Die lateinische Sentenz homo homini lupus, der Mensch ist ein Wolf für den Menschen, büßt nicht an Aktualität ein — diesmal jedoch mit einer wichtigen Ergänzung: Der Mensch ist auch ein Gegenstand für den anderen Menschen. Kants Bürger zweier Welten (1), der einen unvergleichlichen Wert besitzt (2), wird im Zeitalter des Finanzkapitalismus zum Synonym für Sache.

Ein Ansatzpunkt bei der Suche nach der Wahrheit war die Neoklassik, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die klassische Nationalökonomie ablöste. Die neoklassische Theorie sieht die Wirtschaft vor allem als Ansammlung von rationalen und selbstsüchtigen Menschen, in der das Individuum ein einseitiges Wesen, eine „Vergnügungsmaschine“ ist, die nach so viel Vergnügen wie erreichbar strebt. Die neoklassische Schule verlagerte damit den Schwerpunkt der Ökonomie von der Produktion auf Konsum und Austausch (3). Vertreter der Neoklassik hatten auch erstmals den Begriff Human Capital verwendet (4), der später offenbar die Grundlage für den umfassenden Begriff Human Resources bildete (5).

Zum Problem der Auslegung der Begriffe

Die Definition von Begriffen ist ein zentraler Bereich der Wissenschaftstheorie und spielt eine wichtige Rolle in den praktischen Tätigkeiten.

Oft entstellen wir bewusst oder unbewusst die Bedeutungen von Worten. Beispielweise bietet das Unternehmen Personio, das die Prozesse von Personalabteilungen digitalisiert, folgende Definition von Human Resources:

„Der Begriff bezeichnet die Summe aus dem Wissen, den fachlichen und persönlichen Fähigkeiten und der Motivation sämtlicher Mitarbeiter eines Unternehmens“ (6).

Der Autor schreibt weiter, dass die Human Resources auch als Human Capital bezeichnet werden. Leider definieren viele Organisationen und Verfasser von Lehrbüchern und Wörterbüchern unterschiedlich, was dazu gehört.

Die OECD meint, dass das Humankapital die Fähigkeiten, das Wissen und andere persönliche Merkmalen umfasst, die den Menschen helfen, produktiv zu sein (7). Die wissenschaftliche Plattform Spektrum.de hingegen betrachtet es als Wert aller jener Fähigkeiten und Qualifikationen eines Individuums, einer Gruppe von Personen oder der Erwerbspersonen einer Volkswirtschaft, die für den Produktionsprozess ersetzbar sind (8).

Der Begriff Human Resources ist zudem umstritten. Ursprünglich bezeichneten die Human Resources nicht nur die Summe aus den Fähigkeiten, sondern auch Menschen als Vermögenswerte der Firma (9). Aber im Zeitalter der Globalisierung stieß solche Definition auf heftige Kritik, weil sie genauso wie das Humankapital die Menschen zu einer rein ökonomisch interessanten Größe degradiere (10).

Bemerkenswert ist, dass diese Veränderungen nur in die Irre führen, aber der Kern bleibt gleich. Sie können eine neue Definition finden, aber der genetische Code des Kapitalismus wird davon unberührt.

Karl Marx und Friedrich Engels schlugen im Gegensatz dazu vor, nicht nur den Begriffsapparat zu verändern, sondern ebenfalls eine andere „Basis“, also die ökonomischen Beziehungen, zu schaffen. Marx hat auch unterstrichen, „was der Arbeiter dem Kapitalisten verkauft, ist nicht seine Arbeit, sondern der zeitweilige Gebrauch seiner selbst als Arbeitskraft“ (11). Und „was dem Geldbesitzer auf dem Warenmarkt direkt gegenüber tritt, ist in der Tat nicht die Arbeit, sondern der Arbeiter“ (12). Die Arbeitskraft ist laut Marx im Kapitalismus eine Ware, eine Grundlage dieses ökonomischen Systems (13).

Der Menschenhandel: Alte Welt und neue Zeit

„Der Menschenhandel macht sich die Schutzlosigkeit von Menschen zunutze und gedeiht gerade in Zeiten von Konflikten und Instabilität“, betonte der UNO-Generalsekretär bei seiner Botschaft zum Welttag gegen Menschenhandel (14). Heute sind alle Augen der Hilfsorganisationen auf den Krieg in der Ukraine gerichtet. UNO-Fachleute warnten vor einem Jahr, dass ukrainische Geflüchtete — neun von zehn sind Frauen oder Kinder — Opfer sexueller Ausbeutung und von Menschenhandel werden könnten (15). Leider wurde die skizzierte düstere Prognose Realität.

Seit Beginn des Krieges hat die weltweite Online-Suche nach sexuellen Dienstleistungen und pornografischen Darstellungen durch ukrainische Frauen und Kinder um bis zu 600 Prozent zugenommen (16).

EU-Abgeordneter Robert Biedron sagte, dass hunderttausende ukrainische Frauen Opfer des Menschenhandels geworden sind (17). Wessen Schuld ist das? Einige beschuldigen gemeinnützige Organisationen aus den USA, die angeblich behinderte Kinder aus der Ukraine in die Vereinigten Staaten illegal haben bringen lassen (18). Andere beschuldigen die europäischen kriminellen Netzwerke und die mit ihnen verbundenen ukrainischen Bürger, die ihre Landsleute als Ware behandeln (19, 20). Wie sagte einmal der römische Redner Cicero: „Wie viele Menschen, so viele Meinungen.“

Die Ursachen des Frauen- und Kinderhandels liegen tiefer, als man denkt. Es ist kein Geheimnis, dass Sklaverei und Kolonialismus, Ungleichheit und Ungerechtigkeit die Fundamente waren, mit denen der Kapitalismus aufgebaut wurde. Sein Genom beeinflusste alle Lebensbereiche. Die besten Köpfe beschrieben Symptome der „Krankheit der Gesellschaft“ und versuchten, dafür die Gründe zu finden. Der berühmte französischer Schriftsteller Honoré de Balzac beschrieb in seinem packenden Roman „Glanz und Elend der Kurtisanen“, wie ein armes Mädchen, das man kauft und verkauft, ein Mittel zur Deckung des physiologischen Bedarfs wird und wie eine reiche Dame ein Mittel zur Erreichung einer hohen Stellung in der Gesellschaft sein kann (21).

Jean Baudrillard, ein französischer Philosoph, war einer der Ersten, der die Aufmerksamkeit der Forscher auf diese abnorme soziale Erscheinung lenkte. Sein zentrales Werk „Die Konsumgesellschaft — ihre Mythen, ihre Strukturen“ zeigt eine Gesellschaft, in der die Konsumnotwendigkeit der irrationale Selbstzweck ist und in der die Mode- und die Schönheitsbranche den Körper einer Frau mit der Ware gleichstellt (22). Heutige Werbung, Medien und soziale Netzwerke haben moralische Grenzen verwischt und damit die Lage noch verschlimmert. Ihre Übersexualisierung von Kindern ebnete den Weg für Kinderhandel (23).

Die Ukraine: Zerbrochene Träume

Der Zusammenbruch der UdSSR, der augenblickliche Basiswandel, der die Wirtschaftskatastrophe herbeiführte (24, 25), prägten Menschen und auch noch zukünftige Generationen. Ständige Wirtschaftskrisen, Armut und Inflation entmenschlichen den Menschen. Sie haben ukrainische Bürger vor die Wahl gestellt: „Töte oder werde getötet“. Marktbeziehungen öffneten die Tür für Individualismus und Egoismus. Margaret Thatcher hatte absolut recht, als sie sagte: „Es gibt nur einzelne Männer und Frauen und es gibt Familien“ (26).

Frauen- und Kinderhandel war schon vor dem Krieg ein Problem für die Ukraine (27)(28, 29). Teenager haben sich selbst verkauft, um Geld zu verdienen und ihren Eltern zu helfen (30).

Innerhalb kurzer Zeit ist die Ukraine zum großen Frauenmarkt für deutsche Single-Männer aufgestiegen (31)(32), weil Ukrainerinnen einfach nach dauerndem wirtschaftlichen Gewinn strebten.

Der Verkauf des eigenen oder eines fremden Körpers ist anscheinend nicht nur der einfachste Weg zur Befriedigung der Grundbedürfnisse, sondern auch gute Chance, eine hohe gesellschaftliche Stellung (33, 34) zu erreichen. Die Werbung der Schönheit ukrainischer Frauen (35, 36) „half“ vielleicht, diesen Markt zu erweitern.

Ein Heilmittel gegen Menschenhandel

Papst Franziskus bezeichnete einmal das weltweite Wirtschaftssystem als „unerträglich“ und betonte, dass die führenden Volkswirtschaften den Menschen dem Idol des Geldes opferten (37). Sogar Mainstream-Medien schreiben manchmal, dass der globale Kapitalismus die Ursache für die Sklaverei ist (38, 39). Gibt es ein Heilmittel gegen diese Krankheit? Nein. Der Menschenhandel ist Teil des Systems. Beide sind untrennbar miteinander verbunden. Wer diese Fehler korrigieren will, muss das System komplett neu installieren.

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Quellen und Anmerkungen:

(1) https://knowunity.de/knows/ethik-menschenbild-von-immanuel-kant-c48a21ac-7855-49e3-b2f2-304513ac80f0
(2) https://zellux.net/m.php?sid=16
(3) Economics: The User's Guide, Ha-Joon Chang, Seite 58.
(4) Human capital: Handbook of cliometrics, Seite 3.
(5) https://en.wikipedia.org/wiki/Human_resources
(6) https://www.personio.de/hr-lexikon/human-resources/
(7) https://www.oecd.org/economy/human-capital/
(8) https://www.spektrum.de/lexikon/geographie/humankapital/3598
(9) https://dictionary.cambridge.org/dictionary/english/human-resource

(10) https://www.businessinsider.de/gruenderszene/lexikon/begriffe/human-resource-hr/
(11) Theorien über den Mehrwert III, Karl Marx, MEW 26.3, Seite 109.
(12) Kapital I, Karl Marx, MEW 23, Seite 559.
(13) https://marxwirklichstudieren.files.wordpress.com/2012/11/marx-kapital-1-kapitel-kommentiert.pdf

(14) https://www.un.org/depts/german/gs/messages/SGM-Day-against-Trafficking-in-Persons-2023.pdf
(15) https://orf.at/stories/3253727/
(16) https://www.zdf.de/nachrichten/politik/menschenhandel-osze-ukraine-krieg-russland-100.html
(17) https://www.euractiv.de/section/eu-aussenpolitik/news/menschenhandel-ausbeutung-von-ukrainischen-fluechtlingen-nehmen-zu/
(18) https://www.frontnieuws.com/waar-verdwijnen-de-kinderen-naar-toe/
(19) https://www.spiegel.de/ausland/menschenhandel-zehnmal-mehr-ukrainerinnen-fuer-sexuelle-dienstleistungen-angeboten-a-c3902082-c4a8-4193-a3bb-1abb031229b8
(20) https://www.nau.ch/gemeinde/polizei-feuerwehr/vier-personen-wegen-menschenhandel-und-prostitution-verhaftet-65286761
(21) https://de.wikipedia.org/wiki/Glanz_und_Elend_der_Kurtisanen
(22) https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-00541-2_4
(23) Der Menschenhandel als Wirtschaftssektor, Tanja Viktoria Hoffmann, Seite 22.
(24) https://carnegieendowment.org/1999/06/23/problems-with-economic-transformation-in-ukraine-pub-60
(25) http://www.ier.com.ua/files/Projects/Projects_2009/2009_18_Lviv%20Forum/Project%20output/2009_18_eng.pdf
(26) https://www.theguardian.com/politics/2013/apr/08/margaret-thatcher-quotes
(27) https://khpg.org/en/1174567516
(28) https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/E-5-2003-3552_EN.html
(29) https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/E-6-2007-2644_EN.html
(30) https://www.youtube.com/watch?v=dfq6kBsisH4
(31) https://www.youtube.com/watch?v=yqs23gu2svg
(32) https://www.youtube.com/watch?v=Je68-8W8NMA
(33) https://www.quora.com/Why-do-Ukrainian-women-want-to-marry-foreigners
(34) https://medium.com/@cameron.rampageman/why-ukrainian-women-marry-americans-90e25973a480

(35) https://partnersuche-kiew.com/10-unterschiede-zwischen-ukrainischen-und-deutschen-frauen/
(36) https://foreignpolicy.com/2023/02/12/ukrainian-women-looks-femininity/

(37) https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2014-06/papst-franziskus-kapitalismuskritik

(38) https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/hanks-welt/hanks-welt-kapitalismus-und-sklaverei-17407703.html
(39) https://www.zeit.de/wirtschaft/2016-05/sklaverei-ausbeutung-global-slavery-index-komplexitaet