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Das göttliche Paar

Das göttliche Paar

Neue Männer braucht das Land. Neue Frauen auch. Nur zusammen erschaffen sie eine lebenswerte Zukunft. Exklusivauszug aus „Die wilde Göttin“.

Wenn die Liebesenergie wieder frei fließen kann, dann finden die Menschen und auch die Götter wieder zusammen. Diana vereint sich mit Pan, Isis mit Osiris, Freya mit Odin, Hathor mit Horus, Shakti mit Shiva, Lilith mit Samael und schließlich auch Yahwe mit seinem weiblichen Gegenüber, der Schechina. Die Wiedervereinigung des Weiblichen und des Männlichen beschert Land und Menschen Wohlergehen, Fruchtbarkeit und Glück und erschafft, so steht es in der Kabbala, der mystischen Tradition des Judentums, ein erneutes Paradies auf Erden. Die Erde wird wieder rund und der alleinherrschende Gott wieder ganz.

Mit Lilith wird auch Samael rehabilitiert und nimmt seinen ursprünglichen Platz ein. In der jüdischen Mythologie ist er einer der Engel, die gegen Jahwe rebellierten. Er galt als ihr Anführer und stand in der Hierarchie noch über den Seraphim, den allerhöchsten Engeln, die die engste Verbindung zu Gott hielten. In den Schriften erscheint er als Ankläger, als Widersacher Michaels, als Todesengel, als Herr der Verführer, als blinder Gott, der die Menschen zu Fall zu bringen versucht, als derjenige, der beim Auszug aus Ägypten das rote Meer teilt. Er hatte die Kontrolle über die Schlange im Paradies und wurde mit Satan gleichgesetzt, weil er sich wie Lilith geweigert hatte, sich vor Adam zu verneigen. Im Zohar, dem bedeutendsten Schriftwerk der Kabbala, wird er zusammen mit Lilith als Anführer des Bösen erwähnt: der „anderen Seite“.

Ihre Geschichte kann heute neu erzählt werden. Die Autorin Nikki Marmery beschreibt, wie Lilith zusammen mit Samael aufbricht, die Göttin zu finden und aus der Unsichtbarkeit zurück ins Licht zu führen. Ihr Weg führt durch die Geschichte der Menschheit, von Anfang an. Samael, Allegorie für die einstige Finsternis auf dem Wasser, geboren, noch bevor der Horizont festgelegt und der Himmel geschaffen waren, wurde Zeuge der gesamten Schöpfung. Er war es, der den Baum des Lebens in den Garten Eden pflanzte. Lilith nahm die Frucht, gab sie an Eva weiter, die sie wiederum Adam überreichte, der das urgöttliche Wissen zurückwies und einem ursprünglichen Wettergott diente, der seine weibliche Hälfte verraten hatte.

Doch trotz aller Repressionsversuche lebt die Große Göttin weiter, die Mutter allen Lebens. Sie hat viele Namen. Ashera heißt sie, Astarte, Demeter, Diana, Freya, Hera, Inanna, Isis, Kybele, Mitra, Sophia, Maria, Al-Lat, Aphrodite, Shakti, Yemonja, Artemis, Gaia, Elat, Isis, Nuwa, Papatuanuku, Pachamama, Parvati, Hariti, Nammu und viele andere, die bis heute zu uns herüberklingen. Sie werfen ihre Fesseln ab und nehmen sich zurück, was ihnen genommen wurde. Am Ende kommen Lilith und Samael dort an, wo sie losgezogen sind: in Eden. Aus dem einst blühenden Garten ist ein kahles Tal zwischen felsigen Hügeln geworden. Doch der Baum ist noch da, bewacht von drei gealterten und heruntergekommenen Engeln, die Lilith einst gejagt hatten.

„Wenn es keinen anderen Gott gibt, warum ist euer Gott dann so eifersüchtig?“, ist die entwaffnende Frage Liliths, bevor sie zusammen mit Samael die überreifen Früchte isst und diese Welt, diese Geschichte für eine bessere Welt und eine bessere Geschichte verlässt.

Etwas Altes stirbt, damit etwas Neues geboren werden kann. Eine neue Geschichte kann geschrieben werden. Denn Lilith will nicht zurück. Sie will nicht künstlich etwas Vergangenes wiederbeleben. Sie folgt dem Fluss der Zeit und widersetzt sich ihm nicht. Aus den verschütteten Quellen matriarchaler Identität schöpft sie ein universales Weltbild, aus dem heraus sich ein neues, männlich-weibliches Bewusstsein im Einklang mit der Natur bilden kann. Es gibt nur eines, was das verhindern kann: die Vor-Stellung, dass es nicht möglich ist.

Dieses Neue lebt bereits. Mitte der 1970er-Jahre entwickelten die Mikrobiologin Lynn Margulis und der Chemiker, Biophysiker und Mediziner James Lovelock die sogenannte Gaia-Hypothese, deren Name von der Großen Mutter aus der griechischen Mythologie abgeleitet wird. Sie betrachtet die Erde und ihre Biosphäre wie ein einziges Lebewesen, das unaufhörlich sich selbst organisierendes Leben hervorbringt. Auf spiritueller Ebene entstand Mitte des vergangenen Jahrhunderts die Wicca-Bewegung, eine neu gestaltete, naturverbundene Mysterienreligion, die zahlreiche Parallelen zum Kult der Großen Göttin aufweist und in der alles Leben von der Mutter Erde ausgeht.

Alles in der Welt ist lebendig und beseelt und durch eine Weltenseele miteinander verbunden. Die Natur gilt als heilig. Es gibt keinen abstrakten Gott. Alle Lebewesen sind göttlich.

Wicca ist keine dualistische Religion, die Gott und Schöpfung als voneinander getrennt betrachtet. In allen Bereichen des Kosmos wirken die gleichen polaren Ordnungsprinzipien. Im Mittelpunkt stehen eine weibliche und eine männliche göttliche Macht, die ähnlich wie in der Psychologie von Carl Gustav Jung als Archetypen des kollektiven Unbewussten gesehen werden. Beide Prinzipien sind gleichberechtigt und notwendig und haben, wenn sie zusammenwirken, das Potenzial, die Welt grundlegend zu verändern.

In der neuen Ordnung werden aus zwei drei: nicht Vater, Sohn und Heiliger Geist, sondern Mutter, Vater und Kind. Kein kontrollierender Vater steht an der Spitze, sondern der Schutz des neugeborenen Lebens in der Mitte. In einer neuen Trinität entsteht ein Mensch, der sich gleichermaßen zwischen Erde und Himmel orientiert und sich in der Mitte zwischen Vergangenheit und Zukunft in einer Gegenwart positioniert, der er aus sich heraus eine neue Gestalt gibt. Die Zahl drei vereinigt symbolisch die Gegensätze und führt in den Zyklus zurück. In der kabbalistischen Numerologie entspricht sie dem Buchstaben Gimel: eine dynamische Kraft, die den Menschen durch die zeiträumliche Wüste trägt, wie sie Lilith durchquert hat.

Wer diese Reise hinter sich hat, sträubt sich nicht mehr gegen die Zeit der Reife, gegen Altern, Tod und Wiedergeburt, sondern gibt sich erneut den Zyklen des Lebens hin, wie wir sie in der Natur beobachten können. Es beginnt mit einem Reibungsfunken. Die Frucht wächst heran, wird zur Blüte, kommt zur Reife, bringt ihrerseits Früchte hervor und tritt schließlich in den Prozess des Welkens und Sterbens, damit ein neuer Zyklus beginnen und das Lebendige sich immer wieder regenerieren kann.

Diese Frucht liegt erneut in unserer Hand. Die Schlange, die uralte weibliche göttliche Kraft, begegnet uns wieder. In vielen gnostischen Schriften wird sie dafür gepriesen, der Menschheit gegen den Willen eines tyrannischen Gottes, der die Menschen in Unwissenheit halten wollte, das Licht der Erkenntnis gebracht zu haben. Die Schlange gibt uns heute eine neue Chance. Sie ist es, die die äußeren Ereignisse provoziert und uns damit die Möglichkeit gibt, uns von der Versuchung zu befreien und zur Weisheit zu gelangen. Sie ist nicht schlecht und war es nie. Sie bringt gewissermaßen die Schaukel in Schwung. Immer wieder konfrontiert sie uns neu mit uns selbst, damit wir uns besser kennenlernen können und uns in allen unseren Aspekten erfahren. Sie ist eine unserer wichtigsten Verbündeten im Prozess unserer Individuation, der großen Reise, auf der wir aus dem Kollektiv heraustreten, um zu unteilbaren Wesen zu werden, in denen sich die Gegensätze umarmen.

Wie damals ist es auch heute die Frau, die sich auf das Wagnis einlässt, den Befehlen von oben keine Folge zu leisten und die Schleier zur Seite zu schieben.

Stolz, ohne überheblich zu sein, und mutig, ohne leichtsinnig zu sein, geht sie voran. Sie steht dort auf, wo die Welt keinen Frieden findet, und kämpft ohne Gewalt. Überall in der Welt bildet sie Netzwerke des Friedens, seit Lysistrata im Peloponnesischen Krieg ihre Schwestern dazu bewegen konnte, sich ihren kriegerischen Männern zu verweigern. Frauen schließen sich zusammen und bilden Kreise, aus denen heraus sie jede auf ihre Weise für den Frieden wirken. Mit ihnen entsteht ein neuer weiblicher Archetyp, stark und entschlossen, bei dem Freiheit und Häuslichkeit, Lust und Mütterlichkeit, Wildheit und Hingabe einander ergänzen.

Diese neuen Frauen brauchen neue Männer. Keine, die ständig beweisen müssen, wie stark sie sind, keine schreienden Riesenbabys, keine, die sie zu Fußabtretern machen. Sie brauchen keine Männer, die auf andere projizieren, was sie in sich selbst nicht sehen wollen, keine, die nicht den Mut haben, in sich nachzuschauen, was nicht in Ordnung ist. Mutige Frauen brauchen mutige Männer. Aufrichtige, wahrhaftige, ehrliche Männer, die sich nicht hinter ihren Taten verstecken, sondern bereit sind, an ihrem Bewusstsein zu arbeiten.

Männer, die den Apfel aus den Händen einer Frau annehmen, die ihnen zuhören und vertrauen. Männer, die sinnlich und empfänglich für die Zusammenhänge des Lebens sind, die ihre Männlichkeit nicht von Härte bestimmen lassen, sondern von Mitgefühl, nicht von Dominanz, sondern von Verständnis. Männer, für die Sex kein Sonntagssport ist, sondern die Gelegenheit, einer Frau zugleich in ekstatischer Höhe und animalischer Wildheit zu begegnen. Im Gegenzug bekommen sie Frauen, die ihre Liebe zu den Männern damit beweisen, den Weg ihrer eigenen Stärke zu gehen und weiterzuentwickeln für eine Liebe ohne Eifersucht, eine Sexualität ohne Angst und ein Leben in Frieden.


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