Wenn man wissen will, was Freie Software ist und verstehen will, warum sie Erfolg hat, sollte man zunächst auf die Definition von Freier Software zurückgreifen. Es gibt eine Reihe von Definitionen, zum Beispiel die der Free Software Foundation (FSF).
„Freie Software ist Software, die die Freiheit und Gemeinschaft der Nutzer respektiert. Ganz allgemein bedeutet das, dass Nutzer die Freiheit haben Software auszuführen, zu kopieren, zu verbreiten, zu untersuchen, zu ändern und zu verbessern. Freie Software ist daher eine Frage der Freiheit, nicht des Preises. Um das Konzept zu verstehen sollte man an frei wie in Redefreiheit denken, nicht wie in Freibier. Manchmal nennen wir sie auch Libre Software, dem französischen bzw. spanischen Wort für frei wie in Freiheit entlehnt, um deutlich zu machen, dass wir uns keinesfalls auf Software beziehen die gratis sei.“
Oder jene der Free Software Foundation Europe (FSFE). Die Definition wird so eingeleitet: „‘Frei‘ in ‚Freie Software‘ bezieht sich auf Freiheit, nicht auf den Preis. Während diese Bedeutung seit den 80er Jahren verwendet wurde, scheint die erste dokumentierte vollständige Definition im GNU's Bulletin, vol. 1 no. 1, herausgegeben im Januar 1986, enthalten zu sein.“
Konsens ist: Software gilt dann als Freie Software, wenn
- sie ohne Einschränkungen genutzt werden darf;
- sie ohne Einschränkungen kopiert und weitergegeben werden darf;
- der Quelltext der Software ohne Einschränkungen studiert werden darf;
- sie ohne Einschränkungen verändert werden darf.
Dies muss durch die Lizenz, unter der die Software steht, gesichert werden.
Erfolgreich ist Freie Software deshalb, weil diese vier Eigenschaften, man spricht häufig auch von Freiheiten, nicht einfach ausgedacht sind, sondern wesentlichen Eigenschaften von Software entsprechen:
Zu Freiheit 1: Es gibt keinen technischen Grund, der die Nutzung der Software auf der Hardware, für die sie entwickelt wurde, einschränkt.
Zu Freiheit 2: Software kann ohne Qualitätsverlust durch Übertragung auf andere Datenträger vervielfältigt und weitergegeben werden. Es gibt keinen technischen Grund, der das verhindert. Die Nutzung einer Kopie behindert in keiner Weise die Nutzung anderer Kopien. In der Fachsprache sagt man: Software ist rivalitätsfrei nutzbar. Andere Güter, wie z.B. ein Fahrrad, haben diese Eigenschaft nicht. Die Nutzung durch eine Person verhindert oder behindert die Nutzung durch andere Personen.
Auch wirtschaftliche Gründe behindern die Vervielfältigung der Software nicht, da das Kopieren fast kostenfrei möglich ist.
Zu Freiheit 3: Der Quelltext der Software, also die Beschreibung der Software in einer von Menschen lesbaren Programmiersprache, entsteht bei der Entwicklung der Software, liegt also immer vor. Es gibt keinen technischen Grund, Personen die Einsicht in den Quelltext zu verwehren. Software enthält immer Fehler, deshalb ist es enorm wichtig, dass möglichst viele Programmierer den Quelltext studieren und Fehler finden können. Für das Aufspüren von Sicherheitslücken oder Hintertüren ist das unerlässlich. Es kann aber Gründe geben, den Quelltext nicht zu veröffentlichen, zum Beispiel kann der Quelltext Geschäftsgeheimnisse enthalten und das Studium des Quelltextes deshalb verboten werden. Die Software ist dann unfrei. In der Fachsprache spricht man von proprietärer Software.
Zu Freiheit 4: Werden bei der Untersuchung des Quelltextes Fehler oder Hintertüren gefunden oder es sind Ideen für die Weiterentwicklung entstanden, so gibt es keinen technischen Grund, der die Veränderung oder Weiterentwicklung der Software behindert.
Den Anforderungen an Freie Software entsprechen also wichtige Eigenschaften von Software.
Weitere Eigenschaften von Software
Software verschleißt nicht durch Nutzung. Ihre Eigenschaften verändern sich nicht. Andere Güter, wie zum Beispiel ein Apfel, nutzen sich in der Regel ab oder werden vollständig verbraucht und stehen dann nicht mehr zur Verfügung. Nur eine neue Version der Software mit verbesserten oder neuen Eigenschaften oder geschlossenen Sicherheitslücken lässt die Software altern. Man spricht dann von moralischem Verschleiß.
Wenn Software kopiert wird, verteilen sich die Entwicklungskosten auf die Kopien. Hat die Entwicklung eines Programms zum Beispiel 100.000 € gekostet, fallen bei zwei Kopien nur noch 50.000 € pro Kopie an. Bei 100.000 Kopien ist es nur noch 1 €. Gelingt es, die 100.000 Kopien für 10€ pro Stück zu verkaufen, entsteht ein Gewinn von 900.000 €. Kein Wunder, dass Bill Gates ein sehr reicher Mann geworden ist. Damit Software in eine handelbare Ware verwandelt wird, müssen die Freiheiten durch eine Lizenz eingeschränkt werden. In der Regel werden dazu das Kopieren und die Einsichtnahme in den Quelltext untersagt. Der Nutzer erhält zudem in der Regel kein eigenes Exemplar der Software, das er z.B. weiterverkaufen kann, sondern oftmals nur ein persönliches Nutzungsrecht.
Bei Standardsoftware, wie zum Beispiel Textverarbeitung, die in großer Stückzahl verbreitet wird, liegt es wegen der praktisch verschwindenden Kosten pro Kopie nahe, die Softwarekosten frei zu verteilen. Es ist allerdings bei Freier Software nicht untersagt, sie zu verkaufen. Da Freie Software in der Regel kostenfrei z.B. über das Internet verteilt wird, wird oftmals „Frei“ mit „kostenfrei, umsonst“ verwechselt. Frei, wie in Freibier, es geht aber um Frei wie in Freiheit.
Entwicklungskosten fallen allerdings immer an. Sie werden auf unterschiedliche Weise aufgebracht:
- Freiwillige entwickeln die Software aus technischem Interesse, weil sie ihre Berufsaussichten verbessern wollen oder weil sie Freie Software fördern wollen. Die Kosten für den erbrachten Entwicklungsaufwand werden nicht in Anschlag gebracht.
- Unternehmen, die aus dem Service für Software Gewinne erzielen, beteiligen sich an der Entwicklung oder den anfallenden Kosten.
- Unternehmen, die die Software nutzen, beteiligen sich an den Kosten. Da die Entwicklung meist über viele Personen oder Unternehmen verteilt erfolgt, werden so für das einzelne Unternehmen Kosten eingespart. Wichtigstes Beispiel ist der Linux-Kernel, an dessen Entwicklung mehrere Tausend Entwickler beteiligt sind, von denen viele bei den wichtigsten IT-Unternehmen beschäftigt sind.
- Durch Spenden der Nutzer. Die Einsicht, dass man sich als Nutzer nach seinen Möglichkeiten an den Kosten für die Entwicklung der genutzten Software beteiligen sollte, verbreitet sich immer mehr. In der Regel wird die Höhe der jeweiligen Einzelspende deutlich unter den Kosten für den Erwerb einer Nutzungslizenz für proprietäre Software bleiben.
Warum ist Freie Software wichtig?
Leider werden die Nutzerinnen und Nutzer bei der Verwendung von IT-Geräten durch private und staatliche Akteure umfangreich ausgespäht. Nur wenn der Quellcode studiert werden darf, können Sicherheitslücken oder versteckte Funktionen der Software gefunden werden. Freie Software leistet damit einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt der Privatsphäre der Nutzer, sie ist ein Beitrag zur Sicherung demokratischer Verhältnisse.
Durch Freie Software wird ein Beitrag zur Vergleichbarkeit der Lebensverhältnisse erbracht. Wenn zum Beispiel Freie Software in der Schule verwendet wird, kann sie auch Schülerinnen und Schülern, die von Armut betroffen sind, zur Nutzung in und außerhalb der Schule zur Verfügung gestellt werden. Die Software kann an die Eltern weitergegeben werden und auch nach Verlassen der Schule ohne Einschränkung weiter genutzt werden. Dies ist insbesondere wichtig, wenn nach der Schule Arbeitslosigkeit folgt.
Die in Freier Software verwendeten Dateiformate – das ist die in der Software formulierte Beschreibung, wie zum Beispiel Texte oder Grafiken dargestellt werden – sind offen dokumentiert. Wird ein Programm nicht mehr weiterentwickelt, ist es deshalb möglich, Software zu entwickeln, mit der eine mit dem Programm, das nicht mehr weiterentwickelt wird, erzeugte Datei dargestellt und bearbeitet werden kann. Der Erhalt digitaler Werke ist damit besser gesichert, als bei geheimen Formaten.
Die Nutzer und Nutzerinnen können in wesentlich größerem Umfang als bei unfreier Software bestimmen, was auf ihrem Computer installiert ist und was mit ihren Daten geschieht. Fast ohne Kosten können sie ihren Computer auf dem aktuellen Stand halten, es gibt keine rechtlichen Probleme mit der verwendeten Software.
Die Aufzählung ist nicht abgeschlossen.
Was hindert die Nutzerinnen und Nutzer daran, Freie Software zu verwenden oder ihren Rechner vollständig auf Freie Software umzustellen? Der wichtigste Grund ist das Netz von Abhängigkeiten, das im Verlauf der Jahre entstanden ist und in das die Nutzer und Nutzerinnen eingebunden sind. Man spricht von Vendor-Lock-in. In das Netz gelockt werden Schülerinnen und Schüler, Studierende und Lehrkräfte dadurch, dass ihnen oftmals proprietäre Software unentgeltlich oder zu einem deutlich reduzierten Preis zur Verfügung gestellt wird. Nach Verlassen der jeweiligen Bildungsstätte muss dann der normale Preis für die weitere Nutzung gezahlt werden.
Softwarehersteller binden Nutzer durch geheime Formate – das wichtigste Beispiel sind die Text-, Tabellen-, und Präsentationsformate der Microsoft Office Suite – an ihre Software. Leider verstärkt die öffentliche Verwaltung durch Verwendung dieser Formate dies noch. Es ist oftmals unbequem oder mühsam, auf ein Dateiformat zu wechseln, mit dem man nicht an eine bestimmte Software gebunden ist: Das Freie Format kann nicht verarbeitet werden, die Dateien werden in proprietärer Software nicht richtig dargestellt, man hat kaum Partner, die das freie Format verwenden, und so weiter. Freie Software unterstützt aber in vielen Fällen die Darstellung der unfreien Formate, die Nutzer und Nutzerinnen sollen bei Freier Software die Wahl haben. Wie immer ist der Weg zu größerer Selbstbestimmung und Freiheit also mit Mühen verbunden, lohnt sich aber.
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