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Friedenstauben in Berlin

Friedenstauben in Berlin

Seit August 2020 finden unter der Fahne von Querdenken Demonstrationen in Berlin statt. Ein Bericht über den Aufzug und die anschließende Kundgebung am 3. August 2024.

Am 3. August 2024 war es wieder so weit: Erneut hatten sich seit 2020 in Berlin viele Demonstranten zusammengefunden. Die Veranstaltung der Querdenker-Demo bestand aus zwei Teilen: Um 12 startete der Demonstrationszug auf der Hardenbergstraße im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf; die Kundgebung südlich der Siegessäule war für 15:30 Uhr angesetzt. Auf dem folgenden Foto ist ein Teil des Demonstrationszuges um kurz nach 12 Uhr zu sehen:

Die Themen der Demonstranten

Der Demonstrationszug stand unter dem Thema „Einigkeit und Recht und Freiheit – der Umzug“. Neben den eben genannten Begriffen spielten die Themen Frieden und Aufarbeitung der Coronajahre eine wesentliche Rolle.

Ein kosmopolitisches Ereignis

Viele Demonstranten hielten Schilder und Fahnen hoch. Auf den Schildern standen Sätze wie „Deutschland wird nicht regiert, es wird erzogen“, „Frieden schaffen ohne Waffen“ und „Friedenstüchtig bleiben“. Die zahlreichen Fahnen stachen besonders hervor. Zu sehen waren die Fahnen der Bundesrepublik Deutschland, von Russland und manchmal auch die Farben beider Nationen in einer Fahne vereint. Außerdem wehten die Nationalfarben der Schweiz, von Österreich, Ungarn, Italien und Frankreich sowie die Fahnen einiger Bundesländer wie Sachsen, Brandenburg, Hamburg, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Bayern. Dazu kamen noch einige Fahnen in Regenbogenfarben, auf denen der Begriff „Peace“ abgebildet war, eine von „Eltern stehen auf“, der „Freedom Parade“, einige von den „Freien Linken“, von der Partei „dieBasis“ und von „Studenten stehen auf“ sowie der Vatikanstadt. Auf den mit Abstand meisten Fahnen waren jedoch keine Nationalfarben abgebildet, sondern die bekannte Friedenstaube.

Framing in den Medien

Das Thema Fahnen eignet sich hier besonders gut für einen Vergleich zwischen der Berichterstattung und dem tatsächlichen Geschehen auf der Hardenbergstraße. Denn noch bevor die Demonstranten in Richtung Bahnhof/Zoologischer Garten losliefen, wurden sie auf der Plattform X entsprechend dargestellt.

So postete die Berliner Zeitung die folgende Mitteilung inklusive einer kurzen Aufnahme des Geschehens: „Die #Querdenken-Demo in #Berlin setzt sich in Bewegung. Unter anderem sind viele russische Fahnen zu sehen.“ Das Framing ist klar, die russische Fahne wie auch ihre Träger sollen entsprechend der Nachrichtenerstattung der letzten Jahre negativ konnotiert werden.

Die Ironie ist nun, dass in dem verlinkten Video selbst unter dem Fahnenmeer auf dem ersten Blick nur eine russische Fahne zu sehen ist. Und darauf befinden sich nicht nur die Nationalfarben Russlands, sondern auch noch eine Friedenstaube.

Erst in einem längeren Bericht über die Demonstration erwähnt die Berliner Zeitung die zahlreichen Fahnen mit der Friedenstaube. Dagegen wird die Anzahl dieser Fahnen in einem Bericht des rbb mit der Formulierung „einige“ heruntergesetzt; die tagesschau übernimmt dieses rhetorische Mittel.

Der Demonstrationszug

Unter den Demonstranten war die Stimmung friedlich und entspannt. Aus den Boxen tönten Lieder wie Bob Marleys „Get Up, Stand Up“, „Give Peace a Chance“ von John Lennon und Lieder von Nena. Auf dem Wagen von kla.tv wurden weitere Musikeinlagen geboten, und in einem der letzten Wagen gab der Sänger Björn Banane seine Lieder zum Besten.

Im Vergleich mit den Demos der letzten Jahre hielt sich die Polizei weitestgehend zurück. Laut Medienberichten gab es noch vor dem Beginn des Demonstrationszuges einige Verhaftungen, doch insgesamt trat die Polizei längst nicht so aggressiv auf wie in den Jahren zuvor. Dieses Mal hat sie auch nicht versucht, Regeln wie die Maskenpflicht und die Abstandsregel durchzusetzen.

Die Anzahl der Gegendemonstranten war überschaubar. An insgesamt drei Stellen äußerten sie ihre Kritik von der Seite. An der ersten Stelle, am Steinplatz, zwischen dem Ernst-Reuter-Platz und dem Zoologischen Garten, befanden sich unter den Gegendemonstranten zum Beispiel die „Omas gegen Rechts“. Neben dem U-Bahnhof Wittenbergplatz im Ortsteil Schöneberg lief der Demonstrationszug an den Gegendemonstranten der „Antiverschwurbelten Aktion“ vorbei. An der Herkulesbrücke im Ortsteil Tiergarten – der Demonstrationszug befand sich dort bereits auf der Zielgeraden Richtung Siegessäule – warteten weitere Gegendemonstranten. Über dem Geländer hing ein Schild mit der Aufschrift „GERADE DENKEN“, und auf einer großen Fahne stand „FCK AFD“.

Die Stimmung der Außenstehenden

Wenn die Demonstranten in den letzten Jahren durch die Stadt liefen, dann schlug ihnen recht häufig Ablehnung von Außenstehenden entgegen. Bewohner schimpften vom Balkon aus, Passanten streckten den Demonstranten den Mittelfinger entgegen. Dieses Mal reagierten die Zuschauer vom Rand aus deutlich gelassener. Lautstarke Kritik hielt sich in Grenzen. Es scheint, als seien die Themen der Demonstranten über die Jahre auch für Nichtteilnehmer deutlich anschlussfähiger geworden.

Auf der Hofjägerallee, südlich des Kreisverkehrs, auf dem sich die Siegessäule befindet, kam der Demonstrationszug zum Stehen. Die Teilnehmer versammelten sich vor und hinter einer Bühne, die für die Reden aufgebaut worden war, und auf beiden Seiten unter den Bäumen des Tiergartens. Das Motto der Kundgebung lautete „Frieden, Freiheit, Wahrheit“. Als Erster sprach Michael Ballweg, der Gründer von Querdenken-711. Er eröffnete somit auch die Kundgebung. Nach einer musikalischen Einlage mit Caro Kunde – es wurde zusammen die deutsche Nationalhymne gesungen – kam als nächster Redner der Arzt und Psychologe Christian Schubert auf die Bühne. Er kritisierte eine materialistische Sichtweise auf die Welt und plädierte für eine emotionalere Verbindung zwischen den Menschen.

Danach sprach Gabriele Gysi; in ihrer Rede bezog sie sich auf Goethes „Faust“ und Shakespeares „Der Kaufmann von Venedig“. Sie fokussierte sich auf die Macht des Geldes („Gibt es kein Staunen mehr über das Leben?“), Umverteilung von Reichtum und die Personen, die sich als die Beschützer der Menschen aufspielen: „Menschen, die wie Götter sein wollen, wollen, dass wir ihnen glauben.“ Sie schließt mit dem Satz: „Die Waffen nieder, überall.“

Nach einer weiteren musikalischen Einlage mit Äon und Morgaine kam Ballweg wieder auf die Bühne und sagte: „Unschön von der Polizei, sie verbietet jetzt auch die kostenlose Wasserausgabe.“ Er betonte, dass er sich in der Zeit im Gefängnis intensiv mit Freiheitsbewegungen auseinandergesetzt hat. In seiner Rede hob er seine Erkenntnisse über dieses Thema und über die digitale Selbstbestimmung hervor.

Der Journalist Jürgen Elsässer schrieb auf X, dass die Rede seiner Frau „(a)us Angst vor dem polizeilichen Abbruch der Veranstaltung“ abgesagt wurde. Auf der Kundgebung gingen nach Ballweg noch die Redner und Musiker Alexandra Eduardovna, Bella und Philipp, Ralph Boes und Ralf Ludwig auf die Bühne. Ludwig berichtete über eine Pressekonferenz, die vor der Kundgebung stattfand und bei der eine Journalistin vom SWR Michael Ballweg zum Thema Aufarbeitung der Coronajahre gefragt hat: „Was wollen Sie eigentlich aufarbeiten?“ Laut Ludwig haben viele Journalisten in den letzten Jahren versagt, und „dass hier keine Aufarbeitung erwünscht ist, ist ja nachvollziehbar“. Nach Ludwig hielt Rechtsanwalt Dirk Sattelmaier – nach längerer Pause aufgrund einer Erkrankung – eine kurze Rede. Danach traten noch folgende Musiker und Redner auf: Kilez More, Photon, Imke Querengässer, Andreas Sönnichsen, Uli Masuth, Walter van Rossum, Monika Jiang, Ben Arslan, Robert Stein, Christiane Reymann, Matthias (vom Querdenker-Team) und Sucharit Bhakdi.

Fazit

Unter den zahlreichen Demonstranten war das Thema Frieden omnipräsent. Noch bevor sie sich auf den Weg Richtung Siegessäule machten, wurde die Anzahl der Teilnehmer zwischen 5.000 und 8.000 geschätzt. Die Polizei nannte später die Zahl von 12.000 Demonstranten. Teilnehmer wie der Politiker Peter Boehringer sprachen von bis zu 40.000 Teilnehmern.

Viele Demonstranten waren von der hohen Anzahl an Teilnehmern positiv beeindruckt, einige wirkten fast schon überrascht. Für einen deutlichen Anteil der Demonstranten, so zumindest der Eindruck, hat der Aufzug eine größere Rolle gespielt als die Kundgebung.

Denn die Wirkung auf die Umstehenden war bei dem sonnigen Wetter und der guten Stimmung beim Lauf durch die Stadt größer als in der Hofjägerallee im Tiergarten.


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Quellen und Anmerkungen:

(1) https://www.youtube.com/watch?v=vr6AJFqzR3k&t=3s ab Minute 2:17:06.

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