Der sicherheitspolitische Bericht 2021 analysiert das sicherheitspolitische Umfeld der Schweiz und seine künftige Entwicklung. Im sicherheitspolitischen Bericht 2021 werden folgende Punkte thematisiert:
2.3.1 Bedrohungen aus dem Cyberraum Cyberangriffe
2.3.2 Beeinflussungsaktivitäten und Desinformation
2.3.3 Terrorismus in der Schweiz
2.3.4 Gewalttätiger Extremismus
2.3.5 Bewaffneter Konflikt
2.3.6 Entwicklung und Weiterverbreitung von Waffensystemen
2.3.7 Verbotener Nachrichtendienst
2.3.8 Schwere und organisierte Kriminalität
2.3.9 Katastrophen und Notlagen
2.3.10 Sicherheitspolitische Aspekte der Migration
Das Problem der Sicherheit wird auf der Gegenseite verortet
Im Bericht zur Sicherheitspolitik der Schweiz werden die Probleme immer noch vor allem auf der Gegenseite verordnet, Bedrohungen von außen, Bedrohung durch innere Feinde, durch Extremisten und Terroristen, durch Spione, durch feindliche Cyberangriffe und Desinformation, durch Migranten.
Die Schweiz könnte aber durch ihr eigenes politisches und wirtschaftliches Verhalten selbst ein wenig dazu beitragen, um die Sicherheit unseres Landes und der Welt zu verbessern.
Die Schweiz mit 8,8 Millionen Einwohnern ist zwar ein sehr kleines Land. Mit den Banken und internationalen Konzernen mit Sitz in der Schweiz, mit den Milliarden aus dem Ausland auf Konten der Banken ist unser Land wirtschaftlich eine kleine Großmacht.
10 Milliarden Franken pro Jahr für die unnütze Armee (9,3 Milliarden Euro)
Im Jahr 2020 betrugen die Militärausgaben der Schweiz rund 5,35 Milliarden Schweizer Franken, das entspricht etwa 5 Milliarden Euro. Durch verdeckte Kosten kommen nochmals schätzungsweise 5 Milliarden Franken, das entspricht etwa 4,6 Milliarden Euro, dazu: Aufwendungen von Gemeinden und Kantonen, Versicherungen, besondere Rentenleistungen, Schließlich verursacht die Armee einen großen volkswirtschaftlichen Schaden dadurch, dass sie die Angestellten und selbständig Erwerbenden während ihrer Kriegsdienstpflicht von ihren Arbeitsplätzen fernhält.
Milliarden für US F-35 Tarnkappenbomber und US-Luftabwehrsystems Patriot
Der Schweizer Bundesrat hat kürzlich beschlossen, dem Parlament die Beschaffung von 36 Tarnkappenbomber des Typs F-35 des US-Herstellers Lockheed Martin zu beantragen. Außerdem will die Regierung 5 Einheiten des Luftabwehrsystems Patriot des US-Herstellers Raytheon beschaffen. Eine Allianz aus Grünen, der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz und Friedensorganisationen wird mittels Volksinitiative einen Kauf von US-Tarnkappenbomber verhindern, sobald das Parlament dem Kauf der Flugzeuge zustimmt.
Kosten: 36 Tarnkappenbomber des Typs F-35: 5,068 Milliarden Franken, das entspricht in etwa 4,7 Milliarden Euro. Für einen F-35 wird die Schweiz damit 141 Millionen Franken, entsprechend etwa 130,6 Millionen Euro, bezahlen. Die Gesamtkosten für die F-35, welche aus den Beschaffungs- und den Betriebskosten bestehen, sollen beim F-35 über 30 Jahre gerechnet rund 15,5 Milliarden Franken, entsprechend etwa 14,4 Milliarden Euro betragen.
Kosten: 5 Einheiten des Luftabwehrsystems Patriot: 1,970 Milliarden Franken. Die Gesamtkosten aus den Beschaffungs- und den Betriebskosten sollen beim Patriot-System über 30 Jahre gerechnet rund 3,6 Milliarden Franken, entsprechend etwa 3,3 Milliarden Euro, betragen.
Wohnungen und Solarpanel statt F-35 Tarnkappenbomber
5,068 Milliarden Franken, etwa 4,7 Milliarden Euro, für 36 Tarnkappenbomber Typs F-35. Das macht 141 Millionen Franken, etwa 130,6 Millionen Euro, pro Stück. Mit dem Geld eines F-35 könnte man in der Schweiz 252 komfortable 4-Zimmer Wohnungen für 400.000 Franken, also 370.000 Euro, bauen. Oder: Die Banknoten, die für ein F-35 Jet den Amerikanern hingelegt werden, würden reichen, um Solarpanels zu montieren, die 13.890 Haushaltungen mit Strom versorgen könnten. 40 m2 Solarpaneels pro Haushalt die rund 10.000 Franken, etwa 9259 Euro, kosten.
Kampfjets: so überflüssig wie Stadtmauern
Kampfflugzeuge im Zeitalter der tief fliegenden Cruise Missile, Drohnen, Raketen anzuschaffen, ist auch militärisch so daneben wie der Bau von Stadtmauern nach der Erfindung von Kanonen. Bevor solche Jets in Kriegsfall in der Eidgenossenschaft Wilhelm Tells starten, würden sie am Boden zerstört, wie 1967 die ägyptischen Kampfjets durch Israel im Sechstagekrieg.
Die Schweiz ist auch zu klein für Kampfflugzeuge: Quer durch die Schweiz von Genf bis nach Strada im Engadin sind es nur 286 Kilometer. Von Basel bis nach Chiasso im Tessin beträgt die Distanz nur 137 Kilometer. Ein US-Tarnkappenbomber F-35, der mit einer Geschwindigkeit von Mach 1,6, mit 1.975,68 Kilometern pro Stunde fliegt, durchquert die Schweiz von West nach Ost in 8,7 Minuten, von Nord nach Süd in 4,2 Minuten.
Die Unterbrechung von Öl-, Gas und Uranlieferungen aus dem Ausland im Kriegsfall könnte die Schweizer Armee nicht verhindern, auch nicht durch Kampfjets. Mit den 5,068 Milliarden Franken, also 4,7 Milliarden Euro, die die neuen US-Tarnkappenbomber kosten sollen, könnte man in der Schweiz zehntausende Wärmepumpen und Solarzellen installieren, Wind-, Bio- und Geothermieanlagen bauen und so in Krisenzeiten unabhängiger werden.
Grundsätzliches: Zum traditionellen Verständnis der Sicherheit des Staates
Kerstin Deibert und Simon Bödecker der deutschen Organisation „Ohne Rüstung leben“ schreiben:
„Der Ausgangspunkt für das traditionelle Verständnis ist die Sicherheit des Staates. Seit Jahrhunderten herrscht diese Denkart vor: Vom Limes der Römer (Grenzwall des römischen Reiches gegen Norden) über Stadtmauern und Burggräben bis hin zur EU-Grenzschutzagentur Frontex. Ziel ist es, das eigene Territorium und die Bevölkerung von Bedrohungen durch andere Staaten und Individuen zu schützen.
Das zu lösende Problem und seine Ursachen werden auf der Gegenseite verortet — also beispielsweise in ein Nachbarland. Folglich sind kontinuierliche Aufrüstung und gegebenenfalls Gewalt notwendig, um die eigene Sicherheit zu verteidigen. Die Theorie: Je größer der Verteidigungsapparat, desto größer die Sicherheit“ (2).
Frieden schaffen ohne Waffen: Vor der eigenen Türe wischen
Wie könnte unser Land selbst die Sicherheitslage der Schweiz und der Welt verbessern? Dazu werde ich drei Punkte erläutern:
- Stopp der Ausbeutung der Dritten Welt
- Stopp der Finanzierung von Rüstungskonzernen
- Stopp der Kriegsmaterialexporte
Also auch vor der eigenen Türe wischen.
1. Stopp der Ausbeutung der Dritten Welt durch Schweizer Konzerne und Banken
Die Schweiz steht heute auf Platz 1 der Länder, die ausländische private Vermögen verwalten. Auf 2.400 Milliarden US-Dollar werden diese Vermögen von ausländischen Kunden geschätzt, deren Geld im „Paradies“ Switzerland Asyl gefunden hat. Zum Vergleich: In den USA wurden nur ausländische Vermögen im Wert von 900 Milliarden US-Dollar in Sicherheit gebracht (3).
Viele multinationale Unternehmen sind in der Schweiz beheimatet. Pro Kopf der Bevölkerung zählt unser Land weltweit die höchste Dichte an international tätigen Firmen und ist Nummer 2, was die Direktinvestitionen im Ausland betrifft. Zu den von der Schweiz aus operierenden Firmen zählen bekannte Namen wie Nestlé, Novartis, Holcim, Roche, Syngenta, Triumph, Glencore, Vitol, Trafigura, Cargill und Gunvor. Diese müssten ihre Verantwortung zur Achtung der Menschenrechte wahrnehmen: gerechte Löhne, menschenwürdige Arbeitsbedingungen, keine Kinderarbeit, keine Verschmutzung der Umwelt und Profite nicht ins Ausland abzügeln aus Ländern, in denen sie tätig sind.
Mit Recherchen und Kampagnen engagiert sich die Organisation Public Eye (früher Erklärung von Bern) seit Jahrzehnten für faire Wirtschaftsbeziehungen (4). Public Eye war auch maßgeblich an der Konzernverantwortungsinitiative beteiligt (5).
Public Eye schreibt zum Thema internationale Konzerne:
„Die Schweiz beherbergt nicht nur die weltweit größten Händler von Öl, Kohle, Erzen und Metallen, sie ist auch ein bedeutender Handelsplatz für Agrarrohstoffe wie Kaffee, Kakao, Zucker oder Getreide. Die Geschäfte laufen praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit ab.“
Die Erklärung von Bern: „Nestlé tötet Babys“
Die Erklärung von Bern, heute Public Eye, wurde 1974 bekannt durch die Kampagne „Nestlé tötet Babys“. Nestlé verkaufte damals Milchersatz-Produkte, mit denen angeblich „die Säuglings-Sterblichkeit in den Entwicklungsländern wirksam bekämpft“ werden konnte.
Nestlé wurde vorgeworfen, durch irreführende Werbung Mütter zu veranlassen, ihre Babys, anstatt sie selbst mit ihrer eigenen gesunden Milch zu stillen, mit künstlicher Nahrung zu versorgen. Das führte mit dem oft nicht vorhandenen sauberen Wasser in armen Ländern zur Aufbereitung des Milchersatzes zu einer höheren Säuglingssterblichkeit (6).
2. Stopp der Finanzierung von Rüstungskonzernen
Die Schweizerische Nationalbank, Banken, Versicherungen und Pensionskassen unseres Landes investieren Milliarden in Rüstungskonzerne und finanzieren Waffengeschäfte. — Für wie viele Milliarden ist nicht bekannt. — Bekannt hingegen ist, dank Recherchen von ICAN, der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen, dass im Jahr 2019 schweizerische Geldhäuser für 8,983 Milliarden US-Dollar in Konzerne investierten die Atomwaffen herstellen (7).
ICAN schreibt:
„Das Schweizer Banken Geld in die Weiterentwicklung von Massenvernichtungswaffen investieren, ist umso erstaunlicher, als dies in der Schweiz verboten ist. Seit der Revision des Kriegsmaterialgesetzes (KMG) vom 1. Januar 2013 gibt es ein gesetzliches Finanzierungsverbot von verbotenen Waffen. Darunter fallen auch Atomwaffen, welche in Art. 7 Abs. 1 lit. a KMG aufgeführt sind“ (8).
Die Gefahr eines allesvernichtenden Atomkrieges ist heute größer denn je: Die Weltuntergangsuhr, die Atomkriegsuhr steht heute 100 Sekunden vor Mitternacht, vor dem Ausbruch eines Atomkrieges, wie die Wissenschaftler der Zeitschrift Bulletin of the Atomic Scientists sagen. In den letzten 70 Jahren hatten wir wiederholt Glück, dass es nie zu einem atomaren Schlagabtausch der Großmächte gekommen ist (9).
Die Schweiz investiert pro Kopf der Bevölkerung 7,2-mal mehr in die Atomwaffenindustrie als Deutschland
2019 investierten schweizerische Geldhäuser für 8,983 Milliarden US-Dollar in Konzerne, die Atomwaffen herstellen. Zum Vergleich die Finanzinstitute Deutschlands, ein Land mit 84,3 Millionen Einwohnern, platzierten 2019 11,759 Milliarden US-Dollar in die Atomwaffenindustrie. Die Schweiz hat 8,8 Millionen Einwohner. Pro Kopf der Bevölkerung investierte die Schweiz also 2019 1021 US-Dollar in Atomwaffenkonzerne und Deutschland 141 US-Dollar.
3. Stopp der Kriegsmaterialexporte
Im Jahr 2020 hat die neutrale Schweiz für 901,2 Millionen Schweizer Franken, das heißt 834,4 Millionen Euro, an Kriegsmaterial exportiert, laut den Zahlen des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO). Das sind 24 Prozent mehr als 2019. 2019 waren es 727,96 Millionen, also 674 Millionen Euro. Schon 2019 verkaufte Helvetien 43 Prozent mehr Rüstungsgüter als 2018. 2018 waren es 509,88 Millionen, entsprechend 472.1 Millionen Euro. Wie seit Jahren wurden diese Rüstungsgüter wieder hauptsächlich an die immer wieder kriegführenden Nato-Staaten verkauft, an menschenrechtsverletzende Regimes und an Länder, in denen Menschen hungern und verhungern.
Laut Berechnungen, auf Grund der Zahlen des Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI), stand die Schweiz von 2010 bis 2020 mit ihren Kriegsmaterialexporten, den Großwaffen, pro Kopf der Bevölkerung weltweit an fünfter Stelle. Nur Israel, Russland, Schweden und die Niederlande exportierten pro Kopf der Bevölkerung gerechnet mehr Großwaffen.
Siehe auch (10): „Heute: Milliarden für Militär und Rüstung und Millionen Menschen hungern. Ist Frieden machbar?“
Mit Kriegsmaterialexporten kann nicht Sicherheit und Frieden geschaffen werden. Die Schweiz, Sitz des IKRK, des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, und von UNO-Organisationen in Genf sollte keine Rüstungsgüter exportieren.
Schweiz fällt anderen Ländern zu Last, behindert ihre Entwicklung.
Bild: Screenshot aus der Internetplattform Info Sperber
Im Sicherheitspolitischen Bericht des Bundesrates wird nicht erwähnt, dass die Schweiz anderen Ländern zur Last fällt, arme Länder stark an der Umsetzung der UNO-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklungsziele behindert, wie Markus Mugglin auf Info Sperber schreibt (11).
Eine Alternative zur traditionellen Sicherheitspolitik könnte in der Schweiz bedeuten, einige Punkte der Politik und der Wirtschaft zu verändern, auch im Sinne der UNO-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (12).
Punkt 3 der UNO-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, Gesundheit und Wohlergehen und Punkt 4: Chancengleichheit und hochwertige Bildung.
Mit einem kleinen Bruchteil der weltweiten Ausgaben für Rüstung und Militär könnte man ermöglichen, dass alle Kinder eine Schule besuchen und alle Mütter mit ihren Kindern medizinisch betreut werden könnten, zum Beispiel in Somalia. In diesem Land können nur 40 Prozent der Kinder eine Schule besuchen. Somalia hat eine der höchsten Mütter- und Kindersterblichkeit der Welt. Die Lebenserwartung ist aufgrund der Ausbreitung von vermeidbarer Krankheiten, oft nicht vorhandenen sanitären Einrichtungen, von chronischer Unterernährung und unzureichender Gesundheitsversorgung niedrig. Seit über dreißig Jahren arbeitet die Organisation Swisso Kalmo in Somalia (13).
Quellen und Anmerkungen:
(1) https://www.vbs.admin.ch/de/themen/sicherheitspolitik/sicherheitspolitische-berichte/sicherheitspolitischer-bericht-2021.html
(2) https://www.ohne-ruestung-leben.de/ueber-uns/zeitung-ohne-ruestung-leben-informationen.html
(3) „Millionäre suchen Zuflucht in der Schweiz“, Albert Steck, NZZ am Sonntag, 13. Juni 2021
(4) www.publiceye.ch/de/
(5) https://konzern-initiative.ch/
(6) https://de.wikipedia.org/wiki/Nestl%25C3%25A9_t%25C3%25B6tet_Babys
(7) https://public.tableau.com/profile/ican.switzerland#!/vizhome/DontBankOnTheBomb-CH2019/SwissFinancialInstitutionsBankingOnTheBomb-2019
(8) https://fedlex.data.admin.ch/filestore/fedlex.data.admin.ch/eli/cc/1998/794_794_794/20130201/de/pdf-a/fedlex-data-admin-ch-eli-cc-1998-794_794_794-20130201-de-pdf-a.pdf
(9) https://de.wikipedia.org/wiki/Atomkriegsuhr
(10) Heute: Milliarden für Militär und Rüstung und Millionen Menschen hungern, Ist Frieden machbar?, Heinrich Frei
(11) Die Schweiz fällt anderen zur Last, infosperber
(12) https://www.eda.admin.ch/agenda2030/de/home/agenda-2030/die-17-ziele-fuer-eine-nachhaltige-entwicklung.html
(13) https://www.swisso-kalmo.ch
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