Es ist keine Selbsterhöhung, kein Zeichen von Egozentrismus oder Narzissmus, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Um uns unserer Fähigkeiten bewusst zu werden, müssen wir uns unserem Wesenskern nähern, dem, was wir in Wirklichkeit sind. Jahrtausendelang wurde versucht, uns kleinzuhalten. Kirche und Wissenschaft haben ein wenig schmeichelhaftes Menschenbild erschaffen und gefördert, bei dem wir vor allem schlecht wegkommen. Allein unsere Eroberungen und technischen Fortschritte werfen ein positives Bild auf uns.
Nachdem wir abwechselnd als arme Sünder, ohnmächtige Rädchen im Getriebe, unnütze Esser und schließlich eine überflüssige Spezies bezeichnet wurden, ist es nun an der Zeit, Farbe zu bekennen. Wer glauben wir, wer wir sind? Verbesserte Tiere, die zu hackbaren Biocomputern degradiert werden können, oder einzigartige Individuen, in denen ein göttliches Feuer brennt? Wie sehen wir uns? Als überflüssige Fehlkonstruktionen oder bedeutungsvolle Wesen, deren Schöpferkraft uns dem Höchsten anzunähern in der Lage ist?
Wurzeln bilden
Um fliegen zu lernen, müssen wir uns zunächst im Boden verankern. Tun wir das nicht, riskieren wir, uns in Hirngespinsten, Ideologien und Träumereien zu verlieren.
Wir bilden uns dann etwa ein, wir müssten nur unsere Wünsche ans Universum schicken oder uns ein paar positive Gedanken machen, und schon würde unser Wille geschehen.
Wer im Sturm den Halt nicht verlieren will, der muss seine Wurzeln tief in den Boden der Realität schicken. Es ist die Erde, die uns daran hindert, zu hoch zu fliegen und uns die Flügel zu verbrennen. In ihrer Wirklichkeit finden wir die Kraft, die uns trägt und Stabilität verleiht.
Wer sich der Natur nähert, findet Halt. In den Lebensreichen der Mineralien, Pflanzen und Tiere, in den Wäldern, Bergketten und Ozeanen, finden wir, was wahr ist. Hier können wir uns mit den Elementen verbinden. Erde, Wasser, Luft und Feuer helfen uns dabei, uns von dem zu reinigen, was uns nach unten zieht: von unseren Ängsten, unserer Schuld, unserer Scham, unserer Ohnmacht, unserem Hochmut. Alles können wir den Elementen anvertrauen. Die Erde verwandelt das überflüssig Gewordene in Humus, das Wasser reinigt es, der Wind weht es fort, das Feuer verbrennt das Alte und leuchtet den Weg zum Neuen.
Dem Körper danken
In Zeiten, in denen die Welt verrückt geworden zu sein scheint, können wir uns mit den Elementen verbinden, mit der Natur, mit unseren Körpern. Sprechen wir ihnen unseren Dank aus: Danke, mit dabei sein zu dürfen. Danke, in diesem Körper zu wohnen, in dem jede einzelne Zelle dafür wirkt, dass wir leben dürfen. Ein ganzes Universum arbeitet für uns. Unsere Füße tragen uns, unsere Knochen halten uns, unsere Hände geben uns die Möglichkeit, unsere Umgebung zu gestalten. Unerlässlich arbeiten unsere Organe dafür, dass unser Organismus funktioniert.
Schauen wir uns an, sehen wir uns unseren Körper an. Machen wir uns bewusst, was er jeden Tag für uns leistet. Machen wir gemeinsame Sache mit ihm und mit allem Lebendigen! Lassen wir unsere Wurzeln tief in die Erde wachsen und spüren wir die Verbindung mit dem, was vor uns war, mit dem Holz, aus dem wir gemacht sind. Richten wir uns auf wie der Baum, der in die Höhe wächst. Breiten wir unser Astwerk aus. Bilden wir Blätter und Blüten und bieten wir den Wesen der Luft an, uns zu befruchten.
Zwischen Himmel und Erde
Machen wir uns zu einem Kelch, in den das reine Licht hineinfließt, um uns von den alten Schlacken und überholten Programmen und Mustern zu befreien. Spüren wir die Krone, die uns mit unserer Schöpferkraft verbindet, mit jener Kraft, die es uns ermöglicht, unsere Welt nach unserem Angesicht zu gestalten. Lassen wir uns das nicht ausreden! Nehmen wir das Geschenk an, göttlichen Ursprungs zu sein. Nicht die Kinder eines eifersüchtigen und erbarmungslosen Patriarchen, sondern einer Macht, die alles liebevoll und schützend umschließt.
Bringen wir Vater und Mutter, Mann und Frau wieder zusammen. Wenden wir uns ab von der Kraft, die alles zu zersplittern sucht, die alles beliebig macht und allem seinen Sinn nimmt, um ihm seinen eigenen Stempel aufzudrücken.
Drehen wir dem Biest, das uns zu Tieren zu degradieren sucht, den Rücken. Lassen wir die 3D-Welt, wie sie sich uns heute darstellt, hinter uns: die angezettelten Kriege, die gezüchteten Krankheiten, das manipulierte Klima, die künstlich herbeigeführte Hetze aller gegen alle.
Die Kraft der Erinnerung
Hier können wir nichts ausrichten. Lassen wir unsere verbleibenden Energien nicht von den Dämonen der globalen Zerstörung verschlingen, sondern nehmen wir uns unsere ursprüngliche Kraft zurück: Sie ist noch da, erinnern wir uns! Werden wir gewahr, dass alles, wonach wir uns sehnen, einmal existiert hat. Wie könnten wir es sonst als Abbild in uns tragen? Es gibt eine Welt des Friedens, der Harmonie und des Respekts aller. Eine Welt, in der genug für alle da ist, eine Welt der Schönheit, der Freude und der Glückseligkeit.
Es gibt das Paradies! Es wartet nicht nach unserem Tod auf uns, sondern ist jetzt da. Wir müssen es nur aus seinem Schattendasein herausholen. Jeden Tag können wir das tun. Jeden Morgen können wir uns mit der Erinnerung daran verbinden.
Jeden Augenblick unseres Lebens können wir dazu nutzen, die Hindernisse abzutragen, die den Weg dorthin versperren. Nicht äußerlicher Art sind diese Widerstände — sie sind in uns. Die größten Probleme unserer Zeit heißen nicht Kollaps der Ökosysteme, Verlust der Artenvielfalt oder Klimawandel, sondern Egoismus, Gier und Gleichgültigkeit (2).
Forschungsräume öffnen
So sind wir nicht zur Ohnmacht verdammt, die Ereignisse zu ertragen, die auf uns einstürzen. Wir können etwas tun. Was auch immer in diesen Zeiten des grundlegenden Wandels geschieht: Wir können unser inneres Paradies pflegen.
Das hat nichts mit naiver Weltflucht zu tun, sondern im Gegenteil mit dem Mut, die Welt so zu sehen, wie sie ist. Es ist Krieg. Es herrschen Spaltung und Zerstörung. Es ist furchtbar. Doch nähren wir diese Welt nicht mit unserer Verzweiflung, unserem Zynismus und unserem Fatalismus.
Machen wir es nicht noch schlimmer, als es ist. Lassen wir uns, getragen von der Erinnerung an eine bessere Welt, auf ein Experiment ein. Seien wir neugierig. Tun wir das, was unserem Wesen innewohnt und woran wir in den vergangenen Jahren so massiv gehindert wurden: Begeben wir uns auf Forschungsreise. Gehen wir den Dingen auf den Grund. Öffnen wir Debattenräume, in uns und um uns herum. Verlassen wir die alten Fußstapfen und ausgetretenen Pfade, und seien wir die Helden, die diese Zeit braucht.
Das Feld bereiten
Wir wissen nicht, was kommt. Unsere Zukunft ist ungewiss. Auch wenn wir sie nicht berechnen oder vorhersehen können: Wir können Räume schaffen, in denen das, was wir uns wünschen, landen kann. Seien wir wie Landebahnen für das Höchste in uns: Mut, Klarheit, Transparenz, Harmonie, Schönheit, Freude, Großzügigkeit, Liebe. Das in hohen Sphären Schwingende kommt nicht zu dem, der wie ein Kind um ein Eis bettelt, sondern zu jenem, der ein Terrain dafür bietet. Es lässt sich nicht erschmeicheln, nicht erzwingen und nicht erjagen. Es kommt, wenn wir uns dafür öffnen.
Hierbei sind wir nicht alleine. Generationen stehen hinter uns, Frauen und Männer, die vor uns gelebt haben und die wie wir auf Erlösung warten. Schließen wir uns mit ihnen zusammen. Versammeln wir die hinter uns, die uns vorangegangen sind.
Seien wir wie die Spitze eines Pfeiles, der vor langer Zeit abgeschossen wurde und heute die Membran einer Welt durchtrennt, die nicht mehr lebbar ist.
Tauchen wir auf aus den Tiefen des Vergessens, hinein in das Unbekannte.
Amazing Grace
Erkennen wir das Leben als das, was es ist: ein Mysterium. Lassen wir die Illusionen der Gewissheiten hinter uns und treten wir wie ein Neugeborenes in eine unbekannte Welt, begleitet von dem Vertrauen, gehalten und genährt zu werden. Die Gnade, die uns hier widerfährt, ist nicht kalkulierbar. Sie kann nicht verdient oder irgendwie herbeigeführt werden. Wie die Liebe ist sie vollkommen umsonst und bedingungslos.
Lassen wir uns darauf ein. Wir haben nichts zu verlieren als unsere Angst — das, was uns eng und verschlossen macht. Sagen wir Ja! Geben wir uns hin. Streifen wir den Glauben von uns ab, der Gnade nicht würdig zu sein, der Liebe und der Geschenke, die sie mit sich bringt. Wagen wir es, die zu sein, die wir sind: liebenswerte, einzigartige und ganz besondere Wesen auf einer großen Reise, von der wir nicht wissen, wohin sie uns führt.
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Quellen und Anmerkungen:
(1) Kerstin Chavent: Die Enthüllung. Neue Normalität oder neues Bewusstsein? Futurum Verlag 2021
(2) https://apolut.net/sind-wir-alle-nicht-noch-voellig-unentfaltet/
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