In diesem Jahr war es wieder soweit: Im südkoreanischen Pyeongchang fanden die 23. Olympischen Winterspiele statt. Bereits im Jahr 2011 wurden das gastgebende Land und die Stadt bekanntgegeben, die das größte Sportevent des Wintersportes ausrichten sollten.
Dem Gastgeber blieben somit einige Jahre zur Vorbereitung auf die Winterolympiade. Für die Ausrichtung ist diese Vorbereitungszeit auch unbedingt notwendig. Ein solches sportliches Ereignis ist schließlich eine Möglichkeit für jede Stadt, sich einen Namen auf der Weltkarte zu machen.
Es werden die besten Sportgrößen aller Nationen erwartet sowie viele Zuschauer, die ihre Sporthelden begeistert bejubeln und unterstützen.
Damit die Sportler jedoch im Sommer sowie im Winter ihre Höchstleistungen erbringen können, brauchen sie die entsprechenden Sportanlagen. Sie brauchen Sporthallen, Stadien, Sprungschanzen, Sandplätze sowie künstlich erschaffene und natürliche Gewässer. Sie brauchen Unterkünfte, auch für die Betreuer, Medienvertreter und Zuschauer.
Doch das ist noch lange nicht alles. Benötigt werden zudem Verkehrswege und die entsprechenden Verkehrsmittel, damit eine riesige Zahl von Personen zwischen den verschiedenen Orten hin- und herwechseln kann, und eine Menge neue Infrastruktur. Die Errichtung neuer Wettkampfstätten, der Bau von Hotels und Hostels sowie die Sanierung und Fertigung bestehender und neuer Verkehrsnetze sind die wesentlichsten Kostenfaktoren für die Ausrichter der Olympischen Spiele.
Die Kosten für die benötigte Sportinfrastruktur und die allgemeine Infrastruktur sollen sich für Pyeongchang auf insgesamt 10,1 Milliarden Euro belaufen. Dies ist für zwei Wochen Winterolympiade und anschließend zwei Wochen Paralympics verdammt viel Geld.
Diese stattliche Summe müssen die Gastgeber während und nach den Festlichkeiten weiterhin erwirtschaften. Das Ziel ist schließlich, zumindest kostendeckend zu wirtschaften, damit Stadt und Investoren keine Verluste machen. Die Realität ist hart und nicht immer ist alles Gold, was glänzt. Oft genug stellt sich bei der Vorbereitung der olympischen Ereignisse scheinbar niemand die Frage: Was kommt nach den farbenfrohen Olympischen Spielen?
Megalomanisches Ausmaß
Die Probleme für die Betreiber und Investoren der riesigen Sportanlagen in und um Pyeongchang werden nach den Winterspielen erst richtig Fahrt aufnehmen.
So könnten beispielsweise die prächtigen Skisprungschanzen hoch über dem Alpensia Resort von Pyeongchang nun weit ins Abseits großer Sportevents gerückt sein. Für die kommende Weltcup-Saison der Skispringer ist ein Wettbewerb dort jedenfalls nicht vorgesehen. Dadurch geht vor allem die Anziehungskraft dieser Sportstätten verloren und die Weiterfinanzierung einer solchen Skisprunganlage wird deutlich schwerfälliger.
Des Weiteren bleibt auch das Eröffnungsstadion nicht lange im derzeit erbauten Zustand. Es wurde lediglich für die Eröffnungs- und Abschlussfeier der Olympischen sowie der Paralympischen Spiele erbaut und soll anschließend zum Teil abgerissen und umgebaut werden. Die Haupttribüne soll in ein Museum umgewandelt werden. Es ist wenig verständlich, weshalb circa 80 Millionen Euro für den Bau eines neuen Stadions gezahlt wurden, um schlussendlich einen Teil davon wieder abzureißen.
Doch Pyeongchang ist keine Ausnahme. Die Geldbeträge für viele dieser Sportstätten sind gigantisch. Dagegen ähnelt die Nutzung dieser Anlagen eher einer Farce. Schon für die Olympischen Sommerspiele 1972 in München wurden einzig für Unterkünfte und Stadien (Sport-relevante Kosten) mehr als 1 Milliarde Euro investiert. Vier Jahre später in Montreal waren es rund 6 Milliarden Euro und 1992 in Barcelona stiegen die Kosten weiter an: auf 9 Milliarden Euro.
Doch es ist äußerst verantwortungslos, wie die Veranstalter und Staaten mit Geld umgehen. Die enorm kostspieligen Gebäude werden fast ausnahmslos für einzelne Sportereignisse erbaut und über deren anschließende Nutzung zerbricht sich bei der Planung der Olympiade scheinbar kaum jemand den Kopf. Für das Internationale Olympische Komitee und die ausrichtenden Staaten steht einzig und allein der Höhepunkt der Olympischen Spiele im Fokus.
Das Internationale Olympische Komitee präsentiert seinen Egoismus in einem beschämenden Stil. Viele Städte lassen sich für das größte Sportereignis missbrauchen, ohne die Folgen abschätzen zu können. Spitzensportler sollen während der sportlichen Wettkämpfe die Erfolgsgeschichte ihres Lebens schreiben. Das ausrichtende Land und die gastgebende Stadt kreieren dagegen aus Naivität eine finanzielle Tragödie.
Beispiele für diese Problematik gibt es zuhauf. Im Jahr 2004 fanden die Olympischen Sommerspiele in der griechischen Hauptstadt Athen statt. Für einige Wochen blickte die gesamte Welt nach Athen, um den Sportgrößen zuzujubeln und mit großer Begeisterung die Leistungen der Athleten zu verfolgen. Nach den Spielen wandte sich dieser Blick schnell wieder ab.
Es blieben jedoch die Ruinen des Größenwahns. Pompös werden die Olympischen und Paralympischen Spiele eröffnet. Die Präsentation der Spiele und die Atmosphäre sollen ein Bild der weltweiten Verbundenheit darstellen: die Welt als eine friedliebende Gemeinschaft. Aber es sind Heucheleien, die das Internationale Olympische Komitee den Sportlern und Zuschauern verkaufen will.
Jedes nachfolgende Olympia-Spektakel soll das vorherige Fest um Längen übertrumpfen. Die meisterlich-konstruierten Sportstätten sind gigantische Bauwerke von megalomanischem Ausmaß mit ungewisser Zukunft. Die Olympischen Sommerspiele sollen Griechenland wohl 11,2 Milliarden Euro gekostet haben; manche Schätzungen gehen sogar von etwa 20 Milliarden Euro aus.
Ein Großteil des Geldes wurde sicherlich, wie in Pyeongchang, auch in Athen in die Infrastruktur investiert. Dennoch ist der anschließende Nutzen fast schon bedeutungslos. Die Bewohner der Stadt und des Athener Umlandes verfügen nur über einen neuen Flughafen und eine Ringautobahn. Des Weiteren wurde auch das Bahnnetz ausgebaut.
Jedoch bleibt vieles von den ehemaligen Sportstätten weitgehend ungenutzt. Das Olympia-Gelände ist zu einer brachliegenden Fläche geworden. Die Turmsprunganlage ist aufgrund der Dürre im Wasserbecken nicht nutzbar.
Das Olympiastadion rostet und bei Fußballspielen zerlegen es griechische Fans noch zusätzlich in seine Einzelteile. Die Beachvolleyballarena ist zu einer Sandwüste verkommen und das Wildwasser-Kanubecken wird auch längst nicht mehr genutzt.
Athen ist und bleibt bei Weitem nicht das einzige Beispiel für eine Misswirtschaft und den verständnislosen Umgang mit Geld.
Kein durchdachter Plan der Weiternutzung
Mit Sorge sollte auch Rio de Janeiro betrachtet werden. Noch vor knapp zwei Jahren sprühte Brasilien nur so vor Aufbruchstimmung. Aufgrund der Fußballweltmeisterschaft sowie der Olympischen Sommerspiele prophezeiten die Medien und die brasilianische Regierung der Bevölkerung des Landes die Erlösung aus einem kriselnden Staat. Finanzielle Probleme wurden damals allzu oft ins Abseits gedrängt und jedes Fünkchen an Zweifel niedergeschwatzt. Das Ergebnis bleibt dennoch ernüchternd.
Der Olympiapark ist lediglich sonnabends und sonntags für Besucher geöffnet. Laut einem Bericht der FAZ „sollten mehrere Beachvolleyballfelder auf dem großen Areal entstehen, die Arena Carioca 3 (hier fanden Fechten und Taekwondo statt) in eine Schule für 850 Schüler umgebaut werden – Arenen wie das Velodrome sollten als Leistungssportzentrum genutzt werden. Aber: Es fand sich kein Investor, die Sportstätten fristen ein ungenutztes Dasein, die Pläne sind nur welche auf dem Papier.“
Die Kanustrecke in der brasilianischen Stadt Deodoro wurde nach der Sommerolympiade 2016 als gigantisches Volks-Schwimmbad eröffnet, dennoch fehlt dieser Attraktion nun das Geld für die Unterhaltung und das Schwimmbad wurde schließlich wieder geschlossen.
Das Maracana-Stadion ist ebenso zu einem Symbol der Leere geworden. Für Touristen ist die weltweit bekannte Fußballarena geschlossen. Der Grund: Es fehlt ein Betreiber für das riesige Stadion. Der Baukonzern Odebrecht besitzt die mehrheitlichen Anteile an dieser Sportstätte und will das Stadion aufgrund von Sparmaßnahmen loswerden.
Dennoch fehlt dem Konzern ein passender Abnehmer, solange die Schäden im Maracana-Stadion nicht beseitigt werden.
Weitere Sinnbilder für die Fehlplanung sind das leer stehende Olympia-Schwimmbecken sowie die erst zum Teil verkauften Wohnungen des Olympischen Dorfes. Einzig das ausgebaute Nahverkehrsnetz mit einer neu entstandenen Metrolinie ist als bauplanerischer Erfolg hervorzuheben.
Der Münchener Professor für Raumentwicklung, Alain Thierstein, erklärte im Handelsblatt: „Das Problem bei der Planung von Großevents liegt oft darin, dass man keinen durchdachten Plan für die Weiternutzung von Infrastrukturen hat.“ Des Weiteren meinte er, dass beispielsweise das olympische Dorf als späterer Wohnraum für die städtische Bevölkerung oftmals zur Nutzung nur unzureichend geeignet ist. Eine schlechte öffentliche Anbindung und mangelhafte Bauqualität ließen ein dauerhaftes Wohnen kaum zu.
Das Betreiben der Stadien und weiterer Sportstätten wäre nach Alain Thierstein eine zusätzliche Herausforderung, die kaum zu meistern sei, da die Infrastruktur für diverse Sportarten fern von den großen Sportereignissen in den Städten kaum Professionalität besäße (6).
Die Olympischen Spiele werden für die gastgebenden Städte und Staaten statt eines Traumes mehr und mehr zu einem Albtraum. Die Finanzierung und Erhaltung kostet ein Vermögen. Pläne der Weiternutzung sind nur auf Papier verfasst und können aufgrund fehlender finanzieller Mittel meist nicht verwirklicht werden.
Das Leiden der Natur
Die Olympischen Spiele haben dennoch nicht nur ökonomische Folgen. Es leidet wahrlich auch die Umwelt durch den Bau der Sportstätten.
Besonders bei Olympischen Winterspielen erfolgen immense Eingriff in die Natur. Für die Winterolympiade in Albertville, Frankreich, wurden 1992 in der kleinen Ortschaft Courchevel 5.500 Bäume für die Skisprungschanzen gefällt. Sechs Jahre später in Nagano, Südkorea, fielen einer neuen Bobbahn 5.000 Bäume zum Opfer.
Ein Lärchenwald von 28 Hektar musste der Bobanlage in Turin, Italien, im Jahr 2006 weichen. Zudem hatten die Organisatoren einen Flusslauf umgeleitet und 1.400 Quadratmeter Boden versiegelt, um dort eine Skisprunganlage zu errichten.
Für die Olympischen Winterspiele in Pyeongchang erfolgten ebenso riesige Einschnitte in die ökologische Landschaft. Auf dem Berg Gariwang wurden laut Angaben der südkoreanischen Regierung etwa 50.000 Wangsasre-Birken gerodet. Umweltaktivisten sprechen sogar von mehr als 120.000 Bäumen.
Diese Baumart lies König Sejong der Große im 15. Jahrhundert pflanzen. Einige der gefällten Bäume waren vermutlich 500 Jahre alt und dienten geschützten Tierarten als Rückzugsgebiet. Die Wangsasre-Bäume überstanden selbst die Rodungen während der Kolonialzeit von Südkorea sowie den brutalen Koreakrieg. Für die Olympischen Winterspiele mussten die Birken allerdings weichen.
Auf dem gerodeten Gebiet entstand die Abfahrtstrecke der Skisportler. Nach der Olympiade ist eine Weiternutzung nicht angedacht. Vermutlich werden die Seilbahnen und die Flutlichtmasten wieder abgebaut. Die Wiederaufforstung des Areals ist nicht in Sicht, da dies wohl zu teuer ist. Diese Abfahrtstrecke wird nun wohl der dort noch bestehenden Flora und Fauna überlassen.
In Sarajewo in Serbien, dem Austragungsort der Olympischen Winterspiele von 1984, holt sich die Natur bereits ihre großen Verluste zurück. Einige Jahre nach dem dortigen olympischen Sportevent begann der Krieg in der Region des ehemaligen Jugoslawien. Davon war schließlich auch die serbische Hauptstadt Sarajewo betroffen.
Großereignisse des Sports sind rücksichtslose Trauerspiele, die von einem Wahn des olympischen Traumes getrieben werden. Ökosysteme, die sich über Jahrhunderte entwickelt haben, werden für ein paar banale Sportspiele beschädigt oder komplett zerstört. Die Folgen für die Natur sind oftmals nicht abschätzbar und das Umweltbewusstsein des Internationalen Olympischen Komitees ist – wenn überhaupt – nur sekundär vorhanden.
Im Jahr 2006 hatte dieses Komitee festgelegt, die Austragungsorte für Olympia auch nach Natur- und Umweltschutzaspekten auszuwählen. Nach der Olympischen Charta hat das Internationale Olympische Komitee die Aufgabe, mit Umweltbelangen verantwortungsvoll umzugehen und diese sogar zu unterstützen.
Bereits die Winterolympiade in Sotschi 2014 geriet allerdings aufgrund der mangelhaften Einhaltung von Umweltstandards in Verruf. In Nationalparknähe wurden Mülldeponien errichtet, neu erbaute Straßen und Eisenbahnstrecken entstanden zu Lasten der umliegenden Wälder. Schon damals überwachte das Internationale Olympische Komitee Umweltschutzmaßnahmen nur unzulänglich.
Fazit
Was bleibt, sind Verluste. Die großen Bauten der Olympischen Spiele in vielen Städten und Staaten werden nach dem Sportereignis nur dürftig weitergenutzt. Es ist daher kein Wunder, dass das Internationale Olympische Komitee derartig große Probleme hat, Bewerber für die Ausrichtung dieser Sportveranstaltungen zu finden.
Die Kosten für den Bau sind bereits außergewöhnlich hoch. Die Nutzung nach der Olympiade ist eine Qual und oftmals auch ein Desaster für die ehemaligen Gastgeber. Es sind meist nur die Verkehrsnetze, die wirklich nützlich sind für das Land und ihre Bürger.
Hintangestellt wird auch die Natur. Dem olympischen Größenwahn fällt jene natürliche Fläche zum Opfer, die dem Traum dieser Gigantomanie im Wege steht. Es herrscht ein rücksichtsloses Agieren unter leeren Versprechungen zu Umweltstandards. Das Großevent soll schließlich überdimensional ausfallen und da stört die Natur mit ihrem Artenreichtum nur.
Das Internationale Olympische Komitee arbeitet im Zeichen des Sportes mit Mitteln, die Staaten in den Ruin treiben können. Der offensichtliche Preis dafür sind internationale Anerkennung und Touristen für einige Wochen.
Aber der eigentliche Preis des herben Egoismus sind verfallende Sportstätten und eine zerstörte Natur.
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