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Zusammen leben

Zusammen leben

Menschen, Tiere, Pflanzen, Mineralien — wir alle sind Teile einer lebendigen Familie.

Seit Urzeiten, so ist es aus dem antiken Griechenland und dem Alten Testament überliefert, versteht sich der Mensch als die Krone der Schöpfung. Nach dem Schöpfungsmythos wurden zunächst das Gestein, dann die Pflanzen, die Tiere und schließlich der Mensch erschaffen. Auch in der Evolutionstheorie steht der Mensch ganz oben. Von hier aus herrschen wir über die Fische im Meer, über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht.

Macht euch die Erde untertan. Kaum ein Wort wurde so missverstanden wie dieses. Anstatt sorgsam mit dem uns Anvertrauten umzugehen, machten wir uns daran, es zu beherrschen. Das Resultat jahrtausendelanger Unterdrückung und Ausbeutung haben wir heute vor Augen. Um den Planeten für uns bewohnbar zu erhalten, werden in kopflosen Hauruckverfahren Maßnahmen durchgepeitscht, die Probleme lösen sollen, die seit Jahrzehnten bekannt sind und konsequent verschlimmert wurden.

Die Frage, wie es mit uns weitergehen soll, betrifft uns alle. Wie kann es uns gelingen, die Fürsorge wieder ins Zentrum unserer Bemühungen zu stellen? Wie können wir Frieden finden mit der von uns malträtierten Natur? Wie finden wir erneut in einen vertrauensvollen Umgang mit Tieren, Pflanzen, Elementen? Wie kommen wir in Kontakt mit dem, was das Lebendige beseelt?

Geplündert

Tiere, Pflanzen, Mineralien — was wir zur bloßen Ressource gemacht haben, sind keine toten Dinge. Was wir geplündert und jahrhundertelang in kalten Laboratorien auseinandergenommen und gequält haben, sind lebendige Organismen. Sie sind Natur. So wie wir. Wir gehören alle zusammen. Doch wir haben getrennt, was zusammengehört, und auseinandergerissen, was ursprünglich eins war.

Unsere Umwelt definieren wir als das, was von außen auf uns einwirkt und für unser Leben bedeutsam ist. Wir begreifen uns nicht mehr als Teile eines Ganzen, die sich in stetiger Wechselwirkung gemeinsam weiterentwickeln. Wir sehen nicht, dass es kein Außen gibt und wir alle im selben Boot sitzen.

Je mehr eine Gemeinschaft das vergisst, desto stärker fällt sie auseinander. Längst gibt es keine wirkliche Solidarität mehr, die alle Mitglieder mit einbezieht. Während wir uns mitten im größten Massensterben der vergangenen 66 Millionen Jahre befinden (1), strampeln wir uns — medial und politisch gegeneinander aufgehetzt — im Hamsterrad aus Tätern und Opfern zu Tode.

Fortschreitende Vernichtung

Es scheint den meisten nichts auszumachen, dass heute eine Million Tier-und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht sind. Jeden Tag verschwinden 150 Arten und werden nie wieder zurückkehren. Wir nehmen es hin, so als gehörte es zu unserer Geschichte dazu. Der Aufschrei, der 2017 mit der Veröffentlichung der Krefelder Studie durchs Land ging, wonach in Deutschland in den vergangenen 30 Jahren mehr als 75 Prozent an Biomasse bei Fluginsekten verloren gegangen sind, ist längst verhallt (2).

Die Wenigsten begreifen, dass wir nicht nur einzelne Arten verlieren, sondern dass alles, was mit den verlorenen Arten zusammenhängt, durcheinanderkommt. Es ist eben nicht so, dass man ohne Konsequenzen einen Baustein aus der Nahrungskette herausnehmen kann. Weniger Insekten bedeutet nicht nur weniger Vögel, sondern auch weniger Bestäuber — und damit weniger Nahrung für uns alle.

Macht nichts, meinen diejenigen, die sich selbst für privilegiert genug halten, davon nicht betroffen zu sein. Dann stirbt eben ein Teil der Menschheit aus. Wir sind eh zu viele. Mit diesem Zuviel meint man freilich nicht sich selber.

Es sind immer die anderen, die zu viel sind. So schaffen diese Stimmen die Grundlage für einen Gedanken, den das Kollektiv immer mehr bereit ist zu akzeptieren: die gezielte Reduktion der Bevölkerung mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln (3).

Terra Nova

Neben der stark mediatisierten Protestbewegung junger Menschen, die sich mit den Händen auf dem Asphalt festkleben und damit kommunizieren, wie sehr sie ihre Wurzeln verloren haben, stellen andere im Hintergrund Projekte auf die Beine, für die nicht lautstark die Werbetrommel gerührt wird. Im Hintergrund wächst ein Wald, beständig und leise, von dem man kaum etwas hört.

Viele Menschen erkennen heute, was damit angerichtet wurde, Mineralien, Pflanzen, Tiere und schließlich uns selbst zur Ressource zu degradieren, zum überflüssigen und ersetzbaren Objekt. Viele sehen, dass die Natur nicht irgendwo „da draußen“ ist, sondern dass wir Natur sind. Sie werden sich darüber bewusst, dass wir alle zu einer Familie gehören, deren höchstes Interesse es sein sollte, alle Mitglieder wieder zusammenzubringen.

Doch was machen wir mit dieser Erkenntnis? Wie stellen wir es an, zu unseren Wurzeln zurückzufinden, dorthin, woher wir alle kommen? Wie kann es uns gelingen, wieder die Fülle der Natur wahrzunehmen, sie zu pflegen und zu schützen? Wie verlieren wir die Angst vor der Natur, die für viele von uns zur großen Unbekannten geworden ist? Wie überwinden wir unseren Ekel vor bestimmten Tieren?

Diese Fragen stellt sich ein Team des Projektes Terra Nova, einem Netzwerk von Menschen, die von der Vision des Zentrums für Friedensforschung und -ausbildung Tamera berührt und inspiriert sind (4). Es entwickelte eine Studieneinheit dazu, wie es gelingen kann, das indigene Wissen im eigenen Leben wiederzuerwecken (5). Das Wissen um die Kooperation mit der Natur ist eingebettet in das Konzept einer Friedenskultur, in der Tiere, Pflanzen und das Wasser als archetypische Kräfte in einer ganzheitlichen Schau integriert sind.

Was wir den Tieren und der Natur antun, tun wir auch der eigenen Seele an. Denn wir sind ein Lebenskörper. Wenn wir erneut vertrauensvoll mit den Wesen der Natur zusammenleben und mit ihnen kooperieren, ist dies ein Gewinn für alle. Über die Verbindung zu den ursprünglichen Heilkräften der Natur gewinnen wir mit der Authentizität ein Stück Wahrheit wieder, die Grundlage für die Bildung neuer Friedenskulturen.

Bindeglieder

In einer neuen Kultur positioniert sich der Mensch nicht an der Spitze der Schöpfung. Er macht sich die Welt nicht untertan, sondern stellt die Fürsorge ins Zentrum seiner Bemühungen. So findet er mit Kopf und Herz in seine Rolle als Bindeglied zwischen der materiellen und der spirituellen Welt, zwischen Mineralien, Pflanzen und Tieren und dem Geist, der sie beseelt.

Im Interesse aller finden über das menschliche Bewusstsein das Sichtbare und das Unsichtbare erneut zusammen. Somit ist es nicht egal, ob der Mensch wieder von der Erdoberfläche verschwindet. Wir haben eine Aufgabe zu erfüllen.

Diese gilt es nun anzugehen. Anstatt uns weiter von Horrornachrichten nach unten ziehen zu lassen, können wir jetzt die Bildschirme ausschalten und hinausgehen, dorthin, wo es lebendige Wesen gibt.

Mit ihnen zusammen geht es nicht darum, die Erde zu retten, sondern die Grundlagen dafür zu schaffen, dass sie sich von sich aus regenerieren kann. Lassen wir die Natur in Ruhe, die Tiere, Pflanzen und Mineralien. Begegnen wir ihnen mit Achtung, Respekt und Dankbarkeit. So können auch wir Menschen uns wieder begegnen. Gemeinsam kann es uns gelingen, eine Terra Nova aufzubauen, eine neue Welt, in der Platz für uns alle ist.


Quellen und Anmerkungen:

(1) https://www.deutschlandfunkkultur.de/biodiversitaet-artensterben-folgen-100.html
(2) https://www.bmuv.de/faq/was-steht-in-der-krefelder-studie
(3) https://www.manova.news/artikel/wider-den-depopulismus
(4) https://terra-nova.earth/
(5) https://terra-nova.earth/kontakt-mensch-tier-natur/


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