Einige ihrer Ausführungen lassen sich verschiedenartig interpretieren. Zum Beispiel diese hier:
„Es sind turbulente Zeiten; manche Gewissheit ist in den letzten Jahren infrage gestellt worden. Umso mehr kommt es darauf an, dass wir als Staaten gut zusammenarbeiten und versuchen, in ständigem Kontakt zu stehen (…)“ (1).
Das klingt nicht schlecht, doch möchte ich es nicht als Pauschalaussage begreifen, weil Angela Merkel dem etwas anfügte:
„Nun ist es natürlich so, dass vielfältige Zusammenarbeit, der Multilateralismus, kein Altruismus ist. Vielmehr muss jedes Land seine Interessen vertreten und in der Weltgemeinschaft so zusammenarbeiten, dass das, was das eigene Volk, das eigene Land ausmacht, auch zur Geltung kommt“ (2).
Aufgemerkt: Wir sind wieder wer auf der großen Bühne der Politik und haben also mitzureden. So lautet die Botschaft, die sich doch der deutsche Bundesbürger gern annimmt – so wie seine Vorfahren, die Reichsbürger im Wilhelminischen Zeitalter. Klang es vor reichlich einem Jahrhundert – am Vorabend des Ersten Weltkrieges übrigens – so anders? Wie lernfähig sind eigentlich Gesellschaften?
„Wir dürfen nie vergessen, daß die Konsolidierung unserer europäischen Großmachtstellung es uns ermöglicht hat, die nationale Wirtschaft zur Weltwirtschaft, die kontinentale Politik zur Weltpolitik zu weiten. Die deutsche Weltpolitik ist auf die Erfolge unserer europäischen Politik gegründet. In dem Augenblick, in dem das feste Fundament der europäischen Machtstellung Deutschlands ins Wanken geriete, wäre auch der weltpolitische Aufbau nicht mehr haltbar. Es ist der Fall denkbar, daß ein weltpolitischer Mißerfolg unsere Stellung in Europa unberührt ließe, es ist aber der Fall undenkbar, daß eine empfindliche Einbuße an Macht und Geltung in Europa nicht eine entsprechende Erschütterung unserer weltpolitischen Stellung zur Folge hätte. Nur auf der Basis europäischer Politik können wir Weltpolitik treiben“ (3).
Ersetzen Sie gedanklich „Macht“ durch das heutzutage bewusst genutzte und den Machtanspruch kaschierende, so schön klingende „Verantwortung“ und Fürst von Bülow (von ihm stammt obiges Zitat) könnte auch als geachtetes Mitglied der regierungsnahen Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik durchgehen.
Wie schon zu Kaisers Zeiten darf nun deutsche Geltung in der Welt die gefühlte Machtlosigkeit, das als Schuld empfundene vermeintliche Versagen im Alltagsleben kompensieren. Das gilt für Millionen Menschen in Deutschland, die sich (ansonsten) als Verlierer sehen. Ein altes Rezept wurde erneut verschrieben und von den Patienten (weil sich als solche wahrnehmend) dankbar eingenommen.
Nehmen wir uns diesen Satz der deutschen Kanzlerin noch einmal zur Brust:
"Nun ist es natürlich so, dass vielfältige Zusammenarbeit, der Multilateralismus, kein Altruismus ist" (4).
Das ist schon recht offenherzig. Doch wenn es kein Altruismus ist, was ist es dann?
Während Sie in den Medien ständig von den "westlichen Werten" eingenebelt werden, sagt die deutsche Regierungschefin nämlich sehr deutlich, dass "westliche Werte" ganz und gar nicht das Entscheidende sind. Ständig werden aber an anderer Stelle - und auch durch Angela Merkel – die "westlichen Werte" als nicht verhandelbar verkauft. Doch natürlich ist das eine Falsch-Etikettierung, denn "westliche Werte" werden exakt immer dann vehement eingefordert, wenn es um die Durchsetzung von Eigeninteressen geht. Das Gefühl aber, was Ihnen vermittelt wird, wenn von "westlichen Werten" die Rede ist – und so bei Ihnen auch ankommt – das ist genau das eines selbstlosen, aufopfernden politischen Handelns, dass die eigenen Belange hinten anstellt.
Wäre unsere Gesellschaft tatsächlich so aufgestellt, dass ihre "westlichen Werte" die alternativlose Handlungsanleitung sind, ja, dann wäre sie tatsächlich altruistisch. Doch wir sind es nicht. Wir sind es weder in der großen Politik (wie Angela Merkel richtig bemerkte), noch sind wir es in der Kleinen, im Alltagsgeschäft. Das hält uns nicht davon ab, andere Menschen an den hohen Idealen des Altruismus zu messen.
Dieser Betrug an sich und den Konsumenten, nämlich (zumindest unbewusst) den Eindruck zu erwecken, als wäre man altruistisch und entsprechend vollmundige Wortblasen zu entlassen, um im nächsten Moment brutale, absolut unempathische Machtpolitik – auch in Worten – zu zelebrieren, kann jeden Tag erlebt werden. Es ist eine Lüge, aber wir alle lassen diese Lüge nur zu gern gelten – und zwar für uns selbst. Wollen wir doch nicht aus den Reihen "der Guten" ausgeschlossen werden.
Worte der Macht werden natürlich – nicht erst seit heute – eher unauffällig gesendet. Man muss schon sorgfältig lesen, um sie hinter der altruistischen Wortpampe entziffern zu können. Bittere Medizin wird mit viel Zucker gereicht, da rutscht sie besser. Was vernahmen wir doch weiter oben noch?
"Vielmehr muss jedes Land seine Interessen vertreten" (5).
Sind es Ihre Interessen?
Mit der verneinenden Antwort darauf sollten wir nicht zu voreilig sein. Betrachte ich die Gesellschaft als Ganzes, so meine ich zu erkennen, dass es tatsächlich die subjektiv gelebten Interessen seiner Bevölkerung sind, welche Deutschland in Vertretung der Regierung Merkel im Ausland wahrnimmt.
Möchten Sie noch etwas Zucker, damit die Wahrheit nicht so bitter daherkommt?
Nein, ich rede nicht vom "Kapital", nicht von "den Banken", "der Rüstungsindustrie", "den Heuschrecken", "der Europäischen Union", "den Globalisten", "den Herrschenden" und so weiter. Vielmehr weise ich auf das ganz banale Alltagsverhalten innerhalb der Gesellschaft hin, welches der deutschen Regierung (und ihr selbstredend nicht allein) Handlungsanleitungen vorschreibt. Verantwortung für eigenes Handeln ist in der großen Politik nicht gefragt – und in der Kleinen? Weder wird es "da oben" noch "unten" geübt, weder von denen die sich als "herrschend" fühlen, noch von jenen, die annehmen, "beherrscht" zu sein. Verantwortung für eigenes Handeln wird von sich weg geschoben, wo es nur geht.
Weiterhin zu meinen, wir könnten tatsächlich Verantwortung für andere übernehmen, halte ich – mit Verlaub – für größenwahnsinnig. Das aber nimmt die deutsche Politik in den Mund, womit sie mit vergewaltigter Sprache den brutalen Machtanspruch übertüncht. Sie gibt Altruismus vor, um sich tatsächlich, wie im deutschen Kaiserreich, in Afrika "zu engagieren". Dort organisiert sie dann "den Fortschritt" für Andere, aber natürlich nicht altruistisch. Allerdings klingt es so! Es ist aufschlussreich, wie oft Angela Merkel in ihrer Rede von Afrika sprach:
"Wir wissen, dass gerade auch auf dem afrikanischen Kontinent das Thema Sicherheit und das Thema Sicherung der Lebensgrundlagen, die durch den Klimawandel zum Teil infrage gestellt werden, sehr eng zusammenhängen" (6).
Tunlichst wird die verheerende Rolle der westlichen Staaten verschwiegen, welche zur Verarmung der Menschen in Afrika wie auch der Erosion staatlicher Strukturen dortzulande führte. Es wird gelogen, um unter den Tisch zu kehren, wer letztendlich für das Chaos auf dem Schwarzen Kontinent gesorgt hat. Spätestens als man mit einem krassen Völkerrechtsbruch, mit dem Kriegsverbrechen einer militärischen Intervention den Staat Libyen verheerte, konnte es jeder erkennen.
Die in ihrem politischen Teil von der Macht gekaperte deutsche Wikipedia nennt diesen ungeheuerlichen Frevel an den Völkern Libyens allen Ernstes einen "Internationalen Militäreinsatz in Libyen" (7). Das ist ein Missbrauch von Sprache, um diesem Völkerrechts-Verbrechen den Mantel von Legitimität umzuhängen.
Während man einen serbischen Präsidenten unter nicht bewiesenen Behauptungen über angeblich durch ihn angeordnete Menschenrechtsverbrechen ins Gefängnis warf, wo er verstarb (a1), ist das Tribunal im niederländischen Den Haag nicht ganz so eilfertig, genauer gesagt schlicht untätig, wenn es um die Kriegsverbrecher Tony Blair und Nicolas Sarkozy geht. Das sind die ehemaligen Staatsoberhäupter der NATO-Staaten Großbritannien und Frankreich, welche hauptverantwortlich für die Zerstörung eines bis dahin für afrikanische Verhältnisse vorbildlichen, prosperierenden Staatswesens waren und sind.
Wir müssen uns im Klaren sein, dass Deutschland erst durch die gezielt herbeigeführten Ereignisse in Libyen, den Vorwand für ein extrem verstärktes militärisches "Engagement" in Afrika bekam. Denn die gewaltsame Auflösung Libyens destabilisierte umgehend die Nachbarstaaten, insbesondere in der Sahelzone. Mit der Zerstörung der gesellschaftlichen Strukturen in Libyen wurde der Terrorismus dort erst geschaffen und zu nie gekannter Blüte gebracht. Diese Prozesse sind ganz sicher kein Betriebsunfall. Sie erinnern sich an oft von mir verwendete Worte?
Schaffe ein Problem und biete dann die (zuvor geplante) Lösung an.
Deutsche Politik ist inzwischen, gefangen in der von "der deutschen Wirtschaft" beauftragten Rolle und wachsendem Sendungsbewusstsein, sehr erpicht darauf, beim Problemeschaffen mitzumachen – und tut es auch längst. Sie tut es brutal und auf Interessen bezogen, während sie im Chor mit den Medien das altruistische Lied von Ethik und Moral, vom "wir müssen den armen Menschen dort helfen" singt.
Nicht ein Klimawandel stellt die Lebensgrundlagen in Afrika in Frage, sondern die unersättliche Wachstumsmaschine der westlichen Welt mitsamt ihrem grenzenlosen Konsum tut das. Eine für den Globus verheerende Ökonomie, welche auf Kosten der Mehrheit den materiellen Wohlstand für eine Minderheit sichert, zu der wir uns zählen dürfen. Den Menschen wird suggeriert, die Afrikaner würden unsere (westliche) Hilfe benötigen. Doch es ist etwas ganz anderes, was Not tut in Afrika – das Prinzip der Nichteinmischung in die Belange anderer Staaten.
Während die deutsche Regierungschefin am Anfang ihrer Rede klarstellte, dass ihr außenpolitisches Handeln nicht von Altruismus gelenkt wird, hatte sie kein Problem, zwei Minuten später von einer "Partnerschaft mit Afrika" (8) zu sprechen. Das ist der blanke Hohn für die Menschen dort, denn die "Partnerschaft" drückt sich in Assoziierungsabkommen mit afrikanischen Staaten aus, auf deren Grundlage ihre Ressourcen geplündert und Privatisierungswellen nach westlichem Muster durchgedrückt werden (9). Sie bildet sich ab in einer immer weiter zunehmenden militärischen Präsenz des Westens, welches mit einer Entmündigung der afrikanischen Politik zusammengeht. Um was es der deutschen Politik in Afrika geht, lässt sich mit dem Begriff Freihandel gut umreißen.
Freihandel heißt ungehinderter Warenverkehr, bei dem das dominierende Machtsystem die Produkte vorgibt, welche der "Partner" zu produzieren hat und natürlich auch die zu erzielenden Preise. Freihandel bedeutet die vollständige Aufgabe von Zöllen und damit den Wegfall des elementarsten Schutzes für eine Binnenwirtschaft. Freihandel ist nichts anderes als Kolonialismus in neuem Gewand. Damit geht die unterworfene Gesellschaft in die Hoheit der Kolonialisten über und wird faktisch Inland – natürlich dritter Klasse. Vor über einhundert Jahren nannte man das Kind noch beim Namen:
"Hält man sich vor Augen, daß Deutschland an solchen Rohstoffen heute für 2,9 Milliarden M. einführt, und daß der Verbrauch derselben rapide zunimmt, so kann kein Zweifel darüber herrschen, von welcher eminenten nationalen Bedeutung es ist, daß wir mit allen Kräften danach streben, unsere Industrie hinsichtlich der Befriedigung ihres Rohstoffbedarfs je länger je mehr unabhängig vom Auslande zu machen, denn wir können ihn bei entsprechender Vermehrung der Produktion zum guten Teil sicherlich aus unseren Kolonien decken" (10).
Das koloniale, überhebende Denken, es grassiert in den Köpfen der Politiker - doch keinem fällt es auf, weil es heute so schön verpackt ist in altruistische Begriffe. Die nimmt unser Gehirn nur zu gern auf:
"(...) ich glaube, wir, die Deutschen, aber auch die Europäer, sind verpflichtet, entlang dieser Vorstellungen [der Afrikaner] mit Afrika zusammenzuarbeiten. Dabei geht es etwa um Zugang zu Bildung und zu Arbeitsplätzen" (11).
Klingt das nicht wunderbar hilfsbereit und uneigennützig? Ja, das tut es und doch ist es auch nur eine in Altruismus verpackte Lüge.
Denn was bitte geht es uns an, wie afrikanische Staaten ihr Bildungs- und Beschäftigungssystem organisieren?
Es geht uns eigentlich überhaupt nichts an. Da jedoch westliche Staaten ihre Politik in Afrika zutiefst egoistisch betreiben, sind sie an einer ganz bestimmten gesellschaftlichen Struktur in den afrikanischen Gesellschaften interessiert. Dabei hat die westliche Politik – rein ökonomisch motiviert – zuvor massenhaft organisch gewachsene Produktions- und Handelsstrukturen südlich des Mittelmeeres zerstört.
Die Krieg führenden Nationen Deutschland und Frankreich nehmen das Wort Frieden nur allzu gern in den Mund:
"Wir versuchen uns auch dafür einzusetzen, dass Frieden erreicht werden kann und dass der Kampf gegen Terrorismus gewonnen werden kann. Deshalb hat sich Deutschland mit Frankreich und anderen auch sehr darum bemüht, eine G5-Einsatztruppe der fünf Sahelstaaten Burkina Faso, Mali, Mauretanien, Niger und Tschad zu unterstützen" (12).
Sie reden altruistisch. Aber das Ziel sind Investitionen, um zu profitieren. Und so brachten wir den Terrorismus und mit ihm den Krieg nach Nordafrika. Die Kriegstreiber – und das sind sie beileibe nicht nur in Afrika - reden von Frieden. Sie reden tunlichst nicht davon, dass Frankreichs Wirtschafts- und Finanzsystem ohne die Ausbeutung der Ressourcen afrikanischer Staaten in kürzester Zeit kollabieren würde. Das (als Beispiel aufgeführte) Geheimnis der effizienten französischen Atomenergiewirtschaft – sie finden es in Afrika (13, 14).
"Meine Damen und Herren, wir sind – darüber haben wir auch auf dem letzten Europäischen Rat diskutiert – nach wie vor besorgt über die Lage in Libyen. Wir wissen, dass dort das Staatswesen noch weiter ausgebaut werden kann und muss" (15).
So etwas zu sagen, ohne aus dem Amt gejagt zu werden, funktioniert nur, wenn man einer Bevölkerung vorsteht, die es nicht gelernt hat zu hinterfragen. Die Verheerer, die Zerstörer Libyens – die sind tatsächlich besorgt? Das sind sie natürlich nicht und sie wissen das auch. Sie sprechen so, weil sie es müssen. Sie, die Politiker, unterliegen Handlungszwängen, so wie wir alle, liebe Leser.
Achten Sie darauf, wann Politiker "besorgt" sind. Es klingt so empathisch, es klingt altruistisch – und ist das Gegenteil. Die Politiker unter sich werden wohl oft von Pragmatismus sprechen, wenn es um ihre Lügen geht. Der Klang der Worte gilt ja auch nur Ihnen. Er gilt Ihrer Sedierung. Damit Sie sich beruhigt und inaktiv zurücklehnen können, im Bewusstsein, weise und verantwortungsvolle Staatenlenker ÜBER sich zu haben. Was damit aber sichtbar wird, ist die Verantwortungslosigkeit einer ganzen Gesellschaft – nicht nur ihrer Politiker. Die Politiker bedienen unseren Selbstbetrug und sind außerdem noch eine bequeme Opferanode.
Es sind eben nicht nur die Kriege der Politiker. Es sind unser aller Kriege. Smartphones in ihrem schicken Design triefen vom Blut und Schweiß afrikanischer Kinder. Ja, unsere gesamte Hochtechnologie hat ein unbarmherziges Auspressungssystem in Staaten der Dritten Welt als Basis. Angela Merkel ist sicher nicht altruistisch, doch wir sind es ja offenbar auch nicht. Der afrikanische Fisch in unseren Supermärkten hat Millionen Afrikanern die Existenzgrundlage geraubt. Die Verklappung unserer Abfälle hat ganze Landstriche in Afrika, samt der vorgelagerten Meere vergiftet. Wir konsumieren und genießen. Das "preiswerte" Öl aus Asien und Afrika hält die immer schwereren und größeren Spielzeuge der Deutschen am Laufen. Aber dann staunen wir über die "Flüchtlingswelle" und pflegen unser altruistisches Entsetzen über elendiglich im Mittelmeer verreckende Afrikaner – um nachfolgend weiterzumachen wie bisher.
Wir (als Gesellschaft) müssen die Dinge offensichtlich – alternativlos, wie sie ja nun mal sind – so weiter tun und genauso tut auch die deutsche Regierung. Wenn die deutsche Regierung ihre altruistische Ader in Bezug auf Syrien zur Schau stellt, dann macht sie das in unser aller Interesse. Denn wir brauchen Syrien als Investitionsstandort.
"Wir verfolgen im Augenblick mit Sorge die Offensive des syrischen Regimes in Südwestsyrien. Sie ist sicher kein Beitrag zur Deeskalation. Frauen und Kinder werden in die Flucht getrieben. Es muss alles getan werden, um dies so schnell wie möglich zu beenden" (16).
Hören Sie ihn schon wieder heraus, diesen vorgeschobenen Altruismus?
Altruismus ist der immer wiederkehrende kollektive Betrug des "westlichen Wertesystems". Es ist unser aller gespielter Altruismus und wir betreiben ihn, damit wir so weiterleben können wie bisher. Dabei MÜSSEN wir doch, so wir tatsächlich so weiterleben WOLLEN, auf Gedeih und Verderb den Freihandel weltweit durchsetzen - das funktioniert nur mit Gewalt, mit Krieg. Es bleibt uns daher gar nichts anderes übrig, als optimale Vermarktungsbedingungen im Ausland zu schaffen. Nur so lässt sich Wirtschaftswachstum aufrecht erhalten.
In Syrien, jenem Syrien, das Frau Merkel zu altruistischer Sorge veranlasste, geht es Deutschland um die Schaffung eines Wirtschaftsraumes, dem sich die syrische Regierung widersetzte, als es zu sozialen Verwerfungen im Land kam. Genau deshalb sanktioniert Deutschland seitdem Syrien und unterstützt an allen Fronten (!) den Krieg gegen das Land. Weil Syrien sich den eingeleiteten "Reformen" im Rahmen eines EU-Assoziierungsabkommens nicht länger unterwarf.
Jetzt können Sie gern einmal in unseren Medien recherchieren, wo diese ungeschminkte Wahrheit thematisiert wird (a2). Doch ist sie denn in den alternativen Medien, in der Bevölkerung insgesamt ein Thema? Reden wir über unser aller Verantwortung für die deutschen Kriege der Gegenwart? Nein, wir verschweigen sie, deuten sie um, reden sie schön. Wir wagen es nicht, die eigene Rolle im hässlichen Spiel beim Namen zu nennen. So drastisch es klingen mag, ist (zum Beispiel) der von Deutschland mitgetragene Syrien-Krieg in unser aller Interesse – und das ist ganz sicher nicht altruistisch.
Wir finden gewiss viele Gründe, die von Doppelmoral begleiteten Entscheidungen der Politiker anzuprangern. Vielleicht können wir aber stattdessen deren Verhalten als Projektion unseres eigenen Handelns begreifen?
Fazit
Wir werden nichts ändern, wenn wir weiter mit dem Finger auf andere zeigen. Genauso wenig bewirken wir, wenn wir unser Handeln und unsere Erwartungen aus Schuldgefühlen speisen. Wir haben Angst, uns der Wahrheit zu stellen, dass wir aktive Teilnehmer eines irren Wirtschaftssystems sind und die dahinterstehende Wachstumsideologie als gutes und unbedingtes Muss mehr oder weniger mittragen. Dafür benötigen wir das, was in früheren Zeiten "deutsche Kolonialpolitik" genannt und heute mit "deutscher Sicherheitspolitik" weichgezeichnet wird. Die deutsche Bundeskanzlerin log sich selbst in die Tasche, als sie im Weißbuch der Bundeswehr 2016 ausführte:
"Unsere Bundeswehr hat in den vergangenen Jahren in zahlreichen Auslandseinsätzen gemeinsam mit unseren Verbündeten, Partnern und zusammen mit den Polizistinnen und Polizisten sowie zivilen Helferinnen und Helfern einen wichtigen Beitrag zum Frieden in der Welt geleistet" (17).
Sie wagt es nicht zu sagen, dass mit den fremden Armeen und ihren Proxies erst der Krieg in die "im Chaos versinkenden Länder" kam. Aber sie lügt eben auch in unserem Namen, denn wenn wir das System, von dem wir in unempathischer Weise materiell profitieren, retten wollen, MUSS Gewalt angewendet werden. Und es ist nicht Frau Merkel, die in Afrika Dienst tut, sondern es sind tausende deutsche Soldaten und letztlich hunderttausende Lohnempfänger, welche den militärischen Apparat der Deutschen im Ausland am Laufen halten. Es sind weitere hunderttausende, wenn nicht gar Millionen Menschen in Deutschland, die außerdem mittelbar materiell profitieren und tagtäglich durch ihr eigenes unspektakuläres Handeln das System stützen.
Wir haben Angst, überhaupt darüber zu reden. Erstens sind wir gefangen in der Alternativlosigkeit der mit dem schillernden Glanz eines "Wertesystems" umhüllten Gesellschaft, in der einerseits Eigentum und egoistische Freiheit das tatsächlich Wahre sein sollen und es stört uns nicht, wenn das dann nach Bedarf und dabei sinnfrei mit Altruismus kombiniert wird. Aber andererseits machen wir das Gute in uns vorrangig an der Ausgrenzung zum (subjektiv gesehen) Schlechten in anderen Menschen fest. Der Wahrheit, die wir im Spiegel finden, ins Gesicht zu schauen, das wagen wir dagegen nicht. Denn über sie würden wir erfahren, dass wir vom Grundsatz her nichts anderes tun als "unsere" Politiker.
Wir finden tausend Gründe, um tausend Dinge, die sich vor unserer Nase geradezu anbieten, NICHT zu tun. Genauso viele Gründe fallen uns aber auch ein, um von anderen Menschen, am besten natürlich "denen da oben" Dinge einzufordern. Da sind wir kompromisslos. Den Widerspruch zwischen beiden Handlungen blenden wir nur zu gern aus. Denn das, was wir uns selbst zugestehen, verweigern wir ja damit anderen.
Außerdem: Wenn wir von "denen da oben" sprechen, haben wir doch unsere Rolle, die sich in Machtlosigkeit bemitleidet, klar definiert. Warum soll der Mächtige dem Machtlosen einen Gefallen tun?
Wir haben Angst vor der Wahrnehmung von Verantwortung. Wir resignieren, unterwerfen uns oder aber wir fordern die Revolution, den Tyrannensturz, blutig wie zerstörerisch, eben unempathisch. Das ist dann auch nur der eigene Griff nach der selbst überhebenden Macht. Aber die einfachen Dinge, dafür halten wir uns nicht verantwortlich. Wir verweigern uns der Evolution; einer Politik vieler kleiner Schritte, die wir Anderen als Beispiel anbieten können, ohne sich ihrer Hirne zu bemächtigen.
Das Schöne jedoch ist, dass wir das jederzeit ändern können. Wir benötigen keinen Politiker, um unsere Ideale zu leben. Wir können sofort tun und darüber reden, auf diese Weise vielfältige Lösungen erfahren – und "nebenbei" Änderungen in anderen Menschen bewirken. Das aber wird nur funktionieren, wenn wir endlich beginnen, die für uns wichtigen Themen auch selbst zu entdecken, statt sie uns vorgeben zu lassen und uns ansonsten mit dem Mantra der Machtlosigkeit aus der doch vor unserer Nase präsentierten Möglichkeiten eigenen, ändernden Tuns entziehen.
Bleiben Sie bitte in dem Sinne schön aufmerksam.
Quellen und Anmerkungen:
(1) Den beiden Kriegsverbrechern Sarkozy und Blair, die sich aufrechte Demokraten nennen, wünsche ich nicht das Schicksal, dass sie ihren Amtskollegen, denen sie Jahre zuvor noch die Hände schüttelten, antaten. Sowohl der irakische, als auch der libysche Staatsführer überlebten den durch die sogenannten Demokratien forcierten Regime-Change nicht. Sie wurden entwürdigt, misshandelt und ermordet. Rechtsstaatlichkeit gilt nur für jene, die es dem Wertewesten auch angemessen rechtmachen.
(2) Übrigens nahm die "Demokratiebewegung" in der Ukraine erst dann so richtig Fahrt auf, als der damalige Präsident Janukowitsch von der Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens kurzfristig Abstand nahm.
(1, 2, 4-6, 10-12, 15, 16) 6.7.2018; https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2018/07/2018-07-06-rede-merkel-diplomatisches-corps.html
(3) 1914; Deutsche Politik, Erstes Buch, Auswärtige Politik; Bernhard Fürst von Bülow; https://de.wikisource.org/wiki/Deutsche_Politik_%E2%80%93_Ausw%C3%A4rtige_Politik_%281914%29
(7) 10.7.2018; https://de.wikipedia.org/wiki/Internationaler_Milit%C3%A4reinsatz_in_Libyen_2011
(8) Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 449. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/465&oldid=2697214
(9) 30.3.2017; https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Schlaglichter/G20-2016/2017-03-30-g20-compact-with-africa.html
(13) 28.1.2014; https://umweltfairaendern.de/2014/01/uran-rohstoffe-konflikt-deutsche-militaereinsaetze-in-afrika-als-sicherheit-fuer-europa/
(14) 23.2.2013; https://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Dokumente/Energieaussenpolitik/Rohstoffkrieg_in_Mali.pdf
(17) Juni 2016; https://www.bmvg.de/resource/blob/13708/015be272f8c0098f1537a491676bfc31/weissbuch2016-barrierefrei-data.pdf; S. 7
(Allgemein) Collage; Angela Merkel; Autor: geralt (Pixabay); Erstellt: August 2017; Quelle: https://pixabay.com/de/merkel-bundeskanzlerin-deutschland-2537927/; Lizenz: CC0 Creative Commons (nur redaktionelle Nutzung)
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