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Die Wohlstandsverwahrlosung

Die Wohlstandsverwahrlosung

Materieller Überfluss und kapitalistische Ideologien stehen im direkten Zusammenhang mit der Genderideologie.

Die Genderideologie ist seit einigen Jahren auf dem Vormarsch. Damit ist nicht allein das Gendern in der Sprache gemeint, jene nervige Sprechpause, die jedem Substantiv eine vermeintlich weibliche Form folgen lässt und in der geschriebenen Sprache als Sternchen, Binnen-I oder Doppelpunkt dargestellt wird. Denn hinter dieser Verunstaltung der Sprache steckt die Vorstellung vermeintlich anderer als der beiden bekannten Geschlechter. Diese seien, so die Idee, durch das Sternchen alle miteinbezogen, sodass sich jedes Geschlecht angesprochen fühlen kann. Daher gibt es innerhalb der Kreise, die diese Form der Sprache vorantreiben, Streitigkeiten über die richtige Form des Genderns. Einige meinen, nur das Sternchen beziehe auch die übrigen Geschlechter mit ein, während das Binnen-I und der Doppelpunkt lediglich die männliche und weibliche Form darstellten.

Hinter dieser Überzeugung steht also die Vorstellung, es gebe neben dem Männlichen und dem Weiblichen noch weitere Geschlechter. Die Palette ist hier nahezu unendlich groß, die Bezeichnungen sind mannigfaltig. Zusammengefasst wird all das unter der Bezeichnung „queer“, was eine irgendwie geartete Andersartigkeit ausdrücken soll. Immer mehr vor allem junge Menschen fühlen sich in dem klassischen Geschlechterschema von männlich und weiblich nicht mehr vertreten. Sie wählen daher andere Bezeichnungen für sich, ändern ihren Kleidungsstil und ihr Auftreten entsprechend und bestehen darauf, mit anderen Pronomen angesprochen zu werden.

Bei einigen geht dieses Unbehagen mit dem eigenen biologischen Geschlecht sogar so weit, dass sie sich Operationen unterziehen, um ihr biologisches Geschlecht zu ändern; in der Szene spricht man von einer „Angleichung“, da das biologische Geschlecht dem gefühlten angeglichen wird. Man könnte diese Thematik als Randerscheinung unserer Gesellschaft betrachten. Das ist es keineswegs. Denn sie ist nicht nur medial äußerst präsent. In den öffentlich-rechtlichen Sendern und vielen Zeitungen wurde das Gendersternchen mittlerweile eingeführt und wird standardmäßig verwendet. Auch gibt es ganze Online-Formate des öffentlich-rechtlichen Funk-Programms — also von mit Zwangsgebühren finanzierten Kanälen —, die sich beinahe ausschließlich mit diesem Thema beschäftigen und es auf diese Weise normalisieren und propagieren.

Hinzu kommt, dass mittlerweile in Schulen und Kindergärten bereits den kleinsten Kindern beigebracht wird, dass es mehr als nur zwei Geschlechter gebe. Damit werden Kinder, die auf ihrem Weg ins Erwachsenendasein ohnehin schon oft verwirrt und instabil sind, weiter verunsichert, und ihnen wird eine vermeintliche Orientierung gegeben in eine Richtung, an deren Ende eine Geschlechtsangleichung steht. Das ist zwar keine zwingende Folge, aber die Wahrscheinlichkeit wird durch die Indoktrination erhöht.

Nun könnte man annehmen, dass dies nur wenige Jugendliche betrifft. Doch es handelt sich nicht um ein Nischenphänomen unter Jugendlichen, keine neue Form der Jugend-Subkultur, sondern um eine Ideologie, die auf gesamtgesellschaftlicher Ebene vorangetrieben wird.

Vor allem aktuelle Regierungen überall im Westen reiten das Diversitäts-Pferd, wie man an Nancy-Faesers Auftritt bei der Fußball-WM in Katar mit Regenbogen Binde und unlängst auch an der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele beobachten konnte, die den Woke-Wahnsinn auf eine völlig neue Spitze trieben. Auffällig ist, dass die Ideologen in Politik und Medien, die dieses Thema vorantreiben, meist der akademischen Mittelschicht entstammen, die nie im Leben materielle Sorgen hatte. So gibt es durchaus den Vorwurf, dass es diesen Menschen einfach zu gut gehe, weshalb sie sich über solch abseitige Dinge wie Geschlechteridentität und Gendersternchen Gedanken machen und dabei vollkommen in die Irre rennen. Doch nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein.

Denn erstens handelt es sich bei der woke-Ideologie um eine Form des Social-Engineerings, die an Universitäten und Think Tanks erdacht und in die Gesellschaft injiziert wird. Dabei geht es nicht um die vermeintliche Gleichberechtigung von Andersartigen, die diskriminiert werden, sondern, und auch hier genügt als Beispiel die Eröffnungsfeier der olympischen Spiele, um einen Kulturkampf, der gegen die Kulturen und Geschichte der westlichen Gesellschaften geführt wird. Doch darum soll es hier gar nicht gehen. Denn dieser Kampf kann nur deswegen erfolgreich geführt werden, weil die Ideologie auf willige Vollstrecker, vor allem in der jugendlichen Bevölkerung und unter den jungen Erwachsenen trifft, die sie sich zu eigen machen, und nach dieser ihr Leben gestalten. Hier ist also bereits die psychologische Grundlage vorhanden, die diese Ideologie attraktiv erscheinen lässt.

Aus der mangelnden Identifikation mit dem eigenen Geschlecht und dem Wunsch, dieses zu ändern, spricht eigentlich großes Leid. Hier wird eine tiefe Traumatisierung der eigenen Identität sichtbar. Die jungen Menschen fühlen sich in ihrer Identität nicht sicher oder haben überhaupt keine eigene Identität vorzuweisen, sodass sie sich mit allen Mitteln eine verschaffen müssen, und sei es durch die Zugehörigkeit zu einer als anders empfundenen Gruppe und der Änderung des eigenen Geschlechts. Identitätstraumata werden dabei auf das Geschlecht projiziert, in der Hoffnung, das eigene Leid auf diese Weise durch eine Behebung im Außen lindern und eine eigene Identität entwickeln zu können.

Ein typischer Auslöser von Identitätstraumata sind frühkindliche Erfahrungen im Elternhaus. Wenn beispielsweise Eltern nie zufrieden mit ihrem Kind sind, es ständig kritisieren oder zurechtweisen, dann wächst in dem Kind die Überzeugung heran, es selbst sei nicht gut genug. Kinder sind auf die Anerkennung und Liebe ihrer Eltern angewiesen, weil diese ihr Überleben sichern. Kinder, die diese Anerkennung und Liebe nicht erhalten, werden daher alles tun, um ihre Eltern zufriedenzustellen. Sie machen sich in ihrem Sein — und damit in ihrer Identität — vollkommen von ihnen abhängig und übernehmen die Identität ihrer Eltern. Werden sie dann älter, setzt normalerweise der Prozess der Loslösung von den Eltern ein. Das führt auch zu einer Loslösung der Identität, die ja bis dahin mit jener der Eltern verschmolzen ist. Da diese Kinder nie eine eigene Identität entwickeln konnten, tritt jetzt an diese Stelle eine große Leere. Die Kinder fühlen sich falsch, nicht zugehörig — und haben keine eigene Vorstellung von sich selbst.

Daher suchen sie nun im Außen nach einer neuen Form der Identität und finden sie, auch vermittelt durch soziale Netzwerke und Medien, in diesem abseitigen Thema.

Denn was diese Menschen teilen, ist ein Gefühl der Andersartigkeit, die sie jedoch nicht zu benennen wissen. Erst die Queer-Propaganda als Angebot verschafft ihnen eine Palette an Begriffen, in die sie ihre Unsicherheit verpacken können. Dann meinen sie zu verstehen, warum sie sich so anders fühlen, und hoffen, den eigenen Mangel der Identität durch die Verknüpfung mit dem Geschlechterthema auflösen zu können.

Hier wird auch deutlich, warum es oftmals Kinder der akademischen Mittelschicht sind, die in diese Genderfalle tappen. Denn häufig sind gerade deren Eltern nie mit ihren Kindern zufrieden. In vermeintlich bester Absicht versuchen sie, ihre Kinder auf Leistung zu drillen. Sie fordern gute Schulnoten, das Erlernen von Fremdsprachen, noch bevor die Kinder ihre Muttersprache richtig beherrschen. Schon kleine Kinder werden auf eine von den Eltern anvisierte akademische Ausbildung vorbereitet und auf diese Weise nach elterlichen Vorstellungen geformt. Die Kinder haben keine andere Wahl, als sich diesen Vorstellungen der Eltern zu beugen, da sie auf deren Anerkennung und Liebe angewiesen sind.

Da materielle Sorgen in diesen Kreisen nicht verbreitet sind und Ideale einen höheren Stellenwert als Materialismus einnehmen, projizieren die daraus hervorgegangenen Kinder ihren Wunsch der Identitätsbildung immer weniger in Karrieren und materiellen Erfolg, wie das noch frühere Generationen getan haben. Denn das Thema der materiellen Existenzsicherung spielt in der akademischen Mittelschicht selten eine wirkliche Rolle. Statt einen hohen materiellen Status anzustreben, wird ein extremer Kult der Individualität gepflegt.

Dieser geht hervor aus der neoliberalen Ideologie der Selbstverwirklichung und Selbstoptimierung, die ungefähr in den 1980er Jahren aufgekommen und auch heute noch — obwohl der Neoliberalismus längst nicht mehr existiert — tief in den Köpfen der Menschen verankert ist. Er predigt die absolute Individualität und bürdet jede Verantwortung für materiellen Erfolg oder Misserfolg dem Einzelnen auf. Der Mensch selbst ist demnach für sein Glück verantwortlich, während die gesellschaftlichen Zustände, in denen er lebt, vollkommen ausgeblendet wurden. Wenn also ein Kind eines arbeitslosen Empfängers von Sozialleistungen nicht zum angesehenen Hochschulprofessor wird, ist das ganz allein seine eigene Schuld und hat nichts mit den sozialen Verhältnissen des Kindes zu tun. Natürlich war das schon immer nichts weiter als eine Ideologie, die eine brutalere Ausbeutung der Gesellschaft ermöglichen sollte.

Das führte jedoch dazu, dass der Einzelne sich selbst konsequent optimieren musste, sich immer besser an das System anpassen und möglichst Alleinstellungsmerkmale erwerben und zur Ich-AG werden musste, um sich in der Konkurrenz aller gegen alle durchzusetzen, die darüber hinaus sogar auf die globale Ebene gehoben wurde.

Das hat zu einem Kult der Selbstoptimierung geführt, der sich auch in den zahlreichen Coaching-Angeboten ausdrückt, die einem vermeintlich helfen, das Lebensglück oder Reichtum zu finden.

In Verbindung mit einer aus eher linken Kreisen stammenden Vorstellung, Diskriminierungen abschaffen zu wollen, entwickelte sich daraus eine Genderideologie, welche diese Alleinstellungsmerkmale und Selbstoptimierung mit dem Geschlecht verknüpfte. Gefördert wurde dies von den Hochschulen, in denen diese Ideologie ausgearbeitet und propagiert wurde, um den echten Feminismus, der auch an den gesellschaftlichen Verhältnissen zu rütteln begann, zu unterdrücken. Durch Parteien und Institutionen wurde diese Ideologie zur Staatsräson erhoben — und wird seitdem propagiert und allen Menschen aufgezwungen, zuletzt durch das Selbstbestimmungsgesetz.

Der Neoliberalismus hat zudem die Gesellschaft atomisiert. Aus einer Gemeinschaft wurden nebeneinander lebende Individuen ohne echte Verbindung. Der Konkurrenzkampf aller gegen alle um die immer weniger werdenden materiellen Mittel haben jedes Gefühl der Zusammengehörigkeit zerstört. Menschen sind aber soziale Wesen und auf ein Gefühl der Zugehörigkeit angewiesen. Für sie ist es überlebenswichtig, zu einer Gruppe zu gehören. Da dieses auf nationaler Ebene nicht mehr gegeben war, eben weil ein Konkurrenzdruck etabliert wurde, der jeden zu einem potenziellen Gegner machte, suchen sich die jungen Menschen andere Zugehörigkeiten.

Wie sie diese finden, hängt dabei weitgehend vom Zufall ab. Sei es die bevorzugte Musik, die sie zum Teil einer Subkultur macht, oder idealistische Vorstellungen verschiedenster Art. In jüngerer Zeit spielen die sozialen Medien eine immer größere Rolle bei dieser Wahl der Zugehörigkeit. Und diese finden sie vermeintlich in der Genderideologie. Gefördert wird dies noch durch die Schulen, welche diese Ideologien mittlerweile lehren, sowie den Universitäten, an denen Gender Studies unterrichtet werden und in denen es viele pseudolinke Gruppierungen gibt, die sich mit diesen Themen auseinandersetzen und eine Gruppe bilden, die das Bedürfnis nach Zugehörigkeit zumindest scheinbar erfüllen können.

Es geht diesen Menschen, die sich in ihrem Geschlecht — vermeintlich — unwohl fühlen, also ganz und gar nicht „zu gut“. Im Gegenteil, sie leiden enorm und versuchen, dieses Leid durch Veränderungen im Außen zu beheben. Natürlich trifft das nicht auf einhundert Prozent der Fälle zu, kann aber als Tendenz beobachtet werden. Ähnlich wie diesen jungen Menschen geht es aber auch jenen, die im krassen Gegensatz zu dieser Ideologie stehen. Seien es junge Menschen, die zurück zur Religion finden oder die in rechten Kreisen verkehren, ihre Identität also wahlweise mit der kirchlichen Institution, der Nation oder anderen Ideologien verbinden und dabei gegen die Genderideologie hetzen.

Der Gegensatz ist hier nur scheinbar. Hinter allem stehen Traumata und eine tiefe Identitätskrise — und der Versuch, diese, allerdings auf unterschiedliche Weise, im Außen aufzulösen. Der Unterschied ist lediglich, dass Nation oder Religion als Zugehörigkeit und Identität stiftende Konstrukte schon länger etabliert und daher anerkannter sind.

Zudem sind gerade jene, die besonders allergisch auf die Genderideologie reagieren, denen, die sie scheinbar bekämpfen, besonders ähnlich. Getreu der Weisheit, dass man im Außen immer das abwehrt, was man auch in sich selbst bekämpft, machen sich diese betont Konservativen auf gewissen YouTube-Kanälen über die Genderideologie und ihre Protagonisten lustig und geben sie auf billige und primitive Art der Lächerlichkeit preis. Diese betont Konservativen lassen sich von ähnlichen Traumata leiten, lösen sie aber auf eine andere Art und Weise auf — und stellen sie ebenso ungeniert zur Schau wie die Genderideologen die ihren.

Damit ist beides, sowohl die Genderideologie als auch deren scheinbares Gegenteil, ein Ausdruck des in unserer Gesellschaft weit verbreiteten Leids. Dieses ist das Ergebnis eines Turbokapitalismus, der in atemberaubender Geschwindigkeit jeden gesellschaftlichen Zusammenhalt und alle Selbstverständlichkeiten des Seins schleift, um den Menschen der totalen Verwertung zuzuführen und die Ausbeutung in immer neue Höhen zu treiben. Es ist nicht damit getan, diese Trends lächerlich zu machen oder zu ignorieren, da sie bewusst dazu genutzt werden, die Gesellschaft zu spalten, um Macht auszuüben und Widerstand zu verunmöglichen. Es sind zudem nur Symptome einer tieferen Krankheit, die letztlich auf Jahrtausende der Traumata zurückzuführen sind, die durch die Herrschaft von Menschen über Menschen und die damit verbundene Gewalt entstanden sind — und über den Kapitalismus in die Genderideologie mündeten.

Wollen wir diesen Symptomen wirkungsvoll begegnen, wäre ein Weg, sich mit den eigenen Traumata auseinanderzusetzen, sie zu integrieren und sich nicht mehr von ihnen bestimmen zu lassen. Wenn viele Menschen diesen Weg gehen, dann können auf diese Weise die fortwährend traumatisierenden Strukturen, die uns beherrschen, aufgelöst werden. Dieser innere Wandel ist notwendig, um den Wandel im Außen herbeizuführen oder zumindest nachhaltig zu etablieren. Das Eine ohne das Andere führt in keine bessere Zukunft, sondern ist im besten Fall wirkungslos — und reproduziert im schlimmsten Fall die destruktiven Muster.


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