Als das Chanson zum ersten Mal im französischen Radio gesendet wurde, war Paul Faber, ein Mitglied des französischen Rundfunkrats im Departement Seine, so schockiert, dass er dessen Zensur verlangte. Boris Vian hat ihm mit einem offenen Brief geantwortet.
Das Lied blieb bis zum Ende des Algerienkriegs 1962 in französischen Radiostationen verboten. Dies ist genau 60 Jahre her. So fragil also ist die europäische Friedenserzählung, dass über Deserteure — damals ebenso wie heute im Ukrainekrieg — nicht geredet werden darf: Derzeit sterben rund 1.000 ukrainische Soldaten täglich, in einigen Bataillonen hat Desertation längst eingesetzt ob der militärischen Sinnlosigkeit dieses Krieges, die jedem Beobachter ins Auge springt, aber statt einen sofortigen Waffenstillstand und Verhandlungen zu fordern, wurde monatelang nur über schwere Waffen diskutiert, und jetzt sieht es so aus, als würde die NATO sogar bald aktiv ins Kriegsgeschehen eingreifen. Noch dazu hat die britische Außenministerin verlauten lassen, sie hätte kein Problem, den „Nuclear Button“ zu drücken.
Anstatt alle europäischen Straßen mit einer Friedensbewegung zu fluten, wie damals, 2003, anlässlich des amerikanischen Einmarsches in Irak, sind die meisten Europäer heute stolz auf ihre ukrainischen Buttons am Revers. „Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin“, war der Sponti-Spruch der Grünen in den 1980er-Jahren. Kennt Annalena Baerbock den überhaupt?
Boris Vians Lied ist ein Loblied auf den Deserteur, auf den einen Mutigen, der den kriegerischen Unsinn, das sinnlose Schießen oder Töten einfach nicht mitmacht. Der sich nicht propagandistisch aufladen lässt mit Parolen, für die sich angeblich in den Krieg zu ziehen lohne.
Vian dreht den Begriff des Deserteurs um: Aus dem Feigling, der sich aus dem Schützengraben stiehlt, wird ein Held, wird jemand, der begriffen hat, dass Kriege immer nur Interessen dienen, niemals aber Menschen, und jenseits von Interessen im Zweifel nur der Waffenindustrie.
Sein Text besticht genau dadurch, dass er eine Brücke von den Kriegsparolen zu den Menschen schlägt, denen durch den Krieg größtes Leid zuteil wird. Er besingt, wie er seinen Vater und seine Brüder hat ziehen und nicht wiederkommen sehen:
J’ai vu partir mon père,
J’ai vu partir mes frères,
wie er seine Kinder hat weinen sehen:
J’ai vu pleurer mes enfants,
wie seine Mutter so gelitten hat, dass sie im Grab verschwunden ist:
Ma mère a tant souffert qu’elle est dedans sa tombe.
Er beschreibt in schlichten Worten das ganze Elend des Krieges, das immer die einfachen Leute abbekommen — nicht die Regierenden oder die Generäle.
Deswegen steht die eindrücklichste Liedzeile gleich zu Beginn, wo er sich an den Präsidenten direkt wendet:
Monsieur le Président
(….)
Je ne suis pas sur terre
Pour tuer des pauvres gens
Herr Präsident,
ich bin nicht auf Erden,
um unschuldige Menschen zu töten.
(…)
S’il faut donner son sang
Allez donner le vôtre
Vous êtes bon apôtre
Monsieur le Président!
Wenn man schon sein Blut geben soll,
dann geben Sie doch Ihr eigenes,
Sie sind dafür der gute Apostel,
Herr Präsident!
Boris Vian singt das Lied langsam und ganz unaufgeregt. Es sollte heute in allen Radiostationen laufen. Annalena Baerbock, Ralf Fücks oder Frau Strack-Zimmermann und viele andere, die sich seit Monaten in einer Art Kriegsrausch befinden, sollten es besonders oft hören!
Boris Vian „Le déserteur“
Medienpartner
Nacktes Niveau (Paul Brandenburg), Punkt.preradovic, Kaiser TV,
Hinter den Schlagzeilen, Demokratischer Widerstand,
Eugen Zentner (Kulturzentner), rationalgalerie (Uli Gellermann), Protestnoten, Radio München (Eva Schmidt), Basta Berlin, Kontrafunk und Ständige Publikumskonferenz.
Weitere können folgen.
Ablauf
Samstag 9.7.2022 SONG Fortunate Son (Creedence Clearwater Revival)
TEXT Marcus Klöckner, Die Doppelmoral der Kriegsmacher — zur Aktion Friedensnoten
Samstag 15.7.2022 SONG Redemption Song (Bob Marley)
TEXT Jens Fischer Rodrian, Botschafter für eine gerechte Welt — zur Aktion Friedensnoten
Samstag 23.7.2022 SONG Friedensbewegung (Kilez More)
TEXT Eugen Zentner, Liebe und Leidenschaft — zur Aktion Friedensnoten
Samstag 30.7.2022 SONG Es ist an der Zeit (Hannes Wader)
TEXT Roland Rottenfußer, Der wirkliche Feind — zur Aktion Friedensnoten
Samstag 6.8.2022 SONG War — what is it good for? (Edwin Starr)
TEXT Lüül, Wozu ist Krieg gut? — zur Aktion Friedensnoten
Samstag 13.8.2022 SONG Another brick in the wall (Pink Floyd)
TEXT Alexa Rodrian, Der Ziegel in der Wand — zur Aktion Friedensnoten
Samstag 20.8.2022 SONG Anthem (Leonard Cohen)
TEXT Madita Hampe, Durch alles geht ein Riss — zur Aktion Friedensnoten
Samstag 27.8.2022 SONG Feeding off the love of the land (Stevie Wonder)
TEXT Nina Maleika, Zurück zur Verbundenheit — zur Aktion Friedensnoten
Samstag 3.9.2022 SONG Drei Kreuze für Deutschland (Prinz Pi)
TEXT Nicolas Riedl, Der Sog des Krieges — zur Aktion Friedensnoten
Samstag 10.09.2022 SONG Masters of war (Bob Dylan)
TEXT Wolfgang Wodarg, Meister der Kriege — Zur Aktion Friedensnoten
Samstag 24.09.2022 SONG Die Welt im Fieber (Karat)
TEXT Maren Müller, Die Welt im Fieber — Zur Aktion Friedensnoten
Samstag 1.10.2022 SONG Wehre have all the flowers gone (Joan Baez)
TEXT Ulrike Guérot, Der Kreislauf des Krieges — Zur Aktion Friedensnoten
Samstag 8.10.2022 SONG Peace (Ajeet Kaur)
TEXT Philine Conrad, Der Wunsch nach Frieden — Zur Aktion Friedensnoten
Samstag 15.10.2022 SONG Working class hero (John Lennon)
TEXT Tom-Oliver Regenauer, Das Musik-Monument — Zur Aktion Friedensnoten
Samstag 22.10.2022 SONG Le déserteur (Boris Vian)
TEXT Ulrike Guérot, Deserteur als Vorbild — Zur Aktion Friedensnoten
Wenn Sie für unabhängige Artikel wie diesen etwas übrig haben, können Sie uns zum Beispiel mit einem Dauerauftrag von 2 Euro oder einer Einzelspende unterstützen.
Oder senden Sie einfach eine SMS mit dem Stichwort Manova5 oder Manova10 an die 81190 und mit Ihrer nächsten Handyrechnung werden Ihnen 5, beziehungsweise 10 Euro in Rechnung gestellt, die abzüglich einer Gebühr von 17 Cent unmittelbar unserer Arbeit zugutekommen.