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Ware Bildung

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Das Land Berlin entledigt sich seiner Verantwortung für die öffentlichen Schulen.

Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) hat am 3. Juli 2018 – nach der Übergabe von 30.000 Unterschriften – den Antrag auf eine Anhörung zu den Schulbau- und Sanierungsplänen des Senats vor den zuständigen Ausschüssen des Berliner Abgeordnetenhauses als Volksinitiative gestellt. Die Initiative fragt, warum Berliner SpitzenpolitikerInnen von Rot-Rot-Grün so stark an ihrem angeblichen ÖÖP-Projekt (Öffentlich-öffentliche Partnerschaft) hängen. Und ob sie wirklich an das Heilsversprechen glauben, wonach eine Wohnungsbaugesellschaft (Howoge) die großen Schulprobleme lösen soll.

Nach den Enthüllungen in der Berliner Presse (insbesondere der Beteiligung des Ex-ÖPP-Cheflobbyisten Kulle an den Planungen) wurde vielfach vermutet, dass der ÖPP-Lobbyismus sich hinter den Kulissen durchgesetzt hat. Dies umso mehr, als bei komplizierten Problemen von PolitikerInnen gern auf „Experten“ von Beraterkonzernen zurückgegriffen wird, wie wir das schon von der Autobahnprivatisierung 2017 her kennen (PricewaterhouseCoopers und andere).

Tatsächlich hat die Politik des „schlanken Staates“ die Vernachlässigung der Infrastruktur und den Verlust eigener Experten im staatlichen Sektor zur Folge. „Sparen, bis es kracht“, „Konsolidieren“ und die Privatisierung von Grundstücken und Wohnungsbaugesellschaften haben eine unschöne und komplizierte Mangelsituation sowohl bei den Schulen als auch in der Wohnungswirtschaft hinterlassen.

Da ist es nur zu verständlich, dass man sich seitens der Berliner Regierungsparteien Rot-Rot-Grün mit den Folgeproblemen gar nicht genauer befassen möchte, weil sie durch eine Vielzahl falscher Weichenstellungen als schwer überwindbar erscheinen.

Soll sich doch die Wohnungsbaugesellschaft drum kümmern!

Vor diesem Hintergrund erscheint die Möglichkeit, mit der Auslagerung von Schulen in eine Wohnungsbaugesellschaft auch die Probleme auslagern zu können, sehr verführerisch. Aber, wenden die kritischen Stimmen ein, mit der Wohnungsbaugesellschaft klappt’s doch schon auf ihrem ureigenem Gebiet, dem Wohnungsbau, nicht, wie jüngst in der Sommerklausur des Berliner Senats am 30. Juni 2018 festgestellt wurde.

Stimmt.

Aber die Wohnungsbaugesellschaft muss es ja auch nicht selber richten. Sie schiebt alles auf einen „Generalunternehmer“. Und der soll dann sehen, wie er die Probleme gelöst bekommt!

Man hört schon das Grollen des Berliner Flughafens im Hintergrund oder das Grollen aus dem Loch vorm Stuttgarter Hauptbahnhof („Stuttgart 21“).

Aber solches Grollen scheint PolitikerInnen in Not nicht von weiteren derartigen Vorhaben abzuhalten, solange sie sich der entscheidenden Kräfte in unserer Gesellschaft sicher sein können. Und die entscheidenden Kräfte sind die gut organisierten Unternehmensverbände.

Die Banken werden heimlich Beifall klatschen, sind sie doch hoch zufrieden, weil ihre Kredite durch den Einredeverzicht staatlicherseits ja bestens gesichert werden sollen.

Und ist so etwas erst einmal „eingetütet“, wird es ein Selbstläufer, so oder so, erfolgreich oder nicht. Das kann, sobald es auf die Gleise gesetzt ist, nicht mehr umgestoßen werden. Ein 30-jähriges Projekt kann dann bestenfalls irgendwann einmal bedauert werden, wie es jetzt in Hessen geschieht. Hier hatte Roland Koch als CDU-Ministerpräsident, bevor er 2011 zum Konzern Bilfinger Berger wechselte, 50 ÖPP-Projekte auf die Schiene gesetzt (Leo-Programme), die nach 15 Jahren – also der Hälfte der Laufzeit – von fast allen politischen Parteien in Hessen als Fehler bezeichnet werden (1)!

Aber ändern kann man dann nichts mehr. Dann gilt wirklich das TINA-Prinzip: There is no alternative!

Deshalb wird jetzt in Berlin auch so viel Zeit und Energie vor und vor allem hinter den Kulissen darauf verwendet, das ÖÖP-ÖPP „einzutüten“ (GiB und andere kritische Experten sagen „ÖPP – Öffentlich-private Partnerschaft“, der Senat und die angehörenden Parteien sagen „ÖÖP“). Diese Zeit scheint gut investiert, weil man danach Ruhe hat. Glaubt man.

Und hinterher wissen es ohnehin alle besser. Obwohl man es auch schon vorher, also jetzt, besser wissen könnte.

Die Probleme werden so allerdings nicht gelöst

Mit einem solchen Vorgehen lassen sich die Probleme nicht vom Hals der PolitikerInnen schaffen. Denn erstens sehen die „Lösungen“ nicht so aus, wie vielleicht erhofft, zum zweiten werden eine Reihe neuer Probleme produziert, wie gleich zu zeigen sein wird.

Drittens wird übersehen, dass der Widerstand geradezu provoziert wird, wenn man versucht, die Bevölkerung hinters Licht zu führen. Und schließlich wäre mit einem solchen Vorgehen ein Politikwechsel ein weiteres Mal – diesmal unter Rot-Rot-Grün – in weite Ferne gerückt.

Das vom Senat vorbereitete Modell erfordert anscheinend die Beratung von ÖPP-Experten wie dem bereits genannten Bernward Kulle und womöglich weiterer Berater(konzerne).

Das Senatsmodell verzögert Bau- und Sanierungsmaßnahmen erheblich, wie an der offiziellen Zeitleiste bereits erkennbar ist. Neubau und Sanierung von Schulen werden verteuert, nicht nur über die Zinsen, sondern auch über die Risikoverteilung bei unvorhergesehenen Änderungen.

Das Senatsmodell trifft extrem lange, risikoreiche Festlegungen (Kredite mit Einredeverzicht, Mietverträge, Bau- und Sanierungsverträge) bis zu 32 Jahren. Die Flexibilität für die Schulpolitik in den kommenden Jahrzehnten wird erheblich eingeschränkt, ebenso die Transparenz sowie die Mitbestimmung. Bemühungen um eine bessere Verbindung von Schularchitektur und Pädagogik werden erschwert.

Der eigentlich notwendige Ausstieg aus der bisherigen Privatisierungs- und Staatsabbau-Politik ist dieses Modell jedenfalls nicht. Eine alternative Schulbau- und Schulsanierungspolitik sieht anders aus.

Zu einer solchen alternativen Politik gehört zunächst die Bereitstellung auskömmlicher Mittel für den Erhalt und den Ausbau der kommunalen und staatlichen Infrastruktur. Diese sind fürs Erste anscheinend auch in Berlin gesichert.

Die Mittel dürfen nicht nur „investiven“ Zwecken dienen, sondern müssen die Einstellung von kommunalem und staatlichem Personal ermöglichen. Denn sonst stochert man im Nebel. Ohne exakte Bestandsaufnahme können weder genaue Kosten ermittelt noch ein Sanierungs- beziehungsweise Neubaukonzept entworfen werden, noch kann eine Reihenfolge unter Beteiligung von SchülerInnen, Eltern und Lehrkräften festgelegt werden.

Auch die Mittelumsetzung und das Controlling können nicht ohne Personal erfolgen.
Ohne eine kurz-, mittel- und langfristige Personalpolitik wird es auch in Berlin nicht gehen.

Mit der Politik des Verkaufs von „Tafelsilber“, in diesem Fall von Grundstücken, muss ebenfalls Schluss gemacht werden, wollen die Bezirke und das Land Berlin nicht ihre politischen Steuerungsmöglichkeiten verlieren.

Auf der politischen Ebene muss endlich der Kampf gegen Verschuldungsverbote auf nationaler und EU-Ebene aufgenommen werden. Es genügt nicht, die Kritik nur hinter vorgehaltener Hand zu üben! Anzuknüpfen wäre an die Diskussion einer Fonds-Lösung für die öffentliche Infrastruktur, wie sie die Gewerkschaften als Minderheitenposition in der Fratzscher-Kommission 2016 vorgeschlagen hatten.

Auch die „Goldene Regel“ (2) für öffentliche Investitionen bietet Ansatzmöglichkeiten.
Und vor allen Dingen geht an einer entsprechenden Steuerpolitik kein Weg vorbei.

Dieser Weg scheint mühsam zu sein, jedoch besser ein mühsamer Weg als einer in die falsche Richtung!

Und die betroffene Bevölkerung würde mit Sicherheit eine solche Politik akzeptieren: eine Politik jenseits von

  • komplizierten Eigentumsübertragungen von Schulen auf eine Wohnungsbaugesellschaft,
  • Schattenhaushalten,
  • 30-jährigen Mietverträgen mit erheblichen Risiken für den Staat,
  • Risikofreistellung der Banken und
  • Generalunternehmern mit Sub-Unternehmen.

Und vor allen Dingen: Diese Politik könnte sofort eingeleitet werden.


Quellen und Anmerkungen:

(1) Volker Thies schreibt in der Immobilien Zeitung vom 28. Juni 2018: „Leo-Portfolios sind ein schlechtes Geschäft für Hessen. Rund zehn Jahre nach dem Verkauf des letzten der drei sogenannten Leo-Portfolios mit Behördenbauten des Landes Hessen wird dieser Vorgang in der Landespolitik erneut diskutiert. Dabei sind sich nahezu alle politischen Gruppen einig, dass die damals von Ministerpräsident Roland Koch und Finanzminister Karlheinz Weimar (beide CDU) vorangetriebene Privatisierung und damit verbundene Rückmietung für 30 Jahre ein Fehler war. Die Christdemokraten halten ihren Altpolitikern jedoch zugute, dass sie nicht hätten ahnen können, wie sich Immobilienmarkt und Zinsniveau entwickeln würden.
Die SPD rechnet hingegen vor, dass es wesentlich günstiger gewesen wäre, damals 2,1 Milliarden Euro als Kredite aufzunehmen. So hoch war der Erlös des Landes aus dem Verkauf der 50 Gebäude. SPD-Finanzpolitiker Norbert Schmitt kommt für dieses Szenario auf 1,7 Milliarden Euro Zinszahlungen über 30 Jahre. Die Miete werde sich in diesem Zeitraum hingegen auf rund 4 Mrd. Euro summieren. Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) bestätigte, dass bislang 1,4 Milliarden Euro Miete gezahlt wurden. Darüber hinaus verpflichten die Mietverträge das Land zur Sanierung der Objekte. Schäfer nannte für die anlaufende Erneuerung des ehemaligen Sozialministeriums (Dostojewskistraße, Wiesbaden) eine Kostenschätzung von 19 Millionen Euro. Ähnlich soll die Sachlage im Behördenzentrum Am Rosengarten in Fulda sein, auch wenn dort keine konkreten Beträge genannt werden.“

(2) „Die wirtschaftliche Lage im Euroraum ist weiterhin fragil. Problematisch ist der starke Einbruch der öffentlichen Investitionen, vor allem in den Krisenländern der Peripherie. Eine wichtige Reformoption wäre daher die Umsetzung der Goldenen Regel für öffentliche Investitionen auf europäischer Ebene. Diese weithin akzeptierte finanzwissenschaftliche Regel würde die Finanzierung öffentlicher Nettoinvestitionen durch Nettokreditaufnahme ermöglichen, was gleichzeitig der Generationengerechtigkeit und der Stärkung des Wirtschaftswachstums dient.“ (Achim Truger in WISO Direkt 35/2015, Friedrich-Ebert-Stiftung)


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