das Problem unserer Welt ist nicht die Tatsache, dass nicht genügend Geld vorhanden ist, damit allen Menschen die nötigsten Grundnahrungsmittel zur Verfügung stehen; oder dass sie zumindest ihre Grundbedürfnisse erfüllen können. Das Problem unserer Welt ist das System hinter den Kulissen.
Jeden Tag wird noch viel mehr Geld für viel sinnlosere Sachen ausgegeben. Nur treten dies die herrschenden Medien in den meisten Fällen nicht breit oder lassen es bewusst unerwähnt — wie die deutschen Beispiele Stuttgart 21 und der Berliner Flughafen zeigen. Dort werden täglich absurde Summen in den Sand gesetzt, die mit Sicherheit an anderen Stellen dringender gebraucht würden.
Nun geht es vielen Menschen um das Thema „Hungersnot“. Berechtigterweise!
Dass in der heutigen Welt immer noch so viele Menschen verhungern und verdursten, obwohl die Mittel dagegen vorhanden sind — und oft nur nicht an der nötigen Stelle eingesetzt werden —, ist eine der schrecklichsten Tatsachen unserer Gegenwart. Diese Realität ist ein globales Problem, das dringend gelöst werden muss. Ich denke, in diesem Punkt sind wir uns alle einig!
Jedoch würde ich hier gerne einen Gedanken mit einbringen, der vielleicht zum Nach- oder Umdenken anregt:
Geld allein wird dieses Problem nicht lösen können.
Geld allein hilft nichts, solange es an korrupte Regierungen fließt, die ihre Bevölkerung verhungern lassen. Geld allein hilft ebenfalls nichts, solange die armen Länder ihrer eigenen Bodenschätze beraubt und somit ausgebeutet werden.
Als erstes muss das System geändert werden, bevor das Geld fließt. Die Länder, die mit bitterer Armut zu kämpfen haben, müssen autark agieren können. Genau diese Länder müssen dringend die Chance erhalten, eine eigene Wirtschaft aufzubauen — ohne die Überwachung durch den Westen und in Unabhängigkeit von ihm.
Die Korruption in diesen Ländern muss eingedämmt werden. Das Vertrauen der Bürger in ihre eigene Regierung muss gestärkt, das verlorene Vertrauen wiederaufgebaut werden.
Zudem dürfen nicht weiterhin katastrophale Kriege unterstützt werden, die unter der falschen Flagge der „humanitären Hilfe“ stehen. Ob durch Einsatz von Soldaten oder durch Waffenlieferungen. Diese angebliche Hilfe zur Konfliktlösung und Deeskalation ist doch nur ein weiterer Tropfen Öl ins Feuer. Wobei hier das Öl eine sehr treffende Metapher ist: Viele dieser armen Länder hätten durch ihre Bodenschätze die Möglichkeit, einen eigenständigen Handel aufzubauen, wenn die westliche Welt sie nicht stetig genau daran hindern würde.
Die Situation ähnelt einem Großbrand, der sich immer weiter ausbreitet. Wertvolle Hilfsprojekte können zwar immer wieder kleinere und größere Lagerfeuer löschen, aber das übergeordnete System hält den Brand ständig weiter am Lodern.
Wenn etwas in unserer Welt passiert — wie zum Beispiel der Brand von Notre-Dame in Paris — werden Vermutungen angestellt, es wird geurteilt und vor allem: verurteilt.
Leider wird dadurch die Welt kein Stück besser. Ich mache unsere Welt mit diesem Text ebenso nicht konkret besser. Aber vielleicht bringt dieser Text einige Menschen zum Umdenken.
Umdenken dahingehend, dass das Lamentieren über die Ungerechtigkeit und die lästige Schuldfrage uns als Gesellschaft nichts bringt — außer einer Spaltung. Und eine gespaltene Gesellschaft bietet einen Nährboden für Hass, Neid und Missgunst.
In einer gespaltenen Gesellschaft arbeiten die Menschen gegeneinander, statt miteinander. Das System läuft still und heimlich weiter, und alles bleibt so, wie es ist … Aber damit mich niemand falsch versteht — Diskussion ist wichtig. Gerade in einer Demokratie ist der Meinungsaustausch das wichtigste Gut überhaupt.
Jedoch wäre die Energie, die Menschen in Diskussionen vor dem Fernseh-Bildschirm aufwenden, sehr viel besser darin investiert, sich als Weltbevölkerung zusammenzufinden und gemeinsam etwas zu verändern. Außerhalb der vier Wände und außerhalb der Kommentarfelder auf Facebook.
Adriana Sprenger, Jahrgang 1993, ist schon seit sie denken kann auf der Suche nach dem Sinn. Diese Suche führte sie schon über einige Stationen — angefangen mit einer kaufmännischen Ausbildung, über Jobs in unterschiedlichsten Unternehmensstrukturen und eine längere Reise, bis hin zu ihrem derzeitigen berufsbegleitenden Studium der Wirtschaftspsychologie. Das schöne Leben im noch schöneren München hält sie jedoch nicht davon ab, über den gesellschaftlichen Tellerrand zu blicken und genau diese Suche weiterzuführen.
Wenn Sie für unabhängige Artikel wie diesen etwas übrig haben, können Sie uns zum Beispiel mit einem Dauerauftrag von 2 Euro oder einer Einzelspende unterstützen.
Oder senden Sie einfach eine SMS mit dem Stichwort Manova5 oder Manova10 an die 81190 und mit Ihrer nächsten Handyrechnung werden Ihnen 5, beziehungsweise 10 Euro in Rechnung gestellt, die abzüglich einer Gebühr von 17 Cent unmittelbar unserer Arbeit zugutekommen.