Die Meldung ist unscheinbar und klingt verhalten positiv. „Faktencheck-Teams aus Deutschland und Österreich bekämpfen künftig gemeinsam Falschbehauptungen und Desinformations-Kampagnen in sozialen Netzwerken“, schreibt der Fachdienst Meedia unter sein Aufmacherfoto. Der Leser erfährt dort, dass die Deutsche Presse-Agentur (dpa) dabei ist, die Agence France Press (AFP), die Austria Presse Agentur (APA) und das „unabhängige Recherche-Netzwerk“ Correctiv. Weiter im Text: „Diese Faktencheck-Organisationen kooperieren mit Forschenden der Technischen Universität Dortmund und des AIT Austrian Institute of Technology.“ Ziel: „Faktenchecks besser zugänglich machen und an einem zentralen Ort bündeln.“
Übersetzt: Was Correctiv bisher weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit treibt, wird künftig über die Kanäle der Nachrichtenagenturen bis in die letzte Redaktion getragen und damit vermutlich auch bis zu all den Lesern, Hörern, Zuschauern, die eher nicht auf den Portalen der Faktenchecker zu Hause sind. „Desinformation, Propaganda und Lügen sind unsere größten Gegner im Kampf um eine aufgeklärte Gesellschaft“, sagt dpa-Chef Peter Kropsch in Meedia und geht dabei wie selbstverständlich davon aus, dass all das in seinen eigenen Diensten überhaupt nicht vorkommt.
GADMO ist der nächste Puzzlestein in einem Zensurregime, das kein Wahrheitsministerium braucht, um alles zu löschen oder zu marginalisieren, was nicht im Einklang steht mit der herrschenden Erzählung, die immer auch die Erzählung der gerade Herrschenden ist. Ich muss hier nicht im Detail wiederholen, was Hannes Hofbauer in seinem großartigen Buch über die „Zensur“ im 21. Jahrhundert zusammengetragen hat. Deshalb nur ein Schnelldurchlauf von eins bis fünf. Erstens der EU-Rahmenbeschluss 2008, bei dem es um „die Definitionshoheit über Völkermord“ ging und damit „de facto“ um Diskussionsverbote und Tabus in Sachen Kriegsschuld, ein Punkt, der in Deutschland gerade zur Verschärfung von § 130 Strafgesetzbuch geführt hat. Zweitens das Strategische Kommunikationsteam Ost, 2015 von der EU etabliert als Stoßtrupp gegen alles aus russischen Quellen. Drittens der „Verhaltenskodex gegen Desinformation“ von 2018, ein Pakt der EU mit den Digitalkonzernen, in diesem Jahr gerade erneuert. Viertens das Netzwerkdurchsetzungsgesetz 2017, das die Digitalkonzerne zu „Zensurmaschinen“ mutieren ließ. Und fünftens der Medienstaatsvertrag von 2020, der aus den Landesmedienanstalten „Kontrolleinrichtungen für die digitale Publikationswelt“ gemacht hat (1).
Faktenchecker wie Correctiv spielen in diesem System gleich zwei Rollen. Sie sind Polizei und Staatsanwalt. Ermittler und Ankläger. Immer zur Stelle, wenn jemand Fragen hat oder Zweifel sät und dabei das Potenzial mitbringt, viele Menschen zu erreichen.
Es gibt auf diesen Portalen keine Recherchen zu irgendwelchen Berichten in den Leitmedien. „Überprüft“ und dann in aller Regel widerlegt wird das, was auf den Digitalplattformen kursiert. Facebook, TikTok, Instagram, YouTube. Wobei: So viel kursiert dort gar nicht mehr. Die Reusen, die Staat und Silicon Valley geknüpft und aufgestellt haben, führen zu Selbstzensur und fangen schnell alle, die sich trotzdem trauen.
GADMO wird diese Perlen aus den Tiefen des digitalen Meeres noch heller leuchten lassen. Die Nachrichtenagenturen: Das sind die Spinnen im Netz. Was dpa, AFP und APA melden, ist den Redaktionen heilig. Die Nachrichtenagenturen sagen, was gerade Thema ist und wie man das einzuordnen hat. Meldung plus Moral. Selbst Korrespondenten, die weit weg auf einem anderen Kontinent sitzen, können nicht einfach berichten, was sie gerade erleben oder selbst für wichtig halten. Die Redaktion in der Heimat „weiß“ via dpa, was in Afrika passiert oder in Japan, und schickt ihre Leute vor Ort dann los, um „exklusiv“ den gleichen Stoff zu haben.
Wer immer die Medienrealität im Land beeinflussen will: Die Nachrichtenagenturen sind dafür die erste Adresse. Die AFP, mit ihrem deutschen Ableger in der GADMO, lebt zu großen Teilen von Staatsgeldern und hat im Vorstand auch drei Staatsvertreter. Ganz so direkt funktioniert das bei dpa und APA nicht, aber die Drähte zu den Behörden und zu den Digitalkonzernen sind auch dort mehr als heiß. Die Faktencheck-Redaktion der dpa, immerhin 25 Köpfe stark, ist zum Beispiel stolz auf Kooperationen mit Facebook, WhatsApp, TikTok und Google.
Nun also Correctiv, ein Sonderfall in der deutschen Medienlandschaft, weil es für einen solchen Nur-Faktenchecker kein natürliches Publikum gibt und damit auch keine Werbekunden. Correctiv ist auf Spenden angewiesen — ein Unternehmen, das auf seiner Webseite inzwischen gut 60 Beschäftigte aufzählt, allesamt gut ausgebildet und damit sicher nicht billig. Man kann keine 60 Arbeitsverträge abschließen und dann hoffen, dass Oma und Opa Normalsurfer hin und wieder einen Zehner lockermachen. Correctiv lebt von Steuergeldern und von den großen Stiftungen. Man kann das nachlesen. 2020 und 2021 hat der Staat auf unterschiedlichen Wegen jeweils über 400.000 Euro fließen lassen und Luminate, das Portemonnaie von Ebay-Gründer Pierre Omidyar, noch etwas mehr.
GADMO schließt den Kreis. Hier eine Auftragsschreibstube, die in den letzten Jahren immer größer geworden ist, und dort die Frachtschiffe, die im Journalismus den Nimbus der Unfehlbarkeit genießen — ein Bündnis, das Segen und Geld von der EU-Kommission hat, mit dem European Digital Media Observatorys (EDMO) zusammenarbeiten wird und außerdem die Weihen der Wissenschaft bekommt. Das Institut für Journalistik der TU Dortmund heftet sich das Projekt gleich an die eigene Fahne. Christina Elmer, die zuständige Professorin, hat ihre Laufbahn bei der dpa begonnen, ist dann beim Spiegel bis fast an die Spitze aufgestiegen und 2021 an die Universität berufen worden, obwohl sie nicht einmal promoviert ist und auch sonst nichts von dem vorzuweisen hat, was eine akademische Karriere ausmacht.
Muss ich im Rubikon noch erklären, dass das Label „Faktencheck“ eine Nebelkerze ist — ein Versprechen, das einerseits nicht eingehalten werden kann und andererseits ablenken soll von all den irreführenden Informationen, die von offiziellen Stellen über die Leitmedien verbreitet werden?
Wahrscheinlich weiß jeder, der diese Seite liest, dass es keine Aussage über die Wirklichkeit ohne uns gibt, ohne einen Menschen. Im Wort „factum“ stecken „machen“, „tun“ und „handeln“. Lateinisch: facere. Manufaktur. Handarbeit (2). Was immer so ein Faktenchecker checkt: Er produziert nur eine weitere Aussage, über die gestritten werden muss. Zugegeben: Die Köpfe, denen dieses Label entsprungen ist, haben ganze Arbeit geleistet. Die „Fakten“ und nichts als die „Fakten“ — und das auch noch überprüft. Dagegen anzukommen, wird mit dem GADMO nicht leichter werden.
Das Buch können Sie hier bestellen: als Taschenbuch, E-Book oder Hörbuch.
Quellen und Anmerkungen:
(1) Hannes Hofbauer: Zensur. Publikationsverbote im Spiegel der Geschichte. Vom kirchlichen Index zur YouTube-Löschung. Promedia, Wien 2022, Seiten 124, 138, 143
(2) Vergleiche Michael Meyen: Auf dem Weg zum Wahrheitsministerium, in: Multipolar, 9. Oktober 2021
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