Ausländer rauswerfen und den Rechten nach dem Mund reden — schon sind die seit Jahrzehnten ungelösten sozialen Probleme geklärt und die sozialen Verlierer befriedet? Warum und wofür haben die etablierten Parteien in Wirklichkeit die rote Karte bekommen? Noch vor der Sachsenwahl hatte bei Umfragen die soziale Sicherheit die wichtigste Rolle für die Wahlentscheidung eingenommen.
Mit der alleinigen Fokussierung auf die Migrationsproblematik wird geschickt abgelenkt von der sozialen Schieflage in Deutschland mit steigender Ungleichheit und Ungerechtigkeit. Die fehlgeleiteten Antworten der Parteien gehen an den Bedürfnissen der Menschen vorbei, die sich in immer größerer Zahl frustriert den Rechtspopulisten zuwenden.
Die soziale Frage spaltet die Gesellschaft mehr als die Migrationsfrage
Es ist weniger die Migrationsfrage als vielmehr die soziale Frage und Gerechtigkeitsfrage, einschließlich Steuergerechtigkeit, die unsere Gesellschaft spaltet und die Demokratie gefährdet sowie die Rechtspopulisten stärkt. Das begreifen anscheinend weder die Regierungsparteien noch die Oppositionsparteien, die sich nun der erstarkenden AfD konzeptionslos entgegenstellen oder sich deren Parolen sogar zu eigen machen. In Wirklichkeit haben die wirtschaftlichen Verwerfungen seit der Corona-„Pandemie“ und den Kriegsfolgen einen erheblichen Einfluss auf die Ausbreitung rechtspopulistischer Ideologien, wie es Forscher ermittelt haben. Denn auch hier spielen der Faktor Arbeit und die finanziellen Verhältnisse in den Haushalten eine Rolle. Jeder fünfte ältere Mensch in Deutschland ist armutsgefährdet. Besonders häufig sind Frauen betroffen, die jedoch weniger anfällig sind für rechten Populismus als die Männer mittleren Alters.
Die soziale Ungleichheit befördert den Rechtspopulismus und gefährdet die Demokratie
Wie schon zu Jahresbeginn der Oxfam-Bericht am „Welttag der sozialen Gerechtigkeit“ festgestellt hat, fördert die soziale Ungleichheit den Rechtspopulismus und gefährdet die Demokratie. Die Gesellschaft und die Demokratie stehen vor einer immer größeren Zerreißprobe infolge der ungleichen Vermögens- und Einkommensverteilung, wie auch in der gestrigen ARD-Sendung „hart aber fair“ thematisiert. Das hält die demokratischen Parteien der Mitte nach den desaströsen Landtagswahlergebnissen in Ostdeutschland nicht davon ab, dem politischen Rechtsruck mit bornierten Trugschlüssen begegnen zu wollen: Indem sie daraufhin in der Migrationsfrage gemeinsam die „politische Brandmauer nach rechts“ durchbrechen, gefährden sie damit selber die Demokratie und damit auch die Zukunft unserer Kinder. Der immer mehr vernachlässigte Kampf gegen den bedrohlichen Klimawandel erscheint nur noch als bloßes Randthema, obwohl er die betroffene Jugend bewegt.
Anhaltende soziale Missstände werden politisch ausgeblendet
Gerade ein paar Wochen liegt der internationale „Tag der Demokratie“ vom 15. September zurück, der zur Förderung und Verteidigung der Demokratie gedacht ist, gefolgt vom „Weltkindertag“ am 20. September und am 1. Oktober dem internationalen „Tag der älteren Generation“, die in Deutschland zu fast 20 Prozent von zunehmender Altersarmut gebeutelt ist und sich in die länger werdenden Schlangen der Suppenküchen einreihen muss. Trotzdem kürzt der Bund die Steuerzuschüsse zur Rentenkasse in Höhe von bis zu zehn Milliarden Euro. Die finanzielle Last liegt bei den Beitragszahlern. Und den über zwei Millionen in Armut lebenden Kindern mit Bildungsbenachteiligung wurde die in Aussicht gestellte Kindergrundsicherung wieder gestrichen.
Die Wohnungslosen und Wohnungssuchenden, die vergeblich eine bezahlbare Wohnung suchen, werden im Stich gelassen. Die Zahl der Wohngeldempfänger hat sich in diesem Jahr dafür verdoppelt, wie heute bekannt wurde. Und für die Pflegebedürftigen und Geringverdiener wird auch nach Jahrzehnten keine Hoffnung auf Besserung ihrer finanziellen Engpässe eröffnet.
Die unterfinanzierten Kommunen sind in einer dauerhaften Notlage, und die Berufspendler müssen sich noch Jahrzehnte gedulden, bis ihre Mobilität auf Schienen und Straßen wiederhergestellt ist. Von der anhaltenden Bildungsmisere und Bildungsarmut noch gar nicht zu reden.
Nach Ablösung der Ampelregierung: Friedrich Merz als Heilsbringer?
Deshalb sind laut ARD-Trendumfrage aktuell 84 Prozent mit der Arbeit der Ampelkoalition unzufrieden und nur 18 Prozent mit der Arbeit von Bundeskanzler Scholz zufrieden. Doch 50 Prozent glauben aktuell, dass eine von der CDU/CSU geführte Bundesregierung unter einem Kanzler Friedrich Merz, der sich schon als Wahlsieger sieht, ähnlich schlecht abschneiden würde. Nur 25 Prozent trauen der Union bessere Problemlösungen zu. Weder dem bisherigen Kanzler Olaf Scholz noch dem designierten Kanzlerkandidaten und Multimillionär Friedrich Merz trauen also die Wählerinnen und Wähler Problemlösungen zur Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse und Perspektiven zu.
Merz strebt einen ordnungspolitischen Rechtskurs mit weniger Sozialleistungen und weniger Klimaschutz sowie mehr Arbeitseinsatz für die Arbeitnehmer an. Doch die Arbeit wird in Deutschland höher besteuert als das Vermögen und als in den meisten anderen OECD-Ländern.
Würde man die Lohn- und Einkommensteuern senken und stattdessen die geringen Sätze der Erbschafts- und Schenkungssteuer erhöhen, könne Arbeit finanziell attraktiver werden. Stattdessen sparen mit dem neuen steuerlichen „Entlastungspaket“ die Reichen viermal mehr Steuern als Arme.
Im Fall der Ablösung der glücklosen Ampelregierung im nächsten Bundestagswahljahr würde ein Kanzler Friedrich Merz, seines Zeichens Multimillionär und ehemaliger BlackRock-Aufsichtsrat mit klimaschädlichem Privatjet und Ferienvilla am Starnberger See, die sozialen Verlierer noch weniger im Blick haben, davon sind laut Umfragen die meisten überzeugt. In einem Interview mit der BILD-Zeitung suggerierte er vor zwei Tagen den Menschen, sie müssten nur mehr arbeiten, dann würden sie auch am steigenden Wohlstand teilhaben. Die Arbeitnehmer könnten ja quasi Friedrich Merz zum Vorbild nehmen, indem sie seinen „hart erarbeiteten“ wirtschaftlichen Erfolg als Spitzenverdiener — durch ungezählte Aufsichtsratsmandate — einfach nachmachen. Mehr Zynismus, Arroganz und Selbstgefälligkeit gehen nicht.
Wo bleibt die überfällige Bekämpfung von Armut, Wohnungslosigkeit und sozialer Ausgrenzung?
An den sozialen Missständen in Deutschland waren und sind alle Parteien der Mitte – CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne — im Laufe ihrer verschiedenen Regierungsbeteiligungen der letzten Jahrzehnte in Bund und Ländern vollumfänglich mitbeteiligt und dafür verantwortlich, sodass sie jetzt um ihre Macht bangen. Die Geduld des Wahlvolkes ist am Ende — jetzt bekommen die etablierten Parteien dafür ihre Quittung, denn ihren erneuten Versprechungen vermag aus der verlorenen Generation kaum noch jemand zu vertrauen. Noch in ihrer vorletzten Regierungserklärung beklagte CDU-Kanzlerin Merkel: „Kinderarmut ist eine Schande für unser Land“ — so als ob sie nicht dafür politisch maßgeblich mitverantwortlich gewesen wäre. Der Kampf gegen Armut in unserem Land ist beschämend. Die Armut wird somit von Generation zu Generation weitergegeben.
Es sind die immer selben Parteien, die seit 30 Jahren in wechselnden Koalitionen und Konstellationen die ungebremst steigende Armutsquote, insbesondere die Kinderarmut und Altersarmut sowie die Wohnungslosigkeit und die Schlangen an den Tafeln bei der Armenspeisung, nicht zu beheben in der Lage oder willens sind.
Dafür gibt es keine verbindlichen Zielvorgaben und keinen Zeitrahmen, sondern die Probleme werden ausgesessen. Die soziale Unwucht im Lande scheint ihnen seit Jahrzehnten egal zu sein, denn ihre wiederholten Wahlkampfversprechen zum Thema „Soziale Gerechtigkeit“ haben sie nie eingehalten, sonst würde sich der Anteil der sozialen Verlierer nicht stetig weiter erhöhen im ausgeblendeten Verteilungskampf „oben gegen unten“.
Wer Armut bekämpfen will, darf soziale Ungleichheit und gerechte Steuerpolitik nicht vergessen. In Deutschland muss eine Friseurin, die an der Armutsgrenze verdient, einen größeren Anteil ihres Arbeitslohns für Krankenversicherungsbeiträge bezahlen als der Oppositionsführer im Bundestag. Für die Rentenkasse zahlt dieser überhaupt keinen Beitrag, erhält aber dafür nach wenigen Jahren eine deutlich höhere Rente als jeder Arbeitnehmer nach einem langen Berufsleben. Das ist nicht gerecht, aber Realität im Sozialsystem. So ungerecht geht es in Deutschland zu.
Drastische Kürzung der Sozialleistungen in Nordrhein-Westfalen als schwarz-grüne Wahlgeschenke ?
Schon im März 2024 forderte der Europarat mehr Anstrengung von Deutschland bei der Bekämpfung von Armut, Wohnungslosigkeit und sozialer Ausgrenzung im reichen Deutschland. Doch die politischen Reaktionen und Konsequenzen der Parteien blieben aus. Auf den Bericht des Europarates gab es keinerlei politische Reaktion oder Konsequenz, sondern nur betretenes Schweigen einerseits und der immer lautere Ruf nach Kürzung und Beschränkung von Sozialleistungen andererseits. Damit wird absehbar die soziale Ungleichheit im Lande noch weiter zunehmen statt abnehmen. Fast 15 Millionen Menschen leben in Deutschland bereits in Armut. Die Parteien machen also das genaue Gegenteil des Notwendigen. Der Vorwurf der Protestwähler lautet deshalb: „Sie regieren gegen das Volk statt für das Volk.“
In NRW hat die schwarz-grüne Landesregierung unter Hendrik Wüst in ihrem aktuellen Haushaltsentwurf für 2025 drastische Einsparungen im sozialen Bereich vorgesehen: weniger Geld für die Bekämpfung von Armut und Wohnungslosigkeit, Halbierung der Gelder für Alter und Pflege sowie für behinderte Menschen und deren berufliche Inklusion. Die Zuwendungen für die Wohlfahrtsverbände werden um ein Drittel gekürzt. Kürzungen und Einsparungen erfolgen außerdem bei der Suchthilfe, der Familienberatung, der Hilfe für gewaltbetroffene Frauen, beim Verbraucherschutz und bei der Prävention für Kinder und Jugendliche, außerdem für die soziale Beratung der Geflüchteten, mit katastrophalen Auswirkungen für die soziale Infrastruktur. Sollen damit die abtrünnigen Wähler zurückgewonnen werden – oder hofft man allein auf den Nebenkriegsschauplatz der Migrationspolitik?
9 Regierungen mit 5 Parteien in 4 verschieden Koalitionen haben ihre Chancen verspielt
Damit gefährden die maßgeblichen Parteipolitiker in Regierung und Opposition in höchstem Maße die Demokratie und treiben Wählerinnen und Wähler scharenweise zu den Rechtspopulisten. Denn wen können und sollen die von sozialer Benachteiligung immer mehr betroffenen Menschen überhaupt noch wählen, wenn sich mit keinem Partei- oder Regierungswechsel der letzten 35 Jahre ihre soziale Perspektive verbessert hat, sondern im Gegenteil immer weiter verschlechtert, wie auch von den Sozialverbänden und Gewerkschaften bemängelt, egal, welche Parteien jeweils an der Macht sind?
Seit etwa 1990, seitdem die Armutskurve stetig ansteigt, waren neun verschiedene Regierungen an der Macht – schwarz-gelbe, rot-grüne, schwarz-rote sowie die rot-grün-gelbe „Ampel“. Deren jeweils verkündete „Armutsbekämpfung“ blieb in all den Jahrzehnten erfolglos, weil halbherzig, unzureichend und kontraproduktiv, wie die eigenen jährlichen Armutsberichte der Regierungen folgenlos offenbarten. Dafür wurden die Reichen alljährlich reicher und profitierten von der andauernden Umverteilung von unten nach oben. Auch nach zehn Jahren ist immer noch nicht der CumEx-Steuerskandal aufgearbeitet, wo durch dubiose Bankgeschäfte dem Fiskus rund 36 Milliarden Euro verlorengingen, die bis heute nicht zurückgeholt wurden — im Gegenteil wurde das „Bürokratie-Entlastungsgesetz“ auf den Weg gebracht, mit dem es Ermittlern erschwert wird, Steuerbetrügereien wie CumEx zu verfolgen. Angeklagte Banker gehen sogar juristisch gegen ermittelnde Staatsanwälte und Kronzeugen vor. Verkehrte Welt der Bankenherrschaft?
Bloßer Regierungswechsel ohne Politikwechsel gefährdet Demokratie
Ein bloßer Regierungswechsel ohne gleichzeitigen Politikwechsel im Interesse des Volkes ist kein Beweis funktionierender Demokratie, sondern nur ein Austausch von Köpfen aus der selbst nicht betroffenen, weil privilegierten Politikerkaste. Es mangelt dort an Empathie für die sozial Betroffenen und an politischem Mut zur Umverteilung von oben nach unten durch eine gerechte Steuerpolitik, statt weiterhin die umgekehrte Verteilung voranzutreiben: Deshalb wächst ungebremst die Reichtums-Armuts-Schere immer weiter, und das nun schon seit Jahrzehnten — ohne Lichtblick auf Veränderung. Nach wie vor wird den Reichsten kein angemessener Steueranteil an den aufzubringenden Sozialkosten abverlangt, sondern umgekehrt die Umverteilung von der öffentlichen Hand in die privaten Taschen praktiziert, auch wenn das Gemeinwohl und der soziale Zusammenhalt darunter leiden.
„Soziale Unwucht“ bei den Entscheidungen der Ampelregierung
Jüngst beklagte der verdi-Gewerkschaftsvorsitzende Frank Werneke die „soziale Unwucht“ bei den „irren Entscheidungen der Ampelregierung“ mit „Griff in die Sozialkasse und Rentenkasse zugunsten von Lieblingsprojekten der FDP“ wie das unsinnige „Wachstumschancengesetz“. Es sei schlimm, dass sich SPD und Grüne von der kleinen FDP „im Nasenring durch die Arena ziehen“ ließen. Werneke: „Das Ganze ist ein tägliches Fest für die AfD.“ Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung und Arbeitnehmerschaft mit der Regierungspolitik nehme täglich zu.
In der Ampelregierung hat sich die FDP vor allem mit einem rigorosen „Nein“ zu fast allen sozialen Vorhaben der Koalitionspartner profiliert — ob zur Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer, Reichensteuer, Kindergrundsicherung, Bürgergelderhöhung, Lockerung der Schuldenbremse, Lieferkettengesetz, Tariftreuegesetz und so weiter.
Damit hat sie wesentlichen Anteil am Unmut der Bevölkerung und dem auch daraus mitresultierenden Zuspruch für die AfD. Das Versprechen von Kanzler Olaf Scholz in Anbetracht rasant steigender Rüstungsausgaben: „Wir werden nicht im sozialen Bereich sparen“, erwies sich als glatte Lüge.
Das Problem der Ampelregierung ist vor allem die quertreibende Lobbypartei FDP
Die FDP als neoliberale Lobbypartei in der Ampelregierung begünstigt in besonderem Maße den Sozialabbau und damit den Rechtspopulismus. Solange eine reine Lobbyisten-Partei für die Besserverdienenden wie die FDP, die von 89 Prozent der Bevölkerung nicht gewählt und damit nicht gewollt wurde, den Ton in der Ampelregierung angibt, solange ist kein sozialer Frieden zu erwarten. Die FDP war nur insofern die größte Profiteurin der Bundestagswahl 2012, als sie mit 4,4 Millionen Euro die mit Abstand meisten Großspenden aus der Wirtschaft eingenommen hat – und somit käuflich wurde? Die FDP profitierte in großem Stil mit 33 Großspenden von Finanzdienstleistern, Kapital- und Beteiligungsgesellschaften, Immobilienunternehmen sowie Billigläden et cetera. Die höchsten Einzelspenden kamen mit 200.000 Euro vom dubiosen Finanzunternehmer Maschmeyer sowie mit 750.000 Euro vom Medienmanager Kofler, der damit die Grünen verhindern wollte.
An Milliardäre wagt sich keine Partei heran – lieber an soziale Verlierer?
Weder für das Gemeinwohl und die soziale Gerechtigkeit noch für die Demokratie kann dabei etwas Gutes herauskommen — es sei denn, die FDP fliegt spätestens 2025 mit unter 5 Prozent wieder verdientermaßen aus dem Bundestag wie 2013. Doch auch die anderen Parteien, weder SPD noch CDU oder Grüne, werden sich an die Wachstumsbegrenzung bei den Milliardären — als „Leistungsträger“? — über eine gerechte Steuerpolitik heranwagen.
Viel lieber arbeiten sie sich ganz unten bei den sozialen Verlierern wie vor allem an den „arbeitsfaulen“ Bürgergeld-Empfängern mit Streichungen und Kürzungen ab — und werben damit um Beifall und Zustimmung bei den Wählerschichten im ebenfalls verlierenden Mittelstand sowie zugleich mit Annäherung an die AfD bei der Migrationspolitik. So geht Rechtspopulismus bis hinein in die Mitte der Gesellschaft und der Parteienlandschaft … Übrigens gibt es mit Blick auf die Wahlen zum letzten Bundestag, zum EU-Parlament und den westdeutschen Landtagswahlen 4,5 Millionen AfD-Wähler im Westen, bei deutlich höherer Bevölkerungszahl, gegenüber 1,5 Millionen Personen im Osten. Wenn man nicht nur die Prozentzahlen betrachtet, sondern vor allem die absoluten Zahlen, dann ist also der Rechtsruck nicht nur ein ostdeutsches Problem, sondern genauso ein westdeutsches Phänomen in noch viel größerem Umfang, gemessen an der Zahl der AfD-Wähler.
„Wir brauchen mehr direkte Demokratie“
Bei der Bundeszentrale für politische Bildung ist nachzulesen: „Die Bundesrepublik Deutschland ist eine Parteiendemokratie: Für die demokratische Willensbildung sind Parteien unverzichtbar, für den Wahlakt unersetzbar. Damit ist kein Monopolanspruch verbunden, denn die Parteien sind Mitwirkende bei der politischen Willensbildung, aber nicht deren alleinige Trägerinnen. Parteien beeinflussen nur als ein Faktor neben anderen, beispielsweise den Medien, die Meinungsbildung der Menschen.“
Bereits im Juli 2024 veröffentlichte Professor Dr. Heinz-Josef Bontrup einen Artikel mit dem Titel: „Politiker, Unvollkommenheiten und Abhängigkeiten — Wir brauchen mehr direkte Demokratie“. Auch die Mehrzahl der Jugendlichen, quer durch alle Lebenswelten, möchte mitreden und Gehör finden, wie die aktuelle Sinus-Jugendstudie von 2024 zeigt. Gerade die Jugendlichen haben sich von den etablierten Parteien abgewandt und driften als Jungwähler zu über 30 Prozent nach rechts, wie die Wahlanalysen in Ostdeutschland offenbart haben. Ihre Sorge um Umwelt und Klima nimmt zu, während die Parteien das Thema nach hinten geschoben haben. Auch die zunehmende Diskriminierung macht die Jugendlichen besorgt.
Die mündigen Menschen bei den politischen Entscheidungsfindungen insbesondere in sozialen Fragen frühzeitig einzubeziehen, wäre eine unverzichtbare Fortentwicklung unserer Demokratie.
Denn so abgehoben vom Willen des Volkes als Souverän wie in den letzten Jahrzehnten war unsere Politik im Bund selten. Der begründeten Unzufriedenheit mit mehr konstruktiven Beteiligungsmöglichkeiten zu begegnen, statt sich der Stimmungsmache gegen Ausländer anzuschließen, wäre ein wichtiger Schritt gegen die zunehmende Beliebtheit der spaltenden Rechtspopulisten. Wie wäre es mit einer dritten Parlamentskammer als „Bürgerkammer“ und mit weiteren Bürgerräten? Darüber hinaus bedarf es gegen die herrschenden Zukunftssorgen aufbauender sozialer Visionen der Politik, die weit über die Tagespolitik hinausreichen. Haben die sterblichen Parteien das zu bieten?
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Beitrag erschien zuerst unter dem Titel „Verdrängt das Migrationsthema die soziale Frage?“ im Gewerkschaftsforum.
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