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Vertane Chance

Vertane Chance

Ein Auftritt von Alexa Rodrian und Jens Fischer Rodrian bei einer Veranstaltung des BSW wurde abgesagt — das wirft Fragen auf. Exklusivauszug aus „Anders als es einmal war“.

Neulich bekam ich eine Anfrage von einer Person, die ehrenamtlich das Bündnis Sahra Wagenknecht unterstützt und unter anderem für eine Großveranstaltung des BSW musikalische Untermalung suchte. Wie in der Mail zu lesen ist, haben sich die Organisatoren gegen mich und Jens Fischer Rodrian entschieden. Wie der Mail auch zu entnehmen ist, dachte und denke ich auch immer noch ein bisschen, dass mein Mann und ich einfach zu heiße Eisen waren.

Ich möchte nun aber der Fairness halber sagen, dass diese Vermutung durchaus auch meinem über die letzten Jahre so groß gewordenen Misstrauen gegenüber dem Mainstream geschuldet sein könnte — besonders, da die Veranstalter unverzüglich telefonisch auf meine Mail reagiert haben und mir in einem erneuten Gespräch versichert haben, dass es ihnen schrecklich leidtäte, dass dieser Eindruck entstanden sei und ihnen nichts ferner liege, als Cancel Culture zu betreiben. Wir sind einvernehmlich so verblieben, dass wir für die Bundestagswahl, falls Musik benötigt wird, noch einmal ins Gespräch gehen.

Auch wenn ich dem Parteiensystem keinerlei Vertrauen mehr entgegenbringen kann, bin ich persönlich immer noch geneigt, Sahra Wagenknecht zu glauben — ich halte sie für überaus intelligent und für sehr authentisch.

Sie und Oskar Lafontaine haben sich zudem wirklich stärkend und öffentlich hinter uns Maßnahmenkritiker gestellt und gehörten damit aus dem linken Spektrum zu den ganz wenigen — dafür gebührt ihnen Dank. And the benefit of the doubt — we will see!

Ich nehme diese Mail nun ganz kurzfristig mit in mein Buch, denn ich möchte nicht aufhören, den Menschen zu spiegeln, wie groß die Verletzungen und die Verwirrungen in den letzten Jahren für viele waren und welche Auswirkungen sie immer noch auf die Jetztzeit haben.

Nur wirkliche Aufarbeitung, offene und ehrliche Gespräche können hier Heilung bringen. Wer weiterhin politisch nur strategisch handelt und deshalb ausschließt, cancelt, ignoriert oder ganz den Dialog verweigert, wird von einem immer größer werdenden Teil der Menschen in diesem Land gar nicht mehr ernst genommen, geschweige denn gewählt und deshalb hier noch einmal ganz persönlich: Liebe Sahra, bitte mache es anders!!!

Brief an eine Unterstützerin des Bündnisses Sahra Wagenknecht:

Liebe …

leider muss ich hier doch nochmal kurz nachlegen, da ich deine Absage, trotz unserer netten Gespräche, einfach nicht als authentisch empfunden habe. Bitte versteh mich nicht falsch, ich freue mich für meine kubanischen Kollegen und bin mir sicher, sie werden einen tollen Job machen. Die Entscheidung, eine Band einem Duo-Akt vorzuziehen, kann ich auch verstehen, aber wie gesagt, unsere Gespräche deuten für mich auf etwas anderes hin.

Bei unserem ersten Telefonat hast du ganz klar ausgedrückt, dass dir gewisse Textzeilen von Jens, vor allem bezüglich der Corona-Maßnahmen, als nicht passend für eine solche Veranstaltung erschienen. Logischerweise haben da bei mir bereits alle Alarmglocken angefangen zu läuten.

Da ich Sahra Wagenknecht aber sehr schätze und vielleicht „naiver Weise“ doch noch ein bisschen Hoffnung habe, dass sie vielleicht den Karren aus dem Dreck ziehen könne, habe ich mich, trotz meiner Zweifel und nach einem einvernehmlichen Gespräch mit Jens, überhaupt erst darauf eingelassen und angefangen, mir Gedanken zu machen, in welcher Konstellation ich das Event bespielen könnte. Für mich nicht ganz überraschend, habe ich dann, länger als von dir angekündigt, nichts mehr von euch gehört. Deshalb heute mein Nachhaken.

Nun bekomme ich einen Anruf von dir, dass ihr gestern Abend einen Vertrag mit der kubanischen Band unterschrieben habt, weil es einfach orgamäßig mehr gepasst habe und sie auch billiger sei als wir und ihr euch für Party entschieden habt — hmmmm?

Erlaube mir dir zu sagen, was ich denke, was ihr nicht wolltet. Ihr wolltet keinerlei Auseinandersetzung oder gar die Gefahr einer Kompromittierung, und das ist natürlich auch euer gutes Recht. Verstehen aber kann ich das leider mitnichten, weil gerade diese Art der Vermeidung die Aufarbeitung keinen Deut weiterbringt. Sich mit zwei widerständigen Künstlern wie Jens und mir hingegen zu zeigen, hätte richtungsweisend sein können. Endlich der Stigmatisierung und Cancel Culture die Stirn bieten, mit Bündnis Sahra Wagenknecht neue Wege gehen — wie geil wäre das gewesen!

Den Menschen den Rücken stärken, die in den letzten Jahren, völlig zu Unrecht, diskreditiert, verleumdet und ausgegrenzt wurden — Jens und ich waren für viele dieser Menschen stellvertretend gewesen —, dazu, so denke ich, hat euch der Mut gefehlt und das finde ich, gelinde ausgedrückt, superschade.

Liebe …, dies ist alles natürlich nicht persönlich gemeint, und was ich unseren Gesprächen auch entnehmen kann, ist ein wenig Hoffnung, dass du meine Hypothese und meinen Frust darüber verstehen kannst.

Nach wie vor ist in diesem Land keine ernstzunehmende Aufarbeitung oder gar eine wirkliche Rehabilitierung im Gange oder in Sicht — meine Hoffnung in diese Richtung wird immer kleiner. Dennoch möchte ich nicht aufgeben, daran zu glauben, dass Sahra ihre Versprechungen wahr machen wird und ihr Augenmerk mehr auf die vielen Opfer dieser Zeit legen wird — und allem voran gegen diese enorm gefährliche Spaltung in der Gesellschaft angehen wird.

In diesem Sinne wünsche ich euch viel Glück beim Wahlkampf.

Liebe Grüße
Alexa


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„Anders als es einmal war: Lyrik, Songs, Essays“


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