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Total gut

Total gut

Raymond Ungers Buch „Vom Verlust der Freiheit“ beschreibt, wie uns die Generation der mustergültigen Wiedergutmacher in den Abgrund führt.

„Denn das Schlimme am Totalitarismus ist ja nicht, dass Böse Böses vorhaben, sondern dass das Gutgemeinte maßlos ausgedehnt wird, bis es schließlich alles andere in der Gesellschaft verschlingt. Der oder die ‚total Gute‘ ist auch deswegen so gefährlich, weil die total Guten bis zum letzten Moment glauben, sie seien auf der richtigen Seite. Sie sind völlig blind für die Einsicht, dass man sich selbst begrenzen oder von anderen begrenzen lassen muss — gerade in seinen besten Absichten.“

Dieses Zitat von Rebecca Niazi-Shahabi stellt der Psychotherapeut und Künstler Raymond Unger seinem im Frühjahr 2021 beim Europa-Verlag erschienen Buch „Vom Verlust der Freiheit“ voran (1). Er greift hierin die bereits in „Die Wiedergutmacher“ dargestellte Thematik der Auswirkungen unverarbeiteter Kriegstraumata auf die Generation der Babyboomer auf. Vor allem diese Generation ist es, die heute den Weg in einen neuen Totalitarismus ebnet. Denn sie hat aufgrund nicht verarbeiteter Schuld- und Sühnekomplexe nicht gelernt zu unterscheiden zwischen dem, was echt ist, eigen und authentisch — und dem, was vorgegeben, befohlen und verordnet wird.

Nur wer sein wahres Selbst kennenlernen konnte und mit seinen ganz eigenen Gefühlen und Bedürfnissen in Kontakt steht, ist sich seiner selbst bewusst — ist selbstbewusst.

Menschen ohne Selbstbewusstsein sind zum Konformismus verdammt. Da sie keine echte, innerpsychische Freiheit kennengelernt haben, sind sie auch nicht dazu in der Lage, gesellschaftlichen Freiheitsverlust wahrzunehmen.

Menschen, die innerlich nicht frei sind, können nicht erkennen, was die aktuellen Einschränkungen und Beschneidungen der Grundrechte in einer Gesellschaft anrichten.

Im Vorwort heißt es:

„Normierende, autoritäre Strukturen werden sogar als entlastend erlebt. Viele Menschen, die mit diesem Psychogramm in ihrer Kindheit beschämt wurden, fühlen sich auf eigentümliche Weise einsam und schuldig, ohne ergründen zu können, woran dies liegt. Allerdings finden viele Betroffene schnell heraus, dass sich Scham-, Schuld- und Minderwertigkeitsgefühle erfolgreich ableiten lassen, indem man Macht über andere erlangt. Wer eine gesellschaftliche Position erringen kann, in der er andere beschämen, maßregeln und belehren kann, vorzugsweise mithilfe zeitgenössischer Moralen, kann seinen innerpsychischen Schmerz erfolgreich lindern. Derartige Machtpositionen finden sich naturgemäß in den Bereichen Ausbildung und Lehre, Politik, Medien und Kultur.“

Unverarbeitete Schuld

Als Zugehörige dieser Generation ist es mir wohl vertraut, das brennende Gefühl von Schuld und Scham, das schlechte Gewissen, überhaupt auf der Welt zu sein. Weil ich zu essen habe, so lerne ich früh, müssen andere hungern. Als kleiner Mensch bin ich eifrig darum bemüht, so wenig wie möglich zu stören, nicht aufzufallen und alles richtig zu machen. Fast möchte ich unsichtbar sein. Ich kann doch nichts dafür! Ich habe es doch nur gut gemeint! Es war keine böse Absicht!

In meinem kindlichen Erleben schien sich zu spiegeln, was meine Eltern und Großeltern zeit ihres Lebens nicht aussprechen konnten. Als Erwachsene habe ich durch Krankheit den Schaden zu spüren bekommen, den Verdrängtes und Verschüttetes im eigenen Körper anrichten können. Die Trümmer waren nicht aus dem Weg geräumt und der alte Schmerz war nicht überwunden. Ich war Schuld und hatte das Recht verwirkt, auf Verständnis und Mitgefühl zu hoffen. Erst eine tiefe Lebenskrise gab mir Gelegenheit, mich ans Aufräumen zu machen.

„Wie steht es heute mit meinem Selbst-Bewusstsein?“, frage ich mich während der Lektüre. Versuche auch ich, Macht über andere zu erlangen, um meine Minderwertigkeitsgefühle zu verdrängen? Bin ich beruflich in der Pädagogik unterwegs, um andere zu belehren? Moralisiere ich, um meinen innerpsychischen Schmerz zu lindern? Bin ich zu echten Bindungen unfähig und auf ständigen Zuspruch von außen angewiesen? Leide auch ich an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung, weil ich etwas wiedergutmachen will, und gehöre deshalb zu den Wegbereitern einer technokratischen, alternativlosen Politik?

Atomisierte Gesellschaft

Das, womit Raymond Unger seine Leser konfrontiert, hat es in sich. In einmaliger Weise werden die brennenden Themen unserer Zeit — Klima, Migration, Rassismus, Gender, Globalisierung, Corona, Medien, Great Reset — im Zusammenhang betrachtet. Es braucht Offenheit und Unvoreingenommenheit, sich ihnen zu stellen, Toleranz, Menschlichkeit und die Fähigkeit, andere Meinungen zu akzeptieren — das, was ich zu meinen höchsten Werten zähle.

Ich bin für Diversität, für den Schutz der Umwelt, für Gleichberechtigung, für eine global zusammenwachsende Menschheitsfamilie und dafür, dass die „alten weißen Männer“ zur Seite rücken und den jungen Frauen Platz machen. Ich will ein Ende der alten, zerstörerischen Strukturen, ich will eine neue Welt, in der die Menschen in friedlicher Harmonie zusammenleben. Der Haken: Das will der vom Weltwirtschaftsforum eingeleitete und durch Corona forcierte Great Reset auch.

Unger arbeitet heraus, dass wir gerade nicht an einem Punkt angelangt sind, an dem sich gegenüberstehende Kräfte die Hand reichen, um gemeinsam für eine hehres Ziel zu kämpfen, einem Schulterschluss zwischen „rechts“ und „links“, zwischen Kapitalismus und Kommunismus. Wir sind im Gegenteil dabei, uns total zersplittern zu lassen. Denn die Maßnahmen, mit denen eine selbsternannte Elite die schöne neue Welt aus der Wiege heben will, entspringen nicht einem gesunden Selbstbewusstsein, sondern der totalen Selbstverneinung.

Es ist der Identitätsverlust, der uns zur perfekten Beute totalitärer Tendenzen macht. Wer nicht weiß, wer er ist, wer kein Vertrauen in die eigene Kraft hat, der ruft nach einer starken Hand, die ihn führt.

So sind wir Deutschen mit unserer unverarbeiteten Schuld, unserer unterdrückten Scham und unserem Hang zu Folgsamkeit und Gründlichkeit geradezu dazu prädestiniert, einer neuen Weltordnung an die Macht zu helfen, in deren Zentrum nicht der fehlerhafte Mensch, sondern bis zum Äußersten ausgefeilte Technik und Künstliche Intelligenz stehen.

Toxische Scham

Durch das Brennglas Corona wird betrachtet, wie in der westlichen Gesellschaft der Einzelne nach chinesischem Vorbild infantilisiert und dem Kollektiv geopfert wird. Die Angst macht uns gefügig. Techniken wie Framing, Nudging und Spaltung führen dazu, dass sich uninformierte, konformistische Bürger als aufgeklärt empfinden und gleichzeitig wohlinformierte Menschen als Idioten diffamieren. Tabuisierung, Politische Korrektheit und Cancel Culture machen aus Mitläufern Gutmenschen und aus Kritikern Terroristen.

Immer undurchschaubarer wird das Chaos. An allen Fronten stehen wir uns unversöhnlich gegenüber: Durchgeimpfte gegen Impfkritiker, Fahrradfahrer gegen SUV-Fahrer, Veganer gegen Fleischesser, Frauen gegen Männer, Schwarze gegen Weiße. Weiß sein bedeutet privilegiert sein. Das neue Studienfeld der Critical Whiteness macht weiße Menschen per se zu Rassisten, die sich für ihre Hautfarbe zu schämen haben.

Es reicht nicht mehr, kein Rassist zu sein. Wir müssen, so der deutsche Bundespräsident Frank Walter Steinmeier in einer Rede vom 16. Juni 2020, als Antirassisten in den Kampf ziehen. Erlösung jedoch werden wir nicht finden. Wer deutsch ist und weiß und dann auch noch seine Regierung in Frage stellt, die so wacker gegen ein gefährliches Killervirus kämpft, der ist und bleibt für alle Zeiten ein Sünder. Amen.

Alles wird darangesetzt, dass wir uns schämen und gegen etwas ankämpfen. Wer dagegen ist und nicht dafür, der bleibt im Zerstörerischen haften und hat keinen Zugang zu seinem schöpferischen Potenzial. Er ist mit seinen Feindbildern und der Wahl der Waffen beschäftigt und kommt nicht auf den Gedanken, sich für etwas zu engagieren und aus sich heraus die Welt zu schaffen, die er sich wünscht.

Flugscham, Kreuzfahrtscham, Klassenscham, Hautfarbenscham — am laufenden Band werden Menschen gegeneinander aufgehetzt. Schämen wir uns dafür, Virenschleudern zu sein, Klimakiller, Fleischfresser, Konsumkapitalisten und machen wir unsere Scham dadurch erträglich, dass wir andere beschämen, maßregeln, kontrollieren, demütigen, denunzieren. Politische Korrektheit heißt das Schwert, das noch den geringsten faux pas gnadenlos aufspürt und auszumerzen sucht. Vom Elfenbeinturm der Gerechten aus überwachen selbsternannte Ordnungshüter das Verhalten ihrer Mitmenschen und machen bei denen, die so unbedingt auf der richtigen Seite stehen wollen, jeden Versuch zunichte, frei von der Leber zu sprechen.

„Unverzüglich, rigoros und überall dort, wo normale Menschen Identität und Gewissheit proklamieren, setzt die Technik der Beschämung an. Einfache Wahrheiten auszusprechen wird mithilfe Politischer Korrektheit sofort unterbunden. Sie glauben, Menschen werden selbstverständlich als Mann oder Frau geboren und Frauen und Männer unterscheiden sich? Dann sind sie ein unverbesserlicher Sexist, Chauvinist und wahrscheinlich obendrein noch homophob. Sie glauben, Menschen sind verschieden? Dann sind sie ein böser Rassist. Sie fühlen sich ihrer Familie, ihrem Ort, ihrem Landkreis, ihrer Nation und ihrer Kultur in besonderer Weise verbunden? Dann sind sie Fremdenfeind, Ethnopluralist, Nationalist oder kurz — Nazi.“

Gut gemeint und voll daneben

Geistiges Fundament der neuen Maßregelungsgesellschaft im Sinne des Great Reset ist der Leitsatz Friedrich Nietzsches: Gott ist tot. „Nur die säkulare Hybris eines seelisch entwurzelten Menschen macht neuzeitliche Allmachtsfantasien möglich. Man negiert fundamentale Bedürfnisse der menschlichen Psyche, will den Tod besiegen, den Menschen auf eine neue evolutionäre Stufe heben, Viren kontrollieren und das Weltklima verändern.“

Nicht mehr Gott wacht über uns, sondern die Programmierer aus Silicon Valley. Sie sorgen dafür, immer wieder und in jeder erdenklichen Form die Ursünde zu instrumentalisieren und in allen Facetten unter die Menschen zu bringen. Nur noch Eingeweihte wissen, was zum guten Ton gehört. Wer sich in der Begrifflichkeit irrt oder ein Gender-i vergisst, der ist ganz schnell out und wird nicht mehr eingeladen in den Club der Rechtschaffenen.

„Wissenschaftler werden attackiert, wenn sie ‚falsche‘ Frage- und Themenstellungen aufwerfen. Maler werden von Jahresausstellungen ausgeladen, weil man ihnen die Nähe zum Rechtspopulismus unterstellt. Und immer öfter taucht bezüglich Kunst und Gesellschaft die Frage auf, was gedurft wird. Darf man Frauen nackt malen? Darf man mit People of Color Werbung machen? Dürfen polarisierende Politiker an einer Rundfunkdebatte über politische Polarisierung teilnehmen? Wer bestimmt das ‚Wie‘? Das Dürfen bringt ein Machtverhältnis zum Ausdruck: Jemand gewährt, der andere gehorcht.“

Konformität ist die Voraussetzung dafür, nicht aus der Gemeinschaft verstoßen zu werden und am Leben zu bleiben.

„Die zu Recht so hoch gehaltene Pluralität und Diversität der unterschiedlichsten Lebensentwürfe und ihr Prinzip ‚Jeder lebe und entscheide nach seiner Fasson‘ wird nun an Bedingungen geknüpft. Nach erfolgter Gesinnungsprüfung senkt oder hebt ein anonymes moralisches Zentralkomitee dann den Daumen. Das hat autoritative, fast autoritäre Züge. Die aggressive Politisierung von Scham und Sünde durch einen normierten Corpsgeist könnten letztlich Misstrauen, Missgunst, Zermürbung, Überwachung und, irgendwann womöglich, Gesetze gegen unerwünschte Meinungsäußerungen zur Folge haben. (...)

Nicht die Demokratie als solche ist in Gefahr, sondern die liberale Demokratie, die auf Aushandlung, Ambivalenz, Eigenverantwortung, Pluralität und Prozess basierende beste und auch anspruchsvollste Gesellschaftsordnung, die es gibt.“

Klimapolitik verhindert Umweltschutz

Mit der liberalen Demokratie zerfällt nicht nur die Kraft, die uns als Gemeinschaft zusammenhält. Unsere gesamte Welt bricht auseinander. Einzelne Aspekte werden herausgegriffen, um globale Probleme zu lösen. Geradezu verzweifelt stürmen die Wiedergutmacher voran und sorgen für mehr Schaden als Nutzen. In der — sogenannten — Klimakrise geht es nicht um den Schutz der Umwelt, sondern um die Reduzierung eines Spurengases, das zu 96 Prozent natürlichen Ursprungs ist. „Nur die 4 Prozent des menschengemachten CO2, also lediglich 0,00152 Prozent der Atmosphäre, sind für den kommenden Klimakollaps verantwortlich.“

Diesen versucht man mit umweltschädlichen, toxischen Verfahren wie der Lithium-Batterie-Technik und Carbonfaser-Expoxidharz-Kunstoffen zu bekämpfen.

„Hohe Energiekosten und üble Umweltsauereien zur Herstellung der ‚CO2-neutralen Technik‘ gehen erst gar nicht in die Gesamtberechnungen ein. Die Lithium-Industrie zur Herstellung von E-Autos verwüstet ganze Länder und lässt lokale Bauern verdursten. Die Giftbomben des neuen Kultes, E-Autos und Windräder, werden in dem Wahn erschaffen, sie seien umweltfreundlich und hielten ewig. In Wirklichkeit sind Windkraftanlagen und E-Autos schon nach wenigen Jahren giftiger Sondermüll, und niemand hat ein schlüssiges Konzept, was mit Billionen Tonnen krebserregendem Material in den nächsten Jahrhunderten geschehen soll.“

Der traut sich was

Nach einer detaillierten, gründlich recherchierten und fachkundigen Analyse der Themen Corona, Gender, Rassismus, Medien und Klima, der sich jeder stellen muss, der politisch ernst genommen werden will, wagt sich Raymond Unger an das wohl explosivste Minenfeld der aktuellen Auseinandersetzungen: Migrationspolitik und Islam. Die bloße Frage, wieviel Fremdes eine Gemeinschaft tragen kann, um das Eigene leben zu können, macht uns in Windeseile zum AfD-Sympathisanten. Mit diesen Schmuddelkindern spielt man nicht.

Wie glühende Zangen greifen die Techniken von Framing, Nudging und Spaltung nach denen, die das Thema Migration angehen. Hier ist es nahezu unmöglich, politisch korrekt zu sein. Hier tobt er am heftigsten, der Kampf zwischen „links“ und „rechts“, Multikulturalismus und nationaler Identität. Dort, wo das Selbst-Bewusstsein fehlt, ist die Tür geöffnet für alles Mögliche.

Auch ich träume von einer toleranten, offenen Weltbürgerschaft, von Menschen aller Couleur, die an einem gemeinsamen Dorf bauen, von Offenheit und Diversität und einem harmonischen Zusammenleben aller. Seit über 30 Jahren engagiere ich mich als Sprachlehrerin für interkulturelle Kommunikation und die Verständigung der Völker. Als Deutsche in Frankreich kenne ich die Auseinandersetzung mit eigener und fremder Identität und als Tochter einer Vertriebenen ist mir der Schmerz der Entwurzelung in das Körpergedächtnis geschrieben.

So rezipiere ich das Thema Migration als Anregung, um zu beobachten, wie es in der Diskussion darüber um die eigene Toleranz und Offenheit steht, die notwendig sind, um Menschen aus anderen Kulturen willkommen zu heißen. Wie sieht es aus mit den Vorurteilen? Wie unvoreingenommen begegnen wir unserem Gegenüber? Hören wir ihm zu? Bringen wir ihm unser Wohlwollen entgegen? Oder tun wir nur so, als würden wir uns auf ein Gespräch einlassen und lehnen die Haltung des anderen von vorneherein ab, weil irgendwo steht, dass der „rechts“ ist?

Lassen wir das andere zu, auch wenn wir es vielleicht nicht verstehen, oder setzen wir alles daran, unser Gegenüber von der Richtigkeit unserer Meinung zu überzeugen? Sind wir bereit, unseren eigenen Standpunkt als das zu erkennen, was er ist: unser Standpunkt? Versuchen wir, „politisch korrekt“ zu sein, um andere zu kontrollieren, zu verunsichern und zu beschämen, oder ist das Ziel wirkliche Toleranz gegenüber dem anderen und die Akzeptanz jeder Minderheit, auch wenn sie beispielsweise das Stigma des „rechten Verschwörungstheoretikers“ trägt? Geht es hier nur um die Rechte und Interessen bestimmter sexueller Orientierungen und Hautfarben oder um alle Menschen?

Es ist die Probe aufs Exempel. Nur wenn es uns gelingt, die Migrationsfrage respektvoll und friedlich zu diskutieren und in der eigenen Kultur Diversität zuzulassen, können wir uns für fremde Kulturen öffnen.

Vom hohen Ross der Selbstgerechtigkeit aus kann es keine Völkerverständigung geben, kein Annähern der Kulturen und keine Integration. Wer Plüschbärchen auf Fremde wirft und Andersdenkende mit Stereotypen belegt, sie maßregelt und verurteilt, der ist von der eigenen Scheinheiligkeit geblendet und nicht reif für eine multikulturelle Gesellschaft.

In die Mitte finden

Mit seiner 500 Seiten umfassenden Arbeit leistet Raymond Unger einen wichtigen Beitrag dazu, das Spaltende, Verurteilende, Ausgrenzende zu überwinden, indem er es benennt. „Das Verleugnen des Trennenden hilft nicht bei der Wirklichkeitsbewältigung.“ Das Falsche wächst dort, wo es Tabus gibt und wo die Menschen daran gehindert werden, sich friedlich zu begegnen und auseinanderzusetzen. Politische Korrektheit, Critical Whiteness, Cancel Culture und Links-Rechts-Spaltung werden als das erkannt, was sie sind: Instrumente der Zerstörung.

Zu denjenigen, die das Flussbett eines Mainstreams ausheben, der geradewegs in eine transhumanistische Technokratie führt, in der der Mensch und schließlich das Lebendige überflüssig werden, gehört eine dekadente, konforme, autoritätsgläubige und eigennützige Linke, die sich selbst für gerecht und aufgeklärt hält. Das macht Raymond Unger nicht zum „Rechten“, sondern zu einem mutigen Kritiker eines perfiden Spieles.

„Wer neue Ordnungen installieren will, muss bestehende dekonstruieren, um auf dem Gipfel des Chaos entsprechende Lösungen anzubieten. Das hierfür notwendige Empörungsmanagement erfolgt in Wellen. Der sogenannten Flüchtlingskrise von 2015 begegnete man mit dem Framing ‚Kampf gegen rechts‘, dieser wurde 2018 abgelöst von Gretas ‚Kampf gegen das Klima‘. Inzwischen ist man beim ‚Kampf gegen Corona‘ angelangt, im Sommer 2020 kurz unterbrochen vom ‚Kampf gegen Rassismus‘.“

Das inszenierte Chaos ist da. An dieser Tatsache können wir nichts ändern. In der Anerkennung liegt unsere Chance. Kämpfen wir nicht gegen diejenigen an, die die Lunten legen, sondern nutzen wir die Situation für uns. Drehen wir dem albernen Links-Rechts-Spektakel den Rücken und kommen wir in unsere Mitte. Hier spielt die Musik. Hier können wir unser Instrument stimmen und die Misstöne klären. Hier allein entsteht die Harmonie, die wir uns für ein Zusammenleben mit anderen wünschen.



Quellen und Anmerkungen:

(1) Raymond Unger: Vom Verlust der Freiheit. Klimakrise, Migrationskrise, Coronakrise, Europa-Verlag 2021


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