Die deutsche Medienlandschaft hat sich ein wenig von Donald Trump abgewandt. Natürlich hält man ihn immer noch für ungeeignet für das Amt — aber so richtig draufzuhauen, wie man das ab 2016 tat, kann man sich nicht mehr erlauben. Immerhin hat der Mann die Präsidentschaftswahlen souverän gewonnen. Diesmal entschied er sie sogar durch das Popular Vote, das heißt mit der absoluten Stimmenmehrheit — denn bekanntermaßen kann in den Vereinigten Staaten auch jemand Präsident werden, wenn er weniger Stimmen hat als der Kontrahent. Im Jahr 2016 gewann Trump die Wahl auf diese Weise, er hatte etwa drei Millionen Stimmen Rückstand zu Hillary Clinton. Man müsste nun die Mehrheit der Amerikaner vorführen, würde man Trump so lächerlich machen, wie das die deutsche Presse seit 2016 tat — das kann man sich nicht leisten, wo die deutsche Regierung und ihre Medien doch glauben, von Amerika abhängig zu sein.
Stattdessen hat man nun einen anderen Bösewicht entdeckt: Elon Musk. Freund und Berater des neuen US-Präsidenten. Neulich habe er sich in den deutschen Wahlkampf eingemischt, schimpfte man im politischen Berlin. Denn er habe der AfD die Qualifikation zugesprochen, Deutschland zu retten. Wie auch immer man das sehen mag: Es war ein Meinungsbeitrag in der Welt, eingebettet in eine Kontroverse, die auch einen Gegenkommentar des Chefredakteurs enthielt. Musk ist jetzt der Stellvertreter für Trump, das neue Gesicht amerikanischer Rückwärtsgewandtheit, wie Berlin sie definiert. Schon früh hat sich Musk als Gegner der Wokeness zu erkennen gegeben — sie war auch ein Grund, warum er damals Twitter aufgekauft hatte. Denn die Wokeness ist für ihn „eine der größten Bedrohungen für die moderne Zivilisation“. Dass ihr nun der Saft abgedreht wird, befürchten Aktivisten in Deutschland und Übersee gleichermaßen.
Vielfalt, Gerechtigkeit und Integration als PR
Sie haben dabei natürlich Angst, die eigene Deutungshoheit zu verlieren. Die haben sie sich in den letzten Jahren durch Shitstorm- und Rufmordkampagnen „erstritten“. Woke zu sein, wurde nicht zur möglichen Betrachtung gesellschaftlicher Problematiken, sondern gewissermaßen zur einzigen, die legitim war. Die Deutungshoheit war so wirkmächtig, dass sie in den Vereinigten Staaten eine regelrechte Industrie wurde — Unternehmen erfanden Stellenausschreibungen für sogenannte DEI-Programme (Diversity-, Equity- und Inclusion). So wie deutsche Unternehmen Datenschutzbeauftragte haben müssen, verordneten sich immer mehr Firmen in den USA Personal, das die DEI-Standards überwachen sollte — und die Belegschaft sensibilisieren, beschulen und bei Bedarf auch Empfehlungen für Abmahnungen oder Entlassungen aussprechen durfte.
Große deutsche Unternehmen — von jeher von US-amerikanischen Unternehmenspraktiken begeistert — übernahmen das teilweise. Nur am Rande: Dem Verfasser dieser Zeilen erklärte mal eine solche Diversity-Beauftragte eines deutschen Konzerns, dass sie stark darunter leide, in ihrem Freundeskreis keinen Schwarzen zu haben — es sei aber doch wichtig für ihre Karriere, sich auch mal mit Menschen anderer Hautfarbe zu präsentieren. Diese rassistische Denkweise wurde als Antirassismus in Deutschlands Gesellschaft implementiert. Die Bundesregierung führte neue Gesetze und Medienüberwachung ein, schuf unter anderem auch eine Antidiskriminierungsstelle und machte das, was seit geraumer Zeit auch bei uns Wokeness heißt und früher mal als Identitätspolitik bezeichnet wurde, gewissermaßen zur Staatsdoktrin.
Die Unternehmen in den USA präsentierten DEI-Programme sicher nicht aus Überzeugung, sondern als ganz spezielle PR und Werbung. Was wir in Deutschland als Greenwashing kennen, dass also plötzlich Fernsehapparate mit grünem Label in Verkaufshallen stehen und jeder Betrieb seine herausragende Klimabilanz präsentiert, diese sogar in Werbespots nochmal aufzählt: Das gab es in den Staaten auch „in woke“. Das Wokewashing war die Gelegenheit für amerikanische Unternehmen, ihre gesellschaftliche Erdung und Verbundenheit abzubilden. Endlich konnten sie zeigen, dass sie kein Industriekoloss sind, in dem Menschen anonym ihre Arbeit verrichten sollen. Nein, sie kehrten die Menschlichkeit hervor. Und das — ganz wichtig! — anders als jene menschlichen Ansätze von Gewerkschaftern, die immer mit höheren Löhnen und anderen kostenintensiven Arbeitsplatzverbesserungen verbunden waren. Für die Unternehmen waren die woken Aktivisten wie Sozialisten, die einfach vergessen hatten, die Verteilungsfrage unter dem Gesichtspunkt der finanziellen Partizipation zu stellen.
Diese Industrie, die sich in den letzten Jahren etabliert hat, soll nun unter Trump und seinem Einflüsterer Musk fallen? Ja — und nein. Denn tatsächlich hat die neue Administration erklärt, dagegen etwas tun zu wollen. Speziell auch, weil die Entwicklungen der Meinungsfreiheit stark zusetzen. Aber andererseits braucht es diese neue Regierung dazu gar nicht. Denn US-Unternehmen sind seit geraumer Zeit dabei, ihre DEI-Programme zu beschneiden.
Woke nicht mehr ganz so en vogue
Der Einzelhandelskonzern Walmart hat vor anderthalb Monaten bekanntgegeben, seine DEI-Programme zu überdenken. Transgender-Produkte sollen aus dem Angebot entfernt werden, denn das sei unangemessen für Kinder. Außerdem wolle man Zuschüsse für sogenannte Pride-Veranstaltungen überprüfen — damit wolle man die Finanzierung sexualisierter Inhalte vermeiden. Womöglich denken die Walmart-Bosse an jene Märsche, bei denen Kinder und devote Männer in Hundemasken gleichermaßen durch die Straßen zogen. Sprachregelungen wie LatinX für Latinos jeden erdenklichen Geschlechtes, genauso wie das Kürzel DEI, sollen künftig bei Walmart nicht mehr benutzt werden. Besonders wichtig: Man werde nicht mehr am Corporate Equality Index (CEI) der Human Rights Campaign teilnehmen. Der Index bewertet den LGBTQ-Umgang der Unternehmen und übt insofern öffentlichen Druck auf sie aus.
Schon seit April 2024 existiert beim Motorradhersteller Harley Davidson keine Diversity-Abteilung mehr. Das Unternehmen stellte ebenso die Zusammenarbeit mit der LGBTQ-Organisation Human Rights Campaign ein. Die Bildzeitung titelte im letzten Jahr, dass Harley-Davidson vor rechtem Druck eingeknickt sei — dass das Unternehmen vorher dem Druck woker Aktivisten und eben jener Human Rights Campaign erlegen war, erwähnt sie freilich nicht. Der Landmaschinenhersteller John Deere zog nach: Er möchte alle DEI-Richtlinien aufgeben — er stellte zudem klar, dass Diversitätsquoten und Angaben zu Pronomen nicht zur Unternehmenspolitik gehörten. An externen kulturellen Veranstaltungen wolle man nicht mehr teilnehmen.
Auch Whiskey-Produzent Jack Daniel’s hat sich bereits im letzten Jahr von den Standards verabschiedet. Am CEI-Ranking nehme man nicht mehr teil und auch bei den Diversitätsregeln für Zulieferer wolle man kürzen. Entsprechende Schulungen der Belegschaft finden nicht mehr statt. Die Vergütung der Führungskräfte durch Kopplung an DEI-Richtlinien wird beendet. Ebenso wird der Autohersteller Toyota nicht mehr am Corporate Equality Index der Human Rights Campaign teilnehmen. Dazu entschloss man sich, nachdem bekannt wurde, dass man Gruppen finanzierte, die kein Verbot von Geschlechtsumwandlungen bei Minderjährigen duldeten. Außerdem habe man offenbar ein Sommercamp für Kinder gesponsort, bei dem es ein Drag-Queen-Programm gab.
Selbst der Technologieriese Microsoft hat erste Schritte unternommen: Zögerlich zwar und nach wie vor betonend, wie wichtig die Verpflichtung zur Vielfalt sei, aber das DEI-Team wurde innerhalb des Konzerns stark dezimiert. Die meisten dieser Entwicklungen fanden weit vor der Präsidentschaft Donald Trumps statt. Rechte Aktivisten hätten das bewirkt, liest man speziell in der deutschen Presse. Sie ist Teil einer deutschen Bewusstseinsindustrie, die nun um ihre Zukunft fürchtet.
Die Spitze ist erreicht
Ist Peak Woke also erreicht, die Spitze der Wokeness? Für die Vereinigten Staaten mag das gelten. Die Unternehmen haben auf Diversitätsstandards gesetzt, auch um sich damit ein gutes Image aufzubauen, später auch, um nicht unter Druck zu geraten — aber immer neue Forderungen und extreme Betrachtungen haben Unfrieden in die Unternehmen gebracht und dort ein Klima erzeugt, in dem man nicht mehr pfleglich miteinander umgehen konnte. Der Journalist und Autor Ben Shapiro beschreibt diese firmeninternen Entwicklungen nachdrücklich in seinem Buch „Der autoritäre Terror. Wie Cancel Culture und Gutmenschentum den Westen verändern“. DEI-Beauftragte wurden schnell als das US-amerikanische Synonym zum sowjetischen Politkommissar betrachtet: Jeder Satz konnte falsch verstanden werden und damit zum Politikum und zum Karrieretöter werden. Benötigte es also rechte Aktivisten wie jenen Robby Starbuck, der immer wieder genannt wird? In den Vereinigten Staaten wird der Mann als konservativer Aktivist bezeichnet, was ihm nochmal eine ganz andere Wertung verleiht, als dieses deutsche Geschrei von den Rechten, die man überall zu sehen glaubt.
Ja, die Wokeness hat ihre Spitze erlangt. Und das sicher nicht, weil irgendwelche Aktivisten Druck ausübten — denn das taten sie sicher. Nur kam der Druck auf die Unternehmen für eine ganze Weile lang von der politischen Gegenseite, von den Liberalen. An einem Ranking wie jenem der Human Rights Campaign teilzunehmen, bedeutet ja, täglich neuen Druck aushalten zu müssen. Will man da gut abschneiden, muss man DEI radikalisieren, das heißt, immer neue „Verbesserungen“ einführen, noch sensibler werden, wieder neue „gerechtere Sprachformen“ ins Leben rufen. Es ist ein Überbietungswettbewerb der teilnehmenden Unternehmen. Das konnte nur schiefgehen, denn damit führte man Betriebe in den Kulturkampf und weg vom eigentlich Kerngeschäft.
In Deutschland hält man dagegen: Nach wie vor glaubt man, dass die DEI-Industrie ihre Berechtigung hat und deren Mittel zielführend seien. Zu viel steht auf dem Spiel: Die eigene Existenz nämlich. Es hängen unzählige Arbeitsplätze dran — in der Wirtschaft, der Politik, den Medien, im akademischen Betrieb. All die Sensibilisierungsagenten, die man heute buchen kann, stehen vor leeren Auftragsbüchern, wenn sich der große Abgesang, der sich über dem Atlantik schon organisiert hat, auch nach Europa verschiebt. Daher ist zu erwarten, dass man hierzulande besonders laut für die Wokeness trommeln wird: Denn man will die Stimmen aus Übersee übertönen und einfach weitermachen.
Wenn man den Deutschen eine Ideologie aus dem Ausland verordnet, dann verinnerlichen sie diese viel nachhaltiger und radikaler als jene, die sie ursprünglich ans Licht der Welt brachten. Sie machen daraus einen Verwaltungsbetrieb, einen Organismus, dem man nicht eben mal einschläfern kann, ja einen industriellen Komplex geradezu. Die Wokeness wird in den USA wohl über kurz oder lang wieder das sein, was sie anfangs war: Akademische Weltfremdheit — ohne allzu viel Bezüge auf den Alltag. In Deutschland wird sie jedoch wohl weiterhin aktiv umgesetzt — denn anders als in den USA, gibt es hierzulande Kündigungsschutz. Und der gilt auch für Mitarbeiter, die in ihrer Stelle nichts anderes als Spaltung produzieren. Denn DEI hat sich genau als das erwiesen: als Spaltung mit Ansage. Die Amis haben offenbar die Nase voll von Spaltung.
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