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Von Granaten und Fußbällen

Von Granaten und Fußbällen

Zum ersten Mal in der Geschichte geht ein Bundesliga-Klub eine Kooperation mit einem deutschen Rüstungsunternehmen ein.

Am Abend des 28. Mai 2024 meldete das Handelsblatt, dass Borussia Dortmund einen Deal mit dem deutschen Rüstungsunternehmen Rheinmetall vereinbart hat. Laut der Webseite des Unternehmens, das sich als „Champion Partner“ bezeichnet, gilt diese Absprache für die nächsten drei Jahre. Es geht um „die Nutzung reichweitenstarker Werbeflächen, Vermarktungsrechte sowie Event- und Hospitality-Angebote im Stadion und auf dem Vereinsgelände“.

Zum ersten Mal wurde das Rheinmetall-Logo in den Tagen vor dem Champions-League-Finale gezeigt. So war es zum Beispiel schon einen Tag nach Bekanntgabe der Partnerschaft „am Trainingsplatz des BVB zu sehen“. Die vereinbarte Summe wurde nicht genannt, es kursiert aber die Zahl von 20 Millionen Euro.

Die neue Normalität

Hans-Joachim „Aki“ Watzke ist der Geschäftsführer des BVB. Er verteidigt den Deal mit einem indirekten Hinweis auf den Krieg in der Ukraine: Weil die „Freiheit in Europa verteidigt werden muss“, sieht er Gemeinsamkeiten zwischen Rheinmetall und dem BVB in der „Sicherheit und Verteidigung [...] unserer Demokratie“. Für ihn ist das der Beginn einer „neuen Normalität“.

Der Sportbeauftragte der Evangelischen Kirche, Thorsten Latzel, betrachtet diese Absprache als eine „Grenzüberschreitung“. Watzkes Rede von der neuen Normalität hält er für „problematisch“. Latzel will Kriege und Waffen nicht „normalisieren“.

Es hat nicht lange gedauert, bis im Internet Bilder auftauchten, auf denen zum Beispiel schwarzgelbe Panzer abgebildet sind. Wer einen Account bei einem sozialen Netzwerk hat, wird diese Bilder bestimmt schon gesehen haben. So schmückt auch ein Panzer in den Farben des BVB ein Bild, das der Satiriker und Politiker Martin Sonneborn auf der Plattform X gepostet hat. Auf dem Bild stehen über dem Panzer, der sich auf einem Spielfeld befindet, die Worte: „BVB – Wir schießen nicht nur Tore!“

Mittlerweile richten sich auch zwei Petitionen gegen diese Partnerschaft. Eine wurde von der Deutschen Friedensgesellschaft erstellt und richtet sich an den Vorstand von Borussia Dortmund: „Keine Werbepartnerschaft von Borussia Dortmund mit dem Rüstungskonzern Rheinmetall!“ Bis zum 4. Juni 2024 haben 4.200 Personen diese Aufforderung unterschrieben. Die andere Petition wurde, soweit das erkennbar ist, wohl von einer Privatperson initiiert und steht momentan bei 20.300 Stimmen. Ihre Überschrift lautet: „Auflösung des Sponsoringvertrages zwischen dem BVB und der Rheinmetall AG“.

Die Kritik der Fans

Am 1. Juni 2024 fand dann das Champions-League-Finale zwischen Real Madrid und dem BVB statt. Real Madrid gewann das Spiel mit 2:0. Die Fans des BVB zeigten ihren Protest gegen die Partnerschaft mit Rheinmetall mit Bannern. An die deutschen Zuschauer gerichtet war das Banner mit der Aufschrift „Rheinmetall: Mit dem Fußball zum Saubermann-Image?“ Und für die englischsprachigen Zuschauer war der Hinweis auf dem zweiten Banner gedacht: „Protecting BVB from Sportswashing is our mission!“

Der Begriff „Sportswashing“ setzt sich aus den englischen Wörtern Sport und Whitewashing zusammen. Soll heißen, dass das Ansehen einer Personengruppe oder eines Unternehmens, hier eben Rheinmetall, durch die Assoziation mit einem beliebten Sportverein aufpoliert werden soll.

Noch vor dem Finale wurde der ehemalige deutsche Fußballspieler Per Mertesacker nach seiner Meinung zu dem Deal mit Rheinmetall befragt. Er antwortete:

„Ich tue mich ein bisschen schwer mit einer gesellschaftlichen Etablierung eines Rüstungskonzerns. Deswegen hoffe ich, dass wir die Diskussion auch aufrechterhalten.“

Außerdem kommentierte der ehemalige englische Fußballspieler Gary Lineker auf X den Deal mit den Worten, dass er in einem Champions-League-Finale zum ersten Mal Real Madrid anfeuern wird.

Thomas Kessen, der Sprecher des Fanbündnisses „Unsere Kurve“ fand im Deutschlandfunk vor dem Finale ebenfalls deutliche Worte:

„Es ist Sportswashing: Rheinmetall freut sich, dass man den blutgetränkten Namen ein wenig schwarzgelb anpinseln kann, und Aki Watzke freut sich über mehrere Millionen Einnahmen. Es ist an Schäbigkeit nicht zu überbieten.“

Die Fans wurden nicht gefragt, man hat sie zwei Wochen vor der Bekanntgabe der Partnerschaft nur informiert.

Der Wertekodex

Die Fans berufen sich auch auf den „Grundwertekodex“ des BVB, der vor nicht einmal zwei Jahren vereinbart worden ist. Laut dem Kodex spricht sich der BVB für „eine Gesellschaft ohne Gewalt“ aus. Ein Blick in die „Verhaltensgrundsätze“ dieser Mannschaft lohnt sich. Dort steht zum Beispiel auf Seite 17, dass der BVB die „Menschenrechte und die Umwelt“ schützt. Mehr noch, die Mannschaft bekennt sich nicht nur zu den Menschenrechten, sie analysiert sogar „stetig“, ob durch ihre Geschäftstätigkeiten „Risiken für Menschenrechte“ bestehen, durch sie überhaupt erst „entstehen“ oder zu „solche(n) Risiken beitragen“.

Laut dem Kinderhilfswerk terre des hommes „stirbt alle 14 Minuten auf der Welt ein Mensch durch eine deutsche Waffe“. Diese Zahlen stammen aus der Kampagne „Stoppt Waffenexporte“ aus dem Jahr 2017. Es wäre nicht verwunderlich, wenn die Zahl von 14 Minuten nach den Entwicklungen der letzten Jahre aktuell sogar noch niedriger ausfallen würde. Die Zahl der Kinder, die „in einem Kriegs- oder Konfliktgebiet“ leben, hat sich in den letzten 20 Jahren laut terre des hommes fast verdoppelt, es sind 420 Millionen Kinder. Die darauffolgende Frage liegt auf der Hand: Wie passt all das zu einer Partnerschaft mit einem Rüstungsunternehmen?

Wem bringt der Deal wirklich etwas?

Es ist auffällig, dass die Kooperation in einer Zeit stattfindet, in der Rheinmetall von dem 100 Milliarden Euro starken „Sondervermögen“ der Bundeswehr profitiert. Denn das Unternehmen schätzt, dass es von diesem Betrag „zwischen 30 und 40 Milliarden Euro“ bekommen wird.

Wer profitiert nun wirklich davon, wenn man bedenkt, dass hinter dem vermeintlich deutschen Unternehmen Rheinmetall amerikanische Großinvestoren stehen? Dr. Werner Rügemer formuliert es bei „Punkt. Preradovic“ so:

„Der größte Aktionär des deutschen Rüstungskonzerns heißt BlackRock. Und unter den 10 größten Aktionären von Rheinmetall sind neun amerikanische.“ Letztendlich fallen nicht nur die „strategischen Entscheidungen (...) in den USA“, auch die „Gewinne der größten Aktionäre gehen“ dorthin.

Als der Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vor Kurzem in den USA ein Boeing-Werk besucht hat, sagte er: „‚Wir haben 380 Verträge mit amerikanischen Rüstungsunternehmen am Laufen‘“. Das heißt, dass fast ein „Viertel aus dem Sondervermögen“ allein für diese Verträge verwendet wird. Das macht demnach knapp 25 Milliarden Euro für die amerikanischen Rüstungsunternehmen und zwischen 30 und 40 Milliarden Euro für das deutsche Rüstungsunternehmen in der Hand amerikanischer Großaktionäre.

„Stop War“?

Im Februar und März 2022 standen die Schwarzgelben mit Bannern auf dem Spielfeld, auf denen „Gemeinsam für den Frieden“ und „Stop War“ zu lesen war. Noch im Februar 2024 wurden Bilder auf der Webseite des BVB gezeigt, auf denen ebenfalls die Aussage „Stop War“ auf Anzeigetafeln im Fokus steht. Im Nachhinein stellt sich die Frage, wie ernst es dem BVB mit solchen Aussagen ist, denn zu dieser Zeit wurde im Hintergrund bereits an der Partnerschaft mit Rheinmetall gearbeitet. Die Verhandlungen liefen seit Januar 2024.

Noch vor den Verhandlungen mit Borussia Dortmund gab es Ende letzten Jahres einen kurzen Austausch mit Borussia Mönchengladbach. Letzterer suchte einen neuen Sponsor für die Trikots. Rheinmetall bot sich mit 10 Millionen Euro pro Saison an. Doch Gladbach lehnte „aus Überzeugung ab“. Die Wahl fiel dann auf einen Händler für Badprodukte, und das, obwohl dieser zwei Millionen Euro weniger anbot.

Am 4. Juni 2024 wurde bekannt, dass Rheinmetall Sponsor des Eishockey-Klubs Düsseldorfer Eislauf-Gemeinschaft (DEG) wird. Die Kooperation umfasst ein Jahr, in dieser Zeit wird unter anderem das Logo von Rheinmetall auf der Eisfläche abgebildet werden. Die Stadt Düsseldorf, die wie eingangs erwähnt Partner von Rheinmetall ist, hat bei dem Deal „eine wesentliche Rolle“ gespielt. Das Sportswashing geht also in die nächste Runde.


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Quellen und Anmerkungen:

(1) https://www.rheinmetall.com/de/media/news-watch/news/2022/2022-02-11_rheinmetall-wird-partner-der-sportstadt-duesseldorf

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