„Russland lobt die israelischen Streitkräfte dafür, nicht auf eine ‚groß angelegte Provokation‘ des ‚Islamischen Staates‘ in Syrien hereingefallen zu sein.“ So lautete die Überschrift eines kurzen Artikels, der am Donnerstag (26. Juli 2018) bei Russia Today, dem englischsprachigen russischen Nachrichtensender, zu lesen war.
Angesichts von mehr als 200 Toten, die am Tag zuvor einer großangelegten Angriffswelle des „Islamischen Staates“ in der südsyrischen Stadt Sweida und Umgebung zum Opfer gefallen waren, rieb sich die Autorin zunächst ungläubig die Augen.
Immerhin hatten die israelischen Streitkräfte erst am Dienstag (24. Juni 2018) einen syrischen Kampfjet abgeschossen, der gegen die Armee „Khalid Ibn al Walid“ im Jarmuk-Tal im syrischen Südwesten im Einsatz war.
Die Truppe mit ihren rund 2.000 Kämpfern kooperiert seit ihrer Gründung 2015 mit dem „IS“ und al-Qaida und war darum im Juli 2017 vom UN-Sicherheitsrat als „Terrororganisation“ gelistet und damit zur Verfolgung freigegeben worden.
Genau das hatte der syrische Kampfjet getan, als er von der israelischen Armee abgeschossen wurde. Angeblich sei die Maschine zwei Kilometer weit in israelisches Territorium – gemeint sind natürlich die von Israel besetzten syrischen Golanhöhen – eingedrungen, so die israelische Armeeführung. Der Pilot wurde getötet, als der Jet im Jarmuk-Tal aufprallte. Die Trümmer der Maschine und sein Leichnam wurden von den „IS“-Kämpfern triumphierend in den „sozialen Medien“ zur Schau gestellt.
Einen Tag später startete der „IS“ für seine „Brüder“ im Jarmuk-Tal mit den Angriffen auf Sweida einen Entlastungsfeldzug. Sie nahmen Rache an der Bevölkerung, die bereits viele ihrer Männer in den vergangenen Kriegsjahren bei der Verteidigung ihrer Heimat gegen terroristische Gotteskrieger verloren hatte.
Diese „Gotteskrieger“ und ihre politischen Vertreter waren seit Beginn des Krieges in Syrien (2011) von Israel politisch, humanitär und auch militärisch unterstützt worden. Tel Aviv schloss mit ihnen sogar Vereinbarungen, wie israelische Medien berichteten. Ihre Kämpfer wurden in israelischen Krankenhäusern behandelt, israelische Nichtregierungsorganisationen waren in den von Kampfgruppen kontrollierten Gebieten in Deraa und Qunaitra aktiv, Einheiten der „Weißhelme“ sollen in Israel ausgebildet worden sein und wurden kürzlich von Israel über die besetzten Golanhöhen nach Jordanien evakuiert.
Viele Male hatte das israelische Militär syrische Armeestellungen unter dem Vorwand angegriffen, man sei von dort beschossen worden, es werde dort Giftgas produziert, Raketen gebaut oder es handele sich um iranisches Militär, das sich in Syrien „eingraben“ wolle, um Israel anzugreifen.
Die israelischen Angriffe erfolgten meist völkerrechtswidrig aus libanesischem Luftraum. In Tel Aviv und bei der israelischen Armeeführung wusste man genau, dass Syrien nicht Israel, sondern die bewaffneten Terrorgruppen auf syrischem Territorium bekämpfte. Seit Anfang 2018 reagierten syrische Raketenabwehrsysteme auf die Angriffe Israels, ein israelischer Kampfjet wurde dabei abgeschossen.
Und nun berichtete RT, dass sich die russische Armee bei Israel dafür bedankt habe, dass es auf einen geplanten IS-Anschlag in Syrien nicht hereingefallen sei. „Die Kämpfer hätten beabsichtigt, die israelischen Streitkräfte dazu zu bewegen, die syrischen Truppen anzugreifen“, so das russische Militär.
Was war geschehen?
Während ihre „Brüder“ die Bewohner und Verteidiger von Sweida angriffen und ermordeten, hatten „IS”-Kämpfer aus dem Südwesten Syriens zwei Raketen in Richtung des Tiberias Sees (See Genezareth) auf den besetzten Golanhöhen abgefeuert. Die IDF erklärte, es handele sich wohl um „fehlgeleitete Geschosse aus internen Kämpfen“ und zerstörte mit Kampfjets die Abschussrampe in Syrien und bombardierte die Umgebung.
Die israelische Armee wird genau gewusst haben, was passiert war.
Die russische Armee wird die IDF – mit der ständiger Kontakt besteht – darauf aufmerksam gemacht haben, dass die Raketen von „IS“-Kampfverbänden abgeschossen wurden, um Israel zu einem Angriff auf Syrien zu provozieren.
Angesicht dessen, was zeitgleich in Sweida geschah, wäre ein israelischer Angriff auf die syrische Armee folgenschwer für den Schutz von Sweida gewesen.
Nicht dass der israelischen Armee das Vorgehen der „IS“-Kämpfer neu gewesen wäre. Dutzende Male in den vergangenen Jahren hatte deren Strategie funktioniert. Sie griffen die syrische Armee an, die schoss zurück. Wenn manche der Geschosse dann auf den von Israel besetzten Golanhöhen landeten, wusste Israel immer, dass nicht Israel das Ziel gewesen war. Doch immer schoss Israel zurück und zerstörte syrische Armeestellungen, tötete syrische Soldaten. Der „IS“ und die Kampfgruppen feierten.
Doch dieses Mal war es anders. Israel griff nicht die syrische Armee, sondern die wirklichen Urheber des Raketenbeschusses an, die Kampfgruppen. Die hatten sich bisher auf die Unterstützung der US-geführten „Anti-IS-Allianz“ und Israels verlassen können. Im Juni 2018 aber hatte die USA formell in einem Schreiben an die Kampfverbände im Südwesten Syriens erklärt, sie könnten keine weitere Unterstützung von den USA erwarten. Damit war ihre Niederlage beschlossen, die syrische Armee und ihre Verbündeten rückten vor.
Israel hatte noch gezögert, weil es unbedingt sein Projekt einer „Schutzzone“ gegen den Iran bis weit nach Syrien hinein durchsetzen will. Dafür waren die oppositionellen Kampfverbände wichtige Verbündete, die Israel halfen, so genannte „humanitäre Projekte“ in Deraa und Qunaitraumzusetzen, um israelische Interessen auf syrischem Territorium zu verankern.
Der Wind hat sich gedreht in Syrien, Israel muss sich neu positionieren. Die syrische Armee wird in alle Stellungen im Südwesten des Landes und entlang der UN-Pufferzone zum besetzten Golan zurückkehren, wo sie vor Beginn des Krieges 2011 stationiert war.
Damit Israel diese Niederlage endlich schluckt, gab es das Lob aus Moskau. Wie eine Praline, mit der man die Einnahme der bitteren Pille versüßt.
PS: Eine Sicherheit dafür, dass es keine weiteren Angriffe auf Syrien von Israel mehr geben wird, gibt es allerdings nicht. Der neue Feind heißt Iran und vieles deutet darauf hin, dass Israel mehr an einem Krieg gegen den Iran interessiert ist als an russischen Pralinen.
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