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Ein Oberfeldwebel mit Rückgrat

Ein Oberfeldwebel mit Rückgrat

Im Angesicht der Corona-„Impf“-Pflicht für Soldaten machte sich Alexander Bittner so kerzengerade wie die Kanüle, der er sich verweigerte.

Bereits eine halbe Stunde vor dem vereinbarten Termin stand Alexander Bittner in der Tür und begrüßte mich mit festem Händedruck. Einige Tage vorher hatten wir uns telefonisch zu einem Interview verabredet. Mir schwebte ein Zoom-Gespräch vor. Aber Bittner sagte sofort von sich aus, er käme gerne nach Frankfurt — von seinem Wohnort Ingolstadt in Oberbayern, das zufällig auch meine längst verlassene Heimatstadt ist, sind das immerhin drei Stunden zu fahren. Er habe jetzt Zeit, erklärte mir Bittner später, nach seiner Entlassung aus der Justizvollzugsanstalt Aichach könne er im Moment nicht arbeiten. Die Haftzeit hänge ihm nach — er kam erst vor etwas mehr als zwei Wochen aus dem Gefängnis.

Bittner macht einen verbindlichen Eindruck. Man ahnt schon bei der ersten Begegnung: Er ist ein zuverlässiger Zeitgenosse. Wenn er in Aussicht stellt, er fahre mal eben nach Frankfurt, dann macht er das auch — und ist lieber zu früh als zu spät dran. Groß ist dabei die Versuchung, diese Eigenschaften als Produkt seiner soldatischen Ausbildung zu betrachten. Ebenso sein selbstbewusstes Auftreten. Denn Bittner ist Oberfeldwebel. Und auch wenn ihm die Haft nachhängt, wie er erklärt, so wirkt er sehr gefasst, sehr ausgeglichen: Der Mann hat Schneid — und so tritt er auch auf. Schnell wird klar: Er ist kein Opfer, will kein Opfer sein. Dass ihn seine Impfverweigerung ins Gefängnis brachte, so macht er recht deutlich, war auch ein Stück weit seine Entscheidung.

Der Körper des Soldaten

Seine Geschichte begann mit Einführung der Impfpflicht im Rahmen der soldatischen Duldungspflicht. Im November 2021 diskutierte ganz Deutschland allerlei Impfpflichten: eine praxisbezogene für den medizinischen Bereich etwa — die dann auch kam. Oder eine für Senioren als Kompromiss. Der Königsweg, so wurde in jenen Tagen rauf und runter berichtet, sei eine Impfpflicht für alle, zumindest aber für alle ab dem 18. Lebensjahr. Während die Öffentlichkeit diskutierte und Impfunwillige verunglimpft wurden, ging die Bundeswehr mit gutem Beispiel voran: Sie setzt die erste COVID-19-Impfpflicht um — im Rahmen von Paragraph 17a des Soldatengesetzes, der Gesunderhaltungspflicht. Ab dem 24. November 2021 galt sie, per ministeriellem Erlass, unterzeichnet von der damaligen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer.

Bittner handelte daraufhin mit seinen Vorgesetzten aus, dass diese erst gar keine Disziplinmaßnahmen anstreben sollten, denn er werde sich unter keinen Umständen gegen COVID-19 impfen lassen. Zu sehr zweifelte er an der Wirkung des mRNA-Impfstoffes. Er habe kein Problem mit Impfungen an sich, erklärt er — er habe sich sonst immer impfen lassen und damit der Gesunderhaltungspflicht Genüge getan. Durch seine strikte Ablehnung war klar, dass ein Zivilgericht angerufen werden würde. Im Oktober 2022 wurde der Oberfeldwebel vom Amtsgericht Ingolstadt zu 2.500 Euro auf Bewährung verurteilt — alternativ zu sechs Monaten Haft.

Der Soldat verteidigte sich selbst vor Gericht. Er hatte bei einem Kollegen, der einige Zeit zuvor aus demselben Grund als Angeklagter vor dem Amtsgericht gestanden hatte und der bestens anwaltlich beraten worden war, gesehen, dass dieser Prozess nicht zu gewinnen war. Bittner zitierte vor dem Richter den Paragrafen zur Gesunderhaltungspflicht, um seine Weigerung nachvollziehbar zu machen, denn dort liest man unter Absatz 4:

„Nicht zumutbar ist eine ärztliche Maßnahme, die mit einer erheblichen Gefahr für Leben oder Gesundheit verbunden ist.“

Die Bundeswehr hielt mit demselben Paragrafen dagegen; dort steht im Absatz 1 unter anderem:

„Der Soldat hat alles in seinen Kräften Stehende zu tun, um seine Gesundheit zu erhalten oder wiederherzustellen. Er darf seine Gesundheit nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig beeinträchtigen.“

Mit dem Beschluss gegen Bittner bestätigte das Amtsgericht Ingolstadt, dass die Rechte des Staates weit in die körperliche Autonomie des Soldaten hinreichen.

Bittner wusste für sich selbst sofort, dass er diese Summe nicht bezahlen würde. Nicht, weil es ihm an Geld mangelte — es bot sich sogar jemand an, die Zahlung zu übernehmen. Für Bittner wäre das ein Schuldeingeständnis gewesen, also lehnte er auch diese finanzielle Hilfe ab. Dass man tatsächlich die Haftstrafe anstreben würde, glaubte er zu diesem Zeitpunkt ohnehin nicht. Fast zwei Jahre gingen dann ins Land — Schreiben gingen hin und her, die lange Zeit schien Bittner recht zu geben. Aber im September 2024 forderte man ihn doch noch auf, die Haft anzutreten. Zu diesem Zeitpunkt war die COVID-19-Impfpflicht im Soldatengesetz bereits ausgesetzt.

Ein Vater dreier Kinder im Gefängnis

Im Mai 2024 wurden Bundeswehrsoldaten davon befreit, sich gegen COVID-19 impfen zu lassen. Bittner legt großen Wert darauf, hinzuweisen, dass sie nicht beendet, sondern eben nur ausgesetzt wurde: „Sie kann jederzeit wieder eingeführt werden.“

Frau Bittner versuchte ihren Ehemann gar nicht erst davon zu überzeugen, die Geldstrafe zu leisten und es damit auf sich beruhen zu lassen. Die Bittners haben drei Kinder. Allesamt minderjährig.

Was sagt man den Kindern, wenn der Vater ins Gefängnis geht? Zumal wenn er nichts getan hat, was so eine Strafe unter humanen Gesichtspunkten rechtfertigt?

Den beiden Größeren habe man die Wahrheit gesagt, erklärt Bittner. Dem jüngsten Kind erzählte man aber, dass der Papa einen längeren Dienstaufenthalt in der Fremde antreten musste. Als klar war, dass er die Strafe antreten muss, sorgten sich die Bittners auch um ihren Lebensunterhalt, denn der Sold wird gemeinhin bei Haftstrafen von Bundeswehrpersonal ausgesetzt. Er habe ihn aber bekommen, wie er nach einiger Zeit auf seinem Konto sehen konnte. Auf Nachfrage sagten ihm seine Vorgesetzten, dass irgendwer in Berlin entschieden habe, den inhaftierten Impfverweigerern weiter den Sold zu überweisen. Wer das war und zu welchem Zweck, hat er nicht herausgefunden.

Dass Bittner sein Konto checken konnte, deutet schon darauf hin, dass er eine besondere Stellung im Gefängnis hatte. Auf Nachfrage bestätigt er, dass das Gefängnispersonal sehr bemüht war, ihm das Leben nicht unnötig schwer zu machen. Die Gefängnisleitung entschuldigte sich gar: Man müsse hier nur leider umsetzen, was das Gericht anordnete. Bittner erhielt mehrfach Hafturlaub. Seine Mitgefangenen schüttelten nur ungläubig den Kopf — sie seien aber allesamt kleine Fische gewesen, mit Mördern saß er nicht ein.

Das alles erzählt Alexander Bittner in aller Gelassenheit. Man spürt zwar, dass er sich selbst über den Verlauf seines Berufslebens wundert — aber zu emotionalen Ausbrüchen lässt er sich nicht hinreißen. Einzig als er sagt, dass er keine Uniform mehr tragen möchte, spürt man seine Verletzung. Er spricht indes weniger dramatisch von einer Enttäuschung, als ich ihn frage, wie er den Umstand sieht, dass er in einem Ernstfall sein Leben einsetzen müsste, gleichzeitig aber von dem Land, das er laut Grundgesetz verteidigen sollte, eingesperrt wird.

Der nächste Gerichtstermin wartet

Dazu wäre er natürlich bereit gewesen, erläutert er. Sicher, an sich sieht er seinen Dienst bei der Bundeswehr als normalen Job, sein Berufsfeld dort war die IT. Wenn er da andere Kollegen sehe, übrigens Kollegen mit rein deutschem Hintergrund, also anders als er, der er kasachische Wurzeln hat, dann staune er nicht schlecht: Die betonten immer wieder, dass sie das Gewehr wegschmeißen würden, wenn Deutschland angegriffen würde. Verwunderlich sei das jedoch nicht, denn die Bundeswehr sei ziemlich schlecht ausgestattet.

Wer nun glaubt, dass Alexander Bittner nach seiner Verurteilung keinen Dienst geschoben hat, der täuscht sich. Obwohl er, der ungeimpfte Soldat, offenbar eine solch dramatische Bedrohung war, dass man ihn vor ein Zivilgericht zerren musste, kam er täglich zum Dienst — ohne Fehltag, wie Bittner ergänzt.

Im Oktober 2023 fungierte er gar als Übersetzer bei der Ausbildung ukrainischer Soldaten. Für seine Vorgesetzten galt er, der Zuverlässige, allerdings als nicht mehr zuverlässig. Denn sich nicht impfen zu lassen, stellte für sie eine ungehörige Gehorsamsverweigerung dar. Das ist es, was man ihm eigentlich unterstellt und was das Amtsgericht auch bestrafte. Kann man mit Soldaten die Landesverteidigung bewerkstelligen, wenn sie den Gehorsam verweigern? Auf diese Frage fokussierte man sich innerhalb der Bundeswehr – und wollte offenbar ein Exempel statuieren.

Im Moment wartet Bittner auf einen Termin beim Truppendienstgericht, einer Instanz innerhalb der Bundeswehr. Ein solches Verfahren sei üblich nach einer Haftstrafe, weiß der Oberfeldwebel. Man muss sich bald schon korrigieren: Denn danach wird er unter Umständen kein Oberfeldwebel mehr sein. Eine Degradierung sei ziemlich sicher. Bittner ist das aber egal, er möchte der Truppe den Rücken kehren und einen zivilen Beruf ergreifen. Auch das erklärt er ohne Dramatik — er werde schon einen Job finden.

Er lacht, als ich ihn zum Abschluss frage, ob er denn Berichte bei ARD und ZDF erwartet habe. Sicher nicht, lässt er mich wissen. Aber dass einige Alternativmedien berichtet hätten, dafür sei er sehr dankbar. Dann erhebt er sich, trinkt sein Mineralwasser aus, plaudert noch ein bisschen und macht sich wieder auf den Weg ins mehr als 300 Kilometer entfernte Ingolstadt, nicht ohne einen festen Händedruck zum Abschluss.

Ja, dieser Alexander Bittner ist wirklich keiner, der zum Opfer taugt. Dazu hat er einfach zu viel Rückgrat.


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