„Jesus sagte sodann: ‚Ich verurteile dich auch nicht.
Du kannst gehen; aber tu diese Sünde nicht mehr!‘“ (Johannes 8,1-11)
Jürgen Fliege vergibt Annette Kurschus und fordert von Kirche und Gesellschaft ihre Lossprechung. Doch zeichnet er in seinem Artikel „Der erste Stein“ weder ein realitätsnahes Portrait, noch liefert er in Ergänzung zu Medienkritik und allgemeiner Rehabilitationsforderung stichhaltige Belege für eine ehrliche Reue seiner „Schwester“.
Die evangelische Kirche hat die allgemeine Vergebung pauschal in die Gottesdienstliturgie integriert und damit ein individuelles Sakrament überflüssig gemacht, wie es die katholische Kirche bis heute praktiziert.
Nicht wenige Protestanten sehen in dieser Verallgemeinerung der Buße mehr Fluch als Segen für ihr Seelenheil, auch wenn der Weg zur Lossprechung für Katholiken mit schmerzhafter Arbeit verbunden ist.
So sind sie zuerst verpflichtet, die eigene Schuld voll und ganz anzuerkennen. Nur so kann sich in ihnen wahre Reue entwickeln. Diese manifestiert sich in der „Zerknirschung des Herzens (contritio cordis)“, des „Seelenschmerzes (animi cruciatus)“ und der „Herzensrührung (compunctio cordis)“. Es ist notwendig, sich zur Schuld zu bekennen und Genugtuung zu leisten, um von Gott voll und ganz „Verzeihung und Frieden“ zu erlangen. Genugtuung kann zum Beispiel ein Gebet, eine Gabe, ein Dienst am Nächsten oder ein freiwilliger Verzicht sein.
Viele Gläubige werden tief im Inneren bei dem öffentlichkeitswirksamen Rücktritt von Annette Kurschus deutlich ihr zerknirschtes Herz als Zeichen sich ausbreitender Reue gespürt haben. Denn sie hatten das sündhafte Gefühl großer Schadenfreude gespürt.
„Da nahmen die Soldaten des Statthalters Jesus mit sich in das Prätorium und versammelten um ihn die ganze Kohorte und zogen ihn aus und legten ihm einen roten Mantel an und flochten eine Dornenkrone und setzten sie auf sein Haupt und gaben ihm ein Rohr in seine rechte Hand und beugten die Knie vor ihm und verspotteten ihn und sprachen: ‚Gegrüßet seist du, der Juden König‘ und spien ihn an und nahmen das Rohr und schlugen damit auf sein Haupt (Matthäus 27,39-44).“
Annette Kurschus ist eine in hohem Maße spaltende Kirchenfunktionärin mit einem bigotten Wertesystem. Obwohl sie bereits in den 1990er Jahren detailliert über Missbrauchsvorwürfe gegen einen Kirchenmitarbeiter ihrer Siegener Gemeinde informiert wurde, deckte sie ihn anschließend jahrzehntelang. Schließlich war der Mann, dem fünfundzwanzig Jahre später per Anzeige sexuell übergriffiges Verhalten vorgeworfen wurde, für Annette Kurschus kein Unbekannter. Er war der Mann einer Freundin, der Vater ihres Patenkindes. Auch als alles zu diesem Fall längst bekannt war, flüchtete sie sich weiter in Verharmlosungen: „Die Person kenne ich in der Tat aus meiner früheren Zeit in Siegen. Das ist klar: In Siegen kennt jeder jeden.“ Sie habe von sexualisierter Gewalt durch diese Person nichts gewusst.
Doch die „Chefin“ Kurschus, die Aufarbeitung und Bekämpfung sexualisierter Gewalt bei Amtsantritt vor zwei Jahren zur „Chefinnensache“ gemacht hatte, musste erkennen, dass es „nur eine Konsequenz gibt, um Schaden von meiner Kirche abzuwenden: Ich trete von meinen kirchlichen Leitungsämtern zurück“. Frustriert ging sie zum Gegenangriff über und sprach von einem geschürten Konflikt. Sie kämpfte mit den Tränen und betonte heldenhaft: „Ich habe zu jeder Zeit nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt.“
Das Einzige, was Kurschus während ihrer Rücktrittsrede öffentlich eingestand, war: „Ich wünschte, ich wäre vor 25 Jahren bereits so aufmerksam, so geschult und so sensibel für Verhaltensmuster gewesen, die mich heute alarmieren würden. Ich habe allein Homosexualität und die eheliche Untreue des Beschuldigten wahrgenommen.“ Und: „Mit Gott und mir selbst bin ich im Reinen.“
Bei ihr war keine Bereitschaft zu Reue, Schuldbekenntnis und Genugtuung erkennbar. Dies passte auch nicht zur selbstgerechten Anführerin der „progressiven Transformationskirche“, welche den Ausschluss von AfD-Politikern vom Kirchentag ausdrücklich begrüßte, allerdings gut begründete Polizeirazzien gegen Klimaterroristen der „Letzten Generation“ als „unverhältnismäßig“ bewertete und vor einer „Kriminalisierung“ der Kriminellen warnte.
Durch diese Art der politischen Ideologisierung von Kirchenvertretern auf allen Ebenen fühlten sich seit Beginn der 2000er Jahre viele Gläubige in ihren evangelischen Gemeinden zunehmend fremd. Schließlich traten sie ganz aus der von Arnold Vaatz nicht zu Unrecht als „Filiale der Grünen“ bezeichneten Kirche aus, so dass die verbliebenen Ideologen immer weiter die Oberhand gewannen. Die evangelische Kirche befand sich 2022 mit nur noch 19,15 Millionen zahlenden Mitgliedern auf dem niedrigsten Stand seit dem Zweiten Weltkrieg. Allein zwischen 2019 und 2022 hatte sie einen Schwund von über 1,5 Millionen Anhängern zu verzeichnen, obwohl ihr die schweren Krisen eigentlich Zustrom hätten bringen müssen.
Wichtige Grundsätze des christlichen Glaubens traten immer weiter in den Hintergrund. Es ging auf Kirchentagen, Synoden und in den Gemeinden vor allem um LGBTQ-Communitys, Klimaneutralität oder das Schicksal farbiger US-Gewaltopfer wie George Floyd. Dem über zweitausend Jahre alten Kampf gegen weltweite Armut und für Freiheit, Frieden und bedingungslosen Respekt untereinander wurde demgegenüber keine zentrale Wichtigkeit mehr beigemessen. Die evangelische Kirche war von einer einst bedeutenden Institution zu einem rückgratlosen Fähnlein im global wehenden Wind der Empörungsbewegungen verkommen.
Dies musste gerade zu Beginn des Russland-Ukraine-Kriegs 2022 beobachtet werden.
Die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus äußerte wie selbstverständlich absolutes Verständnis für unlimitierte Waffenlieferungen und damit eine die Menschheit gefährdende Eskalation der Gewalt.
Einen Hoffnungsschimmer der Rationalität verbreitete nur ihr Friedensbeauftragter Friedrich Kramer, der sich gut begründet gegen seine Präses stellte. Er warnte vor „steinzeitlicher Aufrüstung, die zu Eskalation und Nuklearkrieg“ führen könne, auch das „Töten russischer Soldaten sei ein Unrecht, weil diese zum Waffendienst gezwungen“ worden wären. Man könnte nur humanitäre Hilfe leisten und Flüchtlinge aufnehmen.
Präses Kurschus ließ sich von ihrem Untergebenen nicht beirren und forderte stattdessen, die gesamte „evangelische Friedensethik aufgrund der neuen geopolitischen Lage zu überprüfen“. In vielerlei Hinsicht zeichnete sie während ihrer nur etwas mehr als zwei Jahre dauernden Amtszeit ein prophetisches Sendungsbewusstsein aus. So hatte sie pünktlich zum Weihnachtsfest 2021 in Bezug auf die neu entwickelte mRNA-Gen-Stimulanz eine hochriskante Therapieanweisung für ihre verunsicherten Gemeindemitglieder, die sich einfach nur zurück zu normaler Besinnlichkeit sehnten. Sie hielt es für wichtig und auch für eine Aufgabe im Sinne des christlichen Auftrags, dass sich Menschen, die die Möglichkeit hätten und bei denen nicht eine Krankheit oder eine ganz besondere körperliche Situation vorlägen, „impfen“ ließen, sagte Kurschus in den „Tagesthemen“. Für sie wäre dies keine „individuelle Entscheidung, bei der ich ‚so oder so‘ sagen kann“. Die aus religiösen Motiven für die „Impfung“ argumentierende Präses warnte ausdrücklich davor, mit religiösen Motiven gegen die „Impfung“ zu argumentieren: „Da ist die Gratwanderung zwischen Gott vertrauen und Gott versuchen sehr schmal.“
Zu Ostern 2022 wurde ihr Gottvertrauen dann tatsächlich mit einer eigenen Covid-Erkrankung konfrontiert. Sie musste all ihre desinfizierten 2G-FFP2-Masken-Gottesdienste absagen. Von jetzt auf gleich war das Thema damit auch für sie zugunsten der Ukraine-Aufrüstung erledigt. Wie im ganzen Land blieb auch bei ihr die Aufarbeitung Fehlanzeige. Die Corona-Gläubigen unter ihren Gefolgsleuten wurden von ihr stattdessen eingeladen, ihre verkeimten FFP2-Masken gerne weiterzutragen. Bis in den Sarg. Bis in alle Ewigkeit. Amen.
Dies sind wesentliche Gründe, weshalb Millionen zerknirschte Herzen in Deutschland nicht anders können, als auch in den nächsten Jahren noch viele Schuldbekenntnisse zu sprechen und Genugtuung zu leisten. Doch irgendwann werden sie Annette Kurschus vergeben, und dann wird Gott auch ihnen vergeben, ihr so lange nicht vergeben zu haben. Dies wird in einer besseren Zeit sein, in der sich Kirchenvertreter nicht mehr für jede regierungskonforme Ideologie und Bewegung vereinnahmen lassen, sondern wie Ende des letzten Jahrhunderts bedingungslos für Frieden, Freiheit und Nächstenliebe einstehen. In einer Zeit also, in der die Kirche wieder allen Menschen offen stehen wird.
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