alles nur ein traum
und wenn ich dir hier und heute sage
das leben ist nichts als ein traum
eine täuschung, eine überzeugend reale
kombination von zeit und raum
kaum angekommen geht der vorhang auf
staunend und laut betrittst du die bühne
sofort beginnt das unglücksspiel
perfekte inszenierung von schuld und sühne
ein sprung ins kalte wasser
theaterstück ohne premiere, ohne applaus
mitreisende noch unbekannt
das ziel stellt sich beim reisen heraus
täglich grüßt die gleiche achterbahn
manchmal komödie, meistens drama
ersehntes glück meandert im medienwahn
verloren im anonymen stadtpanorama
große sehnsüchte wie seifenblasen
im täglichen trubel zerplatzen
― werte verkommen zu leeren phrasen ―
pfeifen von dächern müde spatzen
aber all das: nur ein unwertes spiel der illusion
kein wirklicher grund zum klagen
vergiss das gelingen deiner großen vision
wichtig ist liebe, egal dein versagen
ehe dich der altersstarrsinn erfasst
wage den blick in die unendlichkeit
glaube mir, dein seelenschmerz erblasst
verlass nur die matrix der gegenwärtigkeit
wenn der atem entweicht aus deiner figur
einem abgekämpften standbild gleich
legst ab, die rolle der irdischen spur
und gehst endlich zurück ― in die wirklichkeit
./.
irgendwann schließt du deine augen
erleichtert stellst du fest
recht hatte sie, die mit dem gedicht
zu ende ist er, der überlange test
eine sekunde
eine einzige sekunde
zu lang
sah er sie an
und stieß sie vom thron
ihrer eitelkeit
ungläubig setzte sie
den fuß
vor ihre burg
blickte ihm nach
doch ihrem herzen befahl sie
fügsamkeit
erwartete ihn dennoch
jeden tag und
lernte des lebens
menschlichsten kampf
herz versus
verstand
bald fand sie sich leer
in dieser gnadenfrist
die haut blass
suchte sie im spiegel
vergeblich nach ihrem altem
ich
abgründe tat er in ihr auf
mit seinem kühnen blick
auf der waagschale lagen nun
rechts die liebe
und links gar
nichts
einmal im gewimmel
schenkte ihr schicksal sein lächeln
benommen vor glück
fuhr sie herum und sah
hinter sich das andere
mädchen
triefend vor schmerz und wut
verschanzte sie sich
im höchsten turm
wünschte den tod
eigene dummheit
belächelnd
und so befahl sie zu bauen
dickere mauern
tiefere gräben
fand sich endlich wieder
in ihrer burg für immer sicher
begraben
Irgendwann
(für T.)
Vielleicht irgendwann mal
Und irgendwo
Zu einer passenderen Zeit
Und in einer gnädigeren Welt
Kommt die zweite Chance
Dann bin ich bereit, still lächelnd
Ziehe ein weißes Kleid für dich an
Du bekommst mich neu
Formst mich wie der Töpfer seinen Ton
Ich drehe Pirouetten, geborgen
Im Schutz deiner sanften Hände
Ewiglich tanze ich für dich
Gebe mich der Wärme hin
An deines Herzens Kamin
Vielleicht irgendwo
Und irgendwann
Zu einer passenderen Zeit
In einer gnädigeren Welt
Sind wir Kinder der Seligkeit
Und ich gehöre endlich dir allein,
Wieder makellos und rein
Ohne Wenn
Ohne Aber
Geduld
Lebensweg
Jahrzehntelang gewandert
Mitunter schlafgewandelt
Um Jugendträume betrogen
Im Wahn wie blind gerannt ― und schließlich
Im hohen Bogen aus der Bahn
Geflogen
Bis des Schicksals donnernder Faustschlag
Eines Tages auf dem Tisch zerschellte
Der Verblendung ein jähes Ende gab
Das Licht brach
Den Atem nahm
Kunstvolle Fassade entstellte
Im Dunkeln lese ich auf
Der eigenen Existenz Asche
Stur und dem Tod zum Trotz
Bringe seinen orphischen Blick
Zum Verblassen
Respektvoll zieht er zurück …
Atme Sonne ein
Atme Sonne ein
Atme Sonne ein
Kein Tag der Wanderschaft umsonst
Die Zeit hat die Seele nicht verschont
Von Geschichten zeugen meine Narben
Veredelt und sehend
Ziehe ich weiter
Entdecke neue Farben
Rendez-vous
Einmal fragte ein feiner Monsieur eine junge Mademoiselle aus gutem Hause
(Dabei blickte er ihr tief in die Augen und machte eine nonchalante Atempause),
Ob ihr ein romantisches Rendez-vous mit ihm gefiele,
Merci, entgegnete diese, und machte eine durchaus zufriedene Miene.
Nach längerer Abstinenz musste er sich sehr auf sein Benehmen besinnen,
Er konnte es nicht lassen, bereits im Restaurant bestimmte Gedanken zu spinnen.
Doch Façon! Zum Aperitif hielt er einen Vortrag über Barock und Renaissance.
Sie kokettierte, der Pfau schlug sein Rad, die neidischen Herren hatten keine Chance!
Erstaunlich vertraut fühlte sich unser Monsieur bei der reizvollen Dame im Nu,
Also behauptete er beim Hauptgang, das sei hier ein magisches Déjà-vu!
Trotz drei Gläser Bordeaux benahmen sie sich noch adrett,
Aber aus dem vis-à-vis wurde recht bald ein Tête-à-Tête.
Die weitere Unterhaltung verlief äußerst extravagant und nuanciert:
Beuys, Mozart, Debussy, sie war von ihm einstweilen fasziniert.
Chapeau, mein Herr, Chapeau! Sie kennen sich aus!
Und er hörte nicht auf: Hadid, Corbusier, Gropius mit Bauhaus …
Digestif nehmen wir doch lieber gemütlich ein,
Ich schlage vor, wir genießen ihn in meinem Chalet bei Mondes Schein!
Dort kann ich meine enge Krawatte ablegen
(Unter uns gesagt: er verstand sich als guten Strategen).
In der Limousine gab er den charmanten Chauffeur,
Er war ja schließlich weder Anfänger noch Amateur.
Er redete wie ein Connaisseur über die Melancholie der Fin-de-siècle-Poesie
Und streichelte vermeintlich en passant ihr wohlgeformtes junges Knie.
Aus ihrem leicht geöffneten Mund kam ein stummes Fragezeichen.
Die Wimpern flatterten, die Gedanken verirrten sich kurz in amourösen Bereichen …
Sich über den flotten Monsieur zu echauffieren kam ihr nicht in den Sinn,
Etikette ist ihm sicher nicht fremd, den Fauxpas verzieh sie ihm geschwind.
Kaum zu Hause drückte er eilig den Knopf der Jalousie,
Zündete Kerzen an - so studiert sich doch besser die Anatomie!
Der Blick seiner Dame war ihm noch zu scheu und nüchtern,
Also kam er zurück mit einem Glas Cognac, bald war sie nicht mehr schüchtern.
Das Timbre seiner warmen Stimme ging ihr durch Mark und Knochen.
Er dachte, die Beute wäre sicher, er könne sie geradewegs gar kochen
Monsieur! flüsterte sie noch schamhaft, kommen Sie wieder zur Raison!
Dabei war sie bereits meilenweit entfernt von der Moral ihrer Maman.
Sein Körper war so nah an ihrem, sie dachte mit Restkraft an Anstand und Vater,
Währenddessen machte er Geräusche, brummte mal wie ein Bär, mal wie ein Kater.
Die Urkraft der Schöpfung benebelte seines Verstandes letzte Synapse,
(Der Rückweg von Kultur zur Natur fiel deutlich kürzer aus), die Finger tasteten schon Strapse!
Doch zu spät rief er: „Chérie!“, als sie verblüfft sein Toupet in der Hand hielt.
Gnädiger Herr, japste sie, ich schätze Aufrichtigkeit! Ihre Chance ist nun verspielt!
Aber hören Sie, entgegnete er, mein Repertoire ist noch lange nicht zu Ende!
Er konnte nicht glauben an des Abends so unglückliche Wende …
Fieberhaft suchte er nach einer Lösung, dichtete kurzweg eine Ballade,
Aber sie durchschaute endgültig sein Kalkül, Maskerade mit Pomade!
Er versuchte, wiedergutzumachen dieses furchtbare Desaster, dieses Malheur!
Rien ne va plus! rief Mademoiselle entrüstet, adieu, Monsieur, adieu!
Unser selbstgefälliger Herr musste auf diese Weise, liebe Leser, Leserinnen,
Seines Triumphes zu sicher ― folgende Erkenntnis gewinnen:
Um zu erobern manch‘ eine junge Dame bedarf es gewiss Kapital, seltenst Wissen,
Sicherlich aber wollen die jungen Evas äußere Werte nicht missen!
Sinnlose Liebe
Bin sinnlos verliebt
Eine unerwünschte Liebe
Lästiger Sand im Getriebe
Wie werde ich sie los
Eine Liebe, die es nicht braucht
Mir jedoch den Sinn erschließt
weshalb Blut die Venen durchfließt
und ich auf dieser Welt
Eine Liebe, die gnadenlos meinen
Seelengrund erschüttert,
Auf dem ich mich so sicher vermutet‘
Zügel immerzu straff in der Hand
Eine Energie, die niemals die
Endlosschleife verlässt
Gefangen bleibt im Liebesnest
Der Illusion und des Wahns
Eine Liebe, die krank, die fiebrig macht,
Mein System bereits im Wanken
Immer schwärzer die Gedanken
Wohin mit ihr?!
Lang halte ich nicht mehr stand
Der unbändigen Kraft von der Natur
eines Bumerangs, ihre Diktatur
richtet sich gegen mich
Willkommen
(im Juli 2021)
Willkommen in der Zivilisation
Der unterentwickelten Seele,
Wir ― die selbsternannten Götter des Lebens
Halten unser erkaltetes Herz entgegen
Willkommen in der Zivilisation
Des verkümmerten Geistes,
Hier schmeckt fade das große
Gedankengut der vergangenen Meister
Willkommen in der Gesellschaft
Der toten Demut und des Misstrauens:
Irrelevant für das entgleiste Ego
Die Lebenserfahrung der Ahnen
Willkommen in der Gesellschaft
Des blasierten Körperkults:
Wo man Dummheit bereitwillig verzeiht
nach der Mehrheit Gunst
Willkommen in der Zivilisation
Der spektakulären Umweltzerlegung:
Laut ruft der Wille zur Umkehr aber
Schlaftrunken wartet die Regelung
Willkommen in der Zivilisation
Des grandiosen Konsums:
Epochale Gier ergießt sich über uns
Gleich einem Monsun
Willkommen in der Welt
Des elenden Freiheitsbegriffs:
Verschrieben freiwillig der Überwachung
Gefangen im Irrgarten der Bits
Willkommen in der Welt
Der Großen Toleranz
Unscharfe Augen und halbtaube Ohren
Tragen laut schreiend den Siegeskranz
Willkommen Brüder und Schwestern!
Hier sucht man umsonst das Wahre
Nicht das Du ― das Ich wird großgeschrieben
Gen Himmel emporgehoben und gefeiert
Das ist der Preis für täglich Brot
Etwas Ruhe und ein warmes Bett
Nichts in dieser Welt gibt es umsonst
Nur die Fassaden leuchten perfekt
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