Andrea Drescher: Du bist bekannt als der Friedenszeichner — warum?
Björn Gschwendtner: Ja, das hat sich so ergeben. Der Betreiber von Willi Wimmers Facebook-Seite „Die Akte Moskau“ nannte mich so, als ein Beitrag von mir von ihm geteilt wurde. Meine Facebook-Seite heißt Friedenszeichnen — in Anlehnung an das Friedenszeichen — und ich bin eben jetzt der Friedenszeichner.
Wann hat das angefangen?
Das war im September 2016. Ich hatte zu wenig Zeit, um mich künstlerisch zu betätigen, gleichzeitig wollte ich wichtige Inhalte aus der Friedensbewegung an die Öffentlichkeit bringen. Während ich mir zum Beispiel auf KenFM die Interviews, die ja oft zwei Stunden dauern, anhörte, habe ich einfach gezeichnet. Die Kombination passt prima.
Und seit wann beschäftigst du dich mit Friedensthemen?
In der Schule haben wir uns schon während des Golfkriegs Anfang der 90er engagiert. Da war ich gerade mal 14. Wir haben bei Mahnwachen mit Kerzen und Gitarre im Kreis auf dem Schulhof gesessen und waren auf den Demonstrationen. Das ist aber alles wieder eingeschlafen. Und dank der Wende haben wir ja alle irgendwie auf weltweiten Frieden für immer gehofft. Aber das war leider eine Illusion. 2014 bin ich auf die Mahnwachen gestoßen und wurde wieder aktiv.
Du bist also auch Mahnwachler?
Ja — aber nicht wegen der Ukrainekrise, wie viele andere. Mich beschäftigte eher das Geldsystem und ich war unzufrieden damit, dass wir immer mehr arbeiten müssen und es niemals aufhört. 2007 stieß ich dann auf das Thema privates Schuldgeld sowie Zins- und Zinseszins als Ursache dafür, dass es letztlich immer zu wenig von allem gibt. Das wurde auf der Mahnwache ebenfalls thematisiert. Eine Freundin aus Berlin kannte Lars Mährholz und ging dort auf die Mahnwachen. Sie berichtete mir davon und ich stieß dann im Internet auf Ken Jebsen, der mich beeindruckte, weil er kein Blatt vor den Mund nahm. So kam ich dann im April 2014 zur Mahnwache in Frankfurt.
Auch dort waren die Schwerpunkte Krieg und Geldsystem, die ja eng zusammenhängen. Jean Jaurès hat bereits im 19. Jahrhundert gesagt: „Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich, wie die Wolke den Regen“. Wir spielen weltweit „Reise nach Jerusalem“ — es gibt immer zu wenig für die Forderungen der Finanzwirtschaft, darum müssen wir uns gegenseitig etwas abjagen, was zu einer zunehmend feindseligeren Gesellschaft führt. Da muss man einfach etwas dagegen tun.
Was tust du denn konkret?
Auf KenFM gab es die Aufforderung, zur Ramstein-Planungskonferenz zu kommen. Dort wurde ich richtig aktiv und habe der Orga mein Grafik-Knowhow angeboten. Seitdem mache ich Plakate, Flyer und alle Druckunterlagen für die Stopp-Ramstein-Kampagne. Seit letztem Jahr arbeite ich grafisch an der Webseite für das „Pax Terra Musica“-Festival mit und bin seit Anfang 2019 beim Wissens- und Aktionsnetzwerk Human Connection mit im Team.
Du bringst also deine beruflichen Kompetenzen in die Friedensbewegung ein?
Genau. Vor kurzem habe ich bei der Webseite von Ralph Boes — www.unsere-verfassung.org — mitgeholfen, das war aber nur eine Kleinigkeit. Ich bin immer offen für Anfragen, wie beispielsweise beim Selbstversorgerbuch, das zugunsten der Friedensbrücke Kriegsopferhilfe e.V. verkauft wird und Kriegsopfern in der Ukraine und in Syrien zugutekommt. Manchmal habe ich die Tendenz, zu viele Zusagen zu machen, aber es ist für mich lohnenswerter, alternative Projekte zu unterstützen, als für Großkonzerne bezahlte Grafikarbeiten zu machen. Ich muss natürlich noch Geld verdienen, aber wie man mir ansieht, bin ich noch nicht verhungert.
Verdienst du an der Friedensarbeit?
Nein, bei den Friedensprojekten lasse ich mich nicht bezahlen. Nur einmal habe ich schon „Pay what you want“ gemacht, da ich wusste, dass ein kleines Budget vorhanden war. Ich kann den Organisationen kein Geld spenden, gebe aber meine Arbeitskraft gerne weiter.
Aber du bist auch sonst noch aktiv?
Ja, ich fahre mit Peace-Motorrad durch die Gegend, das einem Polizei-Motorrad sehr ähnlich sieht. Bewundern kann man das seit Oktober 2018 auf www.friedensfahrzeuge.de. Fast alle drehen sich danach um — es gibt den Menschen einen Denkanstoß. Dann gehe ich auf Veranstaltungen und Vorträge zum Beispiel von Daniele Ganser, Rainer Mausfeld, Gabriele Krone-Schmalz, Albrecht Müller oder Willi Wimmer — natürlich immer mit dem Zeichenbuch mit den Portraits. Alle freuen sich, wenn sie ein Bild von sich sehen von einem Aktivisten, der das Zeichnen für den Frieden nutzt — so auch Politiker wie Dieter Dehm oder Sahra Wagenknecht. Ich werfe meine Stimme nicht bei einer Wahl in eine Urne, sondern erhebe sie auf meine Art. Auf Demos kann ich meine Unzufriedenheit deutlich machen und Lösungen fordern.
Nochmals zurück zu den Friedensbildern — was machst du damit?
Inzwischen sind es über 200 Portraits — hauptsächlich von Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen und in den Interviews der alternativen Medien zu Wort kommen. Ich veröffentliche sie auf Facebook. Im April nach dem Vortrag in Offenbach hat mir Daniele Ganser den Vorschlag gemacht, ein Buch mit den Zeichnungen zu veröffentlichen. Da denke ich jetzt drüber nach.
Bist du sonst noch auf Facebook aktiv?
Nein, seit Februar betreibe ich nur noch die Seite. Für mich hat es sich als Zeitfresser herausgestellt, der Konzern erhält meine sämtlichen Daten und mir gefallen die Streitereien dort nicht. Darum habe ich mich zurückgezogen. Im persönlichen Gespräch kann man Probleme viel leichter klären als online. Ich habe auch schon kaum mehr Lust auf das Smartphone. Aber wer kein WhatsApp oder Telegram nutzt, ist raus. Diese Messenger-Dienste sind fast unverzichtbar, um Kontakte zu pflegen — zum Beispiel schreibt keiner separat eine E-Mail, wenn an die Gruppe kommuniziert wird. Die Systeme haben sich tief in unser Leben eingegraben und führen gleichzeitig — Stichwort „Seltene Erden“ — zur Ausbeutung armer Menschen.
Unsere Luxusgesellschaft hat ihre Tücken, nicht wahr?
Oh ja. Ich persönlich bin gerne bereit, noch mehr von dem Luxus, den wir uns als westliche Gesellschaft angeeignet haben, abzugeben. Aber ganz aussteigen kann man auch nicht. Dann müsste man ein Leben wie ÖffÖff führen. Der Gründer der Schenkerbewegung lebt seit über 20 Jahren im Wald, aber das ist nicht jedermanns Sache.
Das wäre mit Familie wohl auch kaum möglich?
Ja, es gibt aber viele Dinge, die man im Leben ändern kann, ohne gleich radikal auszusteigen. Ich lebe inzwischen vegan, da ich denke, dass wir an den Tieren ein großes Verbrechen begehen; ich möchte kein Blut mehr an meinen Händen haben. Zuhause nutzen wir Wasser aus Glasflaschen statt Plastik. Und generell kaufe ich selten Dinge. Ich hätte auch kein Problem, in einer Jurte zu wohnen, aber das wäre nichts für meine Frau. Da für mich ein Kredit nicht in Frage kommt, leben wir also weiter in unserem Häuschen zur Miete. Kredite sind das Heroin des Systems und Zinsen sind das Geld, das man zurückzahlen soll, welches aber nie hergestellt wird. Also sind zur Zinszahlung wieder Kredite nötig.
Meine Frau sieht das zwar anders, aber wir finden innerhalb der Familie und im Freundeskreis immer Kompromisse. So bin ich meiner Frau sehr dankbar, dass sie akzeptiert, dass ich in einer Festanstellung unglücklich war. Und sie kann keinen Mann gebrauchen, der genervt von der Arbeit heimkommt. Jetzt leben wir zwar etwas prekärer, aber ihr Verzicht auf diese „Sicherheit“ ist enorm wertvoll für mich und ich habe nun eine gute „Work-Life-Balance“, wie es so schön heißt.
Dann liebe Grüße an deine Frau — schön, dass so etwas möglich ist! Und weiter viel Spaß beim Friedenszeichnen!
Björn Gschwendtner — geboren am 12. Juli 1977 in Frankfurt, wo er nach Zwischenstopp Köln immer noch wohnt — ist verheiratet und hat eine kleine Tochter. Er war erst als Biologielaborant tätig und hat dann umgesattelt auf Kommunikationsdesign. Jetzt ist er freiberuflicher Künstler, Illustrator und Grafiker, der seine Hobbys — Zeichnen und Malerei — zum Beruf gemacht hat.
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