Die Frau sei dem Manne untertan. So lautet ein Satz im 5. Kapitel des Epheserbriefes. Jahrtausendelang wurden Frauen seitdem unterdrückt. Jahrhundertelang wurden sie auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Seit ein paar Jahrzehnten dürfen sie zumindest hierzulande ohne die Erlaubnis ihrer Männer arbeiten gehen, ein Bankkonto eröffnen, wählen und die Pille nehmen – sodass sich die Männer überhaupt keine Gedanken mehr über Verhütung zu machen brauchen, während die Frauen allein die Risiken von Nebenwirkungen wie Thrombosegefahr, Gewichtszunahme, Kopfschmerzen, Zwischenblutungen und ein erhöhtes Risiko hinsichtlich bestimmter Krebsarten und Herz-Kreislauf-Erkrankungen tragen.
Manche Frauen sitzen in Chefetagen oder spielen in der hohen Politik mit und verdienen dort ähnlich gut wie ihre männlichen Kollegen. Die meisten jedoch arbeiten mit der gleichen Qualifikation für weniger Lohn. Die Entgeltlücke in Deutschland liegt bei zwanzig Prozent. Doch Frauen sind nicht nur auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt. Überwiegend sind sie es, die unter der Doppelbelastung Job und Familie zu leiden haben. Alleinerziehende Mütter gehören zu den am meisten benachteiligten Mitgliedern der Gesellschaft.
Die meisten Frauen stellen weiterhin ihr Licht unter den Scheffel und bringen ihre Qualitäten nicht wirklich zum Ausdruck. Daran hat auch ein Feminismus nichts geändert, in dem die Frauen die Männer missachten oder sich wie Männer benehmen.
Trotz Annalena Baerbock und Ricarda Lang, trotz gesetzlichem Mindestlohn, Quotenregelung und dem Ausbau von Kinderbetreuung und Elterngeld ist die Unterdrückung und Benachteiligung der Frau in der Gesellschaft längst nicht überwunden.
Auch bei dem Versuch, den Spieß umzudrehen, haben wir es bis heute nicht geschafft, wirklich gleichberechtigt nebeneinander zu stehen. Männer und Frauen sind einander fremd geblieben, so als kämen sie von verschiedenen Planeten. An dieser Lage ist nicht einer von beiden schuld. Beide sind verantwortlich. Und beide zusammen können es besser machen. Die Männer sind aufgefordert, die Frauen endlich ernst zu nehmen, und die Frauen, nicht mehr darauf zu warten, dass der Mann ihnen die Tür öffnet und auf die Tanzfläche führt. Sie sind gefragt, selbst den Tanz zu eröffnen.
Am Anfang war Lilith
Es war nicht immer so, dass die Frau dem Manne untertan war. In der jüdisch-christlichen Mythologie gab es eine Frau vor Eva: Lilith. Sie war die erste Frau Adams. Anders als Eva wurde sie nicht aus einer Rippe erschaffen, sondern wie Adam aus der Mutter Erde. Frau und Mann waren aus demselben Stoff gemacht und entsprechend gleichberechtigt.
Doch nachdem die Frauen in den matriarchal ausgerichteten Gesellschaften für ihre Fähigkeiten geachtet und verehrt wurden, entstand mit dem Patriarchat ein neuer Frauentyp. Aus Jehwah – Eva – wurde Jahwe, der die Menschen aus dem ehemaligen persischen Garten Eden, dem Garten der Freude, vertrieb, ihnen ihren inneren Erkenntnisreichtum nahm, die Fruchtbarkeit des Landes zerstörte und die Menschen in Armut und Mangel verstieß (1).
Adam, so erzählt es der Mythos, wollte oben liegen. Als er versuchte, Lilith in die Missionarsstellung zu zwingen, zog sie aus dem Paradies aus. Adam war unerbittlich – und unselbständig. Anstatt seine Beziehungsprobleme selbst zu lösen, rief er nach dem Vater. Der sollte Lilith zur Räson bringen. Drei Engel schickte ihr Gott hinterher, die der Ungehorsamen drohten, sie im Roten Meer zu ertränken und alle ihre Kinder zu töten. Doch Lilith gab nicht nach. Sie wollte nicht zu einem Mann zurück, der sie nicht achtete und der nicht für sein eigenes Verhalten einstand.
Mit Lilith ging die Zeit der Göttinnen vorbei. Ashera, Inanna, Freya, Isis, Gaia, Kybele, Nammu, Holle – sie alle gerieten in Vergessenheit, bis aus der heiligen Erde eine Hölle geworden war, und aus ursprünglichen Göttinnen Hausfrauen, die nicht mehr viel zu sagen hatten. Auch wenn Frauen in manchen Familien und Clans das Sagen hatten – gesellschaftlich wurden sie zu Frauen, Müttern und Musen von Männern. „Matilda-Effekt“ heißt die systematische Verdrängung und Leugnung des Beitrags von Frauen in der Wissenschaft (2).
Anders als die unabhängige und selbstbewusste Lilith diente die von einem männlichen Gott künstlich erschaffene neue Frau den Interessen des Mannes. Das ursprünglich starke und sinnliche Weibliche verlor zunehmend an Bedeutung. Nicht mehr die Erde, die alle ihre Kinder liebt und nährt, wurde als große Mutter verehrt.
Fortan wurde alle Macht einem zornigen und eifersüchtigen Alleinherrscher zugesprochen, der die Folgsamen begünstigt und die Ungehorsamen bestraft. Macht euch die Erde untertan war der Schlachtruf, der eine Zeitenwende herbeiführte, deren Folgen wir heute deutlicher denn je zu spüren bekommen.
Geraubt
Was in der Genesis angelegt wurde, erreicht heute seinen Höhepunkt. Die Erde steht kurz vor dem Kollaps. Die Ressourcen sind zu einem großen Teil verbraucht. Böden und Wasser sind vergiftet, die Luft verpestet. Die großen Wälder sind abgeholzt, die Artenvielfalt stark reduziert. So gut wie alle großen Tiere sind ausgestorben. Die Naturvölker sind ausgerottet, die Tiere misshandelt, die Pflanzen gentechnisch verändert und patentiert. Alles muss be-herrscht werden. Alles muss unter Kontrolle. Es kann nur einen geben. Ob Männergott oder Big Brother – einer steht ganz oben und überwacht alles.
Diese Geschichte begann mit der Idee, das Fürsorgliche, Mütterliche, Mitfühlende aus der Gesellschaft zu verbannen, versinnbildlicht in einem Mythos, in dem die Frau nicht mehr über ihren eigenen Körper bestimmt. Doch Adam wollte mit der Forderung an sie, unter ihm zu liegen, nicht nur ihre Lust dominieren. Das war nur der Anfang. Er wollte alles. Vor allem die weibliche Schöpferkraft.
Mit der Kontrolle über das Weibliche wurde eine Epoche eingeleitet, in der die herrschenden Männer versuchen, die höchste Macht auf der Erde an sich zu reißen: die Kraft, neues Leben zu erschaffen.
Mit dem Monotheismus und dem Beginn des Patriarchats, der Eroberungen und Kriege setzte sich der Gedanke durch, es sei der Mann, dem der wichtigere Teil bei der Zeugung und Erziehung der Kinder zukommt. Frauen hatten keine Liebhaber mehr, die sie sich selbst aussuchten, sondern Ehemänner, die über ihre Körper bestimmten und zu bloßen Auffangbecken für ihren Samen degradierten.
Verdreht
Bereits im 14. Jahrhundert vor Christus hatte der ägyptische Pharao Echnaton sich als schwangeren Mann darstellen lassen. Der Sonnengott Ra „gebar“ durch seinen Penis. Alte Abbildungen zeigen den Totengott Osiris mit schwangerem Bauch. Der griechische Göttervater Zeus ließ sich ein Embryo in den Oberschenkel nähen, aus dem der Weingott Dionysos geboren wurde. Athena soll in voller Rüstung dem väterlichen Kopf entstiegen sein. Aphrodite wurde aus dem Schaum des Meeres geboren, der sich um die abgeschnittenen Genitalien des Himmelsgottes Uranos angesammelt hatte.
In vielen Kulturen machte sich Gebärneid breit, der weit bedeutender war als der später von Sigmund Freud angenommene Penisneid der Frau. Um die Wichtigkeit der Vaterschaft zu unterstreichen, setzte sich überall auf der Welt der Brauch der Couvade durch: das Männerkindbett. Während die Mutter nach der Geburt schnell wieder auf den Beinen war, um sich um Kind und häusliche Belange zu kümmern, legten sich die Väter oft wochenlang ins Bett, um sich wie eine Wöchnerin behandeln zu lassen und Glückwünsche zu empfangen.
Viele bis heute existierende männliche Initiationsriten gleichen Geburten, bei denen Symptome der Schwangerschaft rituell nachgeahmt werden. Initianden krabbeln zwischen den Beinen von Männern hervor, andere öffnen ihre Venen, um den Blutfluss zu imitieren, oder nehmen oral Spermaflüssigkeit als Muttermilch zu sich. Auch bei der Kastration wird der weibliche Körper imitiert und der Penis durch ein blutendes Loch ersetzt.
Erniedrigt
Heute kann jedes Kind einen Penis zeichnen und kaum ein Erwachsener eine Vulva. Das weibliche Geschlechtsteil gilt vielen als seltsam, unästhetisch oder sogar abstoßend. Schamlippenverkleinerungen gehören heute zu den beliebtesten plastischen Operationen. Im Unterschied zu Ländern, in denen die Beschneidung der weiblichen Sexualorgane erzwungenermaßen durchgeführt wird, geben Frauen in der westlichen Welt oft viel Geld dafür aus, sich verstümmeln zu lassen, um „untenrum“ möglichst hübsch auszusehen.
Kein anderes Körperteil wurde im Laufe der Jahrtausende zu einem derartigen Schauplatz von Unterwerfung und Verdrängung. Während der erigierte Penis das Zepter ist, mit dem die Welt regiert wird, ist die Vulva in ihrer Gesamtheit – und nicht nur auf ein Loch reduziert – in unserer Kultur kaum vorhanden.
Eine der schlimmsten Beleidigungen für einen Mann ist es, ein Schlappschwanz oder ein Weichei zu sein. Wer das behauptet, riskiert den Ausbruch eines Krieges. Eine Frau zu beleidigen hingegen ist nicht so schlimm. Die Tussi soll sich nicht so anstellen, die alte Schachtel, die blöde Schlampe. Die schlimmsten Schimpfworte diskriminieren Frauen, und die schlimmste Diffamierung für einen Mann ist es, mit weiblichen Attributen belegt zu werden.
Bis ins 20. Jahrhundert hinein wurde an Frauen das vollzogen, was schon Aristoteles befürwortete: Aus „medizinischen Gründen“ wurde ihnen die Klitoris herausgeschnitten oder -gebrannt, um bestimmte Formen von Wahnsinn, Nymphomanie, Hysterie, Epilepsie und Katalepsie zu behandeln. Hingegen ist in der Geschichte der Medizin kein Fall bekannt, wonach Männern zur „Heilung“ bestimmter Krankheiten der Penis abgeschnitten wurde.
Verdrängt
Viele halten es heute für so normal, dass Frauen den Kürzeren ziehen, dass ihnen die Erniedrigungen und Verletzungen gar nicht wirklich auffallen. Es gehört gewissermaßen zum guten Ton, an Frauen herumzuerziehen. Zeigen sie sich zu freizügig, sind sie selbst schuld daran, wenn sie sexuell belästigt werden. Verschleiern sie sich zu sehr, werden sie per Gesetz gemaßregelt.
Weit mehr als Männer unterliegen Frauen dem Modediktat. Zwar pressen wir uns heute nicht mehr in Korsagen oder tragen Keuschheitsgürtel. Dafür ruinieren wir unsere Füße in zu engen Schuhen oder lassen uns die Körperbehaarung ausreißen, das Gesicht aufspritzen und an allen möglichen Körperteilen herumschneiden. Wer schön sein will, muss eben leiden.
Dennoch werden Frauen heute zunehmend von Männern verdrängt, die sich wie Frauen fühlen. Transfrauen machen das Rennen. Sie sitzen in der Frauensauna, in den Frauenumkleidekabinen großer Unternehmen und in Frauenhäusern, die riskieren, finanziell ausgetrocknet zu werden, wenn sie keine Transfrauen aufnehmen.
Frauen, die sich gegen diese Entwicklung stellen, werden als TERF bezeichnet: transausschließende Radikalfeministinnen, die entsprechend abgewertet und beleidigt werden (3).
Währenddessen rückt der uralte Traum, dass auch Männer Kinder bekommen können, immer näher. Frauen prostituieren sich heute nicht nur, sondern verkaufen gewissermaßen ihre Gebärmutter, damit auch Männer ein Anrecht auf ein eigenes Baby haben (4). Fertilitätstourismus ist zur Routine geworden. Die Eizelle kommt aus Japan, der Samen aus Südafrika, und in Thailand gibt es Leihmütter, die die Embryonen austragen. Während in den reichen Ländern, in denen die Menschen sich den Erwerb eines künstlichen Kindes leisten können, die Fruchtbarkeit rasant zurückgeht, wird, wie üblich, in den armen Ländern produziert und eine neue Form des Kolonialismus ins Leben gerufen.
Wie es schließlich ohne Mutter geht, zeigt etwa der Dokumentarfilm Future Baby (5). In den Laboren der Transhumanisten wird das realisiert, was mit der Geschichte von einer Rippe begann: die künstliche Erschaffung des Menschen. LGBTQ-Bewegung und Wokeness sorgen dafür, dass Worte wie „Mutter“ oder „Muttermilch“ abgeschafft werden. In der Tagesschau wird von „gebärenden Personen“ gesprochen. Der Gipfel der Emanzipation ist es, dass Frauen Kinderkriegen regelrecht als Strafe empfinden und die größte Kraft, über die ein Mensch verfügt, freiwillig abgeben.
Umkehr
Wenn der Lilith-Mythos heute wiederbelebt wird, dann werden wir daran erinnert, dass ein anderes Leben möglich ist. Es kann anders gehen. Der Mensch kann sich erneut dafür entscheiden, das Wertvollste zu schützen, das ihm mitgegeben wurde. Hierzu müssen wir uns zunächst darüber bewusstwerden, worum es eigentlich geht: um nichts weniger als den Raub der menschlichen Schöpferkraft und die Ersetzung des natürlichen durch künstliches Leben, die Abschaffung des Menschen durch leblose Technik.
In der Begegnung mit Lilith kann Eva lernen, die Verdrehungen und Verdrängungen der Geschichte zu überwinden und erneut in ihre Kraft kommen. In einer lebendigen Schwesternschaft gehen beide zusammen zu Adam und nehmen ihn mit in eine Welt, in der sich Mütterlichkeit und Unabhängigkeit, freie Liebe und Häuslichkeit, sexuelle Lust und Göttlichkeit nicht gegenseitig ausschließen. Gemeinsam erschaffen sie eine Welt, in der alle in Frieden leben können. Zusammen überwinden sie schließlich, was so unendlich viel Leid in die Welt gebracht hat: die irre patriarchale Idee, das Leben kontrollieren zu wollen.
Die Zerstörung des Planeten, unser aller Mutter, kann ein Ende haben, wenn Frauen und Männer gemeinsam das tun, was ihre Aufgabe ist: das Leben schützen.
Diese Reife gilt es zu erlangen, wenn es mit uns Menschen weitergehen soll. Damit können wir jetzt sofort anfangen. Interessieren wir uns füreinander. Schauen wir einander in die Augen. Hören wir einander zu. Erzählen wir von unserem Leid und von unseren Freuden. Werten wir uns nicht gegenseitig ab und nehmen wir uns ernst. Üben wir es, uns füreinander zu öffnen und fassen wir erneut Vertrauen zueinander.
Gehen wir dorthin zurück, wo alles angefangen hat: ins Bett. Auf dem Liebeslager hat sich einst die Zukunft der Menschheit entschieden. Hier kann unsere Geschichte eine neue Wendung erfahren. Lassen wir die Lilith in uns frei. Geben wir der unabhängigen, selbstbewussten und sinnlichen Weiblichkeit in uns eine Chance. Holen wir die Vorgängerin Evas aus der Verbannung zurück und eröffnen wir den Tanz, der Männer und Frauen wieder zusammenbringt und diesen Planeten wieder zu einem Paradies macht.
Es wird Zeit brauchen. Wir werden uns erneut damit auseinandersetzen müssen, was wir unter Weiblichkeit und unter Männlichkeit verstehen. Unzählige Wunden werden verheilen müssen, bis wir einander wieder vertrauen und sich das in uns entwickeln kann, was die Voraussetzung für jede echte Liebesbeziehung und für guten Sex ist: Hingabe. Es sieht unüberwindlich aus. Doch wer weiß? Vielleicht ist es gar nicht so schwer. Und vielleicht macht es sogar Spaß.
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Quellen und Anmerkungen:
(1) https://zeitpunkt.ch/das-patriarchat-ein-bruchstueck-verliess-das-ganze
(2) https://de.wikipedia.org/wiki/Matilda-Effekt
(3) https://www.manova.news/artikel/die-abschaffung-der-frau-2
(4) https://menhavingbabies.org/
(5) https://www.futurebaby.at/