Ich habe gut reden. Das Dorf, in dem ich lebe, wurde nicht dem Erdboden gleichgemacht. Ich bin nicht auf der Flucht. Ich muss nicht hungern und frieren, muss nicht täglich um mein Leben bangen oder um das meiner Liebsten. Mein Alltag ist nicht von Leid geprägt. Um ehrlich zu sein: Ich schaue mir die Bilder und Filme nicht an, in denen Menschen leiden. Ich überfliege die Schlagzeilen, doch ich tauche nicht in die Inhalte ein.
Es tut mir nicht gut. Es macht mich wütend, fassungslos, ohnmächtig. So wie die ständigen schlechten Nachrichten möchte ich mir auch keine Horrorfilme ansehen. Bilder, in denen Lebewesen gequält werden, sollen sich nicht in mein Gehirn einbrennen. Ich finde es schon schwierig, an einem Tiertransport vorbeizufahren, denn ich trage die grausamen Szenen aus Schachthöfen seit vielen Jahren unauslöschlich in mir.
Weigere ich mich also, die Realität zu sehen und den Geschehnissen ins Auge zu blicken? Mache ich es mir in meiner Blase zu bequem und versuche, mich nicht vom Leid anderer berühren zu lassen? Ist es ein Zeichen von Egoismus, Ignoranz oder gar Gleichgültigkeit, mich bestimmten Informationen zu entziehen? Oder ist es im Gegenteil die einzige Möglichkeit, dem Horror ein Ende zu setzen?
An allen Fronten
Die schlechten Nachrichten reißen nicht ab. Kaum erreichte uns die Information über ein Virus, das, wie wir heute wissen, nicht gefährlicher war als eine normale Grippe, wurde uns eingeredet, wir befänden uns im Krieg. Maßnahmen konnten greifen, die es sonst nur in Kriegszeiten gibt: Ausgangssperren, eine Lähmung des öffentlichen Lebens, verschärfte Kontrolle, Gleichschaltung, Propaganda, Zensur, Verfolgung Andersdenkender, Aufforderung zum Denunzieren, Versammlungs- und Kontaktverbote, Regieren per Dekret, Zwangsbehandlungen.
Während die Spaltung der Gesellschaft unterschwellig durch Bewegungen wie Black Lives Matter, MeToo, Last Generation oder Fridays for Future vorangetrieben wird, ziehen immer neue Feindbilder über die Bildschirme der großen Medien. Ukraine, Klima, Israel — neben aktuell über zwanzig Kriegen kommen wir einfach nicht zur Ruhe (1). Über alle Kanäle, ob Mainstream oder unabhängig, verbreiten sich Angst, Wut und Ohnmacht.
So haben wir nicht viel zu lachen in einer in ihre Einzelteile zerfallenden Welt. Politische Korrektheit und Wokeness gebieten uns, den Mund zu halten. Wo bisher diejenigen als Antisemiten geächtet wurden, die quer denken, staatliche Maßnahmen anzweifeln oder eine bestimmte Partei wählen, stehen heute die im Fokus, die auf das Leid in Gaza aufmerksam machen.
Verwirrspiele
Das alles ist natürlich Zufall. Zufällig herrscht ein Chaos, in dem wir nicht mehr wissen, ob wir Mann oder Frau sind, Einheimischer oder Fremder, Hausbesitzer oder zukünftiger Obdachloser. Zufällig drohen einem großen Teil der deutschen Bevölkerung dem Klima zuliebe Verarmung und Enteignung.
Zufällig wird in Frankreich Energie gespart, indem in vielen Gemeinden und Stadtvierteln die öffentliche Beleuchtung zwischen 23 Uhr und 6 Uhr komplett abgeschaltet wird. Zufällig wird die Bevölkerung gespalten in diejenigen, die sich über den Sternenhimmel freuen, und die, die sich an eine Sperrstunde erinnert fühlen oder sich nachts nicht mehr aus dem Haus wagen.
Zufällig werden Chaos, Spaltung und Dunkelheit immer weiter vorangetrieben. Zufällig entstehen immer neue Traumata und immer neue Opfer, die zu immer erbarmungsloseren Tätern werden, da nur Menschen, die selbst gelitten haben, sich das Recht herausnehmen, andere leiden zu lassen.
Wer nicht verletzt worden ist, muss seinen Schmerz nicht kompensieren und auf andere projizieren, um ihn erträglich zu machen.
Vom Mitleid zur Mitfreude
Wenn sich etwas zum Besseren wenden soll, müssen wir aus dem Sumpf aussteigen, der immer neues Leid und immer neue Opfer hervorbringt. Mit Gewalt und Ungestüm geht es nicht. Ebenso wenig können wir so tun, als sei da kein Sumpf, oder versuchen, den Gestank mit schönen Parolen zu parfümieren. Damit sich neue Räume eröffnen können, stehen wir vor der Herausforderung, den Sumpf zu durchqueren, ohne in seinen Tiefen zu versinken.
Hinschauen, ohne sich blenden zu lassen, fühlen, ohne sich zu verlieren, wahrnehmen, ohne zu verurteilen. Nur der mittlere Weg führt auf die andere Seite.
Hierbei können wir Hilfe gebrauchen. Nicht noch mehr Leid. Was hilft, ist nicht Mitleid, sondern Menschen, deren Herz groß genug ist, das Leid anderer anzunehmen, ohne sich damit zu belasten.
Im tibetischen Buddhismus gibt es eine Übung, in der sich der Meditierende vorstellt, das eigene Leid oder das Leid eines anderen aufzunehmen und in seinem Herzen zu verwandeln, indem er Liebe und Mitgefühl aussendet (2). Auch für das Geistwesen Salvador führt der Weg aus der alten Matrix heraus über das geöffnete Herzportal — und damit in die Freude (3). Hier ist nicht die aufgesetzte Freude positiver Affirmationen gemeint, sondern eine tief empfundene Herzensfreude, in der sich Schmerz und Leid auflösen können.
Vom Konsumieren zum Manifestieren
Über die Öffnung des Herzens wird eine Art Verdauungsprozess in Gang gesetzt, der auch die schweren Brocken zu zersetzen vermag. Doch seien wir achtsam, was wir zu uns nehmen. So wie wir nicht auf die Idee kommen würden, pausenlos zu essen, sollten wir aufpassen, nicht pausenlos Informationen zu uns zu nehmen, die uns schwer auf dem Magen liegen.
Achten wir darauf, die Nachrichten und Informationen gut auszuwählen, so, wie wir bei unserer Ernährung darauf achten, uns nicht nur Junk-Food einzuverleiben. Entwickeln wir ein Gespür dafür, was gut für uns ist und was nicht. Schließlich ist es unsere erste Aufgabe im Leben, darauf zu achten, gesund zu bleiben.
Anstatt ständig das zu konsumieren, was wir nicht wollen, können wir uns daranmachen, das zu manifestieren, was wir uns wünschen. Was ist das Schönste, was wir uns jetzt vorstellen können? Welche Situation wünschen wir uns? Wie soll es sich anfühlen? Wie wollen wir miteinander sein?
Öffnen wir weit das Herzportal! Alles ist möglich! Lassen wir uns nicht das Gegenteil einreden. Und während wir so mit dem beschäftigt sind, was wir wirklich wollen, löst sich die alte zerstörerische Matrix von ganz alleine auf. Es hat schon angefangen. Die Selbstgerechten vernichten sich gegenseitig (4). Vertrauen wir nur darauf, dass Gleiches immer Gleiches anzieht.
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Quellen und Anmerkungen:
(1) https://www.friedensbildung-bw.de/aktuelle-konflikte
(2) Pema Chödrön: Tonglen: Der tibetische Weg, mit sich selbst und anderen Freundschaft zu schließen, Arbor 2016
(3) Christiane Hansmann: Das Herzportal — Neues Wissen aus der geistigen Welt: Die Manifestation deines wahren Seins, Ansata 2023
(4) https://www.spiegel.de/kultur/tv/marie-agnes-strack-zimmermann-bei-markus-lanz-knallharter-antisemitismus-a-36080c3f-c46a-494c-8cd3-00a2af0565a0