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Erneute Bauernproteste in Indien

Erneute Bauernproteste in Indien

Die Modi-Regierung hat ökologisch einiges vorangebracht, doch sollte Indiens Initiative für natürliche Landwirtschaft auch einheimisches Saatgut fördern.

Die Modi-Regierung hat mit einem Beitrag von etwa 25 Milliarden Rupien (circa 280 Millionen Euro) für die natürliche Landwirtschaft einen großen Schritt in Richtung Ökologie getan. Darüber hinaus drängt sie die indischen Landwirte dazu, sich wieder auf ihre traditionelle landwirtschaftliche Weisheit zu besinnen und Steuergelder zu sparen. Dies könnte durchaus den Grundstein für eine „Grüne Revolution“ legen, die auf einheimischem Wissen basiert. Die Frage ist jedoch, ob diese landwirtschaftliche Revolution ohne einen Mechanismus für die Produktion und rechtzeitige Verfügbarkeit von biologischem, offen bestäubtem Saatgut bewirkt werden kann.

Der ehrgeizige Plan der indischen Regierung besteht darin, die natürliche Landwirtschaft in 15.000 Einheiten in Gram Panchayats genannten Dorfräten zu fördern und „eine Million Landwirte zu erreichen und auf einer Fläche von 750.000 Hektar die natürliche Landwirtschaft (NL) einzuführen“. Außerdem sollen im kommenden Jahr „10.000 Bio-input Resource Centres (BRC)“ eingerichtet werden, die „gebrauchsfertige NL-Inputs für Landwirte“ bereitstellen.

Darüber hinaus hat die Regierung 2.000 Musterfarmen und Schulungsprogramme für etwa 180.000 Bauern sowie weitere Programme zur Ausweitung der natürlichen Landwirtschaft in Indien geplant. Zurück zu unserer Frage: Wer wird für diese Revolution der natürlichen Landwirtschaft hochwertiges Saatgut bereitstellen?

Im derzeitigen Saatgutwirtschaftssystem verwenden Landwirte entweder marktübliches Saatgut, das entweder Hybridsaatgut oder Forschungssaatgut ist, das von Saatgutunternehmen oder öffentlichen Agrarinstitutionen entwickelt wurde, und bestenfalls für zwei oder drei aufeinander folgende Aussaaten verwendet werden kann. In der Zwischenzeit sortiert der informelle Saatgutsektor Saatgut, verpackt und verkauft Marktsorten weiter. Ein kleiner Prozentsatz verwendet Saatgut aus offen bestäubten Pflanzen oder Landsorten, da die meisten Unternehmen oder öffentlichen Einrichtungen kein Saatgut aus offen bestäubten Pflanzen erforschen oder verkaufen.

Der Grund, warum Saatgutunternehmen kein offen bestäubtes oder althergebrachtes Saatgut verkaufen, ist, dass die Landwirte es nach dem einmaligen Erwerb nicht erneut kaufen müssen. Das frei bestäubte Saatgut passt sich an die lokale Umgebung an und kann dann für immer wieder ausgesät werden.

Natürlich werden die Samen in jeder Generation leicht unterschiedliche Merkmale aufweisen. Kurz gesagt, wenn Unternehmen anfangen würden, die frei bestäubten Sorten zu verkaufen, würden sehr bald keine Landwirte mehr ihr Saatgut kaufen. Dieses Modell der natürlichen Vermehrung schadet also den Privatunternehmen. Daher will die Saatgutindustrie diese Samen weltweit aus dem Verkehr ziehen, weil sie ihre Gewinne schmälern und die Landwirte weniger vom Markt abhängig machen.

Für jede globale Bio-Zertifizierung ist es ein Muss, dass Landwirte nur biologisches, offen bestäubtes oder althergebrachtes Saatgut verwenden, das nicht mit Chemikalien wie Fungiziden, Pestiziden et cetera behandelt wurde. Diese gesamte Infrastruktur für die Produktion oder Züchtung von Bio-Saatgut fehlt in Indien. Zweifellos gibt es Landwirte, die alteingesessene Sorten und einheimische Varietäten erhalten, aber keiner von ihnen vermehrt sie für den Masseneinsatz. Außerdem wurden keine Anstrengungen oder Ressourcen in die wissenschaftliche Forschung oder die Förderung von Saatgut gesteckt, das mit natürlichen Methoden produziert wurde. Ein gutes Beispiel für diesen Abwärtstrend sind Reis- oder Reissamen.

Indien war einst für seine 200.000 Reissorten bekannt. Heute werden nicht einmal 5 Prozent davon in Indien kommerziell angebaut.

Es gibt also einen großen Engpass, wenn es um die genetische Vielfalt auf unseren Feldern geht. Die meisten kommerziellen Sorten, wie Nummer 1121 et cetera, haben das Ackerland übernommen. Viele der einheimischen Sorten von Gemüse, Hülsenfrüchten et cetera sind für immer verloren oder vom Aussterben bedroht.

Glücklicherweise hat Indien das gegen Bauern gerichtete Saatgutabkommen der Internationalen Union zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (International Union for the Protection of New Varieties of Plants, UPOV) noch nicht unterzeichnet, das den Austausch, Verkauf oder die Wiederaussaat von Saatgut durch Landwirte kriminalisiert. Dennoch verlangen die indischen Saatgutgesetze Keimungsanforderungen und Saatgutbehandlungen mit Fungiziden, die von Amerika inspiriert sind. Indien braucht neben dem Vorstoß zur natürlichen Landwirtschaft einen neuen Rahmen für ein von Landwirten getragenes Modell der Saatgutproduktion. Für die Produktion, den Austausch und die Verteilung von biologischem, offen bestäubtem Saatgut sollten spezielle Regeln innerhalb der Saatgutgesetze geschaffen werden.

Die indische Behörde für Sortenschutz und Landwirtrechte (Protection of Plant Varieties and Farmers’ Rights Authority, PPFRA) hat Landwirte auch dazu ermächtigt, ihre Sorten anzubauen und weiterzuentwickeln. Aber es kann noch mehr getan werden. So sollte beispielsweise ein neues freiwilliges Programm für Landwirte in Verbindung mit lokalen Saatgutbanken oder staatlichen landwirtschaftlichen Einrichtungen ins Leben gerufen werden, bei dem lokale Landwirte Landsorten erhalten, um das Saatgut anzubauen und zu vermehren. Sie sollten dafür finanzielle Anreize erhalten, und die National Seed Corporation of India (auf Deutsch: Nationale Saatgut-Gesellschaft Indiens) sollte die Verantwortung für die Vermarktung dieses Saatguts erhalten.

Der Schwerpunkt sollte von der industriellen Saatgutproduktion auf einheimische, offen bestäubte Saatgutsorten verlagert werden. Privatunternehmen, die mit Landwirten zusammenarbeiten, um einheimisches Saatgut zu vermehren und zu vermarkten, sollten ebenfalls Steuervorteile und finanzielle Anreize erhalten. Die Züchterrechte und Lizenzgebühren sollten an die PPFRA gehen, wobei ein Teil des Fonds dem Stammkapital hinzugefügt werden sollte, der die weitere Erforschung und Erhaltung einheimischer Sorten und Landsorten fördern wird.

Aus produktionstechnischer Sicht treiben hohe Inputkosten die Lebensmittelinflation in die Höhe und schmälern die Gewinne der Landwirte. Der Klimawandel setzt auch die Saatguthersteller zusätzlich unter Druck, da dürre- oder flutähnliche Bedingungen das Saatgut zusätzlich belasten und zu einer geringeren Keimfähigkeit oder einem ungleichmäßigen Wachstum führen. Der Fall des Misserfolgs von Sojabohnensaatgut in Maharashtra ist ein gutes Beispiel dafür.

Die meisten kommerziellen Marktvarianten werden in den südlichen Teilen Indiens entwickelt und sind daher möglicherweise nicht am besten geeignet, um biotische Stressfaktoren in vielen Teilen des Landes zu bewältigen. Daher sollte die Mission der natürlichen Landwirtschaft großen Wert auf die lokale Saatgutzucht und -verteilung legen, denn letztendlich wollen wir mit unseren Landwirten Kapazitäten aufbauen und uns von der Abhängigkeit vom Markt lösen.

Evolutionäre partizipative Zuchtmodelle sollten auf Distrikt- und Regionalebene eingeführt werden. Tatsächlich sollten alle Distrikte darauf abzielen, Saatgutsouveränität zu erlangen. Dies wird die lokale Saatgutwirtschaft wiederbeleben und gleichzeitig die Kosten für den Saatguteinkauf für Biobauern senken. Am wichtigsten ist, dass alle Landwirte, ob ökologisch oder nicht, Zugang zu lokal angebautem, klimaresistentem Saatgut haben, das sie direkt mit ihren benachbarten Landwirten oder Saatgut produzierenden Erzeugerorganisationen tauschen oder von ihnen zu einem symbolischen Preis kaufen können. Dies würde Zwischenhändler und große Saatgutunternehmen aus der Saatgutwirtschaft verdrängen und die Landwirte und die naturbasierte Wirtschaft stärken.

Eine Untersuchung der Gewinnspannen ausländischer Saatgutunternehmen und der Höhe der Gelder, die sie von indischen Landwirten abschöpfen, wird deutlich machen, was wirklich in unserem nationalen Interesse liegt und was nicht.

Die Regierung kann auch eingreifen, um diese lokale Saatgutwirtschaft zu überwachen. Sie kann helfen, indem sie in jedem Distrikt Zentren für die Saatgutproduktion mit ausgebildeten Regierungswissenschaftlern und Beratungsbeamten einrichtet. Dies wird langfristig die Saatgutsouveränität für die gesamte Nation sicherstellen und auch dafür sorgen, dass die Mission der natürlichen Landwirtschaft eine gute Grundlage hat.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „Why indigenous seeds should be prioritised in India’s natural farming mission“ auf Firstpost. Er wurde von Elisa Gratias übersetzt und vom ehrenamtlichen Manova-Korrektoratsteam lektoriert.


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