Die von Hugo Chávez bis zu seinem Tod im Jahr 2013 angeführte Bolivarische Revolution hat seit seiner Wahl zum Präsidenten im Jahr 1999 mehrere Phasen durchlaufen. Vor 20 Jahren wurde eine neue Form sozialer Dienstleistungen — die Mission — ins Leben gerufen, um unwillige Bürokraten zu umgehen und Empfängern von Sozialleistungen den Bezug zu ermöglichen. Eine andere Initiative, die Kommune, sollte es den Menschen ermöglichen, sich zu organisieren, um Lösungen für Probleme an der Basis zu finden. In diesem Auszug aus „What Do We Need Bosses For?: Toward Economic Democracy“ setzen wir uns mit den Anfängen dieser beiden Programme auseinander.
Ab 2003 (schuf die venezolanische Regierung) Missionen (das heißt) soziale Wohlfahrtsprogramme, die durch eine breite Graswurzelbeteiligung organisiert und von der Landesregierung finanziert wurden. Durch die größere Kontrolle über die staatliche Ölgesellschaft und den starken Anstieg der Ölpreise konnte die Regierung die Missionen großzügig finanzieren.
Angesichts der Korruption und Trägheit der staatlichen Bürokratie sowie der mangelnden Bereitschaft vieler Fachleute, in den barrios (Stadtvierteln) Dienstleistungen zu erbringen, wurden die Missionen eingerichtet, um diese direkt zu erbringen, während die Beteiligten die Programme selbst gestalten konnten. Der Politikwissenschaftler Juan Carlos Monedero erläuterte die Entscheidung, etablierte Institutionen zu umgehen:
„Die Erinnerung an die Vierte Republik (die verfassungsmäßige Struktur der Landesregierung von 1961 bis 1999) vor Chávez war zu stark und der soziologische vierte Republikanismus durchdrang den Staatsapparat auf absolute Weise. Die Absicht, die sozialen Schulden im Bildungs- und Gesundheitsbereich durch die öffentliche Verwaltung zu begleichen, stieß auf Beamte, die seit Langem in diesen Staatsstrukturen etabliert waren und dieses Ansinnen mit einem lauten ‚Nein‘ beantworteten. Wenn venezolanische Ärzte nicht bereit waren, die Hügel der Elendsviertel zu erklimmen, musste man auf andere Möglichkeiten zurückgreifen.
Wenn die Organe der Wirtschaftsverwaltung für mehr als die Hälfte der Bevölkerung keine Antworten hatten, mussten andere Mechanismen gefunden werden. Eine Art Parallelstaat mit Bürgerbeteiligung wurde in Gang gesetzt. Die erforderlichen Antworten wurden durch die Organisation des Volkes sowie zuweilen auch durch Hilfe vonseiten Kubas gefunden, das, wie jedes andere Land auch, das exportierte, worin es wettbewerbsfähig war. Etwa 18.000 kubanische Ärzte und ein starker sozialer Impuls begannen, die traditionellen Löcher des venezolanischen Staates zu stopfen.“
Laut Margarita López Maya, Politik- und Geschichtswissenschaftlerin, die seit 1982 an der Zentralen Universität in Venezuela lehrt, brachten diese Missionen positive Ergebnisse. Sie ermöglichten den Zugang zu Dienstleistungen und Hilfen, die unter der Sparpolitik der Vorgängerregierungen verweigert wurden. Sie schreibt:
Die Regierung hat auch in die Sozialwirtschaft investiert, so zum Beispiel in die „ruedas de negocios“, bei denen die Gründung von Kooperativen gefördert wird, um den staatlichen Sektor mit Waren und Dienstleistungen zu versorgen. Auch ein System der Mikrofinanzierungen, das über die Frauenbank, die Bank des souveränen Volkes und so weiter Kleinkredite an einkommensschwache Kreditnehmer vergibt, wurde vom Staat geschaffen.“
Neoliberale Konzepte der Mikrofinanzierung beruhen auf Versuchen, den Strukturanpassungsprogrammen der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds ein ‚menschliches Gesicht‘ zu geben. Sie verfolgen das Ziel, die erzwungene Öffnung der Volkswirtschaften des globalen Südens für räuberische multinationale Finanzdienstleistungsunternehmen zu begleiten und marktwirtschaftliche ‚Lösungen‘ für die Armut aufzuerlegen, denen jeder Bezug zu Macht- und Herrschaftsverhältnissen fehlt und die die Armut nicht nur nicht lindern, sondern zuweilen noch verschlimmern.
Im Gegensatz dazu führt die Frauenentwicklungsbank Gespräche mit den Empfängerinnen, um deren Bedürfnisse zu verstehen, und bietet dann Schulungen an, die sich an den Bedürfnissen der Gemeinschaft sowie an den Erwartungen orientieren, die mit dem Kredit verbunden sind. Unterstützung erfahren die Frauen auch bei der Selbstorganisation sowie bei der Befähigung, die Leistungen der Bank zu kontrollieren.“
Gesundheit und Entwicklung der Menschen werden zur Priorität
Kubanische Ärzte, die 1.600 Arztpraxen im ganzen Land zugewiesen wurden, trugen zur Verbesserung des Gesundheitswesens bei und bildeten schließlich venezolanische Ärzte aus, die die kubanischen Ärzte ersetzen sollten. Die Mission Barrio Adentro bemühte sich um die Schaffung eines integrierten Gesundheitssystems mit Kliniken und Krankenhäusern. Zwei weitere Gesundheitsmissionen sind José Gregorio Hernandez — zu Ehren eines Volksarztes benannt, der für sein Engagement bekannt war —, die eine Zählung aller Menschen mit genetischen Mängeln oder Krankheit durchführt, und Milagro, die kostenlose augenärztliche Dienste anbietet, ein Programm, das sich in ganz Lateinamerika auszubreiten beginnt.
Zu den rund zwei Dutzend Missionen gehören Alimentación, wozu auch das Mercal-Netzwerk zählt, das Lebensmittel zu subventionierten Preisen sowie ein Verteilungssystem anbietet; Cultura, das die Dezentralisierung und Demokratisierung der Kultur anstrebt und dafür sorgt, allen einen Zugang zu ihr zu ermöglichen. Auch fördert sie die Teilhabe der Gemeinschaft. Guaicaipuro soll gemäß Verfassung die Rechte der indigenen Völker garantieren. Madres del Barrio verfolgt das Ziel, extrem arme Hausfrauen zu unterstützen und Familien dabei aus der Armut zu helfen. Negra Hipólita hilft obdachlosen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Bergbaugemeinschaften werden von Piar unterstützt, indem diese sich für menschenwürdige Lebensbedingungen und die Einführung von ökologischen Maßnahmen einsetzt. Zamora schließlich soll das Land — und hier vor allem Land, das sich für den Ackerbau eignet — im Einklang mit der Verfassung neu organisieren.
Die Missionen haben „es insbesondere den armen Venezolanern ermöglicht, die Folgen zwei Jahrzehnte währender (vor Chávez' erster Wahl) wirtschaftlichen Stillstands, politischer Apathie und Zukunftspessimismus zu überwinden“, so López Maya.
Die ersten Jahre der Missionen waren geprägt von einer starken Wirtschaftsleistung. Von 2003 bis 2008 sank die Arbeitslosigkeit um mehr als die Hälfte auf 7,8 Prozent. Das Bruttoinlandsprodukt stieg um mehr als 50 Prozent. Die Ungleichheit — am Gini-Koeffizienten (dem Standardmaß) gemessen — sank deutlich, wenngleich sie noch immer hoch ist. Der Index der menschlichen Entwicklung stieg stark an und die Armutsquote ging deutlich zurück.
Ein wichtiger Faktor für diese Fortschritte war der hohe Ölpreis, der sich von 2003 bis 2006 verdoppelte. Dass es der Regierung gelang, einen größeren Teil der Einkünfte aus dem Ölverkauf einzubehalten, war ebenfalls hilfreich. Die gefährliche Abhängigkeit von einem einzelnen Importgut änderte sich jedoch nicht. López Maya dazu:
„Zu berücksichtigen ist, dass diese Fortschritte fast ausschließlich auf Öleinnahmen beruhen. Im Jahr 2006 entfielen Angaben der venezolanischen Zentralbank zufolge 89 Prozent unserer Exporte auf Öl. Wir sind heute genauso abhängig vom Öl wie in der Vergangenheit — vielleicht sogar noch abhängiger. Analysiert man das derzeitige Verhältnis zwischen dem Staat und dem PDVSA (dem staatseigenen Ölkonzern) bezüglich der vom Konzern erwirtschafteten harten Währung, so erhielt der Staat 2006 68 Prozent, während 32 Prozent bei der PDVSA verblieben. Der Ölsektor macht 14 Prozent (des Bruttosozialprodukts) aus.“
Parallel zu höheren Öleinnahmen bemühte sich die Regierung um eine effizientere Steuereintreibung — traditionell eine Schwachstelle. Ein gewisser Erfolg, ausländische multinationale Unternehmen zur Steuerzahlung zu bewegen, erhöhte die Staatseinnahmen, wenngleich diese 2009 unter dem lateinamerikanischen Durchschnitt lagen. Aufgrund des starken Anstiegs der Öleinnahmen wurde dieser Rohstoff immer wichtiger für die Fähigkeit der Regierung, Sozialprogramme zu finanzieren — von 1998 bis 2008 stieg der Anteil der Staatseinnahmen durch Öl von 25 auf 40 Prozent.
Des Weiteren stellt sich nicht nur aufgrund sinkender Ölpreise die Frage nach der Nachhaltigkeit der Missionen, sondern auch im Zusammenhang mit ihrer möglichen Institutionalisierung. Die Missionen stellen eine Parallelregierung dar, die als notwendig angesehen wird — sowohl aufgrund der Notwendigkeit, große, bereits lange bestehende Probleme unverzüglich zu lösen, und weil zum Abbau bürokratischer Hindernisse die Zeit fehlt.
Eine kontinuierliche Beteiligung der Massen ist ein wesentliches Element zur langfristigen Sicherstellung der Nachhaltigkeit der Missionen — wenn jedoch die staatliche Bürokratie sich in Zukunft nicht wieder durchsetzen soll, bedarf es gewisser Formalitäten. Dies ist ein Problem, das gelöst werden muss, so Monedero.
„Lebenswichtige öffentliche Güter, die die Vierte Republik über Jahrzehnte verweigert hatte, waren den ärmsten Bevölkerungsschichten nun zugänglich. Die Neuartigkeit der Initiative, der anfängliche Erfolg, der geheimnisvolle Nimbus des Volkes in den Anfängen dieses Parallelstaates führten zu einer sehr breiten Anerkennung. Dennoch schien nach Abklingen dieser Phase alles darauf hinzudeuten, dass die Missionen für eine Konsolidierung eine Art von Institutionalisierung brauchen, die sie in einen stabileren politischen Bereich einbindet, sodass sie weder durch freiwillige Beiträge noch durch abstrakte Motivation getragen werden.
Die Rolle des Staates scheint hier relevant und wie eine Garantie für die Vollendung dieses Prozesses — was nicht bedeutet, dass es sich um den traditionellen liberalen Staat handeln soll. Dennoch muss noch geklärt werden, welche Rolle der Staatsapparat im Diskurs und in der Praxis des sogenannten Sozialismus des 21. Jahrhunderts spielt.“
Förderung der „verfassungsgebenden Gewalt“ durch kommunale Räte
Ähnlich der Errichtung von Missionen, um Dienste unter Umgehung einer unwilligen Bürokratie anbieten zu können, wurden kommunale Räte und Kommunen eingerichtet, um lokale und staatliche Regierungen zu umgehen, die zuweilen auf Forderungen an der Basis nicht reagieren, sowie Hochburgen der Opposition, die den Demokratisierungen des bolivarischen Prozesses feindlich gegenüberstehen.
Die kommunalen Räte wurzeln in den Versammlungen, die von Bewohnern der Barrios infolge des Caracazo erschaffen wurden — eines riesigen Aufstands, der durch die plötzliche Umsetzung eines strengen Sparprogramms des Internationalen Währungsfonds durch eine neue Regierung und die tödliche, willkürliche Gewaltanwendung gegenüber den Demonstranten ausgelöst wurde.
Die Barrio-Versammlung von Caracas entstand 1991 als eine Art Generalversammlung lokaler Gruppen, nachdem Soldaten Demonstrationen zum ersten und zweiten Jahrestag des Caracazo aufgelöst hatten, die von Dächern aus auf sie schossen. Spätere Versionen dieser Versammlungen organisierten sich am Vorabend des Staatsstreiches, mit dem Hugo Chávez gestürzt werden sollte. Unter anderem verteilten sie 100.000 Flugblätter, die zu einem Marsch auf den Präsidentenpalast aufriefen, um die Regierung zu verteidigen.
Mit Blick auf diese Graswurzelorganisationen wurde die lokale Teilnahme in der Verfassung von 1999 verankert. In mehreren Artikeln der Verfassung werden die Beteiligung der Öffentlichkeit an der kommunalen Haushaltsplanung sowie die Errichtung lokaler Planungsräte festgeschrieben, um diese Beteiligung zu erleichtern.
Hierfür stand die Beteiligung der Öffentlichkeit an der Aufstellung des Haushaltsplans in Porto Alegre in Brasilien Modell, wenngleich Venezuelas Version noch weiter gehen sollte, indem die direkte Finanzierung kommunaler Programme durch einen speziellen nationalen Fonds ermöglicht werden sollte, der lokale Projekte finanziert; zudem sollten die Bürger direkt an lokalen Entwicklungsplänen beteiligt werden. Diese lokalen Planungsgremien haben jedoch im Allgemeinen nicht funktioniert. Entweder fanden Bürgermeister vor Ort Wege, sie zu kontrollieren, oder sie ignorierten sie. In vielen Fällen saßen sie und andere Beamte in diesen Gremien.
Ihr Scheitern wird darauf zurückgeführt, dass sie in Gemeinden mit Hunderttausenden von Einwohnern organisiert waren — viel zu groß für eine funktionierende direkte Demokratie —, und dass es sich anstelle von Graswurzelinitiativen um von oben verordnete Gremien handelte, weswegen es den Gemeinden an einer Methode zur Wahl echter Vertreter mangelte. Nachdem die Planungsräte gescheitert waren, wurden die Gemeinderäte ins Leben gerufen.
Dies waren die grundlegenden Bausteine des kommunalen Systems. Im Gegensatz zu dessen stadtweiter Struktur jedoch arbeiten die Kommunalräte auf Stadtteilebene und sind Gremien direkter Demokratie ohne Sitze für kommunale Amtsträger. Im Kern sind die Kommunalräte die Basis einer alternativen Regierungsstruktur mit dem Ziel, kommunale und andere Regierungen zu umgehen und diese schließlich zu ersetzen. Sie stellten einen Versuch dar, dem Konzept der „verfassungsgebenden Macht“ — der Idee, dass die Menschen direkt an Entscheidungen, die ihre Leben und ihre Gemeinden betreffen, beteiligt sein sollen — eine konkrete Form zu geben, im Gegensatz zur „festgelegten Macht“, bei der nur gewählte Amtsträger und Wirtschaftseliten an der Entscheidungsfindung beteiligt sind.
Betroffenheit als Voraussetzung für Entscheidungsfindung
Die 2006 verabschiedete Gesetzgebung erkannte die kommunalen Räte formell an, wonach diese schnell an Popularität gewannen — bis 2009 existierten schätzungsweise 30.000. Diese Räte werden in dicht besiedelten Stadtgebieten mit 200 bis 400 Haushalten und etwa 20 Haushalten in ländlichen Gebieten gebildet. Alle Einwohner des Gebietes sind zur Teilnahme berechtigt.
Die kommunalen Räte wiederum organisieren sich in größeren Gemeinden, die Gemeinden in kommunalen Städten, wo sie Projekte koordinieren, die für Stadtviertel zu groß sind, oder um Projekte zu organisieren, die zwangsläufig größer ausfallen — so zum Beispiel die Verbesserung der kommunalen Dienstleistungen.
Artikel 1 des Gesetzes über die kommunalen Räte besagt:
„Im Rahmen einer partizipativen und aktiven Demokratie sind es die Gemeinderäte, durch die die organisierten Massen die direkte Verwaltung der Politik sowie der Projekte übernehmen können, um den Bedürfnissen und Bestrebungen der Gemeinden beim Aufbau einer fairen und gerechten Gesellschaft gerecht zu werden.
Organisation, Betrieb und Tätigkeit der Gemeinderäte unterliegen den Grundsätzen von Mitverantwortung, Kooperation, Solidarität, Transparenz, Rechenschaftspflicht, sozialer Verantwortung, Fairness, Gerechtigkeit, sozialer Kontrolle und wirtschaftlicher Selbstverwaltung.“
In Artikel 3 werden die Gemeinderäte als ein „System der Beteiligung und Mitwirkung des Volkes“ beschrieben. Und wie in Artikel 4 festgeschrieben ist, sind die Teilnehmer zu „sozialer Mitverantwortung, Rechenschaftspflicht und der transparenten, rechtzeitigen und effektiven Verwaltung der ihnen zur Verfügung gestellten Gelder“ verpflichtet.
Alle über 15-jährigen Einwohner eines Gemeinderatsgebietes gehören der Gemeinderatsversammlung — dem höchsten Entscheidungsgremium — an. Die tägliche Arbeit des Gemeinderates wird von Ausschüssen erledigt, die sich den von der Gemeinde als vorrangig eingestuften Themen widmen. Die Versammlung wählt für jeden Ausschuss Sprecher, die keine Repräsentanten sind, sondern direkt rechenschaftspflichtig sowie abwählbar. Sie fällen keine eigenständigen Entscheidungen und werden für eine Amtszeit von höchstens zwei Jahren gewählt. Auch Ausschüsse für Finanzen und „soziale Kontrolle“ (Rechnungsprüfung) werden gewählt.
Mindestens 20 Prozent der über 15-jährigen Einwohner müssen bei einer Versammlung anwesend sein, damit diese beschlussfähig ist. Der Gemeinderat muss drei Projekte vorschlagen, die zur Entwicklung der Gemeinde beitragen; die Finanzierung der genehmigten Projekte erfolgt in der Regel durch staatliche Stellen. Etwa 12.000 Gemeinden erhielten 2006 aus einem nationalen Budget von 53 Milliarden insgesamt 1 Milliarde Bolívares (die Währung Venezuelas, Anmerkung der Übersetzerin), während 2007 etwa 6 Milliarden bereitgestellt wurden.
Die Gemeinderäte entstanden bereits und die Organisatoren drängten auf ein Gesetz, das sie kodifiziert. Eduard Daza, Aktivist aus Caracas, erklärt dazu:
„Es ist nicht so, dass der Präsident sagt, ‚hier ist ein neues Gesetz, ab jetzt wird es so gemacht‘. So war es nicht — wir gingen bis zur Nationalversammlung (dem Bundesgesetzgeber), um für das Gesetz über die Gemeinderäte zu kämpfen und obwohl viele der Forderungen nicht in das Gesetz aufgenommen wurden, hat uns das Gesetz dennoch den ersten Schritt ermöglicht.“
Projekte für Infrastruktur und grundlegende Dienstleistungen stellen in der Regel Prioritäten für die Gemeinderäte dar. Verbesserung von Wasser- und Abwassersystemen, Straßenbau und -reparatur, Instandsetzung oder der Bau von Häusern sowie Projekte zur Stromversorgung waren häufige Erfordernisse, mit denen sich befasst wurde. Aktivistengruppen in den Gemeinden unterstützten häufig die Gründung der Räte und Aktivisten und Räte arbeiten in der Regel zusammen. Viele Aktivisten sehen die Gründung von Räten als einen Weg zum Aufbau des Sozialismus. So heißt es in einem Manifest, das nach einem Treffen der Gemeinderatsmitglieder herausgegeben wurde:
„Wir als Gemeinderäte sind davon überzeugt, dass der schnellste Weg zum Aufbau des kommunalen Staates darin besteht, in wirtschaftlicher, politischer, militärischer, sozialer und kultureller Hinsicht auf lokaler Ebene die Macht zu übernehmen. Deshalb müssen wir als Block handeln, der uns einen höheren Organisations- und Koordinationsgrad verleiht — ist es doch von größter Wichtigkeit, dass wir eine Bewegung bilden, die uns als kommunaler Macht während des Prozesses des Aufbaus des Sozialismus in Venezuela eine Stimme, einen Körper und ein Gesicht verleiht.“
Eine interessante Entwicklung ist, dass viele — im Falle der von Forschern untersuchten Räte eine Mehrheit —, die eine aktive Rolle in den Gemeinderäten übernommen haben, vor dem gescheiterten Putsch von 2002 politisch nicht aktiv gewesen waren.
In der Regel überwiegen Frauen unter den aktiven Teilnehmern; oft übernehmen ältere Frauen die Führungsrolle. Die Kultur der Partizipation, die die Räte fördern, sowie die Tatsache, dass die bolivarische Regierung der Lösung sozialer Probleme und den Bedürfnissen der Armen weit mehr Aufmerksamkeit schenkt als frühere Regierungen, hat die Organisierung von Frauen erleichtert, deren neue Aktivitäten wiederum traditionelle Macho-Haltungen aufbrechen.
Ausgangspunkte für eine Beteiligung sind häufig Gesundheitsausschüsse, die sich mit Problemen wie Krankheit, Zugriff auf Verhütungsmittel und Mutterschaft auseinandersetzen. Sind die Frauen erst einmal eingebunden, melden sie sich für Kurse an, die von mehr Frauen als Männern besucht werden.
Eine stärkere Beteiligung wiederum führt zu einer stärkeren Einbeziehung der Gemeinde bei der Lösung sozialer Probleme, die zuvor hinter verschlossenen Türen verhandelt wurden. Hierzu sagt Petra Rivas, kommunale Aktivistin in Caracas und Friseurin, die im Sozialprüfungsausschuss ihrer Gemeinde saß:
„Mein Leben hat sich zu 100 Prozent verändert … ich habe mich sehr verändert … Mehr als alles andere sind wir menschlicher geworden, denn vorher ging es nur von der Haustür bis ins Haus hinein.
Man wusste nicht, was mit dem Nachbarn war oder mit der Nachbarin, deren Ehemann man die ganze Nacht trinken sah, während sie nichts zu essen hatte. Und wir haben uns eingemischt, wir sprachen mit der Frau: ‚Schau mal, wir bringen dich hier herein, schau deinen Mann an, mach den Mund auf, lass ihn dich nicht schlecht behandeln, dies Haus gehört der Frau, geh zum Staatsanwalt.‘“
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „The Prioritization of Human Health, Development and Self-Activity in Chavez-era Venezuela“. Er wurde von Gabriele Herb ehrenamtlich übersetzt und vom ehrenamtlichen Manova-Korrektoratteam lektoriert.
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