Hallo Du, ja, Du „Antideutscher“. Hallo Grüner, hallo Friedensaktivist, hallo Genderaktivist, hallo Sozialist, hallo Anarchist, hallo an jeden, der für eine als gerecht empfundene Sache eintritt. Müde seht ihr aus und abgekämpft, ebenso wie ich mich fühle.
Kein Wunder, tragen wir doch unsere Überzeugungen vor uns her wie schwere Waffen, die wir, uns im beständigen Kampf wähnend, auf jeden richten, der nicht dieselben Erkennungssymbole unserer als überlegen empfundenen Uniform trägt. Doch Kampf laugt aus, erschöpft. So lasst uns für einen Augenblick die Waffen senken, uns in unseren Schützengräben aufrichten und einen Blick auf unser Gegenüber werfen. Was sehen wir dort?
Sind es nicht Menschen, die, genau wie wir, das Ziel verfolgen, eine bessere, lebenswertere Welt zu schaffen? Die für den Erhalt der Umwelt eintreten, für den Frieden, für das Leben? Für Gerechtigkeit und Chancengleichheit? Für Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit? Warum also liegen wir im Feld, auf unterschiedlichen Seiten?
Warum beschießen wir uns mit den Kugeln gehässiger Worte, schärfen die Bajonette unserer Abscheu, um sie gegen andere zu richten? Ist es, weil wir die Anliegen der anderen als falsch empfinden? Ist es, weil sie sich zu unseren Feinden erklärt haben, uns angreifen, uns vernichten wollen? Kämpfen wir, weil wir uns Gewalt ausgesetzt sehen?
Oder liegt es nicht vielmehr daran, dass wir unsere Weltsicht als Mittel der Individualität missbrauchen?
Grenzen wir uns ab, um unsere Identität zu schmieden, zu formen und zu festigen? Oder kämpfen wir, weil wir an das glauben, was wir vertreten?
Ist es der Wunsch nach Anerkennung, die wir noch immer zu sehr im heldenhaften Kampf suchen, in dem wir unsere Stärke und Überlegenheit zu beweisen trachten? Suchen wir nach Halt und Ordnung in fest umrissenen Gruppen, die sich über Abgrenzung gegenüber anderen definieren?
Vielfalt ist förderlich für eine gesunde, wachsende Gesellschaft. Unterschiedliche Meinungen und Ansichten fördern die Entwicklung nicht nur der Gesellschaft, sondern auch die jedes Einzelnen. Und doch ist es nachvollziehbar, sich mit Gleichgesinnten in Gruppen zusammenzuschließen und seine Positionen zu festigen, sich seiner selbst zu versichern.
Doch warum die Waffen auf jene richten, die ähnliche Ziele verfolgen, wenn vielleicht auch aus anderer Motivation, gar mit einem anderen Weltbild? Nützt das wirklich dem Anliegen, eine lebenswerte Gesellschaft zu erschaffen, oder dient es nicht vielmehr der Aufwertung des eigenen Egos, der Bestätigung des eigenen Narzissmus, der von den als Feinden Empfundenen verletzt wird? Wohin führt uns diese Einstellung?
Wenn wir einmal die zerschlissene, löchrige Kleidung unserer Ideologien ablegen, kommen darunter Menschen zum Vorschein, die sich im Grunde gleichen.
Sie alle wollen in Frieden und Freiheit leben, wollen miteinander auskommen, ein Dach über ihrem Kopf und volle Mägen haben. Niemand liegt gern im Schützengraben, beständig darauf wartend, dass das Artilleriegeschoss abweichender Überzeugungen ihn zerreißt.
Die deutsch-französische Freundschaft wurde nicht vor Verdun begründet, wohl aber auf dem Fundament der Lehren, das von zwei Weltkriegen gegossen wurde – nämlich, dass Freundschaft wertvoller und fruchtbarer ist als Feindschaft. Daher lasst uns nicht gegeneinander streiten, sondern miteinander. Ausgrenzung provoziert nur Verachtung.
Niemand von euch muss meine Meinung teilen, so wie ich auch die eure nicht notwendigerweise teile. Dennoch können wir zusammenstehen, in unserer Vielfältigkeit ein gemeinsames Anliegen verfolgen. Und auch wenn ich nicht eurer Meinung bin, so akzeptiere ich sie, wie auch ihr die meine akzeptieren könntet.
Denn Homogenität ist Stillstand und außerdem langweilig. Sie produziert zwar Konsens, aber keine Entwicklungen mehr.
Miteinander streiten bedeutet Wachstum, und das nicht im materiell-kapitalistischen Sinne. Gegeneinander streiten, sich anfeinden und ausgrenzen führt zu Zerstörung und Gewalt.
Daher rufe ich euch auf: Steigt heraus aus euren Schützengräben, legt die Waffen nieder und erkennt Euer Gegenüber als Mensch an. Nur gemeinsam können wir das aufgewühlte Schlachtfeld in ein fruchtbares Feld verwandeln, ohne Waffen, dafür mit viel Verständnis und Mitmenschlichkeit.
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