Wie weit lässt sich eine Waschmaschine werfen? In etwa soweit sollten mündige Bürger Parteien vertrauen. Das gilt im Grundsatz, aber auch und insbesondere im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen. Die Geschichte der Parteien ist eine Geschichte von Wort- und Vertrauensbrüchen. Der Zustand des Landes erzählt davon. Dessen ungeachtet: So wie Bundeskanzler Olaf Scholz im Dezember im Bundestag die Vertrauensfrage gestellt hat, so stellt sich die Vertrauensfrage vor Wahlen immer wieder auch den Bürgern — zumindest jenen, die von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen wollen.
Für viele Bürger, die mit einem kritischen Blick auf die Verhältnisse im Land blicken, ist entweder die AfD oder das BSW die Partei der Wahl. Beide Parteien machen sich durch Positionierungen bemerkbar, die als Fundamentalopposition wahrgenommen werden. Die eine trägt schon in ihrem Namen das, was Programm zu sein scheint: eine „Alternative“ zu bieten. Und eine Alternative zu dem, was die Parteien abgeliefert haben, die in den letzten Jahrzehnten über politische Macht verfügt haben, braucht es dringend. Doch Vorsicht, trau, schau, wem. Doch der Reihe nach.
Politiker der alten Parteien werfen der AfD immer wieder vor, eine Nähe zu Russland zu haben — als ob das falsch ein könnte!
Und von der AfD gab es bisher während der massiven Stimmungsmache gegen Russland immer wieder gemäßigte, perspektivierende und auch kriegskritische Stimmen.
Gerade erst zitierte der AfD-Politiker Sven Itzek im Zwickauer Stadtrat, wie er es nennt, eine „Volksweisheit“:
„Wenn die Politiker ihre Kinder in den Krieg schicken müssten, wäre dieser ganz schnell vorbei.“
In der Sitzung ging es unter anderem darum, eine Straßenbahn, die in Tarnfarben mit Bundeswehrwerbung durch Zwickau fährt, zu verbieten. AfD und BSW stimmten hier im Sinne einer verantwortungsvollen Politik für ein Verbot. Ein bemerkenswerter, sehr lobenswerter Schritt.
Andererseits: Da ist die Vorsitzende der AfD, Alice Weidel. Von einem ZDF-Reporter gefragt, wie viel Geld Deutschland für die Verteidigung ausgeben sollte und ob es vielleicht sogar über 5 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt sein könnten, sagte Weidel:
„Ja, das halte ich für möglich und für sehr wahrscheinlich im Übrigen. Wenn sie es wirklich ernst meinen mit der Ertüchtigung der Bundeswehr und auch mit der eigenen Landesverteidigung.“
Rückfrage Reporter:
„Und das würden Sie befürworten?“
Weidel:
„Aber natürlich!“Anders gesagt: Das wird NATO freuen!
Kurze Zeit später wurde Weidel in einem Gespräch bei Maischberger mit der Aussage konfrontiert. Man kann nur jedem Leser empfehlen, sich sowohl das hier zuvor verlinkte Video als auch den 2-minütigen Ausschnitt der Sendung Maischberger anzuschauen. Weidel will sich falsch verstanden wissen — das überzeugt aber nicht im Ansatz. Die Aussage „aber natürlich!“ hingegen, ist klar und eindeutig.
Auch wenn 5 Prozent für den Verteidigungsetat nicht im Programm der AfD stehen: Wenn die Vorsitzende einer Partei in der Verteidigungsfrage so agiert wie Weidel, sollte jedem klar werden, wo ganz oben bei der AfD der Wind weht.
Die Partei hat — und das macht es kompliziert und ist etwas verwirrend — durchaus einen friedenspolitischen Flügel. Allerdings gibt es auch einen Teil der Partei, der eine starke Bundeswehr sehen will und damit letztlich dem Großvorhaben „Kriegstüchtigkeit“ in die Karten spielt. Die AfD setzt sich in ihrem Programm — und darin spiegelt sich das Problem wieder — auch für die Wiedereinführung der Wehrpflicht ein. Das ist gerade auch im Hinblick auf die aktuellen politischen Entwicklungen alles andere als ein Stützpfeiler, an dem sich eine kraftvolle Friedenspolitik festmachen lässt.
Das BSW unterscheidet sich von der AfD dahingehend, dass seine friedenspolitischen Positionen sehr viel klarer formuliert sind und auch einen zentralen Kern der gesamten BSW-Politikausrichtung ausmachen. Doch auch hier gibt es ein — leider — ein Aber nachzuschieben. Sollten die aktuellen Umfragen stimmen, wird sich das BSW eher im Bereich knapp über der Fünf-Prozent-Hürde bewegen. Und selbst bei einem deutlich besseren Ergebnis wäre die neue Partei noch sehr weit davon entfernt, in einer weitreichenden politischen Machtposition zu sein.
Anders gesagt:
Die friedenspolitische Grundausrichtung des BSW hört sich zwar gut an, aber wie die Partei im Falle einer politischen Macht- und Verantwortungsposition agieren würde, stellt sich bei den prognostizierten Wahlergebnissen nicht ernsthaft.
Hinzu kommt: In einem Interview mit dem Overton-Magazin sagte der Vorsitzende der BSW-Fraktion im Zwickauer Stadtrat, Bernd Rudolph, im Hinblick auf die Straßenbahn in Tarnfarben:
„Wir wollen und können doch nicht die Werbung generell unterbinden.“
„Die Armee“, sagt der BSW-Politiker weiter, „braucht Nachwuchs und soll auch um Rekruten werben. Aber die Stadtverwaltung soll sich in der Frage heraushalten.“
Ein BSW-Politiker, der die Auffassung vertritt, die Bundeswehr brauche Nachwuchs und solle dafür auch die Gelegenheit haben, in der Öffentlichkeit für angehende Rekruten zu werben? So richtig das Verbot der Bundeswehrwerbung auf städtischen Fahrzeugen in Zwickau ist, so eigenartig muten die Aussagen Rudolphs an.
Als Betrachter fühlt man sich an ein typisches politisches Hü und Hott erinnert. Gewiss: Es wäre unfair, von einer derartigen Aussage auf die ganze Partei zu schließen. Aber auch in Brandenburg, wo SPD und BSW eine Koalition bilden, ist im Koalitionsvertrag zu lesen, dass „die Fähigkeit der Bundeswehr zur Verteidigung gestärkt werden muss“. Auf diese Stelle im Koalitionsvertrag angesprochen, sagte der Landes- und Fraktionschef des BSW in Brandenburg, Robert Crumbach, das BSW sei „gegen Aufrüstung und Kriegstüchtigkeit“. Und: Bei dem Vorhaben Kriegstüchtigkeit „werden wir nicht mitmachen“.
Wie sollen Wähler mit diesen Widersprüchen umgehen? Da ist ein Papier, auf dem das eine steht, und da sind Worte, die etwas anderes sagen.
Zwar lässt sich nachzuvollziehen, dass sowohl AfD und BSW beim Wähler aufgrund bestimmter Aussagen und Handlungen Hoffnung wecken — aber es finden sich auch Worte und Taten, die daran zweifeln lassen, ob die Parteien die in sie gesteckten Hoffnungen erfüllen werden. Letztlich geht es um Politik — und da ist Misstrauen angebracht.
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