Ich glaube nicht, dass all die „stillen Menschen“ dieser Zeit einfach passiv sind, was in diesem Zusammenhang impliziert, sie seien unwirksam oder gar mitschuldig und würden nicht am Gegenentwurf zum Wahnsinn partizipieren. Inwiefern ein Mensch überhaupt lediglich Konsument solch monströser Umwälzungen sein kann, wie wir sie aktuell erleben, wäre eine eigene Erörterung wert.
Ich zähle mich selbst übrigens auch zu diesen eher passiven Menschen. Ich habe mich nie in die Schusslinie begeben. Lange Zeit habe ich jedoch sehr damit gehadert, dass ich aller Dringlichkeit und Not zum Trotz nicht zur waschechten Aktivistin mutieren wollte, dass ich nicht imstande war, meine Grenzen im Tempo der Geschehnisse zu verschieben oder gar zu sprengen.
Die Reise eines Konflikts
Ich glaubte, ich müsste mich unbedingt einreihen in die Gruppe derer, die zu rettenden Leuchttürmen und Ankern wurden, als viele von uns zu ertrinken drohten. Und ich fühlte einen großen moralischen Druck, meine eigene Metamorphose bewerkstelligen zu müssen, hin zu dem Menschen, der ich so gerne sein wollte, mich verpflichtet fühlte zu sein, weil ich mich der Menschlichkeit zutiefst verpflichtet fühle. Ich konnte nur schwer akzeptieren, dass das Ausmaß des Wahnsinns und mein gewünschter persönlicher Wandel nicht von allein Hand in Hand gingen.
Diesen zermürbenden Konflikt konnte ich größtenteils überwinden und mich von der Enge dieser Betrachtung weitgehend lösen. Wie wohl viele, habe ich seit Beginn der finalen Horrorshow einen unglaublich weiten Weg hinter mich gebracht. Die in mir entfachte und stetig gewachsene Entschlossenheit, innerlich durchzuhalten und auch vor den undenkbarsten Auswüchsen des Wahnsinns nicht zu kapitulieren, war für mich selbst überraschend.
Ich steigerte meinen Anspruch an mich sogar noch, indem ich beabsichtigte, der zu erwartenden Traumatisierung zu entgehen, weil ich mich später nicht auch noch mit ihrer Aufarbeitung beschäftigen wollte. Ganz so, als feilschte ich um den ohnehin horrenden Preis, den ich bezahlen musste. Dass mir das nicht wirklich gelungen ist, bekomme ich immer wieder zu spüren, doch irgendetwas Gutes hat dieser Vorsatz dennoch bewirkt. Und wo ich jetzt stehe, ist in gewisser Weise der beste Ort, an dem ich je war. Wenngleich mir seine groteske Landschaft auch immer wieder den Atem raubt, so bleibt seine ewige Schönheit doch ungetrübt.
Unser katalytisches Wirken
Ich glaube nicht mehr, dass die Antwort auf schreiendes Unrecht immer eindeutig sichtbar, laut und messbar sein muss. Die menschlichen Taten können unterschiedlicher Natur sein, unsere Bewertungen und Schubladen sind es, die einige von ihnen als Tat — und damit als ursächlich wirksam — und andere als Untätigkeit und damit als wirkungslos kategorisieren. Wir, die wir sehen können, weil wir in gewisser Weise furchtlos hinzuschauen imstande sind, weil wir die Unerträglichkeit der Abgründe auszuhalten bereit sind, wir, die wir immer wieder um unsere Integrität ringen, unser Rückgrat, und immer wieder aufs Neue unseren Mut sammeln und der Zerreißprobe bis heute standhalten konnten:
Wir wirken bereits durch die Tatsache, dass wir überhaupt hier in dieser Zeit sind, sehen können und aufrichtig nach Wahrheit suchen, als machtvolle Katalysatoren gegen die dystopischen Bestrebungen.
Das war das Bild, das mir zufiel, als ich während eines bewussten Wahnsinnverstoffwechslungsprozesses nach einem adäquaten Ausdruck für mein Empfinden suchte. In diesem katalytischen Wirken liegt bereits unser Beitrag, und er könnte entscheidender kaum sein, denn wir hinterlassen damit mehr als nur Spuren im morphischen Feld: Wir speisen es mit unseren Visionen und formen damit tatsächlich die Welt, nach der wir uns sehnen, auch wenn wir uns dessen nicht bewusst sind.
Das alltägliche Sein der Veränderung
Jedes Mal, wenn wir innerlich mitgehen in dieser Zeit, uns selbst auch immer wieder kritisch und ehrlich überprüfen und hinterfragen. Wenn wir unermüdlich unsere Motive und Beweggründe untersuchen, unsere Ziele und Wünsche. Wenn wir beweglich bleiben und durchlässig, offen und immer wieder sanftmütig und gut zu uns und allen anderen sind. Wenn wir immer wieder träumen und lachen und lieben. Wenn wir glauben, an uns, das große Ganze und dass sich die Liebe immer lohnt. Wenn wir unseren Ängsten begegnen, das Trauma wahrnehmen, uns wahrnehmen, die anderen wahrnehmen. Wenn wir alles in uns aufnehmen, annehmen und ziehen lassen. Wenn wir nach Wahrhaftigkeit streben, bestrebt sind, zu Ende zu denken und durchzudenken und vor allem zu fühlen. Wenn wir uns Fehler erlauben und Scheitern, wenn wir mitfühlen und vergeben. Wenn wir uns nicht aufhalten lassen von Kleinlichkeit und Nichtigkeit. Wenn wir beherzt voranschreiten, ganz gleich wie klein die Schritte, dann sind wir die Veränderung.
Wenn wir dabei unser Bewusstsein unermüdlich erweitern und uns auch wieder Betrachtungen und Wahrnehmungen außerhalb gesamtgesellschaftlich anerkannter und damit „legitimer Wahrheiten“ erlauben, können wir unsere Wirkung um ein Vielfaches potenzieren. Ansichten wie diese werden gemeinhin bestenfalls als optionaler Zeitvertreib belächelt, nicht selten a priori negiert und reflexhaft diskreditiert als gänzlich unwissenschaftlicher — Gott bewahre! — Humbug, Phrasendrescherei und Realitätsverweigerung.
Die sabotierende Negierung ewiger Wahrheiten
Diese indoktrinierte Entwertung „metaphysischer Maximen“ ist für mich der atomare Kern aller Umkehrungen, deren volle Blüte wir gerade erleben. Den meisten, die seltsam stolz und vehement der sogenannten Vernunft und Wissenschaft huldigen — wozu sich insbesondere sogenannte Denker, Intellektuelle und eben Wissenschaftler bekennen — entgeht zudem offenbar, dass die reine Verspottung, Ablehnung und Ausgrenzung einer Sache noch keine sachliche Widerlegung darstellt.
Und wie vernünftig und konkret ist eigentlich die Liebe zum Partner, zum Kind, zum Tier? Wie rational sind Sympathie und die „Chemie“ zwischen zwei Menschen? Wie wissenschaftlich ist das ungute Gefühl, das manche Entscheidungen maßgeblich mitprägt? Wie beweisbar ist das alles? Und was treibt uns in den Momenten kurz vor dem Einschlafen — in der Tiefe — wirklich um? Was wird uns in den Augenblicken unseres Sterbens umtreiben?
Doch schon die existenziellen Fragen bleiben offen, und der Versuch ihrer rationalen Beantwortung kann sich nur im spekulativen Raum bewegen. Wir können sie also nicht rational, abseits von Mutmaßungen, Meinungen und Glaubensbekenntnissen, beantworten oder gar beweisen, leugnen aber dennoch unsere grundlegende Unwissenheit und die Relativität unserer rationalen Maßstäbe und Gradmesser für Wahrheit. Ist das nicht ziemlich absurd und unvernünftig?
Wir fordern allen Ernstes permanent Quellenangaben und wissenschaftliche Studien, die dies und jenes zu belegen beanspruchen. Weil diese ihrerseits als sakrosankt deklariert wurden? Von wem eigentlich und warum? Und wem obliegt die Realitätsdefinition? Ist nicht alles relativ und eine Frage der Wahrnehmung, beruht nicht alles letztlich auf einer Prämisse, einem Konsens? Sind sie nicht allesamt des Hinterfragens würdig? Und ist es nicht nur eine tiefe Angst, die uns verleugnen lässt, dass — zumindest im „rationalen Raum“ — jedwede Unumstößlichkeit illusorisch ist? Keine menschliche Erfahrung ist wohl so furchterregend und erschütternd wie die Konfrontation mit der allumfassenden Relativität.
Kompromisslos von innen nach außen
Ist die „explizite Tat“ denn dann wertlos und kann übersprungen werden? Mitnichten, denn das Wirken und Erschaffen auf der äußeren Handlungsebene gehört zum Menschsein. Und es gibt Situationen, in denen ein rasches Handeln im Vordergrund steht. Doch von welchem inneren Ort heraus wir das tun, wird trotzdem immer darüber entscheiden, welche Früchte unsere Taten tragen werden. Und um diesen inneren Ort sollten wir uns immer und in erster Linie kümmern, so wird dann auch jede plötzlich erforderliche äußere Handlung mit größerer Wahrscheinlichkeit im Einklang mit dem höchsten Wohl aller erfolgen.
Das Bewusstsein spielt ausnahmslos immer eine übergeordnete Rolle und stellt die Schaltzentrale unseres Wirkens dar. Die alles entscheidende Handlung liegt somit auf der Bewusstseinsebene. Umgekehrt ist die äußere Handlung nicht für jeden Einzelnen zwingend erforderlich, um am Wandel mitzuwirken. Schon gar nicht eine ganz konkrete Form für alle, so wie immer wieder beispielsweise Demonstrationen als Pflicht eines jeden proklamiert werden. Gerade gewichtige Entscheidungen sollten niemals vom Kopf alleine getroffen werden oder weil eine Mehrheit der Ansicht ist, dass man das tun müsse.
Die eigene innere Stimmigkeit muss fühlbar sein; ist sie nicht gegeben, ist jede Zuwiderhandlung letztlich kontraproduktiv.
Denn unsere Intuition hat Zugriff auf das morphische und das universelle Feld. Sie ist angebunden an dieses umfassendere Wissen und damit unsere Verbindung zum „kosmischen Wissenspool“, der unserer Ratio nicht zugänglich ist. Daher sollte unser Zugang zu unserer Intuition wieder vollständig entstört und sie selbst als valide und primäre Quelle jedweder Entscheidungsfindung anerkannt werden. Wenn das geschieht und jeder wieder zu sein wagt, wer er wirklich ist, ist alles Wesentliche getan.
Blick in eine unausweichliche Zukunft
Eine konstante und schonungslos ehrliche Selbstreflexion ist essenziell. Sie kann verhindern, dass wir uns selbst belügen, etwa um unsere vermeintliche Komfortzone nicht verlassen zu müssen und unerträglich erscheinende Konsequenzen zu vermeiden. Es ist beispielsweise sehr unwahrscheinlich, dass die aktive und wissentliche Beteiligung an einem Verbrechen im Einklang mit der inneren Stimme eines Menschen steht. Und dennoch, auch das wäre im Prinzip möglich, wenngleich auch sicherlich eine rare Ausnahme. Das kann ein Außenstehender letztlich nie abschließend beurteilen. Im Rahmen des sogenannten Rechtsstaates bleibt jedoch justiziabel, was justiziabel ist.
Unser Bewusstsein, das Geistige oder das Feinstoffliche, wenn man so will, als das Fundament unseres Seins anzuerkennen und seiner Vernachlässigung ein Ende zu bereiten, ist der erste und wichtigste Schritt. Wie viele Menschen das zu tun bereit sind, wird wohl darüber entscheiden, wie lange es noch dauert, bis wir alle die Veränderung in der Welt zweifelsfrei sehen werden. Dass dies in nicht mehr so ferner Zukunft liegt, davon bin ich überzeugt. Und so lange sind wir alle unweigerlich Zeitzeugen und Chronisten einer höchst transformativen Zeit und dokumentieren, zumindest in unseren Herzen, das Sterben des Alten in den Armen der neuen Welt.
Doch an dieser Stelle muss ich alle Anhänger des Transhumanismus enttäuschen, denn es ist eine Welt ganz im Sinne der Menschheit, die im Werden begriffen ist. Eure Agenda wird es leider Gottes nicht bis zur finalen Realisierung schaffen. Das ist im kosmischen Drehbuch einfach nicht vorgesehen. Ich konnte kürzlich einen Blick darauf erhaschen, und da stand es, schwarz auf weiß und unübersehbar: „Endszene: Ankunft der Menschheit in Utopia“. So sorry, guys.
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