„Harte Zeiten schaffen starke Menschen. Starke Menschen schaffen gute Zeiten. Gute Zeiten schaffen schwache Menschen. Und schwache Menschen schaffen harte Zeiten.“ Diesen Aphorismus haben vermutlich die meisten in der jüngeren Vergangenheit gehört oder gelesen. Er kursiert vor allem in den freien Medien und dem, was sich als Coronaopposition formiert hat und nun zu einer allgemein ablehnenden Haltung gegenüber allen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte geworden ist.
Die Aussage bezieht sich auf ein sich zyklisch wiederholendes Gesellschaftsbild, das dazu führt, dass gute — gemeint sind wirtschaftlich prosperierende — Zeiten schwache, übersättigte und unfähige Menschen hervorbringen, die unweigerlich den Niedergang der Zivilisation bedeuten. Denn diese schwachen und unfähigen Menschen seien, so das Verständnis, nichts als Konsumenten, nicht in der Lage, Strapazen oder Kritik zu ertragen, und könnten daher keinen produktiven Beitrag zum Erhalt der Zivilisation leisten.
Schaut man sich in der heutigen westlichen Gesellschaft um, dann findet man dieses Konzept bestätigt. Überall sprießen die woken Ideologen aus dem Boden, die ihren Opferstatus kultivieren, das Weinerliche zum Wesensmerkmal erhoben haben und vor allem nicht in der Lage sind, mit Kritik, Zurückweisung oder Schwierigkeiten umzugehen.
Statt das Leben als Herausforderung zu betrachten, die es zu meistern und an der es zu wachsen gilt, sehen sie es als Last. Die Menschen heute sind getrieben von Konsum, ohne an der Produktion noch teilhaben zu wollen oder zu können. Sie sind verwöhnt, aufgewachsen in guten Zeiten, die ihnen alles vorgesetzt haben, das sie sich überhaupt nur wünschen können. Sie sind, so könnte man folgern, schwach geworden und kreieren auf diese Weise harte Zeiten, die nun ganz offenkundig bevorstehen.
Solche harten Zeiten jedoch können harte Menschen hervorbringen, die dann wieder gute Zeiten erschaffen. Das ist zumindest der Hoffnungsschimmer dieser Vorstellung. Der Spruch bringt also eine Bewunderung der Härte zum Ausdruck, da vermeintlich nur harte Menschen wirklich gute Menschen sind, die Gutes tun und eine lebenswerte Welt erschaffen. Doch was ist es eigentlich, das hier bewundert wird? Was bedeutet diese Vorstellung von „harten Menschen“?
Um uns das zu vergegenwärtigen, schauen wir auf die Zeit zurück, die wohl durchaus als harte Zeit gewertet werden kann. Blicken wir auf den Zweiten Weltkrieg und die Zeit danach. Diese Zeit war geprägt von Härten und Widerständen, Hindernissen und Herausforderungen. Mehr noch: Tod und Zerstörung, Hunger und Kälte waren für viele Menschen stetige Begleiter. Auf die Generation, die diese Zeit erlebt hat, wird bei dem Zitat auch gerne Bezug genommen. Diese Menschen, unsere Großeltern und Urgroßeltern, sind Generationen, die noch härter im Nehmen sind, nicht bei jeder Herausforderung verzagen und sich durchkämpfen können.
Das ist oberflächlich betrachtet durchaus richtig. Aber wir müssen dieses Bild vervollständigen:
Denn die Generation der Soldaten und Kriegsopfer sowie des anschließenden „Wiederaufbaus“ Deutschlands, um nur dieses Land als Beispiel zu nehmen, sind auch jene, die als Eltern ihre Kinder und nicht selten auch ihre Frauen verprügelt haben.
Die Erziehung dieser Menschen war schon in ihrer Kindheit, beispielsweise in der Hitlerjugend, geprägt von einem Militarismus und von Gewalt. Hinzu trat die schwarze Pädagogik, welche in der NS-Zeit ein wichtiger Pfeiler des auf den Führer ausgerichteten Staates war. Die ganze Kindheit und Jugend der verherrlichten Generation ist geprägt von Liebesentzug, Aufmerksamkeitsdefizit und Gewalt. Hinzu trat der Krieg mit all seiner zerstörerischen Wucht, anschließend der Hunger, die Entbehrungen, der Wiederaufbau. Gewalt ist auch, was diese Menschen an ihre Kinder weitergegeben haben. All das deutet auf einen entscheidenden Punkt hin: Sie waren stark traumatisiert.
Verherrlicht wird also eine traumatisierte Generation, die das Schlimmste erlebt hat, das man sich nur vorstellen kann. Die Zeiten des Krieges und danach machten es nämlich notwendig, die emotionale Antwort auf all die Strapazen abzuspalten, zu verdrängen und zu unterdrücken.
Die Menschen mussten, wenn sie überleben wollten, schlicht funktionieren wie eine Maschine. Sie konnten ihr Überleben nur sichern, indem sie nach Nahrungsmitteln suchten, sich in Bunkern in Sicherheit brachten und sich vor Soldaten versteckten, deren Übergriffe sie nicht selten erdulden mussten. Eine gesunde Psyche kann auf diese Weise gar keinen Bestand haben. Sie wird zwangsweise zerstört, um das Überleben zu ermöglichen.
Denn wenn ein Mensch, zumal als Kleinkind oder Kind, auf derartige Bedrohungen adäquat emotional reagieren müsste, würde er einfach zusammenbrechen und mitunter sterben. Die eigenen Wünsche und Bedürfnisse müssen zugunsten der äußeren Umstände unterdrückt werden.
Dies wiederholte sich auch in der nachfolgenden Generation. Denn die solchermaßen traumatisierten Eltern — man denke nur an die Väter, die in Kriegsgefangenschaft gewesen waren — geben diese Traumata an ihre Kinder weiter. Sie erwarten, ganz so, wie sie es selbst erlebt haben, dass die Kinder ihre eigenen Bedürfnisse unterdrücken und sich den äußeren Umständen, also dem Willen der Eltern und gegebenenfalls ökonomischen Erwägungen, unterordnen. Diese Forderung wurde damals nicht selten mit Gewalt durchgesetzt. Und so wurde auch die Nachkriegsgeneration traumatisiert und gezwungen, sich den gesellschaftlichen Umständen anzupassen, sich einzufügen in die Gesellschaft, ob sie wollten oder nicht.
Viele Kinder erlebten zudem die vollständige Abwesenheit ihrer Väter, sei es physisch, weil sie in Kriegsgefangenschaft waren, oder emotional, weil die Väter nicht in der Lage waren, ihre Erlebnisse im Krieg und in Gefangenschaft zu verarbeiten. Viele Kinder wurden auf diese Weise alleingelassen und mussten sich ihren eigenen Weg ins Leben suchen.
Sie kompensierten die Traumata oftmals durch Anpassung und Unterordnung. Der Unterordnung unter gewalttätige Eltern folgte die Unterordnung unter den Staat, den Arbeitgeber, das System in seiner Gänze. Diese Unterordnung war keine freiwillige, sie erfolgte als Trauma-Überlebensstrategie und brachte eine Menge unzufriedener Menschen hervor, die in vollständiger Verdrängung ihres Selbst lebten. Auch aus diesem Grund ist in den 1960er- und 1970er-Jahren die Welle der indischen Philosophie, in der es darum geht, sich selbst zu erkennen, im Westen so gut angekommen. Diese ging dann in die sogenannte New-Age-Bewegung ein, die einen Ausweg versprach — meistens aber weitere Unterordnung abforderte.
Auch die Studentenunruhen der 60er und 70er und die beginnende Aufarbeitung der Verbrechen der Eltern- und Großelterngeneration sind ein Ergebnis dieser Traumata, die dann, als weitere Überlebensstrategie, in ihr vollständiges Gegenteil umschlugen, nämlich ein radikales Dagegensein. Dabei handelte es sich um einen „Antifaschismus“, der — die jüngere Vergangenheit hat es gezeigt und auch die Gegenwart ist ein eindrücklicher Beweis — dieselben faschistischen Auswüchse hervorbrachte, von denen man sich doch so sehr zu befreien wünschte, eben weil die eigenen Eltern und Großeltern damit in Verbindung gebracht wurden — und so auch die eigenen Traumata und das eigene Leiden an der Welt.
Die Härte der Kriegsgeneration hat auch einen enormen materiellen „Wohlstand“ hervorgebracht, der stumpfen Konsum als weitere Fluchtmöglichkeit, weitere Überlebensstrategie anbot.
Dieser Konsum, heute mit der Digitalisierung auf eine ganz neue Spitze getrieben, dient als Flucht vor einer sich ausweitenden großen Leere, die durch die Traumata der Vorgenerationen wie auch die materialistischen Trauma-Überlebensstrategien entstanden ist — denn auch „Wohlstand“ und „Reichtum“ können solche Überlebensstrategien sein, vor allem, wenn eine Geschichte des Mangels die Menschen traumatisiert hat, was wohl auf fast alle Deutschen zutreffen dürfte.
Eine solche Leere, die es nicht zulässt, Sinn in dem zu finden, was die Vorgenerationen als erstrebenswert vorlebten, will wiederum gefüllt werden durch neue Überzeugungen, neue Glaubensvorstellungen und Ideologien. Hier kommt beispielsweise die Woke-Ideologie ins Spiel: Es ist ein Versuch, die entstandene Leere mit neuen, hehren Zielen und utopischen Vorstellungen zu füllen, die im Ergebnis nicht zu Ende gedacht sind. Gleichzeitig ist es ein Versuch, das Identitätstrauma zu heilen — denn schon als Kind musste man sich nach dem Willen der Eltern richten und durfte beziehungsweise konnte daher keine eigene Identität ausbilden. Ein Versuch, der scheitern muss, da die Traumata ohne Aufarbeitung nicht integriert werden können.
Und das ist dann der Punkt, an dem wir heute stehen. Die schwer traumatisierten Menschen gelangen in einflussreiche Positionen und Stellungen und werden auf diese Weise zu Gestaltern der Gesellschaft, einer Gesellschaft, die sie aus nachvollziehbaren Gründen ablehnen.
Die einzige Lösung, die diesen Menschen dann einfällt, ist, diese Gesellschaft zu zerstören und ihre Ideologien mit aller Macht durchzusetzen, in der Hoffnung, auf diese Weise ihre eigenen Traumata zu heilen. Es handelt sich also nicht unbedingt um schwache Menschen, sondern vor allem um traumatisierte. Der Niedergang, den wir heute erleben, ist das Ergebnis der so oft verherrlichten „harten“ Generation. Sie hat eine Traumaspirale fortgesetzt — begonnen hat sie diese nicht —, die genau zu dem führt, was wir um uns herum beobachten können.
Wer eine „harte“ Generation für erstrebenswert hält, der redet einer emotionalen Härte, einer Gefühlskälte das Wort, einer Generation, die aus reinen Traumata heraus handelt, sich dieser Traumata vollkommen unbewusst ist und sie an die folgende Generation weitergibt. Auch Krieg, Ausbeutung, Konkurrenzdruck und Gewalt sind Ausdruck dieser Traumata, denn sie dienen als Überlebensstrategien. Eine „harte“ Generation setzt also auch die Gewaltspirale fort, die immer wieder zu Kriegen führt — und auf diese Weise zu fortgesetzter Traumatisierung und schließlich auch immer wieder zur Entstehung sogenannter schwacher Generationen.
Alles in allem waren die Generationen vor uns also nicht besser dran. Sie haben nur mehr Entbehrung, mehr Gewalt und Zerstörung erlebt und mussten sich auf diese Weise abhärten. Kann das wirklich das Ziel oder auch nur der Wunsch sein?
Was wünschenswert wäre, ist eine Generation, die für sich und ihre Bedürfnisse eintritt. Anstatt sich der Obrigkeit zu unterwerfen und jede Anordnung auszuführen, sollten die Menschen ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche erkennen, die Fähigkeit erlangen, zu überblicken, wohin Entscheidungen und Handlungen auf lange Sicht führen, und dann dafür eintreten, bestimmte Entwicklungen zu verhindern. Das würde auch das Aufstehen gegen die Obrigkeit erfordern, die Markierung einer roten Linie, die keineswegs überschritten werden darf. Doch eine solche Generation waren unsere Eltern, Großeltern und Urgroßeltern nicht. Im Gegenteil, unsere Urgroßeltern und Großeltern sind für den Führer in den Krieg gezogen, haben ihm also überlassen, über sie zu verfügen. Damit haben sie die Zerstörung und das Leid, das sich dem anschloss, mit hervorgebracht. Ebenso sind die Folgegenerationen geprägt von Unterordnung und Fremdbestimmung und kaum wirklich für sich selbst aufgestanden.
Das wiederum ist auch gar nicht so einfach, wenn man seine Bedürfnisse und Überzeugungen gar nicht kennt, weil sie unter einem Berg an Fremdeinflüssen und Trauma-Überlebensstrategien verborgen liegen. Wollen wir eine in dem nun aufgezeigten Sinne starke Gesellschaft, dann führt der Weg nicht über Abhärtung, die nur neue Gewalt hervorbringen würde, sondern über das „Erkenne dich selbst“, das schon über dem Eingang zum Orakel von Delphi geschrieben stand. Nur Menschen, die sich selbst erkennen, ihre Traumata bearbeiten und integrieren, können für sich selbst eintreten und sich der Fremdbestimmung und den verordneten Ideologien und Kriegen widersetzen. Nur solchermaßen gefestigte Menschen können eine psychisch gesunde nächste Generation sowie eine starke, widerstandsfähige Gesellschaft hervorbringen. Und darum sollte es doch gehen.
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