Wenn wir Beschwerden haben und krank sind, bricht bei den meisten von uns Unmut aus und Angst. Wir misstrauen unserem Körper und fühlen uns von ihm verraten. Warum lässt er uns im Stich? Was tut er uns da an! Wenn die Maschine nicht mehr richtig funktioniert, bringen wir sie in Apotheken, Arztpraxen und Krankenhäuser und hoffen, dass sie dort wieder fitgemacht wird.
Über dieses mechanistische Menschenbild haben wir nicht nur unsere Eigenverantwortung abgegeben und uns damit zu hilflosen Objekten degradiert, die auf Medikamente und Dienstleistungen angewiesen sind. Wir nehmen unserem Körper auch die Möglichkeit, sich selbst zu heilen.
Als Gesundheitscoach hat die Erwachsenenbildnerin und Sozialtherapeutin Angelika Koppe einen Leitfaden entwickelt, der uns hilft, wieder in die Selbstheilung zurückzufinden. In ihrer Methode Wildwuchs stecken über dreißig Jahre Erfahrung (1). Aus ihrer eigenen Krankheitsgeschichte heraus, durch fortwährendes Studium und das Begleiten erkrankter Menschen ist ein Erfahrungswissen entstanden, das sich in zehn großen Prinzipien zusammenfassen lässt.
Mut für neue Vorstellungen
Für die Selbstheilungsarbeit braucht es zunächst die Bereitschaft und das Vertrauen, den Körper als eigenes Wesen ernst zu nehmen, ihn mit seinem Innenleben, seinen Bedürfnissen und seiner Intelligenz kennenlernen und verstehen zu wollen. Als Triebkraft für die Selbstheilungsarbeit ist eine Vision nötig — Herzenswünsche, Lebensträume, lebenswerte Qualitäten, die Vorstellung, wie wir als gesunde Menschen leben möchten.
Wofür lohnt es sich zu leben? Wofür ist es gut, einen Selbstheilungsweg zu wagen und sich zu engagieren? Was wollen wir als gesunder Mensch erleben, privat und im Beruf? Was sind unsere Träume, die wirklich tiefen Wünsche in uns, das, was unser Herz begehrt?
Die Beschäftigung mit diesen Fragen gibt Kraft für neue, gesundheitsfördernde Schritte.
Um die Selbstheilungsarbeit nicht zu behindern und neue Handlungen zu wagen, müssen wir uns von vertrauten Denk- und Verhaltensweisen verabschieden. Hier ist eine erste Hürde zu nehmen, denn die alten Strukturen werden dagegen rebellieren. Schließlich haben sie bisher unser Überleben gesichert. Sie gehören zu unserer Persönlichkeit. Bis jetzt hat es ja ganz gut geklappt — warum also etwas verändern?
So erscheinen uns neue Werte und Leitlinien zunächst als Bedrohung. Vorstellungen von Freiheit, Aufrichtigkeit und Stärke, Unbeschwertheit, Leichtigkeit und Lebenslust, eine lebendige Sexualität und die Erfüllung von Wünschen und Träumen stellen die gewohnte, vertraute Lebensart in Frage. Es braucht Mut, das zuzulassen.
Kontaktaufnahme
Es geht um ein neues Verständnis von unserem Körper. Das ist ein anderes, als es in Schule und Universitäten gelehrt wird. Unser Körper funktioniert nicht wie eine Maschine, sondern entwickelt sich entsprechend diverser und vielseitiger Einflüsse. Die Umwelt wirkt auf ihn ein, Medikamente und Behandlungen, das Erbe dessen, was unserer Vorfahren erlebt haben, unsere Sozialisation als Mann oder Frau. Dazu kommen die Wirkfaktoren, die wir selbst in unserem Leben verursachen, wie Ernährung und psychische Einflüsse. Welchen Stress erfahren wir im Alltag? Welche Schutzverhalten haben wir uns angeeignet? Nach welchen Denk- und Verhaltensweisen gestalten wir unseren Alltag?
Wenn uns klar wird, dass psychisch-seelische Faktoren körperliche Prozesse so weit steuern, dass sie sogar unsere Gene prägen und verändern können, dann können wir uns vorstellen, welche Möglichkeiten wir haben, aktiv die Selbstheilungskräfte in unserem Körper zu stärken. Hierzu müssen wir mit ihm in Kontakt treten. Wir müssen hinschauen zu Beschwerden und Krankheit.
Und so stehen wir vor der nächsten Herausforderung. Denn es ist nicht leicht, sich seine Verspannungen im Nacken, die Schmerzen in der Wirbelsäule, die Herzschmerzen, Tumore und Krebszellen anzuschauen. Doch das ist notwendig.
Unser Körper will uns schließlich auf etwas aufmerksam machen. Er verfügt über eine Intelligenz, über die er natürlicherweise immer wieder ins Gleichgewicht zurückfindet. Hören wir ihm also zu und kümmern uns um ihn. Das bedeutet nicht, dass wir keinen Arzt mehr brauchen, sondern dass wir die Kraft für Entscheidungen finden, notwendige Veränderungen anzugehen. Forscher, Mediziner und Therapeuten können uns dabei unterstützen, in die Selbstheilungskräfte zu finden.
Die Kraft der inneren Bilder
Eines der Prinzipien der Methode Wildwuchs ist es zu lernen, mit dem eigenen Körper zu kommunizieren. Innere Bilder, Visualisierungen oder Imaginationen helfen, Kommunikationsprozesse in Gang zu bringen. Der amerikanische Onkologe Carl Simonton und die Psychologin Jeanne Achterberg haben bei der Arbeit mit an Krebs erkrankten Menschen entdeckt, dass die Patienten ihre Krebszellen innerlich sehen können.
Mithilfe innerer Bilder können sie in einen Dialog mit ihren Zellen und Organen treten und ihr Immunsystem trainieren. Auch der amerikanische Herzspezialist Dean Ornish nutzt die Kraft innerer Bilder. In Deutschland arbeitet die Therapeutin Luise Reddemann mit dieser Methode.
Selbstheilungsarbeit ist wie der Eintritt in eine neue Dimension. Dies bedeutet immer auch Trauerarbeit, denn wir verlassen etwas Gewohntes und wagen uns auf unbekanntes Terrain. Wer mit leichtem Gepäck weiterreisen möchte, der muss sich für die Vorstellung öffnen, dass bisherige Tabus Spuren in seinem Körper hinterlassen haben können.
Frühere Traumata haben sich abgespalten und sind in Vergessenheit geraten. Der Körper jedoch hat sie aufbewahrt und abgespeichert. Jahre später kann das Verdrängte als Pathologie zum Ausdruck kommen. Es ist wie ein nicht erlöstes Gespenst aus vergangenen Zeiten, dessen Verdrängen so viel Energie schlucken kann, dass alles aus dem Gleichgewicht gerät. Bewusstes Trauern hilft, die gebundene Lebensenergie zu befreien. Die weggedrängten Gefühle werden noch einmal durchlebt, bevor Heilung eintreten kann. Bevor etwas gehen kann, muss es da sein dürfen.
Ins Handeln kommen
So werden wir frei und können ins Handeln kommen. Denn es nützt nichts, bei den Bildern zu bleiben. Wir müssen die Dinge auch umsetzen. Dazu gehört nicht nur, unserem Körper unbedingte Wertschätzung und Vertrauen entgegenzubringen. Wir müssen auch unser Verhalten ändern. Hier mag jeder für sich spüren, was er für einen liebevollen Umgang mit sich selbst loslassen muss. Es mag sich zunächst seltsam und etwas fremd anfühlen, doch unser Körper belohnt uns schließlich mit neuer Kraft, Gesundheit und Lebenslust.
Doch auch wenn wir viel mehr Heilsames für uns selbst tun können, als wir zu hoffen wagen, ist Heilung immer auch ein Wunder. Diese Haltung fordert uns zu Dankbarkeit auf und zu etwas, was heute unüblich geworden ist: Demut und das Bewusstsein von Gnade. Selbstheilung ist, wenn alles zusammenläuft. Alle Facetten und Ressourcen dürfen wahrgenommen werden. So kann die Lebensenergie wieder fließen und der Mensch in neuem Glanz erstrahlen.
Ob im Einzelnen oder im Gesamten: Krankes kann gesund werden. Die Dinge können wieder ins Gleichgewicht kommen. Der Organismus kann genesen. Es braucht keine übermenschlichen Anstrengungen, damit dies Realität wird. Was wir brauchen, sind nur ein paar Zutaten: Achtung des Lebendigen und Vertrauen in seine Intelligenz, Vorstellungen, wie es besser sein kann, und Loslassen alter Denkmodelle, Mut, das Verdrängte anzuschauen und zu betrauern, und die Demut, dass die Heilung letztendlich nicht in unserer Hand liegt. Wenn wir auf diese Weise ins Handeln kommen, ist alles möglich.
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Quellen und Anmerkungen:
(1) www.methode-wildwuchs.com. Ab Oktober 2020 finden in Deutschland, Österreich und der Schweiz Ausbildungen zu Selbstheilungskompetenz und körperorientierten Visualisierungstechniken statt. Informationen unter https://www.angelikakoppe.de/wordpress/?page_id=18
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