Der Wechsel von der unipolaren zur multipolaren Welt ist nichts Neues. Er zeichnet sich bereits seit einigen Jahren ab, doch der Westen — angeführt durch die USA — zeigte sich beratungsresistent hinsichtlich dieser historischen Tatsache. Insbesondere in der Europäischen Union (EU) kamen die Kriegshetzer und Hüter der „regelbasierten Ordnung“ voll auf ihre Kosten, so lange die Präsidenten der USA Namen wie Bush, Obama oder Biden trugen. Denn die Beratungsresistenz hatten sie mit vielen europäischen Politikern gemein, sie bliesen in dasselbe Horn und konnten sich der Unterstützung aus dem Weißen Haus sicher sein.
Doch jetzt gerät das westliche Weltbild erheblich ins Wanken, und dafür ist ausgerechnet Donald Trump verantwortlich, dem neben Unberechenbarkeit auch gern Skrupellosigkeit bei der Durchsetzung seiner Interessen vorgeworfen wird. Beides stimmt durchaus, doch ein vollständiges Bild ergibt sich dadurch nicht, denn was Trump auszeichnet, ist die Tatsache, dass er nicht aus der Politik, sondern aus der Geschäftswelt kommt. Und Weltpolitik ist eben auch Geschäftspolitik.
Marco „Wendehals“ Rubio?
Marco Rubio ist derzeit der US-Außenminister. Und eine Art „Überraschungsei“, denn was er kürzlich in einem Interview zur Geopolitik sagte, überrascht politische Beobachter doch sehr. Rubio erklärte, dass „America First“ im Grunde kein US-amerikanisches Alleinstellungsmerkmal ist, sondern auch für jedes andere Land gilt. Das ist mehr als bemerkenswert, galt doch scheinbar bisher nur als legitim, was die USA sich vorstellen.
Eines jedoch wird die neue US-Administration nicht können: Die verheerende Außenpolitik der letzten Jahrzehnte reparieren. Die zahlreichen Angriffe auf andere Länder haben zu unzähligen Toten, zu Verarmung und Spaltungen von Gesellschaften geführt, zu denen es ohne die illegale Einmischung in die inneren Angelegenheiten der betroffenen Länder vermutlich nicht gekommen wäre.
Und sicherlich werden die USA nun nicht plötzlich einfach aufhören, in Konflikte mit anderen Ländern zu gehen. Nach wie vor stehen auch unter der neuen Administration — die eigenen Interessen über denen der anderen. An Trumps faktisch sofort installierter Politik der Strafzölle ist das leicht abzulesen.
Und doch scheint sich etwas verändert zu haben, was unter anderem den Worten Rubios zu entnehmen ist. Wenn er über Länder wie China oder Russland spricht, so verzichtet er auf die Attribute, die in Deutschland gang und gäbe sind. Er nennt China also China und Russland Russland, ohne dabei aber die üblichen Zusätze wie „Autokratie“, Diktatur“ oder „Regime“ zu verwenden. Gleiches gilt für Länder wie Iran oder Syrien.
Ganz ohne Zweifel betrachtet auch Marco Rubio die genannten und weitere Länder als Konkurrenten, als Rivalen. Doch daran ist zunächst einmal nichts verwerflich. Wenn jedes Land auf der Erde eigene Interessen hat, liegt es nahe, dass es bei deren Durchsetzung zu Konflikten mit anderen Ländern kommen kann, je nach Bereich sogar kommen muss. An diesem Punkt beginnt der Unterschied zwischen Diplomatie und Konfrontation.
Diplomatie statt Krieg?
Wer sich das verlinkte Interview mit Marco Rubio anschaut, kommt zum Schluss, dass es eine gewisse Einsicht darüber gibt, dass die USA nicht mehr die alleinige Weltmacht sind. Damit bewegt sich die derzeitige US-Politik auf der Ebene des Realismus, doch dass diese nicht selbstverständlich ist, wird klar, wenn man sich den Hühnerhaufen in EU-Europa ansieht. Der Umgang mit der geopolitischen Wirklichkeit beschränkt sich dort auf die „grandiose“ Idee, nun aufzurüsten, bis die Schwarte kracht. Dabei ist die Analyse in der EU und den USA gar nicht so unterschiedlich.
Letztlich nehmen beide Machtkonstruktionen an, dass andere Mächte auf der Welt eine dominantere Rolle einnehmen, als das bisher der Fall war. Diese Erkenntnis ist nicht neu, die Gestaltung einer neuen, multipolaren Weltordnung passiert nicht von jetzt auf gleich, sie ist vielmehr ein Prozess, der sich über längere Zeiträume vollzieht.
Neu dagegen ist die Einsicht der US-Führung — zumindest macht es diesen Eindruck —, dass der Kampf gegen die Multipolarität nicht zu gewinnen ist. Da Trump ein Geschäftsmann ist, wägt er ab, ob und wann ein Geschäft sich lohnt. Seine Annäherung an Russland und dessen Interessen sind zweigeteilt. Auf der einen Seite sucht er den Dialog und einen Weg zum Frieden innerhalb einer Konfliktsituation, die der Westen militärisch nicht gewinnen kann. Auf der anderen Seite will er die ukrainischen Rohstoffe möglichst gewinnbringend in US-amerikanische Hände bringen.
Marco Rubio spricht von internationalen Interessen der USA und anderer Länder, die im Einklang miteinander stehen, und von solchen, die dies nicht tun. Liegen gemeinsame Interessen vor, so Rubio, kann man miteinander Geschäfte machen und beidseitig profitieren. Ist dem nicht so, kommt die Diplomatie ins Spiel. Das ist ein bemerkenswerter Punkt, denn bislang war der allgemeine Tenor innerhalb der politischen USA, dass verbindende Interessen zu Kooperationen führen, abweichende hingegen zum Krieg. Das klingt bei Rubio gänzlich anders.
Unumkehrbare Umkehrung
Es bleibt dabei: Donald Trump und sein Team sind unberechenbar. Zumal wir es mit einem Haufen Technokraten zu tun haben, die mittel- und langfristig sicher eine Agenda verfolgen, die nicht im Sinne der Mehrheit der Menschen ist. Doch das ist eine andere Baustelle, die uns allerdings ganz bestimmt in Zukunft noch beschäftigen und arges Kopfzerbrechen bringen wird.
Die Geopolitik und die Erkenntnis einer multipolaren Welt stehen derzeit über allem anderen und sind mitentscheidend für den Fortbestand einer gewissen Weltordnung. Dass diese schon jetzt eine andere ist als noch vor 10 oder zwei Jahren, ist offenkundig. Nach der Wahl Trumps ist sie auch eine andere als noch vor ein paar Monaten. Ob Donald Trump aus reiner Weitsicht, aus profaner Einsicht oder einer kurzfristigen Laune heraus agiert, wie er agiert, ist im Moment schwer einzuschätzen.
Fakt ist jedoch, dass der Westen, dass EU-Europa, gerade dabei ist, komplett „nach unten durchgereicht“ zu werden. Statt sich den — nicht mehr ganz so — neuen Gegebenheiten anzupassen und nach kooperativen Strategien zu suchen, innerhalb derer ein profitabler und global anerkannter Platz das Ergebnis sein könnte, geht es jetzt erst richtig los mit einer Eskalation ohne jegliche Kontrolle und ohne irgendeinen Plan.
Der Feind sitzt nun nicht mehr nur im Osten und hat einen Präsidenten namens Wladimir Putin. Er sitzt jetzt auch auf der anderen Seite und wird von einem Präsidenten namens Trump regiert. China kommt als „Sahnehäubchen“ dazu, und Menschen mit gesundem Verstand müssen sich die Frage stellen, wohin dieser größenwahnsinnige Irrsinn führen soll. In die Bewaffnung, bis an die Zähne und darüber hinaus. Doch die deutschen Politiker können Sondervermögen auf Sondervermögen schichten, bis kein Platz mehr für die ganzen Waffen da ist. All das wird nicht reichen, um im Zweifel gegen die USA, Russland und China bestehen zu können. Militärisch nicht, wirtschaftlich nicht.
Der Plan von EU-Europa heißt: Planlosigkeit, Einfallslosigkeit und Feindseligkeit. Aus einem solchen Gebräu lässt sich weder eine wohlhabende noch eine sichere noch eine friedliche Weltordnung bauen. Konsequent ist das aber insofern, als EU-Europa in der neuen Weltordnung eine sehr untergeordnete Rolle spielen wird, Stand jetzt sogar eine komplett bedeutungslose Rolle. Die Tatsache, dass die politischen Entscheider des Westens die Auswirkungen ihres Handelns noch nicht einmal durchschauen, ist ein weiterer Beweis für ihre Inkompetenz.

Wenn Sie für unabhängige Artikel wie diesen etwas übrig haben, können Sie uns zum Beispiel mit einem Dauerauftrag von 2 Euro oder einer Einzelspende unterstützen.
Oder senden Sie einfach eine SMS mit dem Stichwort Manova5 oder Manova10 an die 81190 und mit Ihrer nächsten Handyrechnung werden Ihnen 5, beziehungsweise 10 Euro in Rechnung gestellt, die abzüglich einer Gebühr von 17 Cent unmittelbar unserer Arbeit zugutekommen.