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Tierisch divers

Tierisch divers

Bei Vierbeinern, aber auch bei unliebsamen Gruppen von Menschen, stoßen die ehrwürdigen Regeln des Genderns an ihre Grenzen.

von Katrin H.

In den Sprachkursen Deutsch als Fremdsprache (DaF) für Erwachsene lernt man auch als Dozent nie aus.

Auf die Frage im Deutschkurs „Welches Tier ist das?“ folgt prompt die Antwort „Ein Erpel“. Ich denke: „Ja, schon, aber …“ und muss mich zusammenreißen, nicht mit den Augen zu rollen. Auf dieser Ebene bewege ich mich gerade nicht, ich frage nicht konkret, sondern noch abstrakt, weil die Unterscheidung von Tierarten nicht das Geschlecht des Tieres benennt. Nicht alle Katzen sind weiblich, nicht alle Papageien sind männlich und nicht alle Pferde, ach egal … Wobei das Beispiel mit dem Pferd klar aufzeigt: Ein Pferd ist ein Pferd, kein Esel und keine Kuh. Ich bleibe abstrakt und unterscheide noch nicht konkret, ob es sich um eine Stute oder einen Hengst handelt. Ich stelle hier auch nicht fest, ob es ein Schimmel oder ein Rappe ist.

Doch zurück zum Erpel: Im Kursbuch ist auf dem bunten Bild deutlich zu erkennen, dass die Ente, nämlich die Stockente mit ihrem schillernd grünen Kopf, eindeutig ein Erpel ist, außer dieses Tier definiert sich als weiblich und schmückt sich gelegentlich mit fremden Federn. Aber danach habe ich eben nicht gefragt. Anhand dieses Beispiels jedoch ist mir klargeworden, dass bei Bezeichnungen von Menschen ebenfalls die abstrakte und die konkrete und damit persönliche Form vermischt wird. Mich interessiert normalerweise nicht das Geschlecht eines Menschen, wenn ich frage, was er (dieser Mensch) von Beruf ist.

Das Wort „Beruf“ ist grammatisch männlich (der), und die meisten Berufsbezeichnungen sind auch männlich: Bäcker, Lehrer, Taxifahrer, Dachdecker, und so weiter. Es gibt nicht den Beruf des Taxifahrers und der Taxifahrerin, sondern nur den des Taxifahrers. Sonst müsste es auch einen Unterschied zwischen beiden Berufen geben. Beide jedoch fahren Taxi. Bei einem Mann macht es keinen Unterschied, ob er seinen Beruf mit Konditor angibt oder von sich persönlich als Konditor spricht. Das sieht bei Frauen anders aus. Der Beruf heißt auch hier Konditor, aber als Mensch kann sich eine Frau als Konditorin betiteln. Auf die Ente bezogen wären wir dann wieder beim Erpel.

Es gibt auch weibliche Berufsbezeichnungen wie zum Beispiel Hebamme. Früher wurden Männer im Hebammenberuf Entbindungspfleger genannt. Interessanterweise heißen sie im Hebammengesetz seit 2019 ebenfalls Hebamme. Es gibt also auch hier eine abstrakte Ebene.

Die persönliche Ebene hingegen scheint heute im Vordergrund zu stehen. Warum ist das so? In der Schule oder Universität habe ich mich mit der Anrede „Liebe Schüler“ beziehungsweise „Liebe Studenten“ nie ausgeschlossen, unterrepräsentiert oder benachteiligt gefühlt. Und damit wären wir bei den Gefühlen. „Gendergerecht“ und „gendersensibel“ stehen für die persönliche Ebene der Sprache, für die Gefühlsebene und angeblich für Gerechtigkeit und Sensibilität. Was ist an der abstrakten Form ungerecht, nur weil sie oft gleichlautend mit der männlichen persönlichen Form ist? Ob Kater auch beleidigt sind, wenn sie zunächst als Katze bezeichnet werden? (Ganz zu schweigen von dem diskriminierenden Negativ-Image nach zu viel Alkoholkonsum.)

Was ist dagegen einzuwenden, die Menschen sprachlich in der Anonymität, in einer Art Allgemeinheit zu lassen? Warum muss es immer persönlich werden? „Liebe Eltern“ ist doch eine gute Anrede, dann brauche ich nicht das lange und umständliche „Liebe Mamas und Papas“, wo alle extra genannt werden. Das gleiche gilt für „Liebe Kinder“. Bei „Mitgliedern“, „Kunden“, „Radfahrern“ oder „Teilnehmern“ sind alle gemeint, die es betrifft. Hier gibt es sicher keine Extrawurst in der abstrakten Ebene. Höchstens beleidigte Leberwürste, nämlich die, die die deutsche Grammatik nicht verstanden haben und glauben, Sternchen, Binnen-I oder Partizip I (Studierende, Mitarbeitende, Kursleitende) wären gerecht und nicht unsinnig.

Im Fall der Enten würden wir dann vielleicht ständig die männliche und weibliche Form verwenden müssen: Enten und Erpel. Oder wir müssten über Schnatternde sprechen (wobei das auch Gänse sein könnten).

Und was, wenn sie mal nicht schnattern? Dann muss ich die Zeitform ändern, wie Radfahrer und Teilnehmer beispielhaft zeigen:

Präsens: Radfahrende, Teilnehmende
Präteritum: Radfuhrende, Teilnahmende
Perfekt: Radgefahrenseiende, Teilgenommenhabende
Plusquamperfekt: Radgefahrenwarende, Teilgenommenhattende
Futur I: Radfahrenwerdende, Teilnehmenwerdende
Futur II: Radgefahrenseinwerdende, Teilgenommenhabenwerdende

Nun gibt es ja auch Kategorien, in die man sich lieber nicht einreihen will, und bei denen oft genug auf die weibliche Form, Sternchen oder Ähnliches verzichtet wird: Täter, Mörder, Messerstecher, Verbrecher oder Terroristen. Ich glaube, da hat sich noch keine Frau beschwert, dass sie sich nicht mitgemeint fühlt. (Vielleicht stimmt die Frauenquote da auch nicht.)

Lügner, Idioten, Habenichtse und Taugenichtse, Witzbolde, Bösewichte sowie Störenfriede und auch Schwachköpfe, professionell oder nicht, sind Begriffe, die Menschen charakterisieren, und auch da ist mir keine Beschwerde von Frauen oder Diffusen, äh Verzeihung, Diversen, bekannt. Oder kennen Sie die gegenderte Form von „Blödmann“?

Mit Sicherheit gibt es Situationen, in denen es nicht reicht, abstrakt zu bleiben. Wenn ich konkrete Antworten will, muss ich konkret fragen. Auf die Frage „Welche zehn berühmten Schauspieler fallen Ihnen spontan ein?“ werden die Leute mehrheitlich mit männlichen Schauspielern antworten. Hier lohnt sich die Doppelnennung „Schauspieler oder Schauspielerinnen“, je nachdem, welche Antworten ich haben möchte. Das kann ich als Fragensteller aber leicht mit ein bisschen Nachdenken bewerkstelligen.

Bevor wir uns Gedanken dazu machen, ob ein Ausdruck „gendergerecht“ oder „gendersensibel“ ist, sollten wir uns vielmehr fragen: Welchen Wert habe ich, ohne dass ihn mir andere durch Worte nehmen können? Wie viel Macht gebe ich anderen? Es ist nicht meine Absicht, mit diesem Artikel jemanden zu beleidigen, aber wenn sich jemand beleidigt fühlen möchte, steht ihm dies natürlich frei. Und muss ich anderen immer Böswilligkeit oder Ignoranz vorwerfen? Vielleicht beherrschen sie einfach nur die deutsche Grammatik und erwarten das auch von ihrem Gegenüber.


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