Das ZDF strahlte am Sonntag, dem 17. Februar 2019, in der Sendung ZDF SPORTreportage einen Beitrag mit folgendem Titel aus: FC Liverpool – Ernährung auf „Weltklasse“-Niveau.
Der Bericht diente zum Teil als Vorberichterstattung auf die Spiele im Achtelfinale der UEFA Champions League zwischen dem FC Liverpool und dem FC Bayern München. Darin wird über Mona Nemmer berichtet, die beim englischen Fußballverein FC Liverpool arbeitet und die Ernährungsabteilung leitet.
Die Story über diese Frau ist umhüllt von Euphorie und wohlklingenden Phrasen. Der Reporter stellt begeisternd dar, wie wichtig und bedeutsam die Ernährung für Profifußballer ist. Wer jedoch wirklich hinhört und hinsieht, erschrickt über den Report. Denn diese kurze Dokumentation zeigt zugleich den Weg der unaufhaltsamen Kommerzialisierung im Fußball auf.
Echter Hunger
Das ZDF stellt in einer etwa neunminütigen Reportage eine Frau vor, die sich jeden Tag aufs Neue vor allem mit der Ernährung von Fußballspielern befasst. Der Grund für ihre Tätigkeit ist, dass es einem Profifußballer nur in einem herausragenden Leistungs- und Gesundheitszustand möglich wäre, auf dem Spielfeld eine Weltklasse-Leistung zu erbringen. Deswegen brauchen Profivereine geballte Ernährungskompetenz.
Dennoch steht dahinter einzig und allein ein Ziel: Der Sieg und das damit verbundene viele Geld für den Verein und seine Spieler.
Das ZDF zeigte quasi einen Bericht, wie sich Millionäre richtig ernähren, um schließlich noch reicher zu werden. Eine bessere Werbung für die reichsten Fußballspieler auf dieser Erde kann es wohl kaum geben.
In den einleitenden Worten kommentiert der Autor des Beitrages Claus Höfling: „In diesem Raum trifft Titelhunger auf echten Hunger.“ Zugleich wird der Speisesaal mit einigen Spielern, Mona Nemmer und aufgetafeltem Essen gezeigt.
Aber „echten Hunger“ kennen wohl nur die Menschen, die um das tägliche Überleben in den ärmsten Regionen der Erde kämpfen. Es sind Menschen, deren Einkommen in keinem Verhältnis zu den Einkommen der Fußballprofis stehen. Und der Fußball ist daran nicht ganz unschuldig. Er bietet vielen großen Unternehmen eine hervorragende Präsentationsplattform: Sponsoren wie der deutsche Sportartikelhersteller Adidas oder der schweizerische Nahrungsmittelkonzern Nestle beispielsweise unterstützen mit ihren Geldern Vereine wie den FC Bayern München oder den FC Barcelona und werden bei Fußball-Großereignissen dementsprechend beworben. Und das, obwohl Adidas zur Produktion seiner Sportwaren Menschen ausbeutet und sie mit Hungerlöhnen „abspeist“. Nestle hingegen kauft in Afrika von staatlichen Wasserbehörden Wasserrechte, um der Bevölkerung dieses Wasser anschließend als abgefülltes Trinkwasser weiterzuverkaufen.
Und auch der Bau sündhaft teurer Stadien führt im Ausland oft zu Problemen: Man erinnere sich beispielsweise an die polizeilichen Ausschreitungen gegen Obdachlose während der Fußballweltmeisterschaft 2014 in Brasilien. Nach dem Fußballspektakel und den Olympischen Sommerspielen 2016 blieben die Stadien sowie deren Infrastruktur weitgehend ungenutzt – sie verfallen zu teuren Ruinen.
Somit hinterlässt der Fußball in Ländern der Armut und des Hungers seine Spuren.
Der Trikotsponsor des FC Liverpool und damit einer der Hauptinvestoren ist übrigens die britische Standard Chartered Bank. Dieses Bankinstitut soll mehrfach in Geldwäschedelikte verwickelt sein. Laut einem Bericht von Deutschlandfunk Kultur heißt es:
„Standard Chartered habe dem Iran geholfen, 250 Milliarden Dollar zu waschen und dabei zahlreiche Dokumente gefälscht. Unter anderem dafür musste Standard Chartered 667 Millionen Dollar Strafe zahlen“ (1).
Der britische Medizin-Professor Anthony Costello schreibt in der Zeitschrift The Lancet, dieses Bankinstitut hätte außerdem der Tochter von Islam Karimov, dem ehemaligen und bereits verstorbenen Präsidenten von Usbekistan, geholfen, etwa 800 Millionen US-Dollar an Bestechungsgeldern außer Landes zu schaffen. Die Transaktionen erfolgten unter anderem zwischen der Standard Chartered Bank und der Schweizer Privatbank Lombard Odier (1).
Costello fügte hinzu:
„Fairerweise muss man erwähnen, dass die meisten internationalen Banken während der vergangenen 15 Jahre mit Geldstrafen belegt worden sind. Die Bilanz von Standard Chartered unter Peter Sands allerdings ist besonders miserabel. Ich habe den Bericht eines hohen Standard Chartered-Mitarbeiters dazu gelesen. Der bescheinigt seiner Bank eine Kultur arroganter Rücksichtslosigkeit: Marketing-Mitarbeitern, sagt er, sei eingeschärft worden, in armen, politisch instabilen Ländern mit Wachstumspotenzial besonders aggressiv Aufträge zu akquirieren“ (1).
Demnach fördert ein Sponsor des FC Liverpool noch schmutzige Geschäfte in den weltweit ärmsten Regionen. Damit stillt er vielleicht den Titelhunger sowie den „echten Hunger“ vieler seiner von ihm unterstützten Fußballprofis. Der tatsächliche Hunger in der Welt wirkt vor diesem Hintergrund aber nur umso erschreckender.
26 Angestellte
Im weiteren Verlauf der Reportage äußert sich der deutsche Trainer des FC Liverpool Jürgen Klopp über die Ernährungsexpertin Mona Nemmer. Er betitelt sie als „weltklasse“ und hebt ihre Leistungen für ein neu geschaffenes Berufsfeld hervor. Sinnbildlich wirbt auch Jürgen Klopp mit seinem Statement für diese Form des kommerzialisierten Fußballs.
Weiterhin nennt Mona Nemmer selbst als ihre Aufgaben beispielsweise Anti-Doping sowie die Kooperation mit Ärzten und die Verpflegung der Sportler in allen Lebenslagen. Hierbei verdienen hunderte Personen und Unternehmen kräftig mit. Denn Ziel ist es, dass die Leistungssportler ein möglichst hohes Niveau erreichen und auch halten. Dafür braucht jeder Verein fachkundige Mitarbeiter und viele Kooperationspartner, die täglich eine derartige, herausragende Qualität sicherstellen können.
Der Fußball bietet eben nicht nur den Profisportlern Reichtum und Wohlstand. Das sieht auf den ersten Blick sozial und solidarisch aus, ist aber dennoch nur Fassade im Vergleich zu den Unterdrückten der gesamten Fußballindustrie.
Insgesamt 26 Angestellte kümmern sich beim FC Liverpool um die Ernährung und Versorgung der Profifußballer. Der Verein hat somit einen eigenen kleinen Hofstaat, der sich nur um das Festmahl der edlen Ritter kümmert. Diese Zahl erschlägt jeden, der bedenkt, welchen simplen Zweck diese 26 Menschen und die Leiterin der Ernährungsabteilung haben: Sie dienen schlicht dem Fressen der Fußballmillionäre.
Zugleich lautet nämlich die Devise: Der Hunger darf niemals gestillt werden. Titelhunger oder „echter Hunger“ spielen dabei eine nebensächliche Rolle. Hauptsache, die Spieler, Trainer und Funktionäre werden niemals satt, wahrscheinlich vom vielen Geld.
Nach der Vorstellung und einem kurzen biografischen Abriss der Ernährungsexpertin Mona Nemmer widmet sich der Beitrag unter anderem den verschiedensten Lebensmitteln. Es sind die auserlesensten Nahrungsmittel, die jeder Fußballspieler des FC Liverpool genießen kann und soll.
Der Beitrag des ZDF unterstreicht damit nochmals, wie wichtig es sei, dass diese Sportler in ihrer Ernährung eine Rundumversorgung und -beratung erhalten. Wenn diese Hilfeleistungen durch Ernährungsexperten und andere Betreuer nicht vorhanden wären, würde es den Spielern womöglich längst nicht so gut gehen – und schließlich könnte der Erfolg ausbleiben! Zumindest wirkt die Berichterstattung wie eine erlösende Formel zum großen Ruhm für Jedermann. Der Report klingt nach einem Ratgeber für Außenstehende, beispielsweise für Spieler und Trainer in einem Amateurverein.
Mit der Aufzählung dreier Taktiken zwischen Fußball und Ernährung versuchen die Berichterstatter zusätzliche Zusammenhänge herzustellen. Als besonders wesentlich weist das ZDF darauf hin, dass den Spielern Wissen über ihre Ernährung vermittelt wird. Des Weiteren kooperieren Universitäten mit dem FC Liverpool, um dem Verein wissenschaftlich zu unterstützen.
Einerseits ist dies für den Hochleistungssport sicherlich vor allem in den westlichen Industriestaaten von großer Bedeutung. Andererseits ist der Beitrag des ZDF unzulänglich, wenn mit keinem Satz hungernde Menschen, insbesondere in Entwicklungsländern, und die übermäßige Verschwendung von Lebensmitteln in der westlichen Welt erwähnt werden.
Das ZDF betreibt eben Imagepflege für die große, heile Welt des Fußballs (2). Im Jargon des Profifußballs fasst dies ein Weltklasse-Satz von Bertold Brecht zusammen:
„Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.“
Wer denkt schon an die Hungernden, wenn doch viel lieber den Fressenden noch Honig ums Maul geschmiert wird? Das ZDF zeigte einmal mehr, wie unreflektiert Sportberichterstattung sein kann. Kommerzialisierter Fußball erstrahlt nicht selten in seiner wahren Form, es ist nur notwendig, jedes Mal richtig hinzusehen.
Quellen und Anmerkungen:
(1) https://www.deutschlandfunkkultur.de/internationale-hilfsorganisationen-die-duesteren-geschaefte.976.de.html?dram:article_id=435613
(2) https://www.youtube.com/watch?v=f7ymFyVUzm4
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