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Der Liebes-Betrug

Der Liebes-Betrug

Kindertagesstätten werden schöngeredet, um das gesellschaftliche Gewissen zu beruhigen.

Um die Qualität in Kindertagesstätten kümmern sich in Deutschland viele Menschen, von denen keiner je in einer Kindergruppe gearbeitet hat. Es gibt Qualitätshandbücher, Inventare, Qualitätssicherungsangebote, Fortbildungen ohne Ende. An jeder Uni, die etwas auf sich hält, werden Projekte, Programme, Umfragen und Kooperationen mit Einrichtungen entwickelt, die irgendetwas mit Kitas zu tun haben. Nur nicht mit den Kindern.

Nehmen wir zum Beispiel eine große Initiative zur Verbesserung der Ernährung der Kinder. Da wird wohl wieder Coca Cola oder Nestlé gesponsert haben, dass am Anfang ein großes Buffet für alle Beteiligten aus Verwaltung, Wissenschaft und aus der Praxis (Leiterinnen) bereitsteht.

Dann kommen die vollmundigen Versprechungen, die Appelle, die Zukunftsprojekte und alle gehen satt und zufrieden nach Hause.

Es wurde nicht über Zucker geredet, siehe Sponsor, aber viel über mögliche Verbesserungen, denn die Kinder sind — wie immer — unsere Zukunft, sind das Wichtigste, ihre Gesundheit muss an erster Stelle stehen, sonst lernen sie auch nicht richtig gut und so weiter.

Das Projekt ist längst in die Jahre gekommen und in unserer Stadt gibt es genau fünf Kitas, die Bioland- oder Demeter-zertifizierte warme Mahlzeiten frisch von einem örtlichen Catering-Anbieter bekommen. Fünf von circa 80 Kitas.

Immer wieder flattert uns Post ins Haus, mit der wir wieder und wieder eingeladen werden an Umfragen und Erhebungen teilzunehmen. Sieht man sich die Fragen der Institute, Studenten, Behörden an, ist es gleich zum Verzweifeln.

Beispiel: Wie fördern Sie in Ihrer Kita die Resilienz der Kinder? Wenn dann zum Inhalt nur zwei kurze Fragenkapitel kommen, von denen der Größte darauf abzielt, welche Bilderbücher Erzieherinnen wie oft zu diesem Thema einsetzen, kann man ermessen, wie unglaublich naiv die Vorstellungen sind, was Resilienz eigentlich ist und wie Kinder widerstandsfähig werden. Ganz sicher nicht durch das Lesen von Bilderbüchern!

Qualitätswettbewerbe sind mittlerweile etabliert. Aktuell ist es etwa der Deutsche Kita-Preis, der Erzieherinnen von der Arbeit abhält und der Öffentlichkeit suggeriert, es gäbe eine tolle Qualität in den Kitas.

Jüngst kam eine Einrichtung unserer Stadt in die nähere Auswahl der ersten fünf. Nach eigener Aussage haben Elternrat, Leitung und Erzieherinnen an vielen Wochenenden unentgeltlich dafür gearbeitet, die Vorgaben zu erfüllen.

Sie haben das nicht infrage gestellt, denn im Umkehrschluss heißt das: Dass niemand im Alltag Zeit für so einen Quatsch hat. Niemand bekommt mehr Geld, mehr Räume, kleinere Gruppen, einen großen wilden Garten, mehr Personal, kleinere Einrichtungen, Familiengruppen, in denen kleine und große Kinder gemeinsam aufwachsen dürfen, weil er an einem Qualitätswettbewerb teilnimmt. Man gewinnt ein paar Euro und hat an einer riesigen PR-Aktion teilgenommen, mit der die Eltern beruhigt werden sollen und eben keine Forderungen mehr stellen.

Warum stellen Eltern keine Forderungen? Warum wünschen Eltern einer Erzieherin einen wunderschönen Tag, wenn sie sehen, dass diese drei Wochen allein eine Gruppe von 22 Kindern im Alter von zwei bis sechs Jahren betreut. ALLEIN.

Warum flippen Eltern nicht aus, wenn Kinder im Winter gar nicht und im Sommer einmal in der Woche in den Garten dürfen. Warum lassen Sie sich gefallen, dass alle Kinder mittags schlafen gelegt werden, obwohl ihre Kinder schon seit zwei Jahren keinen Mittagsschlaf mehr brauchen und natürlich abends bis 23 Uhr unterwegs sind, weil sie in der Kita schlafen müssen.

Warum regen Eltern sich nicht auf, wenn die Wasserspielanlage im Garten, für die sie Spenden eingesammelt haben, nur zweimal im Jahr von den Kindern genutzt werden darf?

Warum wird eine Kita als familienfreundlichste Kita landesweit ausgezeichnet, wenn Eltern vor Gericht müssen, um das Recht einzuklagen, dass ihr Kind die Kita auch besuchen darf, wenn die Eltern krank sind und nicht zur Arbeit gehen.

Wahrscheinlich sind Eltern heilfroh, wenn sie überhaupt einen Platz bekommen haben und nichts schüchtert sie mehr ein, als der Verweis darauf, dass sie ja gehen können, wenn es ihnen nicht passt.

Wahrscheinlich haben Eltern doch ein schlechtes Gewissen, wenn sie (vor allem die ganz kleinen) Kinder abgeben und sind darauf angewiesen, alles, aber auch alles hinzunehmen, was Erzieherinnen tun, damit ihrem Kind nicht geschadet wird. Weil wer weiß schon, was passiert, wenn man sich mit einer Erzieherin anlegt?

Wahrscheinlich muss man sich eine Kita schönreden und den blumigen Versprechungen auf Förderung und Bildung glauben, damit man die Trennung oder ein anderes ungutes Gefühl aushalten kann.

Anders ist nicht zu erklären, warum Eltern erst nach Monaten merken, dass in einer Kita Kinder misshandelt worden sind, wie jüngst in Baden-Württemberg. Oder warum Eltern ihre Kinder in eine Kita schicken, die sie selbst das Kinder-Guantanamo nennen, weil der Garten mit riesigen Metallzäunen aufgeteilt worden ist. Käfige halt.

Der Ruf nach mehr Qualitätssicherung taucht immer dann auf, wenn es in der Breite keine Qualität mehr gibt. Qualitätswettbewerbe stellen dabei die PR-Spitze des Vorgangs dar, der vor allem verschleiern soll, dass es gar nicht um echte Qualität geht.

Die wäre nämlich, die Kinder zu befreien von der Vorstellung, sie wären Objekte, die man nach Belieben testen, formen und heranbilden kann — mit Erfolgsgarantie! Es sind kleine Menschen, die herausfinden wollen, wer sie sind, wie das Leben ist, was in ihnen steckt, was ihre Aufgabe hier auf der Erde ist. Dazu brauchen sie Fürsorge, eine kindgerechte Infrastruktur, echte Herausforderungen und mitfühlende, zugewandte Erwachsene, die jedem Kind vermitteln können, dass man an seine Stärken und Fähigkeiten glaubt.

Dann ist eine Kita das Land, wo Milch und Honig fließen — zumindest ein wenig.


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